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Nr. 12« Freitag de« 2. Juni 1S33 SI. Jahrgang
Amtsblatt für den Oberamtsbezirk Neuenbürg
Druck und Verlag der Meeh'schen Buchdruckerei (Inhaber Fr. Biesinger). Für die Schristleitung verantwortlich Fr. Biesinger in Neuenbürg.
Ser ArheitSbeiAMmgSplm»
Belebung der Mafchiueniudustrie — Berschwlegene Spende« der Steuerdelinquenten Ehestaudshilfe der Ledige« zur Finanzierung der Ehestandsdarlehen
Berlin, 1. Juni. Nachdem das Reichskabinett in seiner letzten Sitzung einen Gesetzentwurf zur Verminderung der Arbeitslosigkeit verabschiedet hat, machte am Donnerstag Staatssekretär Reinhardt vom Reichsfinanzministerium nähere Mitteilungen über den Inhalt dieses vom Reichsfinanzministerium vorgeschlagenen Gesetzes. Es umfaßt sechs Abschnitte: 1. Arbeitsbeschaffung, 2. Steuerfreiheit für Ersatzbeschaffnngen,
3. freiwillige Spenden zur Förderung der nationalen Arbeit,
4. Ueberführung weiblicher Arbeitskräfte in die Hauswirtschaft,
5. Förderung der Eheschließungen sowie schließlich 6. Bestimmungen über die Durchführung und Ergänzungen.
Staatssekretär Reinhardt äußerte sich zunächst über die Steuerfreiheit für Ersatzbeschaffungen.
Es ist, wie er betont, vorgesehen, daß Aufwendungen für die Anschaffung oder Herstellung von Maschinen, Geräten und ähnlichen Gegenständen des gewerblichen oder landwirtschaftlichen Anlagekapitals im Steuerabschnitt der Anschaffung oder Herstellung voll von dem Einkommen bei der Steuerberechnung abgezogen werden können. Voraussetzungen dafür sind, daß der neue Gegenstand inländisches Erzeugnis ist, daß her Steuerpflichtige ihn nach dem 30. Juni 1933 und bis zum Ablauf des Jahres 1934 angeschafft oder hergestellt hat, daß der neue Gegenstand ersetzt und daß schließlich die Verwendung des Gegenstandes nicht zu einer Minderbeschäftigung von Arbeitnehmern führt. Es soll mit dieser'Maßnahme eine ansehnliche Belebung der deutschen Maschineninüustrie erreicht werden.
Was weiter die
Spenden zur Förderung der nationalen Arbeit
anbelangt, so verwies der Staatssekretär auf die zahlreichen Gesuche um eine Steueramnestic von Leuten, die glauben, irgendwie sich der Steuerhinterziehung schuldig gemacht zu haben. Es soll diesen Volksgenossen die Möglichkeit gegeben werden, die Steuern nachzuzahlen, ohne daß sie der Gefahr einer Bestrafung ausgesetzt sind Es ist vorgesehen, daß jeder bei einem Notar einen Betrag als freiwillige Spende zur Förderung der nationalen Arbeit einzahlen kann. Der Notar leitet diesen Betrag an das Finanzamt weiter, ohne den Namen des Spenders zu nennen, den das Finanzamt nicht erfährt. Das Finanzamt quittiert über den Betrag, der Notar gibt die Quittung dem Spender.
lieber diese verschwiegenen Spenden hinaus ist eine offene freiwillige Spende vorgesehen. Auch wer keine Steuern hinterzogen hat oder hinterzogen zu haben glaubt, soll freiwillig zur Förderung der nationalen Arbeit spenden. Er bekommt einen Spendenschein und darf diesen Betrag von seinem steuerpflichtigen Einkommen abziehen. Die aus Leid en Spenden - arten aufkommenden Beträge werden ausschließlich für Zwecke der Arbeitsbeschaffung Verwendung finden.
Die Bestimmungen über die
Ueberführung weiblicher Arbeitskräfte in die Hauswirtschaften
befreien Hausgehilfinnen von der Arbeitslosenhilfe und setzen sie beim Haushaltsvorstand in einkommensteuerlicher Hinsicht einem minderjährigen Kinde gleich.
Staatssekretär Reinhardt beschrieb dann die Maßnahmen, die zur
Förderung der Eheschließungen
ergriffen werden. Es soll jungen Leuten, die heiraten wollen, em zinsloses Ehestands-Darlehen im Betrage bis zu 1000 Mark gegeben werden. Voraussetzung dabei ist,' daß die künftige Ehefrau in den letzten zwei Jahren mindestens sechs Monate rn emem Arbeitnehmerverhältnis gestanden hat. aus ihrer gegenwärtigen Stellung ausscheidet und die Verpflichtung übernimmt ein Arbeitsverhältnis erst nach Tilgung des Dar- leyens wieder aufzunehmen. Die Tilgung des Darlehens erfolgt mit 1 v. H. Die Mittel für die Ansgabe der Bedarfs- deckungsscherne werden aufgebracht durch eine Ehestands-Hilfe, Et ^digen Männer und Frauen bedacht werden.
L,er bisherige Ledigenzuschlag wird mit Wirkung vom 1. Juli wegfallen und durch die Ehestands-Hilfe ersetzt werden. Staatssekretär Remhardt ist der Ansicht, daß auf diesem Wege im ersten Jahr mindestens 150 000 Ehen finanziert werden können.
^ . Reinhard! beschäftigte sich sodann mit dem ersten Kapit des Gesttzes zur Verminderung der Arbeitslosigkeit, nämlü Mit der Arbcstsbeschastung. Zur
Förderung bau Jnstandsetzungsarbeitcn
an Verwaltungs- und Wohngebäuden, an Brücken und sor
stigen Baulichkeiten der Länder, Gemeinden und sonstigen öffentlichen Körperschaften, ferner zum Umbau von Kleinwohnungen, zur Förderung der vorstädtischen Kleinsiedlung, der Flußregulierungen von Tiefbanarbeiten der Gemeindeverbände usw. werden zinslose Darlehen und verlorene Zuschüsse gewährt. Auch den Hausbesitzern wird ein verlorener Zuschuß nach dem bisherigen Verfahren gegeben. Außerdem sind Sachleistungen an Hilfsbedürftige vorgesehen.
Was die Finanzierung angeht, so ist der Entwurf im Einvernehmen mit der Reichsbank zustande gekommen. Der Reichsfinanzminister ist ermächtigt, Arbeitsschatzanweisungen im Betrage bis zu einer Milliarde Mark zur Förderung der nationalen Arbeit auszugeben. Diese Anweisungen werden der Gesellschaft für öffentliche Arbeiten in Berlin zur Verfügung gestellt. Die Anträge sind beim Reichsarbeitsministerium zu stellen.
Staatssekretär Reinhardt hofft, daß mit Hilfe der geplanten Tiefbanarbeiten schon in den nächsten Wochen 400 000 Manu herangezogen werden können. Die Materialkosten und Lohnkostenzuschüsfe werden nur für solche Arbeiten geleistet, die volkswirtschaftlich wertvoll sind. Mit der Durchführung der Tiefbauarbeiten muß spätestens am 1. August begonnen werden. Die Arbeiten müssen mit Hilfe menschlicher Arbeit durchgeführt werden, sofern Maschinen nicht unerläßlich sind.
Durch die Heranziehung von Arbeitslosen wird ein Ar- bcits- oder Dicnstrecht begründet. Der für diese Arbeiten herangezogene Arbeitslose erhält
1. seinen alten Arbeitslosenbcitrag,
2. eine warme Mahlzeit für den Arbeitstag oder einen hierfür angemessenen Betrag,
3. eine Vergütung von 25 Mark für vier Arbeitswochen in Form von Bedarfsöeckungsscheinen. Diese Scheine berechtigen zum Erwerb von Kleidern, Schuhen und Hausgerät? Ferner wird eine noch unbekannte Summe an die Bezirksfürsorgeverbände gegeben in Form von Bedarfsdeckungsscheinen. die zum Bezüge von Kleidern usw. berechtigen sollen und an die Hilfsbedürftigen gegeben werden.
Staatssekretär Reinhardt schloß seine Ausführungen mit einem Aufruf an alle Volksgenossen, an diesem gewaltigen Werk zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nach allen Kräften mitzuwirkcn.
Sie Ehestandshilfe
Berlin, 1. Juni. Die mit dem Arbeitsbeschaffungsgesetz neu eingeführte Ehestandshilfe wird aus der neuesten Nummer des Reichsgesetzblatts jetzt auch in ihren Einzelheiten bekannt. Die bisherigen Ledigenzuschläge werden ab 1. Juli nicht mehr erhoben. Von der Ehestandsbeihilfe, die an ihre Stelle tritt, sind Arbeitseinkommen bis 75 RM. monatlich befreit. Darüber hinaus gelten folgende Sätze: von 75—150 RM. ausschließlich 2 Prozent, von 150-^300 RM, ausschließlich 3 Proz., von 300—500 RM. ausschließlich 4 Prozent, von 500 RM. und darüber hinaus 5 Prozent.
Für die Einkommen der Veranlagten gelten bei der Ehestandsbeihilfe die folgenden Sätze: von 750—1300 RM. ausschließlich 2 Prozent, von 1300—3100 RM. ausschließlich 3 Prozent, von 3100—5500 RM. ausschließlich 4 Prozent und für 5500 RM. und darüber 5 Prozent. Die Ehestandsbeihilfe wird gleichzeitig mit der Einkommensteuer veranlagt.
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Spende zur Förderung der nationalen Arbeit. Eine Ablösungsfähigkeit der Steuerschulden eines Spenders durch Leistung einer freiwilligen Spende zur Förderung der nationalen Arbeit besteht nicht, sohald diese Steuerschulden entfallen auf:
„ 1. Vermögensstücke, die sich am 1. Juni 1933 im Anslande befinden oder auf zum gleichen Termin anbietungspflichtige Devisen;
2. auf Zahlungsmittel, die zum Erwerb der unter 1 be- zeichneten Werte unmittelbar oder mittelbar verwendet worden sind;
3. auf Ertrag und Einkommen aus den unter 1 und 2 bezeichneten Werten und
4. auf Umsatz, der die gleichen Werte betrifft.
Die durch Hingabe eines Spendenscheines zu erlangende Straffreiheit für Steuerzuwiderhandlungen sowie der Erlaß von Zinsen und Verzugszuschlägen auf Steuerschulden kommen nicht in Betracht, wenn die Spende erst nach dem 31. März 1934 geleistet wird.
..Das Problem der Arbeitslosigkeit an de Wurzel angesatzt"
Das Arbeitsbeschaffungsprogramm Ser Reichsregierung
1- Juni (Conti.) Zu dem gestern vom Reich Arbeitsbeschaffungsprogramm schreibt dl „Völkische Beobachter": Das großzügige Gesetz zur Verum tz^l^?^A^eitslosigkeit, durch das Arbeitsschatzanweisungi nn Gesamtbeträge brs zu einer Milliarde Mark zur Förd rung der erwähnten Arbeiten ausgegeben werden sollen, Um deutschen Oeffentlichkeit, von Arbeitnehmer ^J^Egebern und vor allem von der gesamten Wirtschal werden. Hand in Hand mit den neuen Arbeit veicyafsungsmaßnahmen werden also neue Stcuererleichterm ^ir Ausgleich in den bestehenden soziale Harten geschahen, der die bisherigen weitgehenden Mal
nahmen der Reichsregierung Hitler auf diesem Gebiet noch weit übertreffen wird. Der Führer hat Persönlich weitere bedeutungsvolle Vorschläge zur Behebung der Ärbeitslosennot gemacht, die für die gesamte Wirtschaft von einschneidender Bedeutung sind. Schon jetzt kann gesagt werden, daß mit der Schaffung dieses Gesetzes und den Beschlüssen des Reichskabinetts neue Wege beschritten worden sind, die keine frühere Regierung beschritten hat, und die geeignet sind, das Problem der Ärbeitslosennot in Deutschland an der Wurzel anzupacken.
Neue Besprechungen Hitler—Brüning
WB. Berlin, 1. Juni. Reichskanzler Adolf Hitler empfing, Blättermeldungen zufolge, den Führer des Zentrums, Dr. Brüning, zu einer politischen Aussprache. Eine weitere Besprechung soll in Aussicht genommen sein.
Vertagung der Abrüstungskonferenz
Scharfe Opposition in Genf — Eine Flut von französischen Anträgen
WB. Genf, 1. Juni. Der Hauptausschuß der Abrüstungskonferenz hat heute vormittag zu den gestrigen Beschlüssen des Erweiterten Präsidiums und den weiteren Gang der Arbeiten der Abrüstungskonferenz Stellung genommen. Gleich zu Beginn entfaltete sich eine heftige Opposition, insbesondere seitens der Staaten, die im Präsidium nicht vertreten sind. Der Vertreter Jugoslaviens legte einen scharfen Vorbehalt ein, dem sich verschiedene andere Delegierte, meist Vertreter kleinerer und mittlerer Staaten, anschlossen.
Der französische Außenminister Paul-Boncour verwahrte sich dagegen, daß der englische Entwurf als Grundlage der künftigen Abrüstungskonvention erklärt werde, bevor überhaupt die erste Lesung zu Ende sei.
Es entwickelte sich eine uferlose Debatte, in der es zeitweise so schien, als ob die gestrigen Beschlüsse des Präsidiums um- gestotzen würden.
Henderson faßte das Ergebnis der langen Anssprache in einem einstimmig angenommenen Vorschlag zusammen. Danach verragt sich der Hauptausschuß der Abrüstungskonferenz nach Erledigung der ersten Lesung, alo voraussichtlich in wenigen Tagen. Als äußerste Frist für den Wiederzusammentritt des Hnuptausschusses ist der 3. Juli festgesetzt worden. Die technischen Ausschüsse der Abrüstungskonferenz sollen inzwischen weiter tagen, bis ihre Arbeiten abgeschlossen sind. Die Entscheidung darüber ob der angebliche Entwurf nun endgültig als Grundlage siir die künftige Abrüstungskonferenz angenommen wird, soll erst am Schluß der ersten Lesung getroffen werden.
Der Hauptausschuß hat heute in erster Lesung die Kon- trollbestimmungen des englischen Entwurfes behandelt, die sich im wesentlichen auf die Einsetzung eines Abrüstungsausschusses beziehen.
Es ist bezeichnend, daß die französische Delegation, die sich bisher peinlichst sorgfältige Zurückhaltung auferlegt hatte, nunmehr mit einer Flut von Anträgen hcrvorgetreten ist, die darauf abgestcllt sind, die im allgemeinen elastisch gehaltenen englischen Vorschläge zu verschärfen.
Welches Schicksal diese französischen Anträge haben werden, wird üch vermutlich erst bei der zweiten Lesung des Entwurfes zeiaen. In der allgemeinen Aussprache schlossen sich heute die Vertreter Polens und der Kleinen Entente vorbehaltlos den französischen Anträgen an.
Die amerikanische Delegation stimmt, wie Norman Davis erklärte, den französischen Anträgen grundsätzlich zu, bebält sich aber ihre Stellungnahme zu den Einzelheiten vor. Die Frage der Sanktionen, die Frankreich fordere, müsse außerordentlich sorgfältig geprüft werden.
Botschafter Nädölny wiederholte, daß Deutschland bereit ist, jedes Kontrollverfahren anzunehmcn, das auch von allen anderen Staaten angenommen werde.
Reuter dementiert Gerüchte von einem bevorstehende« Rücktritt Sir 3oh« Simons
WB. London, 1. Juni. In den Wandelgäu gen des Unterhauses lief gestern abend das Gerücht um, Staatssekretär des Aeußeren. Sir John Simon, beabsichtige zurückzutreten. Als Grund hierfür wurde einerseits sein Gesundheitszustand, der deutliche Symptome starker Ueberarbeitung zeige, andererseits die Meinungsverschiedenheit zwischen dem Staatssekretär und der Mehrheit des Kabinetts in der Frage des Lustbombardements zu Polizeizwecken angeführt. Das Reutersche Büro erfährt zu diesem Gerücht, daß Sir John Simon nicht beabsichtigt, wegen der Frage des Lustbombardements zurückzutreten, und daß seine Freunde ihn drängen, nach dem 2. Juni einen' Erholungsurlaub anzutreten.
Der Reichskanzler nimmt die Hitlerfpende des Reichslandbundes entgegen
WB. Berlin, 1 . Juni. Der Reichskanzler empfing heute den gcschästsführeuden Präsidenten des Reichslandbuudes, Heinberg, Direktor Kriegsheim und den Kreislaudbundführer Bclbe-Templin zur Entgegennahme der Hitlerspcude des Reichslandbundes. Darnach werden über 50 000 Mitkämpfer von SS., SA., NSBO. und Stahlhelm aus den Städten zu mehrwöchiger Erholung bei Landbundmitgliedern ausgenommen. Der Reichskanzler sprach seinen Dank und seine besondere Befriedigung darüber aus, daß durch diese Tat des Rcichslandbundes die Volksverbundenheit zwischen Stadt und Land in so starker uird herzlicher Weise zum Ausdruck komme.
Die Loeeumer Bereinbarnngeu über die Bischofsfrage
Berlin, 1. Juni. (Conti.) Von amtlicher kirchlicher Seite wird — wie der Evang. Pressedienst meldet — mitgeteilt: Durch einige Blätter geht erneut die Behauptung, die Loc- cumer Vereinbarung (modus Procedeudi) sei hinsichtlich der „Wahl des Reichsbischofs" verletzt worden. Dies ist unrichtig. Es handelt sich bei jener Vereinbarung um eine auch von dem Wehrkreispfarrer Müller Unterzeichnete Verabredung über ein schrittweises Vorgehen in dem kirchlichen Reformwerk. Darin heißt es (Punkt 2), daß bei der Beratung der Vertreter der Landeskirchen über den Grundplan der Verfassung eine Einigimg über die Person des zukünftigen Reichsbischofs erfolgen sollte, aber es ist mit keinem Wort davon gesprochen worden, daß die Wahl des Reichsbischofs noch irgend einer weiteren Abstimmung unterstellt werden müßte, vielmehr waren sich alle Beteiligten darin einig, daß dies unzweckmäßig sei, und einen Rückfall in das allseitig bekämpfte parlamentarische System bedeuten würde. Damit fallen alle Vorwürfe, die Loeeumer Vereinbarung sei durch die kirchlichen Bevollmächtigten verletzt worden, in sich zusammen.