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Abänderung der Diensteinteilungen dem beteiligten Personal Gelegenheit zur Aeußerung gegeben werde. In der Debatte über diesen Antrag kam allgemein der Gedanke zur Geltung, daß eine richtige Regelung der Dienst- und Ruhezeiten, sowie die Vermeidung einer Ueberanstrengung im Interesse der Gesundheit und Kräfte dieser Beamten und damit auch im Interesse der Sicherheit des schweren und komplizierten Verkehrsdienstes liege. Der Antrag der Kommission stellt ein Kompromiß zwischen den einzelnen Parteien und gewissermaßen eine Richtschnur und Minimalgrundsätze für die Verwaltung dar. Minister v. Weizsäcker versprach die Vorlegung der genannten Denkschrift im nächsten Landtag, behielt sich aber zu den einzelnen Wünschen, denen er zum großen Teil sympathisch gegenübersteht, die Entschließung vor und betonte iui Hinblick auf die Unmöglichkeit, vorerst die finanzielle Tragweite dieser Anträge zu überblicken, die Vorsicht und Reserve der Regierung. Dem gegenüber wurde der Wunsch ausgesprochen, daß die Denkschrift nicht allzulange auf sich warten lassen und daß das warme Herz des Ministers für die Beamten auch seinen Kommissaren sich Mitteilen möge. Sozialpolitik hob der Abg. Gröber hervor, koste immer Geld. Ein Vorschlag des Abg. Haußmann-Balingen, die ganze Sache von der Finanzlage abhängig zu machen, sei aus guten Gründen abgelehnt worden, denn im Vordergrund müsse die Frage der Gesundheit und Zufriedenheit dieser Beamten stehen, für welche man ein Opfer nicht scheuen dürfe. Tie ganze Verhandlung beweise die Bereitwilligkeit des Landtags, die nötigen Mittel zu bewilligen. Damit falle der Regierung die Verantwortung zu und sie möge in dem Bewußtsein ihre Pflicht tun, auch den nächsten Landtag hinter sich zu haben, mag er zusammengesetzt sein wie er will. Als Gegner des Kommissionsantrages bekannte sich nur der Abg. Graf Uxkull und zwar aus finanziellen und diziplinären Gründen. Zum Schluß der Sitzung wurde noch eine Eingabe der Landpostboten der Obmannschast Leutkirch-Jsnh um Besserstellung in ihren seitherigen Diensteinkom- mensverhältnissen bezw. um definitive Anstellung im Staatsdienst gleich den Briefträgern in Städten und geschlossenen Ortschaften der Regierung zur Berücksichtigung bezw. Erwägung übergeben. Dienstag Nachmittag Eisenbahnpetitionen.
Nellingen a. d. Fildern 27. Okt. Ein schlimmer Gast stellt sich in letzter Zeit auf unseren Feldern ein. Die Feldmäuse treten in so erschreckender Weise auf, daß die Gemeindeverwaltung sich entschließen mußte, um den verheerenden Schädlingen zu steuern, um Erlaubnis zum Legen von Strychninkörnern bei dem Oberamt Eßlingen nachzusvchen. Dem Gesucheist entsprochen worden.
Oberndorf 26. Okt. Gestern abend fand im Saale des Hotels „König Wilhelm" ein leider nicht besonders gut besuchtes „Konzert der österreichisch-ungarischen Zigeunerkapelle „Rakoczi" statt. Das aus 4 Herren und 3 Damen bestehende Ensemble, das in schmucker Nationaltracht austritt, führte sein reichhaltiges Programm in durchaus befriedigender Weise durch. Es ging
ein flotter schneidiger Zug durch die Vorträge der einzelnen Piecen, sowohl auf Violine wie Cimbal, insbesondere jener, die spezifisch ungarische Musik bedeuteten, so aus Brahms ungarischen Tänzen und die Csardas. Sehr lobenswert war auch die musikalische Wiedergabe der Einlagen aus Bizets Carmen „Die Liebe von Zigeunern stammt" und „Auf zum Kampf Torrero" und das immer reizende „Mer hat uns getraut?" aus dem Zigeunerbaron. Bei dem Xylophonsolo des zweiten Teiles war die unglaubliche Fertig, keit des Direktors der Gesellschaft zu bewundern, mit der er das eigenartige Instrument zu bearbeiten verstand. Ten Schluß bildeten lichtreflektorische Darstellungen der Mademoiselle Bierout, wie sie unter der Bezeichnung Serpentintänze allgemein bekannt sind.
Metzingen 28. Okt. Auf dem Bahnhof wurden einige junge Weingärtner dabei ertappt; wie sie mit Reutlinger Consummarken dem Automaten Waren entnahmen. In dem Kasten liegen schon etwa 50 Marken, für welche der Automat Waren abgegeben hatte.
Berlin 27. Okt. Vor der 2. Strafkammer des Landgerichts I mußten sich gestern wegen Entführung ein er Minderjährigen und wegen Diebstahls die 25 und 27 Jahre alten Handlungsgehilfen Alfred Meyer und Arnold Wendt verantworten. Die Angeklagten hatten die 15 Jahre alte Tochter des Tischlermeisters Heicke dem Elternhause entführt und zu einem lüderlichen Lebenswandel angehalten. Das Urteil lautete gegen Meyer auf 3 Jahre, gegen Wendt auf kV? Jahre Gefängnis.
Berlin 27. Okt. Heute Mittag ist im Beisein des Kronprinzen, von Vertretern der reichsstaatlichen und städtischen Behörden sowie von Vertretern der hiesigen Hochschule, auswärtigen Handels-Hochschulen und kaufmännischer Korporationen die feierliche Eröffnung der Handels- Hochschule in Berlin erfolgt.
Berlin 27.Okt. Der russische Minister des Aeußern von Jswolski ist heute hier eingetroffen. Er wird morgen vom Kaiser empfangen und Abends eine längere Unterredung mit dem Reichskanzler Fürsten Bülow haben.
Berlin 27. Okt. Die Vernehmung des verhafteten Kassenräubers Voigt wurde bis gestern abend 8 Uhr fortgesetzt. Voigt, der am Vormittag frisch und aufgeräumt aussah, machte nachmittags mit seinem auffallend bleichen totenartigen Gesicht einen unheimlichen Eindruck. Er wich wiederholt den Fragen der Beamten mit den Worten aus: Das gehört doch wohl nicht zur Sache. Ueber die Art und Weise, wie ihn die Kriminal.Polizei behandelte, war er sichtlich sehr erstaunt und sehr zufrieden mit ihr. Er
So kam das junge Mädchen mit dem Schrecken und einem unfreiwilligen Bade davon. Die Sorgfalt ihrer Pflegerin verhütete sogar eine Erkältung.
Mr. Stanford war zu jener Zeit in Washington, wo er als Kongreßmitglied seinen Pflichten als Vertreter des Volkes der Vereinigten Staaten oblag. Da er mit der Mitteilung des schreckensvollen Ergebnisses zugleich die Kunde der Rettung und des vollkommenen Wohlbefindens seines Kindes empfing, kürzte er seinen Aufenthalt in der Landeshauptstadt nicht ab, da seine Anwesenheit dort einer weittragenden, politischen Entscheidung wegen notwendig war.
Vierzehn Tage waren seit jenem Unsall auf dem Pineriver verflossen. Das Rollen rasch dahinsausender Räder, der scharfe Trab eines Gespanns feuriger Pferde unterbrach die fast sonntägliche Stille, die über Wilmington ruhte. Ter Verwalter, der auf dem Wege nach den Feldern war, blieb stehen, und sah den Fluß hinab, an dem die Straße verlief.
Da bog auch schon ein leichter Wagen um die vorspringende Waldecke und Mr. Brown erkannte das Gefährt seines Herrn, das stets an der Landungsstelle seiner wartete, wenn er von Wilmington fern war.
Ter einzige Insasse des Wagens, den ein Neger lenkte, hatte den Verwalter erkannt und ließ halten.
Tie erste Frage Mr. Stanfords, eines, obwohl er kaum fünfzig Jahre zählte, weißhaarigen Herrn mit klugem, vornehmen Gesicht, dem es an Ausdruck von Herzensgüte nicht mangelte, war: „Miß Cläre?"
„O, im besten Wohlsein, Mr. Stanford," erwiderte lächelnd der Verwalter und zog grüßend den Hut.
„Sie ist zu Hause?"
„Soviel ich weiß, ja."
„Ich will Sie überraschen."
Stanford stieg aus, befahl dem Kutscher langsam nachzukommen und schritt neben seinem Verwalter her. „Wer hat das Kind eigentlich aus dem
nahm aber auch für sich in Anspruch, seine Leute, damit meinte er die Soldaten, gut behandelt zu haben und auch die Köpenicker Herren müßten anerkennen, daß er sich wie ein Gentleman benommen habe. Die Dummheit mit der Kokarde habe nicht er sondern der Mützenlieferant begangen. Seit seiner Entlassung habe er Zeit und Gelegenheit genug gehabt, sich Alles anzusehen, um nicht erst fremde Leute nach den für seinen Plan wichtigsten Dingen fragen zu müssen. Er habe Soldaten und Offiziere oft genug beim Dienst beobachtet. Ihre guten Umgangsformen habe er in Konzerten und Theatern studiert, die er zu diesem Zweck besuchte. Voigt erzählte mit großem Behagen von seinen Begegnungen mit Offizieren, die ihn wohl seines Alters wegen stets zuerst gegrüßt hätten. Von einigen sei er allerdings mit erstaunten Blicken gemustert worden. In der Hochbahn habe ein echter Hauptmann, nachdem er ihn gegrüßt, ihm gegenüber Platz genommen und zu ihm, als ein eigenartig gekleideter Herr vorübergegangen sei, gesagt: Komischer Kerl. Er hätte sofort erwidert: Jawohl Herr Kamerad. Nachdem der Raubzug in Köpenick ihm gelungen war, wollte Voigt sich noch ein wenig erholen und dann daran gehen sich ein eigenes Heim zu gründen. Am Sonntag vor dem Handstreich habe er seiner Braut gesagt, er müsse verreisen, um eine Erb- schafts-Angelegenheit zu regeln. Aus Wismar war er auch mit dieser Andeutung fortgegangen. Aus seine Ergreifung rechnete Voigt in den letzten Tagen nicht mehr. In seiner Wohnung fand der Händler Karpeles gestern Nachmittag noch einen Kasten mit 388 den die Beamten übersehen hatten. Das Geld befand sich in einem Beutel. Außerdem enthielt der Kasten noch ein Notizbuch, in dem Voigt seine Zeugnisse aufbewahrte und wo er seine Einnahmen und Ausgaben notierte. Von dem geraubten Gelds gesondert hatte Voigt 80 ^ von seinen Ersparnissen aufbewahrt. Er legte Verwahrung dagegen ein/ daß diesö mit beschlagnahmt werden und der Stadt Köpenick ausgeliefert würden. Man beließ sie ihm denn auch einstweilen, während Köpenick das andere Geld zurückbekam. Voigt wird heute von der Kriminalpolizei noch einmal eingehend vernommen, um dann dem Untersuchungsrichter beim Landgericht II vorgeführt werden. Der Kaiser, dem die Verhaftung gestern telegraphisch gemeldet worden war, ließ sich abends darüber Vortrag halten. Die Köpenicker Stadtverordneten- Versammlung hielt gestern Nachmittag eine Sitzung ab, in der Bürgermeister Or. Langerhans seine Amtsniederlegnng wieder zurücknahm,
Berlin 27. Okt. Kaum 400 ^ Schaden wird die Stadt Köpenick, wie nunmehr feststeht, durch den Raubzug Voigts erleiden. Infolge einer Aeußerungs Voigts bei seiner Vernehmung
Wasser geholt, Brown?" fragte Stanford. „Ihre Andeutungen hierüber waren etwas verworren. Den Briefen meiner Tochter nach zu schließen, muß es ein leibhaftiger Engel gewesen sein, den Gott ihr zur Hilfe geschickt hat. Wer ist dieser Mr. Hunter?"
„Ja, Herr, er gehört einer etwas zweifelhaften Familie an," erwiderte zögernd der Verwalter, „obgleich dieser wohl eine Ausnahme machen mag."
„Deutlicher!"
Sie entsinnen sich der etwas seltsamen Sguatterfamilie, die sich vor zwei Jahren am Saltereek niederließ?"
„Diese Räuberbande?"
„Viel besser sind diese Hunters gewiß nicht, obgleich man ihnen bis jetzt nichts nachsagen kann."
„Und ein Mitglied dieser Familie war es?"
„Der jüngste Sohn."
„Nun gleichviel, haben Sie ihm die fünftausend Dollars gegeben?"
„Angeboten, Sir!"
„Angeboten?"
„Ich war auf dem Wege nach dem schwer zu findenden Schlupfwinkel dieser Menschen, als mir Henry, so nennt er sich, begegnete. Ich wollte mich meines Auftrages entledigen und ihm das Päckchen Banknoten überreichen, versicherte ihm auch, daß er auf Ihre fernere Unterstützung rechnen könne."
„Nun und?"
„Er schlug lächelnd das Geld aus."
„O -"
„War gar nicht der Rede wert, Sir," erwiderte er mir, „das kleine Mädchen aus dem Wasser zu holen, behaltet euer Geld für euch."
(Fortsetzung folgt.)