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Rekruten wurden besondere Begleitkommandos gestellt. Die für das Infanterie-Regiment 12*6 ausersehenen, hatten sich in Stuttgart zu sammeln und wurden nachmittags 12 Uhr 30 Min. mit Sonderzug nach ihrem Garnisonsort Straßburg verbracht.
Cannstatt 12. Okt. Gestern nachmittag fiel ein 6jähriges Mädchen beim Wilhelmatheater an einer nicht ungefährlichen Stelle in den Neckar und ertrank. Die Leiche ist geborgen.
Untersiemlingen 12. Okt. Am Mittwoch feierten hier die Johann Martin Staiger- ffchen Eheleute ihre diamantene Hochzeit. Das Jubelpaar zählt 86 bezw. 79 Jahre. Der Familienkreis umfaßt 3 Söhne, 3 Töchter, 26 Enkel und 5 Urenkel. Vom König war eine Prachtbibel mit eigenhändiger Widmung, eingetroffen.
Ludwigsburg 12. Okt. Der allgemein beliebte und von seinen Vorgesetzten sehr geschätzte Unterlehrer Walker hier, hat infolge körperlichen Leidens und geistiger Ueberarbeitung seinem Leben ein Ende gemacht.
Winnenden 11. Okt. Dem Obstmarkt waren 1350 Säcke Mostobst zugeführt. Preis für Aepfel 6.—6.80 Birnen 1.70—5.50
Eßlingen 12. Okt. Die Zufuhr an Mostobst auf dem hies. Güterbahnhof umfaßt heute 35 Wagen (21 aus der^Schweiz, 8 aus Oestreich, 2 aus Bayern, je 1 aus der Pfalz und Holland und 2 aus Württemberg). Preis 5.50—6.20 ^ per Ztr.
Eßlingen 12. Okt. Der hier bestehende „Verein zur Belohnung treuer weiblicher Dienstboten" konnte in diesem Jahre an 11 weibliche Dienstboten je einen Ehrenbrief und 20 in bar Geld, für treugeleistete Dienste, in fünf- und mehrjähriger Dienstzeit, bei je der gleichen Familie, vergeben. Die Verteilung fand im hiesigen evang. Vereinshaus statt.
Besigheim. Stadt Besigheim 11.Okt. Lese in vollem Gang, wird aber diese Woche beendigt. Vieles verstellt, aber ohne festen Preis. — Hessigheim a. N. 11. Okt. Weitere vorläufige Käufe zu 115 150 155 ^ pro
3 Hektoliter. Die bisherige Ernte bestätigt die geschätzte Menge. — Lauffen a. N. 11. Okt. Käufe zu 158 -//r, 160 ^ und 165 ^ pro 3 Hektoliter; einige Käufe zum Mittelpreis.
Heilbronn 12. Okt. Auf hiesiger Markung sind insgesamt Heuer etwa 800 Hektol. Wein zu erwarten. Die Lese des Frühgewächses (Schwarzriesling und Portugieser) hat in dieser Woche schon begonnen; am nächsten Montag wird die allgemeine Lese beginnen.
Heilbronn 12. Okt. Die „Heilbronner Zeitung" schreibt: Duftige Grüße wurden den Anwohnern der oberen Kaiserflraße bezw. Allee gestern Abend ganz umsonst gespendet. Als eben
die städt. Artillerie die Kaiserstraße überschreiten wollte, kam nämlich auch ein Straßenbahnwagen mit der bekannten V-Zugsgeschwindigkeit gegen die Kaiserstraße gefahren. Der Führer, im Bestreben auf die Sekunde an der Kreuzung einzutreffen, rannte gegen das Hintere Rad eines „Munitionswagens", dieses brach zusammen, der Wagen stürzte um und sein duftiger Inhalt ergoß sich über die Straße. Der Fuhrmann, der im Bogen über den Bock herunterflog, hob sich die Backe und das Publikum die Nase. Im übrigen ist nur noch eine verbogene Plattform an dem Straßenbahnwagen zu verzeichnen. Das merkwürdige Odium, das den „Fall" umgab, hinderte allzugroße Ansammlungen, so daß der Verkehr in seinem ganzen Umfang aufrecht erhalten blieb.
Marktlustenau, O.A. Crailsheim 12. Okt. Der 20 Jahre alten Tochter des Oekonomen Bayrlein, die während der Arbeit an einer Dampfmaschine dieser zu nahe kam, wurde vom Triebrad ein Arm vollständig herausgeriffen. An dem Auskommen der Verunglückten wird ge- zweifelt.
Ulm 12. Okt. Eine Gasexplosion er-, folgte gestern in der Tabakfabrik von Gebr. Bürgten. Die Sache lief mit der Zertrümmerung sämtlicher Fensterscheiben im Erdgeschoß der Fabrik noch glücklich ab.
Ulm 12. Okt. Heute wurde die Bemalung der Ostseite des Rathauses beendigt. Damit sind die Nord- und die Ostseite in ihrer ganzen Fläche mit Gemälden bedeckt. Auf der Nordseite befinden sich insgesamt 9 Bilder, wovon 3 allegorischen Charakter tragen, 2 Vorgänge aus dem Leben mit Nutzanwendungen versinnbildlichen und 1 Bilder aus der römischen Geschichte darstellen. Die Ostseite trägt 11 größere Gemälde, welche die Aufschriften tragen „Gottes Wort hört", „Eigene Erkenntnis", (der verlorene Sohn), „Gerechtigkeit" (Urteilsspruch Salomos), „Geduld" (Hiobs Geschichte), „Liebe" (der barmherzige Samariter), „Hoffnung" (David und Goliath), „Glaube" (Isaaks Opferung), „Gemeinsinn", „Eigennutz", „Heimlicher Neid" und „Kindlicher Rat". Im kommenden Frühjahr wird mit der Bemalung der Rückseite begonnen.
Köln 12. Okt. Einem Berliner Telegramm der „Kölnischen Zeitung" zufolge wird das Vorverfahren gegen Major Fischer in nächster Zeit abgeschlossen werden. In militärischen Kreisen scheint sich die Ansicht gebildet zu haben, daß ge- genügend Belastungsmaterial zum kriegsgerichtlichen Prozeß gegen Fischer nicht vorliegt, sodaß es nur zu einer ehrengerichtlichen Entscheidung kommt. Bezüglich der Anschuldigungen gegen den Bezirksamtmann Kersting sagt das Blatt, man dürfte später bedauern, die Ausreise des Beamten, der in Togo benötigt wird, verzögert zu haben. Graf Zech habe noch vor seiner Abreise der
Ueberzeugung Ausdruck gegeben, daß er nach Kenntnis der Person und Handlungsweise Kerstings den Anschuldigungen Glauben nicht beimefsen könne. Die sofort eingeleitete Untersuchung soll bisher nichts Belastendes ergeben haben.
München 12. Okt. Reichskanzler Fürst Bülow hat sich beim Prinzregenten von Baiern mit Rücksicht auf dienstliche Inanspruchnahme durch parlamentarische Vorarbeiten von seiner Teilnahme an der Grundsteinlegung des deutschen Museums am 12. November in München beurlaubt.
Bebra 12. Okt. Als Donnerstag nachmittag der von Göttingen über Bebra nach Frankfurt a. M. und den Süden fahrende hannoversche Personenzug, der Rekrutentransporte aus dem Norden nach Elsaß-Lothringen beförderte, auf Station Reichensachsen rangierte, stieß eine sog. Drucklokomotive mit solcher Wucht hinten auf den letzten Wagen des Personenzugs, daß die Jnsaßen gegen die Sitzwände und Bänke geschleudert wurden, wodurch ein Unteroffizier und 8 Rekruten Verletzungen erlitten. Durch den Bahnhofsarzt verbunden, konnten, die Verletzten die Weiterfahrt fortsetzen.
Magdeburg 12. Okt. Wegen der Fleischnot werden Magistrat und Stadtverordnete beim Reichskanzler vorstellig werden.
Berlin 12. Okt. Gegenüber dem gestrigen offiziösen Dementi der von den Hamburger Nachrichten gebrachten Schilderung einer Auseinandersetzung, die sich zwischen dem Kaiser und dem Fürsten Bismarck in einer Equipage abgespielt haben soll, schreiben jetzt die Hamb. Nachr.: „Wir wissen nicht, wer die Nordd. Allg. Zeitung ermächtigt hat, diese Erklärung abzugeben. Was wir dagegen um so genauer wissen, ist, daß der verewigte Fürst Bismarck uns den peinlichen Vorfall, den das offiziöse Blatt in das Gebiet der Fabeln verweisen möchte, wiederholt genau so geschildert hat, wie wir es neulich mitgeteilt haben. Wir müssen es der Nordd. Allg. Zeitung überlaffen, sich mit den Tatsachen, die wir jeden Augenblick vor Gericht eidlich erhärten und deren Richtigkeit noch andere Zeugen bestätigen können, abzufinden, so gut wie sie es vermag."
Berlin 12. Okt. Der Abgeordnete Erzberger hat dieser Tage auch in einer Heilbronner Zentrumsversammlung angekündigt, daß das Zentrum von der Regierung strenge Rechtfertigung wegen der heillosen finanziellen Mißwirtschaft in den Kolonien fordern werde. Er ließ dabei durch- blicken, daß man es , auch im Zentrum für ganz undenkbar hält, daß Herr von Podbielski, nachdem was vorgefallen sei, noch weiter im Amte verbleiben könne. Pas Kontrollrecht müsse scharf ausgeübt werden/ Früher habe er es auch einmal mit Sammethandschuhen probiert. Gegangen sei die Sache aber erst, nachdem er seine schwäbischen
Aeußerungen er lächelnd zuschaute, erschien ihm jetzt in anderem Lichte, und nur seine mannhafte Festigkeit, der unerschütterliche Mut, den er bei mehreren Gelegenheiten gezeigt, und das stolze Ehrgefühl des Offiziers und Gentlemans, das jeden Fleck auf der Ehre alsbald mit Blut abzuwaschen bereit ist, hielt Ausschreitungen nach dieser Seite fern.
Seine persönliche Beliebtheit, die Achtung, die man ihm entgegenbrachte, ihre blendende Erscheinung und feinen Manieren erhielten ihnen ihre gesellschaftliche Stellung, wenn man auch heimlich über das sonderbare Paar den Kopf schüttelte.
Ta erschien in Rockesville ein junger Tandy, Arthur Vancouver der einer der reichsten Familie des Ostens entstammte und von dem man wußte, daß er ebenso liederlich als reich war.
Ein notorischer Wüstling, und als solcher galt Arthur Vancouver, hat, besonders wenn dieser Ruf durch äußere Erscheinung — und er war, trotz seines durch Ausschweifungen verwüsteten Aeußeren, immer noch ein interessanter Mann — von Reichtum und dem souveränen Bewußtsein, als Sieger aufzutreten, unterstützt wird, für manche Frauen unwiderstehlichen Reiz.
Zu diesen gehörte Hohenthals Frau, die den wohlhabenden und vornehmen Deutschen nur genommen hatte, um—eine passende Versorgung zu haben, was bei dem Rufe, in dem ihr Vater stand, nicht ganz leicht war. Jane Hohenthal war mit 27 Jahren schöner als je. Mit einer ganz unvergleichlichen Kunst wußte die weltgewandte, an den Salon gewöhnte junge Frau, deren körperliche Reize freilich ungewöhnlich waren, den Äustling in ihre Schlingen zu ziehen.
Und ihm, dem Welterfahrenen, wurde die schöne Spanierin, die seiner
leichtfertigen Bewerbung mit den Formen liebenswürdiger, aber kühler Ablehnung begegnete, immer begehrenswerter. Nichts lockt zur Eroberung mehr als Widerstand, und der würdige Nachahmer des Don Juan hatte es sich in den Kopf gesetzt, auch den Namen dieser klugen Schönen seinem Register einzuverleiben.
An ihr hatte er eine Gegnerin, die nicht leicht zu besiegen war, und Vancouver bemerkte endlich, daß seine vergeblichen Bemühungen um diese spröde Schöne ernstlicherer Natur waren, als ihm je einem Weibe gegenüber begegnet war.
Als Hohenthal bei einem großen Feste bei einem Nachbar einmal seine Frau und Vancouver in einem Beisammensein überraschte, bei dem d erselbe in leidenschaftlich glühender Weise auf sie einredete, bot er seiner Frau den Arm führte, sie hinweg und kehrte zu Vancouver zurück.
„Ich ersuche Sie, Sir," sagte er mit dem ganzen Hochmut eines deutschen Offiziers, „Ihre Aufmerksamkeit andern Damen zuzuwenden, ich würde sonst Maßregeln ergreifen müssen, um meine Frau vor Zudringlichkeiten zu schützen."
Vancouver, der keineswegs ein Held war, erbebte vor der drohenden Miene Hohenthals, sagte aber dann mit der ihm zur Gewohnheit gewordenen Frechheit: „Der Ton, den Sie mir gegenüber anzuschlagen belieben, Sir, ist mir nur dadurch erklärlich, daß Deutsche nur selten eine Ahnung von Verkehrsformen haben, die in guter Gesellschaft zu Hause find."
„Ich werde mir die Freiheit nehmen, Mr. Vancouver, die Grenze zwischen dem, was sie gute Lerkehrsform nennen, und dem, was ich meiner Frau gegenüber für schicklich halte, selbst zu ziehen und ein Ueberschreiten dieser Grenze gebührend ahnden." (Fortsetzung folgt.)