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Aus Rheinhessen 23. Aug. Die Schweinezüchter der Provinz Rheinhefsen haben einen Ring gebildet, um die Schweinefleischpreise auf ihrer jetzigen Höhe zu erhalten. Jedes Mitglied verpflichtet sich bei einer Konventionalstrafe von 1000 für jeden Fall, Schweine nicht unter 56 Lebendgewicht oder 80 --Z Schlachtgewicht abzugeben.
Straßburg 23. Aug. In dem benachbarten Schiltigheim goß die Schwägerin des Kellermeisters Wach Petroleum ans Feuer. Dabei explodierte die Kanne und die Frau stand sofort in Hellen Flammen. Sie erlitt schwere Brandwunden, denen sie unter schrecklichen Schmerzen nach einer Stunde erlag.
Essen 25. Aug. Spielende Knaben fanden auf dem Hofe einer Schreinerei eine gefüllte Sprengkapsel. Nach Anzünden der Zündschnur wurden drei Knaben schwer und zwei leichter verletzt. An dem Aufkommen des einen wird gezweifelt.
Der Reichskanzler Fürst v. Bülow hat sich laut „Franks. Ztg." an das Generalkommando des Gardekorps gewandt, um die möglichste Beschleunigung.der militärgerichtlichen Untersuchung gegen den Major Fischer herbeizuführen. Es heißt nun aber, daß die Untersuchung, bei der auf Jahre zurück Bücher, Lieferungen und Vertrage zu prüfen sind, auch beim besten Willen nicht in naher Zeit abgeschlossen werden kann. Danach würde also auch die Podbielski-Krise in nächster Zukunft noch nicht zur Erledigung gebracht werden können.
— Die Kriegführung in Deutsch- Südwestafrika hat sich wieder so schwierig wie überhaupt denkbar gestaltet; der Hunger scheint bereits eine gewisse Rolle zu spielen, denn der neueste amtliche Bericht spricht von dem schlechten Ernährungszustand der Truppen im Süden, entstanden durch geringen Nachschub auf den wenig leistungsfähigen Etappenstraßen und durch Mangel an Proviant und Hafer. Unter diesen traurigen Umständen sind die jüngsten Leistungen unserer braven Truppen umso höher einzuschätzen.
Lodz 23. Aug. Der Gasthofbesitzer Michel wurde auf dem Wege von einer Bank, wo er 1400 Rubel erhoben hatte, ermordet und beraubt.
Petersburg 23. Aug. Ein Regiment der Garnison Samarkand meuterte. Die Soldaten verhafteten die Offiziere und ersetzten sie durch von ihnen gewählte Offiziere. Der Platzkommandant ließ die Meuterer auffordern, sich sofort zu ergeben. Gleichzeitig ließ er Artillerie vor der Kaserne auffahren.
Petersburg 23. Aug. In der Peterhofer Burg wurde ein junger Mann und eine junge Dame erschossen aufgefunden. Auf den Leichen fand man das Todesurteil der Petersburger sozial-revolutionären Kampfesorganisation gegen General Trepow.
London 23. Aug. Nach einer Depesche des „Daily Chronicle" dauern die Feuers, brünste in Valparaiso fort. In dem Telegramm wird nicht mitgeteilt, ob diese Brände noch seit dem ersten Tage andauern, oder ob sie erst neuerdings ausgebrochen sind. Der Belagerungszustand ist noch in Kraft. Die Posten in den Banken und großen Geschäftshäusern sind verstärkt worden.
London 23. Aug. Wie einer Londoner Telegraphen-Agentur aus Moskau gemeldet wird, hat in dem dortigen Zentralgefängnis ein heftiger Kampf zwischen Gefangenen und Aufsichtsbeamten stattgefunden. Die Gefangenen meuterten, weil eine Anzahl politischer Verbrecher besondere Vergünstigungen erhalten hatten und in im Gefängnislazarett untergebracht worden waren, wo sie größere Bewegungsfreiheit und bessere Kost erhielten. Das Truppenaufgebot, das zur Niederwerfung der Meuterer herbeigerufen wurde, feuerte unter die Gefangenen und tötete eine große Anzahl.
New-Dork, 23.Aug. Unter den Deutsch- Amerikanern der Union wird eine Bewegung inszeniert, um den Besuch des Kaisers in den Vereinigten Staaten zu veranlassen.
St. Louiser Bürger wählten ein Komitee, das dem Kaiser persönlich eine Einladung der amerikanischen Deutschen überbringen soll. Wahrscheinlich werden auch andere Städte Delegierte abordnen, um diesem Vorgehen größeren Nachdruck zu verleihen. Botschafter Sternburg erklärte, daß in diesem Jahre kein Mitglied der kaiserlichen Familie nach Amerika kommen würde.
Vermischtes.
Württemberger in Chile. Der Stuttgarter chilenische Konsul, Herr C. Krauß, hat Dienstag früh von seinem in Valparaiso lebenden Sohne die telegraphische Nachricht erhalten, daß, soviel bis jetzt bekannt geworden, in Valparaiso wie auch in Santiago de Chile keine Württemberger ums Leben gekommen seien. In dem Telegramm wird auch noch bemerkt, daß die Angaben über den durch das Erdbeben verursachten Schaden, sowohl was die Zahl der Toten, wie auch was die Höhe der materiellen Verluste anbelange, stark übertrieben seien; der weitaus größte Teil des Unheils sei übrigens nicht durch das Erdbeben, sondern durch die ausgebrochene Feuersbrunst angerichtet worden. Nach der Ansicht des Stuttgarter Konsuls für Chile leben in Valparaiso gegenwärtig rund 3000 Deutsche, darunter etwa 30—35 Württemberger; ebenso groß dürfte auch die Zahl der Württemberger in Santiago sein. Von einem aus Biberach a. d. Riß stammenden Kaufmann, der Mitinhaber einer Drogerie in Valparaiso ist, ist bei seinen Angehörigen in Biberach gleichfalls die Nachricht eingetroffen, daß sein Geschäft unversehrt geblieben und im übrigen der Schaden nicht allzu bedeutend sei.
Im Riesengebirge stürzte ein anscheinend angetrunkener Bergsteiger beim Uebergang über den Scharfenberg von dessen ungefährlicher Lehne 20 m tief ab. Er erlitt einen schweren Schädelbruch. — In den Niederen Tauern in den österreichischen Alpen stürzte ein junger Wiener Advokat, der eben erst seinen Doktor gemacht hatte und der einzige Sohn seiner Eltern war, zu Tode. — In der Schweiz fand ein junger Graubündener Bergführer den Tod durch Absturz und beim Sturz von der Hochwacht in Nordtirol trug ein Münchener Prosessorsohn lebens. gefährliche Verletzungen davon.
Ueber ungenügenden Schutz der deutschen Reichsangehörigen in Lodz wird der „Fr. Ztg." gemeldet, daß während der letzten Straßenunruhen daselbst verschiedene Angehörige der deutschen Kolonie unschuldiger Weise zu Schaden kamen. Einem unserer Landsleute wurde während einer Abwesenheit die Zimmereinrichtung zertrümmert, andere wurden verhaftet, wieder andere mißhandelt. Ein Monteur aus Sachsen wurde durch einen Revolverschuß so schwer verletzt, daß er wenige Stunden darauf starb. Obgleich von verschiedenen Seiten sowohl telegraphisch wie brieflich Schritte getan wurden, um von dem deutschen Generalkonsulat in Warschau in irgend einer Weise Unterstützung und Schutz zu erlangen, war nach drei Tagen nicht einmal eine Antwort eingegangen. Das rief unter den Deutschen große Erbitterung hervor. Die Verzögerung erklärt sich indessen durch den bekannten Ueberfall auf den Generalkonsul.
Die Klagen der Deutschen in Lodz über die neulichen entsetzlichen Metzeleien sind nicht ungehört verhallt. Der deutsche Vizekonsul in Warschau, Baron v. Lerchenfeld, der jüngst vielgenannte, ist in Lodz eingetroffen, um die deutschen Staatsbürger, die bei der Schießerei am Mittwoch voriger Woche geschädigt wurden, zu vernehmen. Er begab sich laut Voss. Ztg. sofort zu dem Deutschen Karl Kühn, dessen Wohnung die Soldaten bei einer Durchsuchung gänzlich vernichtet und ausgeraubt hatten, und traf dort mit dem Obersten des Tomsker Regiments, der die Untersuchung leiten soll, zusammen. Baron Lerchenfeld nimmt mit allen deutschen Bewohnern, die geschädigt wurden, ein Protokoll auf, damit später eine Gesamtsorderung auf Entschädigung auf diplomatischem Wege eingereicht werden kann.
— Ein Postdiebstahl wurde auf dem Bundesbahnhof in Basel verübt. Ein Unbekannter drang in die Postzweigstelle ein und stahl
aus einem Postsack Frankfurt a. M.—Basel 80 Wertbriefe und einige tausend Mark in bar.
Millionenerbschaft des Papstes. Graf Bertowa. der unter Napoleon III. kaiserlicher Zeremonienmeister war und in Monte Carlo gestorben ist, soll dem Vatikan 6 Millionen Frcs. hinterlaffen haben.
Gefoppt. Ein sich für den Posten eines Polizisten bewerbender Mann sollte vom Arzte auf sein Gehör geprüft werden. Der Arzt zog seine Uhr aus der Tasche und fragte: „Hören Sie das Ticken?" — „Jawohl," war die Antwort. Der Arzt hielt sie einen halben Meter vom Ohr des Bewerbers. „Hören Sie es noch?" fragte er. — Jawohl, Herr Doktor." — „Jetzt treten Sie mal drei Schritte zurück." Dies geschah. „Nun, auch jetzt noch aus dieser Entfernung?" — Ter Bewerber lauschte angestrengt, dann lächelte er und nickte. „Ich höre noch," sprach er. — „Sie haben das wunderbarste Gehör, das mir je vorgekommen ist," sagte der untersuchende Arzt, „diese Uhr steht seit drei Wochen."
Die versunkene Robinsoninsel. Eine der Stätten unserer Erde, die von dem Schimmer der Romantik und des Abenteuerlichen verklärt, besonders bei der Jugend aller Kulturnationen bekannt war, hat, wie gemeldet, bei dem letzten umfangreichen Erdbeben von Chile ein Ende gefunden. Juan Fernande;, die Robinson Crusoe-Insel, ist, wenn sich die Nachricht bestätigt, in das Meer versunken. Eigentlich handelt es sich nicht um eine Insel, sondern um eine Inselgruppe, deren Hauptinseln Juan Fernande; oder Mas a Tierra und Mas a Fuera sind, und von denen die erste 95, die zweite 85 Quadratkilometer umfaßt. Beide sind vulkanischen Ursprungs und etwa 565 Kilometer von Valparaiso entfernt, zu dessen Provinz sie gehören. Mas a Tierra besitzt im Nordosten den Hafen Cumberland und ist im Osten gebirgig und bewaldet, sonst ist die Insel flach. Sie hat ein mildes Klima, Myrten, Sande, Farn- und Palmenbäume wachsen hier. Infolgedessen wird die Insel v.on Chile aus als Sommerfrische benützt, und die Bevölkerung, die vor einem Jahrzehnt nur aus etwa 20 Köpfen bestand, ist seitdem schnell gewachsen. Ob einige Bewohner der Insel ums Leben gekommen sind, wird nicht gemeldet. Die Tatsache, daß zu Anfang des 18. Jahrhunderts ein schottischer Seemann Alexander Selkirk sich auf Juan Fernande;, das schon früher von Seeräubern als Wasierstation benützt worden war, aussetzen ließ und dort als Einsiedler lebte, hat der Engländer Defoe zu seinem Weltbuch „Das Leben und die Abenteuer Robinson Crusoes von Aork" benützt, das 1719 in London erschien, und bald seinen Siegeslauf durch die Welt nahm. Es ist noch heute das beliebteste Buch der Jugend und hat im Laufe der Zeit zahllose Nachahmungen gefunden.
Gottesdienst
am 11. Sonntag nach Hrtnitatis, 26. August. Vom Turm: 272. Predigtlied: 415, Seelen laßt uns Gutes tun. 9 Uhr: Vonn.-Predigt, Herr Deka» Roo S. 1 Uhr-. Christenlehre mit den Söhnen.
Reklameteil.
Eine neue 4"»Ulmer Stadtanleihe offeriert im Inseratenteil die Firma I. Gumbel am Markt in Heilbronn. Die Finanzen von Ulm wie die städtische Verwaltung überhaupt sind im ganzen Lande rühmlichst bekannt, so daß jedes Wort über die Sicherheit der Ulmer Obligattonen überflüssig ist. Die ausgezeichnete Qualität, der Zinsfuß von 4" >> und schließlich der Umstand, daß bis 1912 keinerlei Tilgung zulässig ist, bilden die Gewähr für den flotten Absatz der neuen Obligattonen, die auch an der Börse eingeführt werden. Hier nimmt Herr Emil Georgii sowie die Kreditbank für Landwirtschaft und Gewerbe Zeichnungen entgegen.
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