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StaatsbankSeehandlung Berlin". Letztere bot 101,33°/°, wurde aber von der Firma I. Gumbel am Markt Heilbronn überboten, welche 101,55°/° bot und den Zuschlag erhielt. Die neue Anleihe gelangt sofort zum Kurs von 102,40°/° zur Emission und wird zweifellos zahlreiche Lieb­haber finden.

Ulm 21. Aug. Die hiesigen ausständigen organisierten Maurer und Zimmerleute haben nach 12-wöchentlichem Streik gestern die Arbeit bedingungslos wieder ausgenommen.

Pforzheim 20. Aug. Unter dem Ver­dachte, den Landwirt Müller in die Würm gestoßen oder sonst tötlich verletzt zu haben, wurde demPf. Anz." zufolge der Akziser Schmidt verhaftet. Schmidt hatte mit Müller Streit in einer Wirtschaft. Inzwischen sollen sich Anhalts­punkte ergeben haben, die noch eine andere Person als Täter in Frage kommen lassen.

Frankfurt 21. Aug. Graf Witte wird nicht nach Ems, sondern nach Bad Soden im Taunus zum Kurgebrauch gehen.

Frankfurt 21. Aug. Der frühere russische Ministerpräsident Graf Witte, der einige Tage in Frankfurt zubrachte, hat im Automobil größere Ausflüge in die Umgegend unternommen und die Stadt und den Palmengarten besichtigt. Er ist gestern nach Ems abgereist, wo er etwa drei Wochen zu bleiben gedenkt.

Berlin 21. Aug. Die Deutsche Tages­zeitung gibt ihrer Befriedigung Ausdruck, daß die kaiserliche Entschließung über die Entlassung Podbielskis hinausgeschoben ist. Offen­bar wolle man den Anschein vermeiden, als ob dasGeschrei der Presse" Eindruck machen und Entschließungen herbeiführen könnte, für die der Zeitpunkt als solcher ungeeignet erscheinen müsse. Die Veröffentlichung der Notiz in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung am Samstag sei jedenfalls unzweckmäßig gewesen. Die Tägliche Rundschau glaubt nach ihrer Kenntnis der Stimmung an den entscheidenden Stellen nicht, daß dort die Absicht bestehe, Podbielski unter Umständen doch noch zu halten. Auch die übrige Presse hält den Rücktritt Podbielskis für sicher. So sagt die National-Zeitung: Der Schwerpunkt der gestrigen offiziösen Notiz liege fraglos in dem Wörtchen: zur Zeit". Die Gründe, aus denen der Monarch die definitive Entschließung in diesem Augenblick noch nicht publizieren will, liegen durchaus nahe.

Flensburg 21. Aug. Das Kriegsgericht verurteilte den Hauptmann Hausmann vom Regiment 85 in Kiel, der die Funktionen seines Feldwebels so ungenügend beaufsichtigte, daß dieser Unterschlagungen und Fälschungen begehen konnte, zu zwei Wochen Stubenarrest.

Bern 21. Aug. Die Postkutsche Arosa- Chur ist gestern Abend im Hinteren Schanfigger Tal (Graubünden) infolge Scheuens der Pferde über den Straßenbord hinausgeraten und den steilen Abhang heruntergestürzt. Eine Frau Weitbrecht aus Eßlingen (Württemberg) wurde dabei getötet, der Postkondukteur schwer verletzt und der Wagen gänzlich zertrümmert.

Eg er 21. Aug. Der Direktor der Eisen­lager und Automobilfabrik, Reutter, welcher in Begleitung seiner Frau und einer Dame aus Hamburg mittelst Automobils von Franzensbad nach Marienbad fuhr, verunglückte, indem das Automobil umstürzte, wobei alle drei Insassen schwer verletzt wurden.

Warschau 21. Aug. Der Bomben- Anschlag auf den Generalgouverneur Skalon wurde von der fliegenden Kampfes-Organisation der russischen Sozial-Revolutionäre mit Beihilfe der polnischen Sozialistenpartei ausgeführt. Am Sonntag wurde das Haus, das der deutsche Generalkonsul bewohnt, aufs genaueste vom Keller bis zum Dach durchsucht. Die Revision dauerte über drei Stunden. Man vermutet, daß die Revolutionäre geglaubt hatten, Skalon habe nach dem Besuch des Vizekonsuls auch dem General­konsul einen Besuch abzustatten beabsichtigt. Man fand aber nichts verdächtiges.

Petersburg 21. Aug. Nach offiziellen Bekanntmachungen wurden in der letzten Woche in Rußland 72 politische Morde an Amtspersonen verübt. 42 Beamte wurden schwer verwundet; ferner wurden 120 Bomben gefunden, 12 geheime Druckereien entdeckt, 13 Kron-Schnapsbuden und 18 Staatskaffen beraubt, wobei 22 Angestellte getötet und verwundet wurden. Aus politischen Gründen wurden 276 Personen verhaftet.

Riga 21. Aug. Als der Kreischef, 2 Land­polizisten und 6 Deutsche eine Inspektionsreise unternahmen, wurden sie in einem Walde von einer großen revolutionären Bande überfallen. Es kam zu einem heftigen Kamps, wobei der Guts­beamte Kraus, 2 Landpolizisten und 1 Deutscher schwer verwundet wurden. Die übrigen Mitglieder entkamen.

Riga 21. Aug. Im Seebade Bilderlings­hof wurde ein Ueberfall auf die Villa Helmsing versucht, deren Badehäuser angezündet wurden. Die Russen aus dem Innern des Reiches verlassen in Massen und fluchtartig die Strand­orte. In Riga, wo Agitatoren aus Warschau eingetroffen sein sollen, wurden gestern in ver­schiedenen Fällen 3 Schutzleute beschossen. Einer wurde getötet. Der Streik der Tramway-Beamten dauert an. Das neu angestellte Personal wagt

nicht zu fahren. In den Fabriken streiken 4000 Arbeiter.

London 21. Aug. Der Berliner Korre­spondent des Morning Leader meldet mit Bezug aus eine Notiz im Lokal-Anzeiger, daß der Kaiser vor der Zusammenkunft mit König Eduard sich abfällig über die britische Presse ge­äußert habe: Ich bin von amtlicher Seite ermächtigt, zu erklären, daß der Kaiser keinerlei abfällige Bemerkung über die Haltung der briti­schen Presse gemacht hat. Seine Majestät, wurde mir gesagt, schätze die englische Presse hoch und zeige sein Interesse dadurch, daß er die Leitartikel der tonangebenden englischen Blätter sorgfältig lese. Gleich anderen Monarchen und Privat­personen sei der Kaiser wohl allerdings manchmal mit dem angeschlagenen Ton in englischen, fran­zösischen und deutschen Zeitungen unzufrieden und bei seiner impulsiven Natur äußere er sich dann sehr tadelnd über die Zeitungen und die Zeitungsschreiber. Seine Majestät ist aber Welt­mann genug, um den Wert und den Einfluß der Presse zu erkennen.

Die Erdbebenkatastrophe in Chile.

Grausige Einzelheiten kommen nach und nach über das Erdbeben und Feuer in Chile. Dabei treten noch immer Erdstöße auf, die von geringer bis mittlerer Stärke sind. An dem Unglückstage selbst wurden nicht weniger als 82 Erdstöße verspürt. In Valparaiso ist der größte Teil der Häuser zerstört oder beschädigt. Die Verluste werden auf eine Milliarde Mark veranschlagt. Den meisten Schaden richtete das Feuer an, das nach dem ersten Erdstoß ausbrach. Die Lebensmittel sind sehr spärlich, ein Liter Milch kostet 2 chilenische Dollar, die Fleischpreise find ähnlich hoch. Die auf die Hügel und in die Parks geflüchtete Bevölkerung leidet sehr, da die Nächte sehr kalt sind und heftiger Wind weht. Nach einem Telegramm der Bank für Chile und Deutschland an die Norddeutsche Bank in Hamburg ist zum Glück wenigstens Wasser für alle Zwecke reichlich vorhanden. Der Stadtteil Almendral wurde vollständig zerstört. Die Banken waren am Montag zwei Stunden lang geöffnet. Einer anderen Meldung zufolge sind ganze Straßen gesunken, sämtliche Gasrohre gebrochen, ebenso die Drähte für das elektrische Licht zerrissen. Die Stadt wird von brennenden Ruinen beleuchtet. Mit der Durchsuchung der Häuser ist begonnen worden. DerDaily Tele­graph" kann berichten, daß 10 000 Menschen ums Leben gekommen sind. In Valparaiso lagern 100000 Menschen im Freien. In aller Eile werden leichte Holzhütten auf den Hügeln her­gerichtet. Die Feuersbrünste sind noch nicht ge­löscht. Die Brücken und viele Tunnels find

schöpft. Bei Cornish stellte sich vor Uebermüdung jene stumpfe Gleich­gültigkeit ein, wie sie Schiffbrüchige zeigen, die zuletzt aus Ueberanstrengung umsinken und in eine ähnliche Betäubung verfallen, wie Menschen, die den Tod des Erfrierens sterben.

Da ich einige Ruhe genossen hatte, so war es nicht mehr als billig, daß ich nunmehr das Rad übernahm und Forward und Cornish schlafen gehen ließ. Ich wies dem letzteren die Koje an, welche Stevens bewohnt hatte und bat Forward, dem Steward zu sagen, daß er auspassen solle, wenn ich riefe, um sogleich heraufzukommen.

Als die beiden mich verlassen hatten, war ich allein auf Deck. Zu meiner Bequemlichkeit und um dem Ruder mehr Halt zu geben, legte ich die Steuerkette fest; dann kauerte ich mich nieder, um etwas Schutz gegen die furchtbare Gewalt des Windes zu gewinnen.

Ich fand nun Zeit zum Nachdenken, und unsere Lage kam mir zum vollen Bewußtsein. Bisher hatte mich die Arbeit ganz in Anspruch ge­nommen; jetzt übersah ich alles und erschrak. Die Verwüstung im Takel­werk war eine entsetzliche.

Mein Blick fiel auf das große Marssegel; ich betrachtete es mit Sorge, denn von ihm konnte möglicherweise unser Leben abhängen; außerdem hatten wir zur Zeit als einzig brauchbares Segel nur noch das Fockstengen- Stagsegel. Riß der Sturm das große Marssegel fort, dann fiel aller Wahr­scheinlichkeit nach das Schiff mit seiner Spitze sogleich ab und trieb aus Mangel an genügender Leinwand ziellos vor den Wogen her, welche über den Stern schlagen und das ganze Deck überschwemmen würden.

Ebenso drohte uns die andere Gefahr, die Fockstenge zu verlieren, da sie das ganze Gewicht des Stagsegels zu tragen hatte. Wenn das geschah, so ging auch dieses Segel verloren, das Schiff drehte sich und trieb dann über Steuer fort.

Wären mehr Hände an Bord gewesen, so hätte ich einen Teil der Ladung aus dem Schiffsraum schaffen und über Bord werfen lassen, um

das Schiff zu erleichtern und dadurch die Spannung zu verringern. Mit der nötigen Mannschaft wäre es auch leicht gewesen, ein Schnaufegel an Stelle des verlorenen Marssegels zu setzen, Bürgpardunen an Fockmast und Fockstenge zu befestigen und die Oberbram-Raaen herunterzunehmen, um die Masten weniger zu gefährden. Aber was konnten wir vier Menschen, die kaum noch die Finger vor Ermattung zu regen vermochten, von alledem ausführen? Uns blieb vorläufig nichts übrig, als abzuwarten, was noch über uns Hereinbrechen würde.

Umgeben von dem tobenden, heulenden Sturm und dem Donnern der schweren See, deren Wassermassen über die Schiffsseite stürzten, fühlte ich mich recht mutlos und verlassen.

Ich verblieb auf meinem Posten am Rade, denn ich wünschte sehnlichst, daß der Hochbootsmann und Cornish durch einen erquickenden Schlaf wieder zu Kräften kommen möchten. Falls einer der beiden zusammenbrach, dann, in der Tat, war das Schiff verloren, und wir mit ihm.

Noch waren beide keine Stunde unten, als eine ungeheure Woge das Schiff auf dem Steuerbordbug faßte und Ströme von Wasser über das Teck ergoß. Ter Stern des Schiffes sank in ein schwarzes Wellental und als gleich darauf die Riesenwoge unter der Gillung hinlief, den Stern wieder hebend, da stürzte der Bug in eine tiefe Mulde hinab. Noch ehe sich das Schiff wieder ganz gehoben hatte, rollte eine zweite mächtige Welle heran, und erdrückte es fast durch den Wasserschwall, der das Vorderdeck überflutete.

Noch eine solche Woge, und unser Schicksal war besiegelt. Glücklicher­weise waren solche Wogen Ausnahmen, kleinere folgten und das kämpfende, arbeitende Schiff war immer noch am Leben. Am Leben, aber verstümmelt. Der letzte schreckliche Anprall hatte den Klüverbaum dicht an der Spitze des Bugspriets weggerissen, und die Vorbramstenge unmittelbar über der Vorbram- Raa abgebrochen. Tie Stenge hing im Tauwerk noch fest, der Klüverbaum war aber leewärts weggetrieben.

(Fortsetzung folgt.)