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Amtsblatt für den Oberamtsbezirk Neuenbürg
str.165
Samstag den 18. Juli 1S31
8S. Jahrgang
Strenge Mabmchmen gegen Kapitalflucht
Amnestiefrist für die Angabe der Devisenbestände — Erschwerte Reisen ins Ausland
Berlin, 17. Juli. Reichsminister Treviranus setzte heute sic Reihe der Rundfunkreden der Reichsregierung fort. Er ging zunächst auf die wirtschaftliche Lage ein, wie sie sich in den leytM Tagen und Wochen gestaltet hat, und dann auf die Folgerungen der letzten Notverordnungen. Dann führte er «Mähr folgendes aus: Das einzige, was einem heute in diesen ernsten Stunden Freude machen darf, ist das tapfere, besonnene Verhalten unseres Volkes in dieser Wirtschaftskrise, die in tausendfältigen Verflechtungen keinen Haushalt verschont. Es ist doch gewiß kein Grund zur Verzweiflung vorhanden. Wir brauchen dabei nur an die kommende Ernte zu denken. Sie wird nicht schlechter sein als im Durchschnitt der letzten Fahre. Ausländische Lebensmittel werden lange nicht mehr in dem Maße herangezogen, wie noch vor einigen Jahren. Und schließlich sollte doch jeder wissen, daß in dem Ringen um unsere Gleichberechtigung und die Befreiung von ungerechtfertigten Vorbelastungen durch den mutigen Entschluß des Präsidenten Hoover uns neue Hoffnung gegeben ist.
Die Augen der Welt sind nun auf die deutschen Staatsmänner gerichtet, die in Paris und London ihr möglichstes mn werden, um einen Ausweg aus der Krise, die ja nicht nur eine deutsche, sondern eine Weltkrise ist, zu finden.
Die Ereignisse haben der Welt klar gemacht, daß mit dem Schicksal Deutschlands ganz Europa auf Gedeih und Verderb verbunden ist. Es ist also nicht ein deutsches Problem, sondern es handelt sich um die Erhaltung des geregelten Wirtschaftsablaufes für die ganze Welt. Ein 65-Millionen-Bolk hofft darauf, wieder die Möglichkeit zu erhalten, m Frieden und Freiheit zu leben und zu arbeiten. Es erwartet von seinen Vertretern, daß sie in Paris und London nicht die deutsche Unabhängigkeit und den deutschen Nationalstolz preisgeben werden. Das gesamte Volk muß bei den kommenden harten Kämpfen hinter der Reichsregierung stehen.
Die Rcichsregierung hat mit den jüngsten Notverordnungen nicht im entferntesten die Kreditnot beseitigen können. Bei einem Notenumlauf von 4,1 Milliarden und bei einer Kopfzahl von 65 Millionen beträgt der Notenumlauf auf den Kopf der Bevölkerung gerechnet, 7U Mark. Würde nun jeder Hamstern, was ihm erreichbar ist, so hätten wir bald überhaupt keinen Notenumlauf mehr.
Sodann ging der Minister auf den Inhalt der im Laufe des Samstag erfolgenden Notverordnung über Kapital- und Steuerflucht ein. Zunächst sollen nach der Aufhebung der Bankfeiertage weitere Lockerungen im Verkehr der Wanken untereinander und mit dem Publikum eintreten. Die Auszahlung der Guthaben auf Sparkonten soll bis zu einer Höhe von etwa 20 Mark täglich, auf laufenden Konten bis zu IM Mark täglich erlaubt sein. Daneben wird der Ueberweisungs- vnkehr auf täglich etwa 2000 Mark als Höchstgrenze erweitert iverden, unter gewissen Bedingungen sogar bis 15000 Mark. Das Wechselmoratorium wird mit einem llebergang restlos abgebaut. Die jetzige Zinsfestsetzung für die Einleger von Guthaben bei Sparkassen und Banken wird auch den Hamsterern in Kürze zeigen, wie kurzsichtig sie in der Panikstimmung gehandelt haben.
Bei diesem Stand der Dinge war für die Regierung die »rage, ob sie es zulassen kann, daß weiterhin mehr oder weniger große Summen deutschen Nationalvermögens, deutscher Gelder, in ausländischer Wahrung jenseits der Grenzen unseres Vaterlandes angelegt sind. (Nach dem „Demokratischen Zeitungsdienst" handelt es sich um die Kleinigkeit von etwa 8 Milliarden Mark. Die Schrift!.)
Die kommende Notverordnung wird daher mit allen dem Staate z« Gebote stehenden Mitteln die Rückkehr dieser Gelder erzwingen. Es wird dabei eine längere Amnestiefrist gewährt, L Eder, der heute „in Selbstbesinnung auf die schwere Krise, in der unser ganzes Volk heute steht", seine Mitteilung «l das Finanzamt und an die Reichshank über seine wahren Tedisenbestände abgeben will, von jeder Strafe freigestellt wird. Wer aber trotz dieser Aufforderung künftighin Ber- uwgensbestände dieser Art verschweigt, wird mit Gefängnis v°er Zuchthaus und Geldstrafe ohne jede Höchstbegrenzung Eegt. Damit verbunden ist die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte.
^Hierdurch wird auch dem Ausland klargemacht werden mupen, daß in dieser schweren Zeit das deutsche Volk nicht in «er Lage sei, sei es zur Erholung, sei es zum Vergnügen seinen -verdienst ins Ausland zu tragen. Deshalb wird mit Wirkung A"" Morgigen Samstag beim Grenzübertritt für jeden Patz «ne Gebühr von 166 Reichsmark erhoben werden mit Ausnahme des kleinen Grenzverkehrs, der Auswanderer und Wan- erarberter. Die Reichsregierung ist sich bewutzt, datz es geben wird. Um aber eine rechtzeitige und kräftige «nrkung zu ereichcn, ist es notwendig, datz auch weitere Härten nicht vermieden werden.
gab der Minister der Hoffnung Ausdruck, Preisgestaltung nicht über das bisher Geforderte
Ich Wer nun glaubt, bessere Rezepte als die Regierung dem kann man in der jetzigen Zeit nur zurufen:
Rezept!" Von bloßen Andeutungen kann das ein m mcht gesunden. „Eine Nation zu sein ist nicht all-- Äfften, sondern ein Kampf. Das eine eint uns ja
e- Wrr wollen unser Volk glücklich sehen."
Neue Notverordnung
Zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen
Berlin, 17. Juli. Aus Grund des Artikels 48 Absatz 2 der Reichsverfaffung wird für das Reichsgebiet verordnet:
Z 1. Der verantwortliche Schriftleiter einer periodischen Druckschrift ist verpflichtet, aus Verlangen der obersten Reichsoder Landesbehörden oder der von ihnen bestimmten Stellen Kundgebungen sowie Entgegnungen aus die in der periodischen Druckschrift mitgeteilten Tatsachen ohne Einschaltung oder Weglassung unentgeltlich aufzunehmen.
Der Abdruck hat unverzüglich, Lei Tageszeitungen spätestens in der nach Eingang der Kundgebung oder Entgegnung nächstfolgenden für den Druck selbst bereits abgeschlossenen Nummer zu erfolgen. Die Kundgebung oder Entgegnung ist an der vom Einsender bestimmten Stelle, mit der von ihm bestimmten Ueberschrift und in der von ihm bestimmten Schrift zum Abdruck zu bringen. Eine Stellungnahme zu einer Entgegnung in der gleichen Nummer ist unzulässig.
tz 2. Druckschriften, durch deren Inhalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet ist, können beschlagnahmt und eingezogen werden.
Periodische Druckschriften können verboten werden:
1. wenn der Vorschrift des tz 1 zuwidergehandelt wird, oder 2. wenn durch ihren Inhalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet wird.
Me Vorschriften des tz 12 Absatz 2, 3, ß 13, ß 15 Absatz 1 der Verordnung zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 28. März 1931 (RGBl. Seite 79) gelten entsprechend.
K 3. Diese Verordnung tritt mit dem Tage ihrer Verkündung in Kraft.
Berlin, den 17. Juli 1931.
Der Reichspräsidenr: von Hindenburg. Der Reichskanzler: Brüning. Der Reichsminister des Innern: Wirth.
Mese neue Notverordnung richtet sich offensichtlich gegen die im Dienste der radikalen Parteien stehenden Zeitungen, die glaubten, ihren Lesern die von den Reichs- und Landesbehörden erlassenen Kundgebungen, die der Aufklärung über die wahren Absichten ihrer Politik dienen sollten, nur auszugsweise oder womöglich garnicht Mitteilen zu können. Wenn diese Notverordnung auch einen Eingriff in die Pressefreiheit bedeutet, so wird die verantwortungsbewußte Presse im Interesse für die Ausrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ruhe sich unschwer mit ihr abfinden können.
Entscheidende Tage W Dentfchlands 3«k«nft
Berlin, 17. Juli. Der Reichskanzler, der Außenminister, der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes und die übrigen den Ministern beigegebenen Herren haben am Freitag abend Berlin verlassen. Sie werden am Samstag nachmittag um 2 Uhr in Paris eintreffen. Wenige Stunden vor ihrer Abreise fand noch einmal ein Ministerrat statt, der sich mit den bevorstehenden diplomatischen Verhandlungen beschäftigte.
Erklärung des Reichskanzlers Dr. Brüning vor feiner Abreise
Berlin, 17. Juli. Reichskanzler Dr. Brüning übergab dem Chefredakteur des WTB. kurz vor seiner Abreise nach Paris folgende Erklärung:
Nachdem die Reichsregierung die notwendigen Maßnahmen getroffen hat, um den Gefahren zu begegnen, die aus den schweren Erschütterungen des deutschen Geld- und Kreditsystems drohen, ist mir nun die Möglichkeit gegeben, den von mir schon in meiner letzten Rundfunkrede zum Ausdruck gebrachten Wunsch nach einem persönlichen Meinungsaustausch mit den französischen Staatsmännern zur Durchführung zu bringen. Der Herr Reichsaußenminister und ich fahren mit dem festen Willen nach Paris, in einen offenen gegenseitigen Meinungsaustausch einzutreten, dessen Ergebnis, wie ich hoffe, den Weg für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit freimachen wird. Die bevorstehende Aussprache kann um so fruchtbarer sein, als wir gleichzeitig Gelegenheit haben werden, auch mit dem englischen Außenminister und dem amerikanischen Staatssekretär zusammenzukommen. Von Paris werden wir auf eine Einladung der englischen Regierung nach London weiter fahren, um den begonnenen Gedankenaustausch dort fortzu- setzcn. Ich hoffe, daß diese persönlichen Fühlungnahmen zur Klärung der Lage beitragen und einen sichtbaren Beweis internationaler Solidarität geben werden.
Offiziöse französische Erklärung zum Besuch der deutsche« Minister
Paris, 17. Juli. Me Havasagentur verbreitet aus Anlaß des Besuches des Reichskanzlers Dr. Brüning und des Reichsaußenministers Dr. Curtius eine Auslassung, in der es heißt:
Die Reise des deutschen Reichskanzlers und des deutschen Außenministers nach Paris ist ein wichtiges Ereignis in der Geschichte der Beziehungen zwischen den beiden Nationen. Von französischer Seite deutet man diese Reise als eine neue Etappe auf dem Wege einer deutsch-französischen Annäherung. Es würde zu pick verlangt sein, von eiligen Besprechungen, die morgen stattfinden, entscheidende Ergebnisse zu erwarten. Selbst wenn diese erste Fühlungnahme schon zur Folge haben wird, datz die Atmosphäre geklärt wird, und datz die beiden Völker zu einem besseren gegenseitigen Verstehen geführt werden, würde die Initiative des Ministerpräsidenten Lava! nicht vergeblich gewesen sein. Der gute Wille der französischen Regierung steht fest, und man darf nicht zweifeln, datz Dr. Brüning und Dr. Curtius von den gleichen Gefühlen beseelt sind, man wird bald wissen, ob diese loyale und vollkommene Aussprache, die diese historische Begegnung bringen wird, genügen wird, um in den öffentlichen Meinungen der beiden Länder eine Annäherung herzustellen, die eine grundsätzliche Einigung im Laufe der Verhandlungen, die sich in den nächsten Tagen fortsetzen werden, und an denen die Außenminister von England, Amerika und Italien teilnehmen werden, erleichtert. Der zweite Tag, den Dr. Brüning und Dr. Curtius in Paris
verbringen werden, wird den Besprechungen zu Fünft Vorbehalten sein, in deren Verlauf man sich bemühen wird, die Meinungsverschiedenheiten zwischen den französischen und den deutschen Gesichtspunkten auszugleichcn, um zu einer Lösung zu gelangen, die für beide Länder in gleicher Weise annehmbar sein wird.
Die Auffassung der amerikanische« Regierung über die Hilfe für Deutschland
Washington, 17. Juli. Das unverrückbare Ziel der amerikanischen Regierung, sofortige und möglichst langfristige Hilfe für Deutschland unter Beiseitestellung aller nicht notwendigen Einzelheiten, wurde heute von Unterstaatssekretär Castle nach erneuter telephonischer Besprechung mit Stimson und einem langen Vortrag bei Hoover mit voller Deutlichkeit erneut betont. Ferner wurden zwei für das kommende Wochenende äußerst wichtige Punkte endlich geklärt: Man betrachtet den Besuch des Reichskanzlers Dr. Brüning bei Laval lediglich als einen Auftakt zu der eigentlich entscheidenden Londoner Konferenz und man betrachtet ferner die bisher bekanntgeworde- nen französischen Voraussetzungen für eine Anleihe an Deutschland als „undiskutierbaren Versuchsballon".
Castle teilte weiter mit, daß die französische Regierung, wie Stimson telefonisch mitteilte, tatsächlich heute früh als Gegenleistung Deutschlands für eine in 10 Jahren rückzahlbare, von Amerika, Frankreich und anderen zu gewährende Anleihe in Höhe von 560 Millionen Dollar, etwa verlangt habe, datz die Zolleinnahmen Deutschlands gepfändet würden, datz ein Gläubigerausschutz die Verwendung dieser Einnahmen kontrolliere und ein Bestimmungsrecht bezüglich etwaiger weiterer deutscher Ausländsanleihen habe, datz Deutschland seinen Wchretat während dieser 16 Jahre nicht erhöhe und datz Deutschland während dieses Zeitraums keinerlei politische Forderungen stelle, sondern den politischen und geographischen status quo respektiere. Castle bemerkte hierzu, Hoover habe, als Stimson ihm diese Forderungen mitteilte, erklärt, daß Amerika unmöglich diskutieren könne und datz die französischen Staatsmänner in einer Unterhaltung mit Tr. Brüning selbst einsehen werden, datz sie undurchführbar seien.
Die Reichsregierung habe, so betonte Castle, in den letzten Tagen einige sehr energische und gute Maßnahmen ergriffen, die dem Reich über die nächste Zukunft Hinweghelsen würden. Nunmehr könne Deutschland erwarten, daß schleunigst ein auf möglichst lange Sicht berechneter Hilfsplan gefaßt werde, und das sei die Aufgabe der Londoner Konferenz. Hoover habe soeben Botschafter Dawcs, der in Chikago weilt, gebeten sofort auf seinen Londoner Posten zurückzukehren und Dawes werde am 22. Juli mit der „Mauretanier" abfahren, sodaß dann 4 prominente amerikanische Beamte, Stimson, Mellon, Dawes und Gibson an der Konferenz, die wahrscheinlich einige Zeit dauern werde, Mitarbeiten können.
Zum Schluß seiner Ausführungen erklärte Castle, daß die Entsendung Owen D. Youngs nicht beabsichtigt sei. Er fügte hinzu: Es handle sich nicht um eine Revision bestehender Verträge, sondern um eine unaufschiebbare Behebung eines Notstandes. Mellon gehe nicht mit politischen Instruktionen oder Vollmachten, sondern lediglich mit der klaren Weisung nach London, an der unverzüglichen Entspannung der Finanzlage Deutschlands mitzuarbeiten. Zur Erreichung dieses Zieles sei natürlich eine Angleichung der Ansichten von