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Samstag de« S. Mai ISSI

8S. Jahrgang

Woran wir kranke«

Lehre« aus dem Reichsdahnaüschluß. Fluch der Zentralisie- m«S - Die Regierung gegen die Bäcker. Treviranus Ssnderritt gegen die Arbeitslosigkeit. - Alte Weisheiten im Brauns-Gutachten.

(Nachdruck verboten.)

js. Der Wirtschaftsniedergang verschonte natürlich auch Las größte Unternehmen der Welt, die deutsche Reichsbahn, nicht, die nun ihren Bericht über das Jahr 1930 vorlegte. Obwohl die Einnahmen um Äreiviertel Milliarden RM. hin­ter 1929 zurückblieben, gelang es dem Unternehmen, noch einen Ueberschuß von 480 Millionen RM. herauszurechnen. Rach dem Abzug der Nesiarationssteuer von 660 Millionen KM-, schließt aber das Jahr 1930 mit einem Verlust ab. Die Reichsbahn zehrt, und das ist das Bedenkliche an ihrer Betriebssührung, an ihrer Substanz. Wenn man aber er- Khrt daß die Reichsbahn im ganzen jährlich 1,2 Milliarden RM. an politischen Lasten (einschl. Youngsteuer) zu tragen hat, dann wundert man sich nicht mehr über die ständigen Tariferhöhungen.

Der Abschluß der Reichsbahn zeigt wieder deutlich, dag die Tribute am Mark unserer Wirtschaft zehren. Kommt nicht bald eine Revision, dann bricht die deutsche Wirtschaft »n Entkräftigung zusammen.

Neben den Reparationen drohen die öffentlichen Lasten unsere Wirtschaft zu erschlagen. Die 568 Millionen RM-, welche die Reichsbahn für diese öffentlichen Lasten im Jahre IS30 beisteuern mußte, zeigen handgreiflich, daß der Staat endlich sparen muß, wie es die Pflicht eines verarmten Staa­tes und Volkes eben ist. Wenn sich auch das Kabinett bemüht, weitere 150 Millionen RM. an Ausgaben zu streichen, so ist das zwar anzuerkennen, wirkt aber nur wie ein Tropfen auf einen heißen Stein. Um die Beamten zu beruhigen, ver­sicherte Reichsfinanzminister Dietrich, daß er gegen einen wei­teren Abbau der Beamtengehälter ist.

Der Preisabbau setzt sich nur sehr matt fort. So zeigt die Reichsmeßzahl für die Lebenshaltungskosten im April (Er­nährung, Wohnung, Kleidung usw.) nur einen Rückgang um 6,4 Prozent auf 137,2. Bei den Nahrungsmitteln wurden leider die Preisrückgänge für Eier, Milch, Butter und Fleisch durch ein Steigen der Preise für Gemüse, Kartoffeln und Brot z. T. wieder wettgemacht. Die Steigerung des Brotpreises vor allem durch die Berliner Bäcker hat überall größte Entrüstung hervorgerufen. Die Regierung drohte, das Gesetz gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Machtstellung gegen die Preis­erhöhung des Zweckverbandes der Bäckermeister von Groß- Berliu anzuwenden. Me Berliner Bäckermeister wollen nun ihre letzte Preissteigerung rückgängig machen. Die Zollermäßi­gung für die Einfuhr einer bestimmten Weizenmenge sollte außerdem das Weizenmehl verbilligen.

Trotz aller Bemühungen und verschiedenartigster Rat­schläge ist es noch nicht gelungen, das erlösende Zauberwort zu finden, das uns aus dem Wirtschafts- und Arbeitslosen­chaos führen könnte. Neichsminister Treviranus wartete nicht erst, bis die Brauns-Kommission ihren Bericht veröffentlichte, sondern führte auf eigene Faust Verhandlungen mit verschie­denen, auch politisch gefärbten Verbänden wegen der Einfüh­rung einer freiwilligen Arbeitsdienstpflicht, um auf diese Weise die Arbeitslosigkeit etwas zu vermindern. Ueberall fand er Zustimmung, nur meldeten sich in kleineren Fragen politische Sonöerwünsche undgewisse Abweichungen". Wir haben vor diesen Vorbehalten einen großen Respekt; denn sie haben schon manchen guten Plan nicht zur Ausführung kommen laßen. Der Deutsche Landgemeindetag schlug in einem Gesetzentwurf, der der Reichsregierung, den Länderregierungen und den üb­rigen gesetzgebenden Körperschaften überreicht wurde, vor, man solle durch eine Reichsarveitslosenfürsorge die unerhörten Kosten, die uns die Arbeitslosen verursachten, in gerechter Weise einschränken. Die Arbeitslosenunterstützung wird für IM auf 3 Milliarden R.M. geschätzt. Im ganzen gab das deutsche Volk für Sozialversicherungen im letzten Jahr rund 75 Milliarden R.M. aus! Inzwischen hat die Draunskom-

mission ihr Gutachten nusgebrütet. Am solche bis zum Uebcr- druß abgeleierte Wahrheiten darzulegcn, hätte man wirklich nicht so lange brauchen sollen wie diese Kommission. Ihre Erkenntnisse und Vorschläge lassen sich folgendermaßen zu­sammenfassen: Unsere Wirtschaft leidet an Blutarmut (Kapi­talmangel, hervorgerufen durch die Milliarden-Tribute) und an Verkrampfung (Erstarrung der Preise und Löhne, Büro­kratismus usw.). Wir brauchen langfristiges Kapital aus dem Auslande. Ohne seine Hilfe ist an eine Besserung des Ar­beitsmarktes nicht zu denken. Dazu muß man aber noch be­merken, daß ebenso wirksam, ja noch viel besser als Auslands- kapital eine Streichung oder mindestens eine Kürzung der Reparationen wäre. Wenn auch der amerikanische Staats­sekretär Mellon jede Schuldenrevision ablehnte, so wehte doch auf der Tagung der Internationalen Handelskammer in Ame­rika eine spürbare Revisionsluft, die man vor allem auch bei amerikanischen Vertretern bemerkte. Mit dem Kapital, das wir vom Auslande erhalten sollen, müßte dann nach den Vorschlägen der Brauns-Kommission die verhängnisvolle kurz­fristige Verschuldung getilgt werden. Dann aber gilt es das übrige Kapital Produktiv anzulegen und nicht durch Fehllei­tungen neue schwere Fehler zu begehen. Die Kommission empfiehlt hier besonders solche Unternehmungszweige, die zum großen Teil der öffentlichen Hand gehören. Sie nennt z. B. die Energiewirtschaft (Elektrizitätswirtschaft) usw., Verkehrs­wesen (Landstraßen, Eisenbahn zur Auffrischung der angegrif­fenen Substanz). Dann erwähnt der Bericht noch landwirt­schaftliche Meliorationen und das ländliche Siedlungswesen undschließlich die Wohnungswirtschaft.

Die Börsen zeigten im allgemeinen, trotz verschiedentlicher Schwankungen und Abschwächungen gesunde Widerstandskraft. Der Umlauf an Pfandbriefen nahm im März weiter zu (um rund 100 Mill. R.M.) und erreichte einen Umfang von 12,4 Milliarden R.M. Der 7prozentige Pfandbrief gewinnt immer mehr die Oberhand.

Die Produktenmärkte waren still, doch ist Roggen im Preise wieder höher geworden. Das Mehlgeschäft blieb mini­mal, weil die Bäcker der Regierungsankündigung gemäß bil­ligere Preise erwarten und jetzt nichts kaufen. An der Stutt­garter Landesproduktenbörse blieben Wiesenheu und Stroh mit 5)4 bezw. 3)4 RM. pro Doppelzentner unverändert. An der Berliner Produktenbörse notierten Weizen 285 (4-1), Rog­gen 201 (4-), Futtergerste 244 (unv.), Hafer 196 (4-7) R.M. je pro Tonne und Weizenmehl 40)4 (unv.) R.M. pro Dz.

Warenmarkt. Die Großhandelsindex ist mit 113,5 gegen­über der Vorwoche (113,7) um 0,2 Prozent zurückgegangen. An den Rohstoffmärkten sind die Preise für Nichtedelmetalle (besonders Kupfer) zurückgegangen. Von den Textilien hatten Wolle, Baumwollgarne, Seide und Hanf Preisrückgänge zu verzeichnen. Die Häutepreise sind ebenfalls gefallen.

An den Holzmärkten hat sich immer noch keine einheit­lich-feste Tendenz durchgesetzt. Die saisonmäßige Frühjahrs­belebung hat nur bei einem kleinen Teil eingesetzt. Die Be­lebung des Baumarktes ist sehr mäßig.

Konkurse und Vergleichsverfahren: Neue Konkurse: Otto Bauer, Verkauf von landw. Maschinen und Kohlen in Zuffenhausen; Fa. Metallgravüre und Metallwarenfabrik in Klingenstein, OA. Blaubeuren; Karl Pfeifle, Gutsbesitzer in Göttelfingen, OA. Freudenstadt; Otto Karl Schwab, Glaser- meigster in Plieningen, OA. Stuttgart; Wilh. Äorer, Schuh­handlung in Gosbach, OA. Geislingen; Theodor d'Argent, Trikotagen und Strumpfwarengeschäft in Ulm. Ver­gleichsverfahren: Fa. Karl Lauser, Geschäftsbücher­fabrik in Stuttgart; Karl Wacker, Hotelier und Schindelfabri­kant in Dobel; Fa. Guhl u. Co., Bankkommandite in Obern­dorf; Ludwig Ludi, Damenunterkleidung und Strümpfespe­zialgeschäft in Ulm; Otto Wußler, Textilwarengeschäft in Ulm; Louis Adler, Handelsmann, und Simon Neumann, Kaufm., in Buttenhausen, OA. Münsingen; Fa. Albert Schwarz, Bank­haus in Stuttgart.

Schwarzwaldmoegen

Taufrisch die Wälder erwachen,

Es lächelt der Täler Gesicht,

Goldstrahlen der Sonne lachen Und es wird Licht!

Die Wiesen im ersten Schimmer Wiegen die Halme so sacht.

In ihrem goldnen Geflimmer Zerrieselt die Nacht.

Und auch die Gassen erklingen Von sehnendem Morgengefühl,

Und wie mit silbernen Schwingen Rauscht es vom einsamen Bühl.-

Franz Berndal.

Württemberg.

Stuttgart, 8. Mai- (Gebirgler-Wandertag.) Alljährlich am Himmelfahrtsfest veranstalten die Angehörigen des ehem. württ. Gebirgsbataillons bezw. Gebirgsregiments eine Wan­derfahrt mit anschließendem kameradschaftlichem Zusammen­sein an einem schönen Punkt unseres Schwabenlandes. Heuer wandern die Gebirgsschützen am 14. Mai, vormittags 8 Uhr, vom Hauptbahnhof Reutlingen, über Nebelhöhle. Lichtenstein zur prächtig gelegenen Gebirglerhütte bei Kleinengstingen, wo sie gegen 12 Uhr mittags mit den Kameraden aus der Ulmer und Münsinger Gegend zusammentreffen. An alle ehemaligen Angehörigen des wohlbekannten Truppenteils ergeht herzliche Einladung zur Teilnahme an diesem kameradschaftlichen Treffen.

Stuttgart, 8. Mai. (Spielplan der Württ. Landestheater.) Großes Haus: Sonntag, 10. Mai: Lohengrin (610); Montag: ; Dienstag: Der Evangelimann (8 bis nach 10)4); Mitt­woch: Der Zigeunerbaron (811); Donnerstag: Sommer von einst (810)4); Freitag: Pagliacci Die Puppensee (7)4 bis 10); Samstag: Sommer von einst (7)410)4); Sonntag, 17. Mai: Der Zigeunerbaron (2)45)4) Sommer von einst (7)410)4); Montag:; Dienstag: Oberon (810)4); Mittwoch: Die sizilianische Vesper (7)410)4). Kleines Haus: Sonntag, 10. Mai: Emil und die Detektive (3)4 bis nach 5)4) Der Hauptmann von Köpenick (7)410)4); Mon­tag: Don Carlos (711); Menstag: Sturm im Wasserglas (810)4); Mittwoch: 1. Gastspiel Raoul Aslan: Coriolan (8 bis nach 10)4); Donnerstag: 2. Gastspiel Raoul Aslan: Faust 1. Teil (7 bis nach 10)4); Freitag: Der Hauptmann von Kö­penick (7)410)4); Samstag: Don Carlos (711); Sonntag, 17. Mai: Emil und die Detektive (3)4 bis nach 5)4) Der Hauptmann von Köpenick (7)410)4); Montag: Ludwig Thoma-Aöend: Me kleinen Verwandten Brautschau Lottchens Geburtstag (810)4); Dienstag: Der Raub der Sabinerinnen (810)4); Mittwoch: Don Carlos (711) Uhr.

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Sehr liebenswürdig, fast herzlich war die Begrüßung.

»Wir hätten eine Bitte an Sie, Herr Eisenstein", be­gann Carla, sich der französischen Sprache bedienend, die Unterhaltung.

»Ich stehe Ihnen ganz zur Verfügung, meine Damen."

»Es ist uns um Ihr Urteil zu tun. Sie sind als Regisseur und Filmfachmann vielleicht Rußlands erste Kapazität. Bitte haben Sie die Güte und prüfen Sie unsere Gesichter, unsere Figur... ob wir für den Film R Frage kommen."

»Sie wollen filmen?" rief Eisenstein überrascht.

Marip nahm das Wort und sagte:Nein, wir wollen es nicht, aber es ist uns von einem amerikanischen Film- registeu" ein Angebot gemacht worden und man bot uns der dieser Gelegenheit ein fabelhaftes Honorar, das uns witzig machte. Wir fühlen uns nicht als künftige Film­stars. wenigstens ich kann mir absolut nicht denken, daß ich auf der Leinwand wirke. Meine Freundin vielleicht eher."

Eisenstein hatte sehr interessiert zugehört.

Er schüttelte den Kopf.Meine Damen, ganz ehrlich gesprochen, auf Grund meiner Erfahrungen halte ich Sie öeide nicht für ausgesprochen filmgeeignet. Aber... das täuscht sich manchmal. Kommen Sie meine Damen. ^ wsse Sie beide filmgerecht schminken und zurechtmachen und dann werden wir eine Probeaufnahme machen."

Gemeinsam begaben sie sich in das Atelier, wo man Maria und Carla erst ungeschminkt aufnahm. Eine ganz einfache Szene mußten sie darstellen. Maria faß im bequemen Sessel, las in einem Buche und Carla kam zu Besuch. Sie begrüßten sich, lachten und machten fröh­liche Gesichter.

Ausgezeichnet!" sagte Eisenstein.Spielen würden Sie können. Da ließe sich aus Ihnen wahrscheinlich alles machen. Aber... die Wirksamkeit der Gesichter. Das müssen wir abwarten. So, jetzt laste ich Sie schminken und dann spielen Sie die kleine Szene noch einmal."

Das geschah auch und nach einer halben Stunde war man eifrig beschäftigt, die wenigen Filmmeter zu ent­wickeln.

Währenddessen hatte Eisenstein die beiden Damen zu einer Taste Tee eingeladen und interessiert mit ihnen ge­plaudert.

Bis man meldete, daß beide Filme vorführungs­bereit seien. , '

Man begab sich gemeinsam in das kleine Vorführungs­zimmer.

Der Film begann zu laufen.

Erst die ungeschminkte Aufnahme.

Maria und Carla lachten vergnügt. In dieser Auf­nahme hatten sie beide keine Filmaesichter. Das stellten sie ganz ehrlich fest.

Die zweite Aufnahme.

Maria und Carla starrten auf die Leinwand. Das sollten sie sein, diese zwei ihnen so gänzlich fremd an­mutenden Gestalten.

Das Licht stammte wieder auf.

Eisenstein sah sie fragend an:Nun meine Damen?"

Fest sagte Maria:Wir werden nie filmen, Herr Eisenstein. Ich habe jetzt das Gefühl, John Galfey ist ein Betrüger."

Eisenstein nickte nachdenklich.

Es ist so! Es ist recht, daß Sie zu mir gekommen sind um sich Gewißheit zu verschaffen. Ihre Gesichter sind viel zu reizvoll unregelmäßig für den Film. Wenn man Sie so ansieht, meine Damen, dann ist man entzückt. Nein, nein, kein Kompliment. Aber die Linse ist un­barmherzig und lieblos. Sie verlangt ein absolut regel­mäßiges Gesicht; das in der Hauptsache. Ich habe so manches schöne Mädchen vor dem Apparat gehabt und es konnte eben doch nicht vor der Linse bestehen. Aber meine Damen. Sie erlauben mir doch, daß ich die zweite Aufnahme... nein, ich wollte sagen, die erste Aufnahme, denn die ist die beste, im Rahmen meiner Wochenschau mitbringe."

Maria lachte hell auf.

Ein Scherz, Herr Eisenstein! Was wollen Sie denn als Ueberschrift setzen. Zwei kleine Stenotypistinnen aus Deutschland beehren Moskau mit ihrem Besuch."

Eisenstein mußte lachen.

Nein. Maria Jwanowna... da muß man die Sache -,mer^ aufziehen. Die Ueberschrift wird lauten: 1. Gesamtaufnahme der deutschen Delegation der All­gemeinen Deutschen Elektrizitätswerke, die nach Moskau gekommen ist, um das großzügig? Elektrizitätsprogramm in Rußland einzuleiten. Dann folgt diese kleine Auf­nahme. Wir bringen weiter: Unsere Landsmännin, Frau Storkow, geborene Turati, sah nach lojäbriger Abwesen­heit auf diese Weise die Heimat wieder. Maria Storkow ist die Dolmetscherin der Delegation, sie spricht vier Sprachen und man schätzt sie bei Verhandlungen außer­ordentlich hoch. Frau Storkow machte einen ungetreuen Direktor der Allgemeinen Deutschen Elektrizitätswerke, als er die Betriebsgeheimnisse stehlen wollte, kampf­unfähig, so daß seine Verhaftung erfolgte."

iForliesung jolgr.l