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Eingaben an die Ortsschulbehörde dahin ausgesprochen, es möchte der Beginn der Sommerferien auf keinen anderen Termin gelegt werden als in der Mittelschule und in den höheren Schulen. Eine Ortsschulratssitzung soll in nächster Woche stattfinden.
Winnenden 12. Juli. Die Kirschen- ernte geht rasch ihrem Ende zu. Der Ertrag ist weit hinter den Erwartungen, die man nach der so prächtigen und vollkommenen Blüte haben konnte, zurückgeblieben; der Preis war deshalb andauernd hoch und ist nicht unter 30 H per Kilo heruntergegangen. Auf dem heutigen Wochenmarkt kosteten Kirschen 18—20 -H, Johannisbeeren 15 --Z, Stachelbeeren 10 per Pfund; neue einheimische Kartoffeln 6—7 Bohnen 25 das Pfund.
Ellwan gen 12. Juli. Gestern abend hatten wir eine Reihe von Gewittern, die zwar viel Blitz und Donner, aber keinen bedeutenden Regen brachten. Dagegen fiel von 10 Uhr ab bis Mitternacht heftiger Platzregen und gegen morgen trat die Jagst in einer Stärke aus ihren Ufern, wie schon viele Jahre nicht mehr. Die Müller wurden von dem Hochwasser so überrascht, daß mancher Sack Mehl zu Schaden kam und manches Brett talabwärts ging, da vor allem das Vieh gerettet werden mußte. Im obersten Jagst- tal war um obige Zeit ein Wolkenbruch niedergegangen, und da es auch stellenweise hagelte, so dürfte ein ziemlicher Schaden entstanden sein. Das Heu, das auf den Talwiesen lag, war natürlich verloren und verschiedene Vizinalstraßen waren nicht mehr gang- und befahrbar.
Crailsheim 12. Juki. Die „Jpf- und Jagstzeitung" schreibt: Ein besonders ungünstiger Stern scheint über der hiesigen städtischen Frauenbadanstalt zu walten. Wahrend dieselbe im letzten Jahre bei der Einweihungsfeierlichkeit beinahe versunken wäre, ist sie in letzter Nacht durch das Hochwasser der Jagst fortgerifsen und bei dem Anprall an den eisernen Herrensteg zum größten Teil zerstört worden. An den Pfeilern der Jagst- brücke wurden die Haupttrümmer festgehalten. Mehrere, zur Unterlage verwendete Pontons und Fässer wurden weiter talabwärts geführt. Der Schaden beträgt einige Tausend Mark.
Ulm 13. Juli. Am letzten Montag ist beim Legen eines elektrischen Stromkabels durch die Iller ein Arbeiter der Firma Holzmann und Comp, in der Nähe der Illerbrücke ertrunken. Die Leiche ist bis heute nicht gefunden worden.
Berlin 13. Juli. Wie der Lokal-Anzeiger erfährt, beabsichtigt König Eduard erst nach seiner Reise nach Marienbad im August mit Kaiser Wilhelm zusammenzutreffen, der
um diese Zeit in Wilhelmshöhe bei Kassel weilen wird. Der König hat den Vorschlag gemacht, den Besuch auf Schloß Friedrichshof bei Kronberg stattfinden zu lassen. Daraus ergibt sich von selbst, daß er zur Taufe des Sohnes des Kronprinzen nicht nach Berlin kommen wird.
Berlin 13. Juli. Der „Vorwärts" veröffentlicht heute das Programm des auf den 23. September nach Mannheim einberufenen Parteitages. Von den Programmpunkten seien hervorgehoben: Maifeier (Berichterstatter Fischer-Berlin), Massenstreik (August Bebel), internationaler Kongreß (Singer), Sozialdemokratie und Volkserziehung (Schulz und Klara Zetkin).
Hamburg 13. Juli. Tie „Neue Hamburger Zeitung" nieldet aus Memel: Russische Kreuzer beschlagnahmten im finnischen Hafen zwei Dampfer, welche 80000 Dynamit- patronen an Bord hatten, und von Memel ausgelaufen waren.
Kiel 12. Juli. Prinz Heinrich von Preußen begab sich hente mit dem Prinzen Waldemar zu mehrwöchigem Aufenthalt nach Tirol und der Schweiz.
Ischl 11. Juli. Kaiserin Eugenie ist abends 8 Uhr mit dem Hofzug hier eingetroffen. Kaiser Franz Josef empfing sie mit Erzherzogin Marie Valerie am Bahnhof. Kaiserin Eugenie, die Heuer das 80. Lebensjahr überschritten hat, ist gebeugt, aber immer noch eine imponierende Greisin; sie trägt sich ganz schwarz. Nach der Begrüßung bestieg der Kaiser mit der Kaiserin eine offene Equipage und begleitete sie ins „Hotel Elisabeth". Ein tausendköpfiges Publikum bildete Spalier. Die Neugierde wurde aber nur zur Hälfte befriedigt, denn Kaiserin Eugenie hatte sofort, nachdem sie in den Wagen gestiegen war, das Gesicht mit einem dichten schwarzen Schleier verhüllt. Im Publikum befanden sich einige alte Herren, welche Kaiserin Eugenie vor 39 Jahren in Salzburg gesehen hatten, als sie mit Kaiser Napoleon dem Kaiser Franz Josef den denkwürdigen Besuch machte. Im Hotel geleitete der Kaiser die Kaiserin in ihre Gemächer. Dort blieb der Kaiser eine halbe Stunde mit der Kaiserin im Gespräch. Zu Ehren der Kaiserin werden in der kaiserlichen Villa zwei Diners stattfinden. Auch einige Ausflüge sind vorgesehen.
Paris, 13. Juli. Der Kriegsminister ist gestern abend vom Ministerrat beauftragt worden, über die Wiedereinstellung Dreyfus' in die Armee einen Gesetzentwurf einzubringen. Für heute morgen 10 Uhr ist ein neuer Ministerrat einberusen worden, um die vom Kriegsminister der Kammer zu machenden Vorschläge zu prüfen. Der Gesetzentwurf soll bereits heute nachmittag
in der Kammer beraten werden, worauf die Interpellation Pressensö zur Beratung gelangen wird. Jaurös hat bereis erklären lassen, daß er das Wort bei dieser Gelegenheit ergreifen werde. Der Antrag Breton, die Asche Zola's im Pantheon beizusetzen, wird von Labori unterstützt werden.
London 13. Juli. Ein schweres Automobilunglück ereignete sich gestern bei Cramlcy in der Grafschaft Sussex. An einem nach Brighton gehenden Automobil-Omnibus versagte, als er einen Hügel hinabfuhr, die Bremse. 6 Personen wurden getötet, 20 verletzt, darunter 8 schwer.
London 13. Juli. Zu dem Automobilunglück wird noch weiter mitgeteilt, daß sich in dem Automobil-Omnibus eine auf einem Ausfluge befindliche Herrengesellschaft von 36 Personen befand. Als das Automobil einen Hügel bei Handcrosz hinabfuhr, versagte die Bremse und alle Bemühungen des Führers waren erfolglos. Die Geschwindigkeit nahm furchtbar zu und schließ, lich stieß der Wagen gegen einen Baum und schlug uni. Es folgte eine grauenhafte Szene. Der Wagen wurde in Atome zersplittert. Von den unglücklichen Insassen waren 8 sofort tot, alle übrigen wurden verletzt, davon 8 schwer. Die Art der Verletzungen war grauenvoll. Viele der Toten sind in Stücke zerissen und vollkommen unkenntlich. Der Baumstamm, an dem das Automobil zerschellte ist mit Blut bespritzt. Da die Unglücksstelle sehr einsam liegt, dauerte es lange, ehe Hilfe herbeikam. Aerzte und Pflegerinnen kamen aus Brighton. Zwei von den Verletzten sind bereits gestorben, sodaß bis jetzt 10 Tote gezählt werden. Einem der Toten waren beide Beine abgerissen. Der Führer blieb fast völlig unverletzt. Durch welche Umstände die Bremsvorrichtung nicht funktionierte, ist noch nicht festgestellt.
Petersburg 13. Juli. Die Lage in Sewastopol ist verzweifelt. Ein großer Teil der Artillerie meuterte und versuchte, die Geschütze gegen die Stadt zu richten, wurde aber von regierungsfreundlichen Truppen daran gehindert.
Moskau 13. Juli. Der Gouverneur von Wilna benachrichtigte das Ministerium des Innern, daß unter den in Wilna stationierten Brigaden in der letzten Zeit eine heftige Gährung bemerkbar sei. Man war bereits geneigt, ein Regiment aus Warschau heranzuziehen, doch wird noch eine weitere Verstärkung der Garnison durch loyale Truppen erforderlich sein. In der Irrenanstalt der Charkower Semstwo, Villa Saburow, in der tausend Geisteskranke untergebracht sind, streikt das gesamte Pflege-Personal von 500 Köpfen. Die Lage ist gefahrvoll. Ein Regiment bewacht die Anstalt. In der Psychiater-Klinik
der Schrecknisse des Schiffbruchs nicht mehr erinnert oder unsere jetzige furchtbare Lage begreift; was würde er sonst, besonders in dem Gedanken an mich, leiden müssen."
Und sie hatte recht. Wenn wir auch hofften und alles taten, um aus unserer gefährlichen Lage glücklich herauszukommen, so gab es für uns doch immerhin noch keine Gewißheit, daß der Sieg schließlich auf unserer Seite sein würde; war dies aber nicht der Fall, dann waren wir unrettbar verloren. Trotz dieses Bewußtseins zeigte Miß Robertson nicht die mindeste Unruhe, sie war die zärtlichste Tochter und unermüdlich in ihrer Sorge für den Vater. Zu Zeiten mochte freilich der Gedanke, daß sie an ihm keinen Schutz, keine Stütze mehr hatte, schwer auf ihr lasten. Dieses Gefühl bewirkte aber auch, daß sie sich mehr und mehr an mich schloß. Viele Zeichen ließen mich erkennen, daß ihr Vertrauen zu mir ein immer festeres wurde, daß sie in mir allein ihre Hilfe sah und ihren Trost fand. Wie glücklich diese Erkenntnis mich machte, vermag ich nicht auszusprechen. Noch heute empfinde ich das köstliche Gefühl, welches mich durchströmte, wenn sie bei meiner Absicht, ihr Mut zuzusprechen, flüsterte: „Ach Gott, ich habe ja keine Furcht, so lange Sie bei mir sind ; es ist mir, als ob unsere Freundschaft schon Jahre und Jahre bestände, als ob wir uns immer gekannt hätten." Noch heute denke ich: Gott segne sie für diese Worte, denn sie gaben mir die nötige Kraft, den Mut und die Besonnenheit zu all meinem Tun und Handeln.
Sie war vollständig eingeweiht in die Pläne, die der Hochbootsmann und ich verabredet hatten, und brannte vor Eifer, uns zu helfen. Vor der Hand konnte ich ihr keine Rolle dabei Meilen.
Ich stand neben ihr, während ihr Vater auf einem Stuhle saß, den ich für ihn aus der Kajüte geholt hatte. Die warmen Sonnenstrahlen schienen ihm wohl zu tun. Leise sagte ich zu ihr:
„Wenn es heute nacht dunkel genug ist, muß der Hochbootsmann ertrinken."
„Ja, ich weiß es, ich habe schon daran gedacht," erwiderte sie, „halten Sie es nicht für zu früh?"
„Nein, ich habe keine Ruhe, ehe ich ihn nicht im Kielraum untergebracht weiß."
„Sie werden doch dafür sorgen, daß der arme Mensch genug zu essen und zu trinken mitnimmt?"
„Sehr viel mehr, als er braucht, ist schon an Ort und Stelle; seit den letzten drei Tagen hat er, wie er mir sagte, Vorräte in seinem Versteck aufgespeichert, die schlimmstenfalls vierzehn Tage reichen, und an Wasser fehlt es ihm auch nicht, da sich Wasserfässer dort befinden."
„Aber wie wird er schlafen können in solchem Raum?"
„O, darum habe ich keine Sorge, er wird schon ein Plätzchen einzurichten wissen, Seeleute sind um solche Dinge nie verlegen, sie benützen alles und jedes. Die einzige Sache, die mir noch Kopfzerbrechen macht, ist die, wie wir ihn ertrinken lassen. Tie Kiste mit den Nägeln wird schon laut genug plätschern und rasch untersinken, aber wie soll ich sie über Bord werfen, ohne daß der Mann am Rade einen Betrug wittert? Dieser muß notwendigerweise den Hochbootsmann auf Deck bemerkt, ihn kurz vor der Katastrophe nach der Stelle haben hinschreiten sehen» an welcher die Kiste ins Wasser fällt. Wie das zu machen sein wird, darüber bin ich mir noch nicht klar."
„Darf ich Ihnen sagen, wie ich mir das denke?"
„Freilich."
Sie blickte eine kleine Weile sinnend auf das Wasser dann flüsterte sie:
„Zuerst müssen Sie mir ein paar Fragen beantworten. Wen werden Sie ablösen, wenn Sie Ihre Wache antreten, den Zimmermann oder den Hochbootsmann?"
„Den Zimmermann. Natürlich müssen wir vor allen Dingen sicher sein, daß der zu Bett gegangen ist, ehe wir an unser Vorhaben schreiten."
(Fortsetzung folgt.)