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mal an, worauf Ammann stehen blieb. Infolge seiner Verletzung mußte er ins hiesige Bezirkskrankenhaus verbracht werden. Heim erschoß vor einigen Jahren den durchgehenden Zigeuner Reinhardt. Ammann ist ein rückfälliger Dieb und schon mit Zuchthaus bestraft.
Besigheim 23. Mai. Vorgestern abend wurde auf einer Wiese nahe der Oelfabrik an einen Weidenbaum angeklammert die Leiche des seit Sonntag nacht vermißten Magazinverwalters der Oelfabrik, Frohnmayer, gefunden.
Reutlingen 24. Mai. Die Echaz ist in vergangener Nacht unerwartet wieder rasch uni 30 em gestiegen, doch hielt diese Höhe nicht lange an. Da die Anstrengungen der hiesigen Bauhandwerker, das Wehr am Kanal der Wendler'schen Fabrik zu beseitigen, um das Wasser in das Echaz- bett abzuleiten keinen Erfolg hatten, wurden von Ulm Pioniere beordert, die in der Stärke von 4 Mann und 1 Offizier, das Wehr mit Dynamit sprengten. Die Verwüstungen in den Fluren sind sehr groß, die Weinberge an der Achalm sind total vernichtet. Der hier angerichtete Schaden beläuft sich auf ca. t 00 000 — Die Samm
lungen für die Verunglückten in Nagold sind nun abgeschlossen, sie ergaben 2798 ^6. Einschließlich des von der Stadtgemeinde direkt überwiesenen Betrags von 500 ^ und der vom Militärverein bewilligten 100 sind insgesamt 3398 nach Nagold abgegangen.
Kirchentellinsfurt OA. Tübingen 23. Mai. Gestern abend sah der Straßenwart am Wehr der'oberen Echatzbrücke zwischen hier und Wannweil die Füße eines Leichnams ans dem Wasser stehen. Es stellte sich heraus, daß es der verunglückte Bader war. Derselbe war mit dem Kopf in dem Wehr eingekeilt und wurde so festgehalten. Die Oberkleider waren ihm vom Leibe gerissen, auch trug der Körper verschiedene Verletzungen. Demnach ist die Nachricht, daß die Leiche des verunglückten Sattlers Bader von Wannweil bei Nürtingen geländet sei, unrichtig.
Heilbronn 24. Mai. (Le der markt.) Die Zufuhren betrugen etwa 30 000 kx. Der Verkauf ging flau, aber den ganzen Tag über anhaltend. Begehrt waren la Sohlleder und deutsche Wildoberleder, sowie gut ausgearbeitete Zeugleder. Bei diesen Sorten wurde auch eine kleine Preissteigerung notiert. Es wurden verkauft und amtlich vermögen: Sohlleder 5253 kss; Schmal- und Wildoberleder 17 132 kx, Zeugleder 1339 kx, Kalbleder 629 kx. zusammen 24 353 kg mit einem Gesamtumsatz von etwa 86 500 einschließlich roher Ware und Schafleder.
Erlaheim OA. Balingen 22. Mai. Laut „Schwarzw. Volkssreund" drohte hier ein Unglück ähnlich demjenigen von Nagold. Das Gasthaus zur Glocke sollte in seinem unteren Teile durchgebrochen und ein großer Saal eingebaut werden,
zu welchem Zwecke auch das Kellergeschoß bedeutend ausgegraben wurde. Plötzlich stürzte nun am Sonntag vormittag ^11 Uhr ein Teil des Hauses zusammen. Glücklicherweise war dasselbe von den Bewohnern verlassen, und es kamen so keine Menschen zu Schaden. Die Feuerwehr war den ganzen Tag tätig, um das Notwendigste auf- znräumen. Der wolkenbruchartige Regen dürste die Ursache des Einsturzes sein.
Mannheim 23. Mai. Im Vorort Webertal entstand heute nachmittag ein Großfeuer, welches die Fabrik der Gesellschaft für Brauerei-, Spiritus- und Preßhefefabrikation Grünwinkel, vorm. Gebr. Sinner, vollständig in Asche legte. Der Schaden beträgt über eine Million Mark. Die Entstehungsursache des Feuers ist nicht bekannt.
München 23. Mai. Heute nachmittag stieß bei Hebungen der 2. Kompagnie des 1. Pionierbataillons in Ingolstadt ans der Donau, die zur Zeit hoch geht, ein 4teiliges Ponton, das mit 8 Mann und einem Unteroffizier besetzt war, mit der Breitseite an einen Strompfeiler der Stadtbrücke. Das Ponton wurde in zwei Teile zerrissen; ein Teil trieb flußabwärts, der andere blieb am Strompfeiler hängen; zwei Mann konnten sich in Sicherheit bringen, zwei wurden noch rechtzeitig gerettet, fünf Mann sind ertrunken.
(Stuttg. Morgenpost.)
— Das „Militärwochenblatt" meldet: v. Trotha, Generalleutnant, Kommandeur der Schutztruppe für Südwestafrika, in Genehmigung seines Abschiedsgesuches mit der gesetzlichen Pension zur Disposition gestellt, v. Deimling, Oberst, mit dem Range eines Brigadekommandeurs und Abteilungschef im Großen Generalstabe, scheidet aus dem Heere mit dem 21. Mai aus und wird mit dem 22. Mai als Kommandeur der Schutztruppe für Südwestafrika angestellt.
Bern 23. Mai. Bei den Arbeiten am elektrischen Wetterhorn-Aufzug oberhalb Grindelwald wurde ein Mann von einer Lawine in die Tiefe gerissen und sofort getötet.
St. Petersburg 23. Mai. Dem Chef des Generalstabes der Marine, Admiral Rosch- djestwenski, ist mit Rücksicht auf seine durch die erlittene Verwundung geschwächte Gesundheit der erbetene Abschied bewilligt worden.
Vermischtes.
Die deutschen Städtenertreter in England. Oberbürgermeister Kirschner von Berlin, der den Besuch der deutschen Städtevertreter in England mitgemacht hat, ist nach Berlin zurückgekehrt und dort vom Lok.-Anz. über seine Eindrücke interviewt worden. Hr. Kirschner äußerte sich höchst befriedigt. „Wir durften eines herzlichen Entgegenkommens wohl im voraus versichert sein, aber diese Herzlichkeit übertraf alle unsere Erwartungen." Der Herr Oberbürger
meister der Reichshauptstadt hat sogar — immer nach dem Lok.-Anz. — die Entdeckung gemacht, daß diese an den Tag gelegte Wärme des Gefühls nicht nur dazu diente, den Deutschen den Auf- . enthalt angenehm zu machen, sondern daß diese Gefühle auch einen politischen Hintergrund hatten. Die Reden aller drei Minister, die gesprochen, hätten einen ausgesprochenen politischen Charakter getragen. „Uebereinstimmend durchzog ihre Ausführungen der Gedanke an den Frieden mit Deutschland und die Versicherung, daß diesen Frieden nichts stören solle und dürfe." Besonders gerühmt wird dann die Zuvorkommenheit des Königs. Ein Empfang durch den König von England sei überhaupt eine Seltenheit. „Der König hatte aber noch in anderer Weise die Vertreter der Deutschen in seinem Land willkommen geheißen. Er hatte uns nach Schloß Windsor geladen. In königlichen Equipagen wurden wir von der Station abgeholt und von einem Beamten des Hois begrüßt. Von dem wunderbaren Schloß und seinen vielfach fast märchenhaften Kostbarkeiten, die des Entzückens und Staunens unter uns kein Ende werden ließen, will ich Ihnen nichts erzählen. Nur einiger Umstände will ich Erwähnung tun, weil sie auf die Intentionen des königlichen Besitzers seinen deutschen Gästen gegenüber ein Helles Licht werfen. So wurde uns gesagt, daß man uns in den Treibhäusern den Zutritt zu Anlagen gestattet habe, die bisher noch nie der Fuß eines Fremden hatte betreten dürfen. Als ein weiteres Zeichen besonderer Huld konnte es ferner betrachtet werden, daß der König seinen Koch nach Windsor entsandt hatte, um den zur Bewirtung gebotenen Lunch zu bereiten, und daß beim Servieren des Königs eigene Diener tätig waren. „Das Programm selbst", so schloß der Ausgefragte, „war überreich und anstrengend, aber seine Durchführung war durch eine Organisation ermöglicht, die jedes Lob verdient. Damit Sie einen Begriff erhalten" — und dabei zeigte Herr Kirschner das mitgebrachte Exemplar eines solchen Programms — „sechs eng bedruckte Seiten! Hier auf dem Titelblatt sehen Sie das Motto: die Wappen Deutschlands und Englands und dazwischen zwei in festem Druck vereinte Hände! Und in dieser hier allegorisch dargestellten Devise hat die eigentliche Bedeutung der ganzen Fahrt gelegen und ihr in unseren Augen erst den rechten Glanz verliehen."
Gottesdienste.
Sonntag Kra«di 27. Mai. Vom Turm 421, Predigtlied: 420. Erheb, o Seele re. 9 Uhr: Vormitt.- Predigt, Herr Dekan RooS. 1 Uhr: Christenlehre mit den Söhnen. 2 Uhr: Bibelstunde im Vereinshaus, Herr Stadtpfarrer Schmid.
Donnerstag 31. Mai. 8 Uhr abends: Bibelstunde im Vereinshaus, Herr Dekan Roos.
Samstag 2. Juni, y-7 Uhr abends: Vorbereitungspredigt und Beichte im Vereinshaus, Herr Stadtpfarrer Schmid.
Kompaß. Als dies die Leute sahen, zogen auch sie murrend und heftig gestikulierend ab und verschwanden bald in ihrer Behausung.
Jetz trat Duckling an mich heran und sagte in unverschämter Weise: „Hören Sie mal, Mr. Royle, ich möchte Ihnen doch den Rat geben, bald aus Ihrem Schlafe aufzuwachen und nicht bloß vor sich Hinzustarren, un- tätig zuzuhören, und es mir allein zu überlassen, die Leute in Schranken zu halten. Das muß anders mit Ihnen werden. Ihre Art mit den Leuten umzugehen taugt dem Teufel was. Dieses Pack verlangt einen kräftigen Fluch und eine ebenso kräftige Faust; anders läßt es sich nicht im Zaum halten. Ich hoffe, daß Sie in der Folge verfahren werden wie ich; verstehen Sie mich?"
„Nein, das verstehe ich durchaus nicht," erwiderte ich gereizt; „im Gegenteil, ich halte gar nichts von dem ewigen fluchen und wettern. Meine Erfahrungen haben mich gelehrt, daß das nur böses Blut macht und seinen Zweck gänzlich verfehlt.
„So so, also aus dem Loche pfeifen Sie, ha ha, nun sehe ich, Sie sind eine von den weichmütigen Seelen, die erst alle Mann zum Gebet rufen, ehe Sie im Sturm ein Segel reffen was?" rief er mit spötischem Lachen. „Na, wenn das Ihre Art ist, dann kann ich Ihnen sagen, daß Kapitän Coxon Ihre Dienste nicht sehr zu schätzen wissen wird."
„Ich bedaure, daß Sie mich falsch verstehen," antwortete ich mit vornehmer Ruhe. „Ich glaube mit meiner Art die Leute mehr in der Hand zu haben, sie mehr bei ihrer Arbeit auszuspornen, als mit rohen Schimpfworten und Faustschlägen."
„Donner und Blitz, welcher einfältige Kapitän hat Sie denn an seiner Brust groß gezogen. Ich erkenne immer mehr, daß an Ihnen Hopfen und Malz verloren ist. Meiner Treu, ich glaube Sie könnten keinen Mann Niederschlagen." sagte er mit einem verächtlichen Lächeln.
Ich war 28 Jahre, er 50. Unstreitig hatte er eine sehr sehnige
und kraftvolle Gestalt, ich aber war mindestens einen halben Kopf größer als er, hatte eine sehr kräftige Brust und ein Paar Fäuste, denen man es wohl ansehen konnte, daß kein Gras mehr wuchs, wo sie einmal mit Wucht hintrafen. Als er daher seine Frage stellte, sah ich ihn nur mitleidig an und sagte: Können, warum nicht?" Wenn es sein muß, schlag ich zwei, auch mehr nieder, nie aber werde ich das ohne dringende Veranlassung tun. Der Kapitän, der mich aufzog war kein New-Orleans-Mann, sondern ein Engländer und noch etwas besseres, nämlich ein Gentleman. Das aber bedeutet, daß kein Mann an Bord ihm jemals Veranlassung gab, seine Fäuste zu gebrauchen."
Es war mir jetzt ziemlich klar, daß ich dem Geschmack der beiden Männer nicht paßte, denen mich das Schicksal zugesellt hatte. Des Kapitäns Anschauungen in Betreff der Lebensmittel-Frage konnte ich nicht teilen; ich würde stets den Leuten innerlich Recht geben, und was Duckling anging, so mochte ich mich bemühen so viel ich wollte, ich war nicht imstande meinen Abscheu vor ihm zu verbergen. Die beiden waren dicke Freunde, und ihre Charaktere stimmten vortrefflich zu einander; sie waren zwei Grobiane, und Duckling obendrein ein Ohrenbläser. Ich stand ihnen gegenüber allein, daraus durfte ich mir kein Hehl machen und mußte suchen, mich darüber zu trösten.
Die noch übrige Zeit meiner Wache unterhielt ich mich also damit, über mein Verhältnis auf dem Schiffe ins klare zu kommen. Ich sagte mir, daß ich nur durch eifrigste Pflichterfüllung meine Stellung zu einer erträglichen gestalten konnte, nahm mir vor, den Mund zu halten, keine Notiz von dem zu nehmen, was der Kapitän täte, Duckling so fern als möglich zu bleiben und wenn es sich irgend tun ließe, in Valparaiso das Schiff zu verlassen. Wie ich diese guten Vorsätze hielt, wird die Folge zeigen.
(Fortsetzung folgt.)