Stuttgart, 22. März. Mit dem Tier- bestand des Nill'sche« Tiergartens wird jetzt gründlich aufgeräumt. Heute vormittag wurde auch der zweite brauue Bär, das Männchen, bissen Transportierung Schwierigkeiten verursacht haben würde, erschossen.
Korntal, 23. März. Seit längerer Zeit ist die htes. Gemeinde auf der Suche nach Quellen zu einer HauSwasserleitung; bisher ohne Erfolg. So war im letzten Jahr eine Bohrung im Solituder Wald umsonst, Verhandlungen mit Ditzingen wegen Anschluß an die im letzten Jahr dort eingerichtete Wasserversorgung schlugen fehl wegen zu hoher Summen, welche von dieser Nachbargemeinde verlangt worden waren, ebenso ein Projekt mit Gomardingen—Eberdiugen und eines mit einer Quelle bei GlemStal zwischen Leonberg und Höfingen. Ebenfalls erfolglos waren Bohrungen auf Korntaler Markung selbst. Möge das Jahr 1906 die Frage lösen, die um so dringender ist, als Neubauten schon mit WasssrlettungSanschluß her- gestellr werden.
LudwtgSburg, 20. März. (Schweine- markt.) Zufuhr: Mtlchschweine 166, Läufer- sckweine 50 Stück. Preis für 1 Paar Mtlchschweine 36—50 Preis für ein Läuferschwein 40—55 Die Zufuhr von Milch- und Läuferschweinen war mittelstark. Der Verkauf ging gut, Milchschweine wurden rasch vollständig, Läufer bis aus einige Stück perkaust.
Gmünd, 21. März. Die Remszeitung meldet heute: „Der Verlag und die Druckerei der RewSzeitung ging gestern nebst Gebäude in den Besitz einer Verlags- und Druckereigesellschaft m b.H. i» Gmünd über, die das Geschäft vom 1. April ab in unveränderter Weise wciterführt." Der Kaufpreis beträgt 720000 wovon 120000 auf das Gebäude, einen stattlichen Neubau, entfallen.
Geislingen, 23. März. Laut Geisl. Ztg. wurden gestern vormittag hier von der Laudjäger- maunschaft 2 jüngere Italiener, Erdarbeiter, verhaftet, die im Verdachte stehen, einem ihrer Kameraden 300 entwendet zu haben. Der Bestohlene ist ein alter Mann, der fich dieses Geld mühsam zusammeugespart hatte.
Heilbronn, 23. März. Die bürgerlichen Kollegien haben in ihrer gestrigen Sitzung einen Einheitspreis für GaS eingeführt, dahingehend, daß Mtz- und Leuchtgas im Sommer 14, im Winter 16'/, A pr. odw kostet, GaSuhrmtete und Verbrouchs- ahgabe auf GaS kommen in Wegfall. Ferner wurde im Bemeinderat das Projekt einer zweiten N.ckar- brücke besprochen nnd die Vorarbeiten hiesür angeordnet. Die Erhebung der Fletschsteuer wurde auf ein weiteres Jahr genehmigt.
Ulm, 20. März, lieber de» Winter erhalten hier arme Kinder vom Verein für hilfsbedürftig« Linder ein Mittagessen. Heuer war cS mit täglich 200—250 Kindern eine besonders große Zahl, welche diese Wohltat in Anspruch nahm. Der Mangel an Obst und die hohen LebeuSmittelpreise werden als Ursache der starken Frequenz angesehen. Der Verein verausgabte beinahe 20 000 Karten und hatte eine Gesamtausgabe von 1600 — Die Stadtver
waltung erläßt einen Bewerberaufruf zur Besetzung der städtischen Zahnarztstelle. Verlangt werden von den Bewerbern gegen einen Anfangszehalt von 4200—5000 Beratung der Schulbehörden. Lehrer, Eltern Schulkinder in der Zahnpflege, regelmäßige und außerordentliche Zahnuntersuchungen, sowie zahnärztliche Bchandlung der Kinder und statistische Verarbeitung deS gesamten UntersuchungS- und Behandlungsmaterials.
FriedrtchShafeu, 23. März. Der heutige Kt über markt (!) war trotz des ungünstige« Wetters von fast ebensoviel Bauern al» Dienstboten besucht. Lange bevor das Souderschiff „Kaiser Franz Joseph" mit den ca. 300 Dtsnstbuben und -Mädchen anlangte, waren die Herrschaften im Gasthof z. Rad und in und vor den Warteräumeu des Hafenbohnhofs versammelt. Das Schiff traf '/,9 Uhr im Hafen ein. Dasselbe legte ausnahmsweise an der westlichen Seite an. Der Ausgang von hier nach der Innenstadt war gesperrt. Wegen epidemischer Verbreitung der Blattern in Bregenz und Umgebung ist würtiemhcrgischerseitS die Impfung der Kiuddt des Tyroler HütvereinS augeordnet worden. Sogleich nach Ankunft mußten die Kinder fich in dyS Lang'jche HauS begeben, wo sie durch den Oberirwtsarzt der Impfung unterzogen wurden. Eine Verzögerung in den VerdingungSabschlüssen war unvermeidlich. Sonst ging das „Feilschen" in der bekannten Weise vor sich. Die Löhne bewegen sich immer aufsteigend trotz des jugendlichen Alters und der oft geringen Kenntnisse der HauS- und Feldgeschäfte. Der Dieüstvertrag erstreckt fich von Josiphi bis Michaeli bei doppelter Kleidung, freier Fahrt und Löhn. Von 60 bis 180 zwischen 12 und 18 Jahre« werden gewährt.
Zw ei brücken (Pfalz), 22. März. Di« AmtSunterschlaguvgen des Stadteinnehmers Lieb in Ludwigshafen a. Rh., dessen Verhaftung s. Zt. großes Aufsehen erregte, fanden nunmehr in der Verurteilung Liebs durch das Schwurgericht ihre Sühne. Sie beziffern sich auf 61000 die Lieb in den Jahren 1899 bis 1905 der Kasse entnommen hat. Der Angeklagte, der seit fast 30 Jahren im Dienste der LudwizShafener Stadlve-wolmng stand, hatte ein Einkommen von etwa 12 000 Abgesehen davon, daß er eine große Familie hotte, führte er in den letzten Jahren s it dem Tode seiner Frau ein unsolides und kostspieliges Leben. Heute behauptet Lieb, er habe bei Entnahme des Geldes gehofft, dasselbe bald wieder ersetzen zu könne». Er bestritt, über seine Verhältnisse gelebt zu haben. Die Stadlkasss erleidet keinen Verlust, da die Unterschlagungen durch eine Kaution gedeckt sinh. Das Schwurgericht verurteilte Lieb zu einer Zuchthausstrafe von 4 Jahren.
Berlin. Ueber den am Mittwoch in Men- tone im 76 Lebensjahr verstorbenen Sentorchef des Hauses Siemens, Karl v. Siemens, schreibt der Berl. Lok.-Anz.: Mit ihm ist der letzte Bruder deS ManneS dahingegangen, der den Namen Siemens in unserer von der Technik beherrschten Zeit zu einem der glänzendsten gemacht hat. Als treuer Mitarbeiter seines Bruders hat er diesen Ruf befestigen helfen. Zumal innerhalb der weiten Grenzen deS russischen Reichs hat er den Ruf di>seS NameuS
verbreitet. Ingenieur gleich seinem Bruder Werner, war er mit diesem in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts nach Rußland gegangen, um im Auftrag der Regierung durch da» ganze Reich den Telegraphen zu leiten. Ka:l verblieb daun in Rußland und begründete in Petersburg eine Filiale deS hiesigen Haus-S. Unter seiner Leitung blühten auch die dortigen Werke empor, für die er die Rohmaterialien ans eigenen Bergwerken in den Gebirgen Asiens herbeischaffen ließ Seine Verdienste um die Industrie in Rußland belohnte der Zar, indem er Karl, der allerdings russischer Uatertau geworden war, den Adelstitel verlieh. Trotzdem verließ er später Rußland und schlug in Berlin seinen Wohnsitz auf, als Werner v. Siemens gestorben und er der Senior des Hauses geworden war.
Berlin, 23. März. (Reichstag.) Dem Reichstag ist vom Kaiser aus Anlaß der Silberhochzeit ein Bild der kaiserlichen Familie zugegangen. — Die Beratung deS Kolonial-Etats wird fortgesetzt mit dem Schutzgebiet Togo. Abg. Ledebour (Soz) verbreitet sich über die Landfrage. Die LanderwerbS-G sellschaften hätten dort daß Land pro Hektar mit 70 A bezahlt. Weiter giebt er zu, daß die Verwaltung bereits einiges für die Neger getan habe, denen das Land so billig abgenommeu worden sei. Den Land-Gesellschaften müsse noch mehr als bisher dar Handwerk gelegt werden. Erbprinz Hohenlohe erklärt, daß'die Togo- Gesellschaft schon im Februar 1904 eiUe Nachprüfung ihrer Landankäüfe selber beantragt habe. Die Gesellschaft habe für de» Hektar anfänglich etwa» über 2, später etwas über 3 bezahlt. Äög. Paasche (natl.) stellt fest, daß die Landsrage tu Togo jetzt in wünschenswerter Weise geregelt sej. Eine Plantagen-Kllltur durch Landgesellschaften sei vöüg, denn dadurch erst würden die Neger an Landkultur gewöhnt. Abg. Arendt (Rp) stimmt dem zu und bittet, für WeiterführnUg der Eisenbahn ins Innere zu sorgen. Bis Palime sej die Bahn j tzt fertig gest.llt! Abg. Lbdebour (Soz.) bleibt dabei, daß die Neger pro Hektar nur 70 H erhalten hätten. Erbprinz Höhenlohe erwidert, daß die Z ffern richtig seien, aber die 70 H hätten sie vou Douglas, nicht von der Landgchllschaft erhalte«. Oqne weitere bemerkenswerte Debatte wird Togo genehmigt. — Es folgt der Etat für Südwestafrtka. Hierzu liegt eine R.soluiion der Budget-Kommission vor betreffend die Einstellung von 200000 zu Vorarbeiten für eine Eisenbahn von Kubub nach KetmanShop noch jn Heu laufenden Etat, ferner ein Antrag Graf Hompesch (Ztr.), den Reichskanzler zu ersuchen, sofort eine Lösung derjenigen Verträge herbeizuführen, die von der Kolonial- Verwaltuug zu Lieferungen für die Schutzgebiete mit mehr als einjähriger Lauer abgeschlossen seien. Abg. Lattmann (wirlsch. Vg.) beantragt, in dem Kapitel: Ausgaben aus Anlaß des Ein- geboreuen-AnfstandeS den von der Kommission gestrichenen Titel für den Bau einer Eisenbahn von Windhuk nach Rehoboth nochmals an die Budget- Kommission zurückznverweisen. Redner lenkt daun besonders die Aufmerksamkeit der Regierung auf die Mischltngsfrage. Zu wünschen sei ein? kräftige Unterstützung deS Genossenschaftswesens in Südwestafrika. Das StammeSland müsse den Aufständischen
bereits drei- oder viermal eingeatmet wurde, ist die richtige für ihn, denn sie ist wärmer.
In der Schenke riecht es nach Branntwein, denn große Gläser stehen längs des laugen Tisches. Die Nachricht, daß an diesem Abend in der Schenke, wo eine Versammlung stattfinden soll, Branntwein zu haben ist, soviel man will, hat fich in Osterno verbreitet, und selbstverständlich ist die Versammlung stark besucht.
„Ich sage euch, Väterchen, die Zeit der Kapitalisten ist vorbei," schrie ein Redner. „Die Reichen, die Fürste», die Edelleute, die großen Kaufleute, die Monopolisten zittern, denn sie wisse», daß der arme Mann endlich aus seiner laugen Lethargie erwacht. WcS haben wir in Deutschland getan? Was haben wir in Amerika getan? WaS haben wir in England oder Frankreich getan?"
Und er schlug mit seiner ungewaschenen Faust so nachdrücklich auf den Tisch, daß mehr als einer der Zuhörer erschrocken nach seinem Glase griff, damit ja kein Tropfen der kostbaren Flüssigkeit verschüttet werde.
Niemand schien zu wissen, was in Deutschland, Amerika, England oder Frankreich getan worden sei. Tie Beuern von Osterno starrten den Redner unter ihren buschigen Augenbrauen hervor an; die Hälfte von ihnen verstand thu überhaupt nicht, uud ein paar der Intelligenteren erwarteten, daß er seine eigene« Fragen beantworten werde, was er jedoch nicht tat.
Der Redner, ein starker, breitschulteriger Kerl, blickte triumphierend im Kreise umher. Offenbar hatte er seine Rede auswendig gelernt, — wahrscheinlich aus einer gedruckten Flugschrift, die er uud seinesgleichen im Laude zu verbreiten hatten.
„Wir haben euch aus der Ferne beobachtet, wir haben eure Sorgen und Kümmernisse, eure Krankheiten, euren Hunger gesehen," fuhr er fort. „Die Männer vou Twer find tapfer, treu uud standhaft, sagten wir uns, wir werden ihnen von der Freiheit erzählen. Drum bin ich zu euch gekommen uud freue mich, euch zu sehen. Alexander Slexaudrowitsch, laßt die Flasche herumgeheu. Ihr seht, Väterchen, ich komme nicht um Geld zu euch; nein, wir brauchen euer Geld nicht, dys beweisen wir, indem wir euch Branntwein geben, so viel ihr wollt. Füllt die Gläser, Väterchen, füllt die Gläser I"
Diesen Teil der Rede verstanden die Väterchen von Osteruo sehr gut uud beeilten fich, ihr zu gehorchen.
„Und jetzt wollen wir vou Geschäften reden," fuhr der Redner fort. „Ich glaube, wir verstehen einander?"
Ec sah sich lächelnd abermals im Kreise um und sah lauter Gesichter, die wohl brutal genug waren, um seine» Zwecken zu entsprechen, aber nicht das mindeste Verständnis zeigten.
„Der arme Manu hat uur ein Mittel, seinen Wille« durchzus-.tzen, das ist die Giwalt. Die Zeit ist jetzt gekommen, wo wir unsere Kraft zeigen könuen. Alle Menschen find gleich, — Knecht und Herr, Bauer und Fürst. Warum geht ihr nicht in das Schloß hinauf und sagt dem Manne dort oben, daß ihr hungert und daß ihr nicht hungern und sterben wollt, während er Kaviar und teure Pfirsiche von goldenen Tellern und Schüsseln ißt? Aber er wird nicht auf euch hören, er wird nicht einmal ein paar Krumen von seinen goldenen Schüsseln geben. Aber woher hat er seine Millionen? Ja, woher hat er sie, sagt mir dar!"
Wieder erhob fich die fragende, ungewaschene Faust, aber während die rollenden Augen des Redners durch das Zimmer schweiften, erblickten st« eine Gestalt neben der Tür, einen Mann, der alle im Zimmer um ein bis zwei Köpfe überragte, einen Manu, der in einen alten, grauen Rock gehüllt war und ein Wolltuch um den Hal» trug, das sein Gesicht halb vermag.
„Wer ist daS?" schrie der Redner unruhig. „DaS ist kein Bauer, das ist ein Spion! Kommt er her, um uns zu verraten?"
„Ja, fragen Sie nur, wer ich bin, sie wisse» e» gut genug'" antwortete der Riese. „ES ist »icht daS erstemal, dich ich ihnen sage, daß sie Narren find; ich sage rS ihnen jetzt wieder; fie find Narren, daß sie einem solchen Windbeutel zuhören."
„Wer ist dar?" schrie der bezahlte Agitator, hochrot vor Zorn. „Wer ist dieser Mauu?"
„Es ist der Doktor von Moskau," sagte jemand neben ihm. „Der Doktor von Moskau."
(Fortsetzung folgt.