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Ludwigsburg, 19. März. Die LudwigSbg. VolkSztg. schreibt: Der Wahlkampf, der nun im Bezirk Marbach durch den Tod des Abgeordneten Stockmayer dicht bevorsteht, wird zu einem heftigen Ringen mit dem Bauernbund führen. Seitens der Sozialdemokratie ist für die nächsten allgemeinen Wahlen Genosse Gemeinderat H a i st-Zuffenhanfen als Kandidat für Marbach aufgestellt worden, der nun wohl auch die Kandidatur für die Ersatzwahl übernehmen wird.

Beilsteiu O.A. Marbach, 19. März. Die Landtagswahl für Marbach soll gutem Ver­nehmen nach schon in den nächsten Tagen anberaumt werden, da der Bezirk mit Rücksicht auf die wich­tige» Entscheidungen, welche der Kammer bevor­stehen, nicht lange unvertreten bleiben kann. Als Kandidat der bauernbündlerischen Richtung wird Oberbürgermeister a. D. Hegelmaier genannt, der im Bezirk allgemein pnsönlich bekannt ist. (?)

Mainhardt, 19. März. Wie derMain­hardter Waldbote" schreibt, wurde in den letzten Tagen die Jagd in den Staatswaldungen durch dar kgl. Forstamt Mönchsberg im Gasthaus z. Lamm hier auf weitere 6 Jahre verpachtet. Die Jagtfläche beträgt 717 La. Der PachtpretS beträgt pro Jahr 1015 Pächter ist Herr Meuice aus Stuttgart. Ausgeboten wurde die Jagd für 305 das seit­herige Pachtgeld betrug 286 also nur den 4. Teil.

Balingen, 20. März. Auf der Strecke BalingenFrommem wurde vorgestern Abend der Bahnwärter Reh fuß, Vater von 9 Kindern, vom Zug überfahren und getötet. Auf dem Heimweg vom nahen Orte Endingen ging der Unglückliche, wie es scheint, auf dem Schienenstrang, hat wahr­scheinlich das Herannahen des Zuges nicht beachtet und so den Tod gefunden.

Oberndorf a. N., 20. März. Am SamStag Nacht 12 Uhr wurde der älteste Sohn Ernst des Sonnenwirts Tag dahier tot nach Hause gebracht. Er wurde nach vorausgegangenem Streit auf der Schrombergerstraße von dem in der Waffenfabrik beschäftigten Arbeiter A. Häpperltn erstochen. Der Täter konnte in Haft genommen werden; auch ein Bruder der Täters, der sich an den Händeln beteiligte, wurde festgenommen. Häpperlein will aus Notwehr gehandelt haben. Der Getötete war ein starker, kräftiger Mensch und galt allgemein als ruhig und fleißig. Der Täter gab seine Tat zu, als er der Leiche gegenübergestellt wurde. Er ist erst vor einem halben Jahr aus dem Gefängnis entlassen worden.

Heidenheim, 20. März. JmGasthofzum Waldhorn hielt gestern Rechtsanwalt Gamp von Ulm einen sehr interessanten und lehrreichen Vortrag über die Feuerbestattung. Der hiesige, vorerst noch unabhängige Verein für fakultative Feuerbestattung zählt bereits 46 Mitglieder, darunter auch einige Damen. Die Gründung einer Bestat- tuugskasse wurde mit Rücksicht darauf, daß hier ein Sterbekafsenverrin besteht, bis auf weiteres ver­schoben.

Essen, 20. März. Die Genickstarre im Landkreise Ruhrort dehnt sich weiter aus. Neue Fälle werden aus Bruckhavsen, Marxloh und Schmidthorst gemeldet. Bisher fird 72 ErkrankungS- fälle festgestellt, davon 41 tätlich.

Berlin, 20. März. Das Kaiserpaar wohnte gestern einer Vorstellung des Moskauer künstlerischen Theaters bei.

Berlin,20. März. Die Steuerkommisfion des Reichstages lehnte heute einstimmig den RegierungS- entwmf der Tabaksteuer ab. Dabei gab Schatz­sekretär von Stengel die Erklärung ab, daß die Regierung, falls eS der Eteueikommis ion nicht ge­lingen sollte, Ersatz für de« Ausfall der Tabaksteuer zu schaffen, sich weitere Schritte im Plenum Vor­behalte. Bei der folgenden Beratung der Zigaretten­steuer äußerte Abgeordneter Müller-Fulda Bedenke« gegen das Banderolen-System und beantragte Ver­weisung der Frage an eine Subkommtsfiou. Nach längerer Debatte wurde dieser Antrag angenommen und die Weiterberatung der Zigarettensteuer ab- ges-tzt. Dann begann man noch die Beratung des Frachtstempels, ohne daß bereits Beschlüsse gefaßt wurden.

Berlin, 20. März. Ueber das Luft­schiff des Majors Parsival, dessen neuartiges Prinzip einer Schraube mit vier Flügeln aus losem Stoff in Luftschiffe!kreisen großes Aufsehen hervor- rief, berichtet der Lokal-Anzeiger: Die Augsburger Maschinenfabrik hat in den letzten Tagen das Gondel- gerippe aus Stahlrohr und Aluminium geliefert. Die Gondel mit Rotor und Schraubenflügel« ist unter der Leitung des Majors von Parstval und dessen Ingenieur gebaut und zusammengestellt worden, sodoß nunmehr der Motor mit den Schraubenflügeln au der fest gehängte« Gondel (ohne Ballon) probiert

werden kann. Die ganze Maschine wird Ende April nach Berlin gesandt und hier an den Ballon angebaut werden. Die erste Vorführung desselben wird in Gegenwart der Offizierkorps der Militär« Luftschiffer-Abteilung erfolgen. Bekanntlich hat sich zur Förderung dieser Erfindung wie überhaupt zur Verwendung des lenkbaren Luftschiffes im Kriege ein« Studiengesellschaft mit einem Kapital von einer Million Mark gebildet.

Berlin, 20. März. DerRaubmörder Henntg wurde gestern Abend in das Moabiter Untersuchungsgefängnis überführt. Sein Transport von Potsdam nach Berlin erfolgte in aller Stille, ebenso seine Ankunft in Berlin. Das Hauptverfohren gegen den Verbrecher soll noch den bisherigen Dis­positionen vor dem Landgericht zu Potsdam, das wegen des Tatortes für die Aburteilung zuständig ist, eingeleitet werden. Bis zur Eröffnung des Hauptverfobrens bleibt Hennig im Moabiter Unter­suchungsgefängnis in durch besondere Maßnahmen stark gesichertem Gewahrsam.

Lens, 19. März. Die Annäherungsarbeiten zur Bekämpfung der Feuersbrunst in den Kohlenminen vonCourriöreS, die das Vor­gehen gegen den Schacht 3 unterbricht, werden in planmäßiger Weise fortgesührt. Die heute Morgen vorgenommenen Luftanalysen scheinen den Nachweis zu liefern, daß der Brandherd durch Abdämmungen eingeschlossen und das Feuer teilweise erstickt ist. Die Ingenieure befürchten aber, daß er wieder heftig ousflammen wird, sobald die Abdämmungen durchbrochen werden. Die Wetterführung muß ver­vollständigt werden, um die Sicherheit der Feuer­wehrleute und der Bergungsmannschafikn zu ge­währleisten. Man geht daher jetzt daran, am Schacht Nummer 3 Hilfsventilatoren aufzustellen. Ein solcher befindet sich bereits im Schacht 4, doch ist dieser Ventilator in schlechtem Instand. Er liegt Gefahr vor, daß sein Versagen den Fortgang der Arbeiten in Frage stellen könnte. Die Jngenieur- kommisfion gab heute Morgen folgende Mitteilung bekannt: I» den Abdämmungen der ersten und zweiten Linie find Türen eingeschnitten worden, so daß man bis zum dritten Schacht gelangen kann. Die Aufstellung des HilfrventilatorS in Schacht 3 wird fortgesetzt. Einige Arbeiter, die die Ausst-lluvg vornehmen sollten, find anscheinend durch Ansständige festgehaltcn worden. Man rechnet darauf, heute Abend die Abdämmungen au Schacht 2 wieder öffnen und gegen den Brandherd Vorgehen zu können. Wie aus Poris gemeldet wird, hat eine Anzahl Senatoren und Abgeordnete im Einvernebmen mit dem Bureau der internationalen Versöhnungs- aesellschaft beschlossen, jedem Mitglied der deutschen Rettungsmannschaft, die den französischen Bergleuten zur Hilfe geeilt find, als Zeichen der Dankbarkeit eine ErinncrungSdenkmüvze zu stiften. Auch der neue Vorsitzende des Pariser Gemeinderats, Chantard, gedachte in der heutigen Sitzung bei Besprechung des Grubenunglücks in CourriSreS mit anerkennenden Worten der hingebendcn Hilfeleistung der deutschen RettnngSmannschafteu.

Von der Unglücksstätte in ConrriöreS wird demLok.-Avz." aus Lens telegraphiert, daß in einer gestern obgehalteueu Versammlung die Ausständigen beschlossen, die von den BerxwerkSgksellschvften gemachten Vorschläge ab- znlehnen und den AnSstand bis aufs äußerste fort- zusetzen. Die Bergarbeiter verlangen außerdem, daß die Bürgermeister der beteiligte» Orte in den Arbeiterdöif-rn eine Zählung der Einwohner ver­anstalten sollen, damit die genaue Zahl der Opfer der Katastrophe von CourriSreS festa-stellt werden kann. Die Gesellschaft hat die Ziffer der Ver­unglückten auf 1095 angegeben. ES verlautet ge­rüchtweise, daß mindestens 1500 Bergleute zugrunde gegangen seien. Aus Paris meldet ein Tele­gramm, daß Minister Clemencau im Aufträge des MiwsterratS dem früheren Präsidenten Loubet den Vorsitz in dem Komitee angetragen Hot, da» die Aufgabe hat, die für die Opfer des Grubenunglücks in Courriöres eingegangenen Beträge zu sammeln und zu verteilen. Lovbet hat deu Vorsitz angenommen.

LenS, 20. März. Streik-Patrouillen durch­ziehen die ganze Gegend und zwingen andauernd die Arbeitswilligen, noch ihrer Heimat zurückzukehren. Der amtlichen Statistik zufolge streiken augenblicklich 46.232 Bergleute. Die öffentliche Meinung ist deu Ausständigen günstig.

London, 20. März. Aus Tokio wird gemeldet, daß 1014 Personen durch das Erdbeben auf Formosa umkamen. Außerdem erlitten 695 Personen schwere Verletzungen. Die Hälfte der Stadt Kc yi wurde vernichtet, außer­dem 1400 Häuser an anderen Stellen der Insel.

London, 20. März. Wie der Petersburger Korrespondent des Standard telegraphiert, nimmt die Hungersnot in Südrußland immer größere

Dimensionen an. Sie erstreckt sich von der Wolga bis zum Dnjepr und südlich bis zur kaukasischen Grenze. Hundert Personen sterben täglich Hungers, hauptsächlich Kinder und alte Leute. Die Regierung unternimmt nichts zur Verminderung de» Elends.

Petersburg, 19. März. Die vier Vor­orte von Petersburg, wo gestern in 39 Fabriken von den Urwählern 57 Bevollmächtigte zu wählen waren, die ihrerseits wieder die Wahlmänuer für die im April statlfindendcn ReichSdumawahleu zu wählen haben, waren militärisch stark bewacht. Die Rahe wurde auch nicht gestört, doch verliefen die Wahlen so gut wie resultatlos. Entweder er­schienen die Arbeiter nicht und erklärten, von der Duma nichts wissen zu wollen, oder, wo die Wahl mit Mühe und Not zustande kam, weigerte« sie sich, das Wahlprotokoll zu unterzeichnen.

Petersburg, 19. März. Leutnant Schmidt und 3Matroseu find heute in Orschakow erschoss en'tpblrvrn.

Petersburg, 20. März. Zu der Hin­richtung des Leutnants Schmidt wird «och gemeldet: Der Verteidiger Wtnterberg hatte mit Schmidt eine viertelstündige Unterredung. AIS die Exekutions-Mannschaft aufgestellt war, wollte ein Offizier Schmidt die Augen verbinden, was sich dieser jedoch verbat. Seine letzten Worte waren: Ich habe keinen Menschen getötet, vergesset mich nicht. Erst nach der vierten Salve fiel Schmidt von mehreren Kugeln getrrffen und war tot.

Swakopmund, 20. März. In den Kämpfen mit Morenga vom 8. bis 13. März sind 1 Unteroffizier und 6 Reiter gefallen. 3 Retter wurden schwer, 2 Offiziere und 11 Reiter leicht verlitzt.

Spiritistisches. Wie der Tägl. Rdsch. aus London geschrieben wird, ist dieser Tage ein spiritistisches Medium, das in den Kreisen der eng­lischen Spiritisten außerordentliches Ansehen genoß, in dramarischer Weise entlarvt worden. Zur Ab­wechslung geschah das diesmal durch Spiritisten selbst, und zwar durch den Londoner Arzt vr. Wallvce und John Lobb, beide überzeugungstreue und eifrige Spiritisten. DaS Medium, Charles Eldred aus ' Nottingham, vermochte jederzeit Gristererscheinungeu heroufzubeschwören und trieb dieses Geschäft mit Hilfe seines G.Hilfen Ellis mehrere Jahre lang mit größtem Erfolg. Bei einerSeance", die am 5. März in dem Haus einer zurGesellschaft" zählenden Dame in Vayswater gehalten wurde, er­weckte jedoch eines der heraufbeschworenen Gespenster Verdacht. Dies wurde Lobb und Wallcce mit« geteilt, und beide stellten eine Untersuchung des Dunkelkastens und des Stuhls an, deren sich der Geisterbeschwörer bediente und die er in dem Haus, wo wieder eine Seance statlfinden sollte, zurück­gelassen harte. Bet genauer Untersuchung des Stuhls fanden die beiden, daß sein Sitz verschließbar war. Ein Schlosser öffnete das Fach, und da zeigte eS sich, daß der Sitz einen Kasten enthielt, in dem sich alle Sachen befanden, um Gefpeustererscheinungen heraufzubeschwören: drei weiße Umschlagtücher aus der feinsten chinesischen Scidengaze; ein schwarze» Umschlagtuch aus ähnlichem Stoffe, da» wahrschein­lich gebraucht wurde, um ia dem Halbdunkel de» Zimmers den Geist wieder verschwinden zu lassen; einige Gesichtsmasken, falsche Bärte, Köpfe aus Gummi, die aufgeblasen werden konnten; eine elektrische Lampe, um die so unheimlichen Geister- blitze zu schaffen, und andere Sachen mehr, die zum Handwerk gehören. Ais nun au dem festgesctzten Abend Eldred erschien, ersuchte er, wie üblich, zwei Herren damit zu betrauen, ihn zu untersuchen, um ganz sicher zu sein, daß kein Schwindel vorliege. Lobb und ein anderer Herr begaben sich nun mit Eldred in das Nebeugemach und nahmen dt« Leibes« Untersuchung vor, die selbstverständlich nichts Ver­dächtiges zutage förderte. Lobb fragte dann, ob sich in der Dunkelkammer nichts befinde, was bei den Gtistererschetrmngnr gebraucht werden könnte. Dies wurde verneint. Lobb meinte dann, eS sei geraten, auch den Stvhl zu untersuchen, und ohne ein Wort zu sagen, zog er einen Schlüssel hervor und stickte diesen in das Schlüsselloch. AIS dies das Medium sah, wurde es leichenbleich, griff sich mit beiden Händen nach dem Kopf und sank halb- ohnmächtig zusammen. Eldred legte ein vollständige» Geständnis ab und händigte auch das Geld aus, das er sich, wie üblich, vor der Sitzung hatte zahlen lassen, dann ließ man ihn laufen. So schmerzlich es sei, sagt vr. Wallace, mit einem der besten Medien eine solche Erfahrung gemacht zu habe«, so liege doch ein Trost darin, daß die Aufdeckung deS Betrugs diesmal durch Spiritisten selbst erfolgt sei. Deu Glauben der Spiritisten könnte« solche vereinzelte Fälle nicht erschüttern! Eldred selbst werde trotz dieser Enthüllung doch noch immer