A und O aller Reformen sei die Unabhängigkeit aller Organe der Rechtspflege. An dieser Unabhängigkeit der Organe unserer Rechtspflege fehle es zur Zeit. Die Strafprozeß-Kommission habe es sich offenbar zur Aufgabe gemacht, die letzten Garantieen für eine Freisprechung Unschuldiger zu beseitigen. Weiter verbreitet sich Redner über die vorgestern erfolgte Verurteilung des verantwortlichen Redakteurs der Leipziger Volkszeitung wegen des historische Rückblicke enthaltenden Artikels „Alberti- uische Profile". Das Urteil selber habe zugegeben, daß der gegenwärtige König von Sachsen, in dem Artikel nicht einmal genannt sei und trotzdem habe das Gericht MojestätSbeleidigung angenommen. Zum Schluß geht Redner noch näher ein auf den bekannten Milchring-Prozeß und das bekannte Kammergerichtsurteil und auf eine» Beeivflaßungs- verfuch des Ministers. Staatssekretär Nieb erdin g ei klärt, der Verfasser des Urteils sei gleich nach Abfassung des Urteils schwer erkrankt und befinde sich jetzt noch in einer Nervenheilanstalt. Der Senat sei unschuldig. Der Minister habe den Präsidenten deS Kammergerichts auf vorgekommene Nachlässigkeiten aufmerksam gemacht, auf den Senat aber in keiner Weise eine Beeinflussung unternommen. Der Staatssekretär protestiert nochmals gegen die Unterstellung, als ob Organe der Rechis- pflege, insbesondere Richter ihr Urteil abhängig machten von politischen oder anderen Umständen, die mit dem Rechtssalle an sich nichts zu schaffen habe«. Sächsischer Geheimrat Börner erklärt, die Gründe deS Urteils in dem vorgestrigen Leipziger Prozeß seien ja überhaupt erst mündlich verkündet worden und noch nicht schriftlich. Die nähere Begründung werde daher überhaupt noch abgewartet werden müssen. Das Volk verstehe es nicht, wenn der Verfasser, der Täter, nicht für seine Tat ein- stehe sondern einen anderen als verantwortlich vor Gericht stellen lasse. (Widerspruch links.) Redner sucht dann noch gegenüber dem Abgeordneten Müller- Meiningen die relativ milde Bestrafung des Fürsten Kotschubei damit zu entschuldigen, daß Koischubei im Afftkt gehandelt habe. Abg. Stöcker (ihr. Soz.) polemisiert gegen Müller-Meiningen und gegen die gewissenlos« Presse, vor allem die schamlosen Witzblätter. Wie verwerflich sei das Predigen der freien Liebe im SimplicisstmuS und der Jagend. Such der verkommenste Mensch könne dies nicht billigen. Neben Bild und Wort wirkten in gleicher Weise dann auch die Schauspiele, die heutzutage zum Teil wahre Sauspiele find. Das Schlimmste sei, wie der Verführer sich an die Jugend heran mache. Die Nationen sollten zusammentreten und auf einem gemeinsamen Kongreß beraten, waS gegen diese Seuche, gegen diese Pest zu tun sei.
Berlin, 3. März. In Görlitz wurde durch starken Schneefall großer Schaden besonders an Telefonleituugen angerichtet. Die Verbindungen in der Stadt sowohl wie nach auswärts, find unterbrochen. — Ja Altwel ow bei Spremberg find bei einem WohuhausBcaad zwri Bergleute umgrkommen.
Berliu, 4. März. Der Bethauier- Häuptliug Cornelius ist jetzt von einer Abteilung unserer Schutztrnppe unter Hanptmann Lolkmanu mit seiner gesamten Begleitung gefangen genommen worden. Dem Lok.-Anz. zufolge lautet
die amtliche Meldung: „Wie ein Telegramm des Gouverneurs von Lindequist aus Windhuk meldet, drahtet der Bezirksamtmann in KeetmanSboop folgendes: „Cornelius, von Hauptwann v. Volk- wann hartnäckig verfolgt, hat sich demselben mit allen seine« Leuten ergeben. Waffen und Pferde find abgenommen."
Frankfurt a. M., 3. März. Die hiesigen Restaurateure und Gasthofbefitzer wollen eine Erhöhung der Preise vornehmen. Zu diesem Zwecke haben sich die Vorstände des Vereins Frankfurter Gasthofbesitzer, deS Gastwirtsvereins (Innung) und deS Wirtcvereins vereinigt. Gestern fand die erste gemeinschaftliche Sitzung statt, die zur Beseitigung der Notlage in dem gesamten Wirtschaftsgewerbe eine Preis« Höhung für dringend notwendig erklärte und demgemäß beschloß. — Ein bedauernswerter Unfall ereignete sich gestern Vormittag im 5 Stock eines Hauses in der Herbeitstraße. Dort wohnte f-üher eine Familie, die am 1. März iu eine neue Wohnung gezogen war. Gestern kam nun die Frau derselben nochmals in die alte Wohnung zurück, um verschiedenes in Ordnung zu bringen. Sie war kaum im 1. Stock angclangt, als ihr eine Krampfader am linken Unterschenkel platzte. Sie schleppte sich noch bis zum 4 Stock, wo sie infolge großen Blutverlustes auf der Treppe ohnmächtig zvsammen- brach. E:st später wurde die Unglückliche bemerkt und bis Hilfe zur Stelle war, hatte sich die Frau verblutet. Das Blut war vom 5 Stock bis in den ersten Stock geronnen. Die Verstorbene hinterläßt ihren Mann und zwei kleine Kinder. — In der neuen Schlefingergoss' wurde gestern ein älterer Mann in einem Hausflur halb verhungert aufgefunden und nach dem Krankenhaus gebracht. — In Offenbach a. M. wurde der Brauer aus Siegen fcstgenommen, der in der Papageistroße eine Schneiderin aus Erfurt durch einen Dolchstich in die linke Brustseite verletzt hatte.
Paris, 3. März. Aus AlgeciraS meldet Petit Parifien, der allgemeine Eindruck unter den Delegierten über die Situation sei ein ungewisser. Bet einigen Kerrsche noch Optimismus während bei anderen der Pessimismus zunehme. Man befürchtet, daß Deutschland der Baakfrage keine Nachgiebigkeit zeigen werde.
Rom, 3.. März. Der Korrespondent der Tribnna hatte mit Rwoil, Tattenbach und Visconti Venosta eine Unterredung. Revo'l antwortete auf die Frage, ob Deutschland irgend ein Zugeständnis verlange: Ich weiß nicht, was Frank« ich zugestehen soll. Deutschland glaubt, wir wollen Politik in die Bankfrage hineintragen. Das ist doch unmöglich. K in Fiuanzmann einer Nation würde da bettreten. Deutschland fü chte, Frankreich könne sich Dank seiner Fiuanzkräfte zum Herr» der ganzen Bank machen. Das wäre immer nur eine Geldangelegenheit und keine politische. Wir können doch nicht unsere wirtschaftliche Macht zerstören, um bloße Verdachtsmomente zu beseitigen. Bei mehr als 100V Lm Grenze drei Vierteln des Bankgeschäftes und ein-r Anleihe von 75 Millionen der marokkanischen Regierung haben wir Wohl das R cht, besonders berücksichtigt zu werden. Tattenbach zeigt immer noch Furcht vor einer französischen Invasion. Er sagte: Gern stimmte ich za, daß die Zollbeamten
die mich die Gastfreundschaft der Gräfin «»nehmen ließen," fuhr drr Franzos« nach einer Pause fort.
.Und?"
Herr v. Cbauxville sah sie an. Er kannte nicht viele Frauen, die einen feste» Verstand befaßen.
„Und?" wiederholte Katharina.
„Ich Hab« natürlich auch noch ander« Gründe."
Katharina nickt« kur, und wartete.
„Ich möchte in der Nähe de» Fürsten Paul sein," fügt« Herr v. Chaux- vill« h.n,u.
„Lieben Sie ihn so sehr?" fragte Katharina, während ein finsteres Lächeln ihr kräftiges Gesicht verzerrte.
„Gerade so, wie Sie gnädiges Fräulein," antwortete Chauxville.
Katharina zuckte zusammen. G>e wußte nicht ob sie P ul haßt«, aber in Bezug auf E ta konnte über ihre Gefühle kein Zw-ifel herrschen, und di-ft waren so stmk. doß sie wie ein elektrischer Strom die junge F-au durchbohren und ihren Gatten te'fftn konnten.
„Ja Pe'erSburg gaben Sie mir ihr Wort, mir zu helfen," sagte Herr v Chavxv'll-, und fi- widersprach ihm nicht, obwohl sie wußte, daß eS eine Lüge war. „Ich kam her, um von Ihnen die Erfüllung Ihres Versprechens zu verlangen."
Die harten, blauen Augen unter der P-lzmütze starrten gerade vor sich hin. Katharina schien wie erne Schlafende zu kutschieren. So weit da» Auge über die schnerbedkckt« Ebene, durch die schweigende Fichtenallee sckweifen konnte, befanden sich diese beiden allein in einer werßen, er stw denen Welt, die ihnen allein zu gehören schien. Katharina fuhr nie mit Glocken, und so war kein Laut z« hören, als da» Knirschen de» Stahl-» in dem pulverisierten Schnee. Eie waren allein und niemand sah und hörte sie, als der, der in den Wüsteneien der Welten lauscht.
„WaS verlangen Sie von mir?" fragt« sie.
,O, nicht viel," antwortete Chauxville; denn er war ei» vorsichtiger Mann, der Frauenlaunen kannte.
Dir Katharina, di, in der klaren, scharfen Luft Mittelrußlands «in feurige»
n. s. w. von der Bank ernannt werden, aber ein französisches Uebergewicht bei der Bank würde den gesamten Handel in französische Hände bringen. Visconti Venosto dementiert die Nachricht, daß Italien und Oesterreich ein gemeinsames Polizei- Projekt vorgeschlagen hätten.
Petersburg, 3. März. Die in de« baltischen Provinzen tätige Straft xpedttion ist auf der Suche nach den Teilnehmern am Tukkumer Aufstande und der furchtbaren Ntedermetzelung der dortigen Dragoner bis Kemmern, nahe bei Riga, vorgedrungen. Hier sagten die Bewohner aus, daß die revolutionären Anführer bei jener Ntedermetzelung des Militär» iu Tukknm au» K-mmern stammten, die unter Drohungen, jeden Ungehorsamen zu erschlagen, schließlich Helfershelfer gefunden hätten. ES gelang jetzt, einen Teil der Schuldigen zu verhaften, bet denen Dragoner- Gewehre, Säbel u. s. w gefunden wurden. Dir Dorfb-wohner fürchten die Rache der Revolutionäre, weshalb nur mangelhafte Aussagen von ihnen zu erzielen find. In Riaa find aus PleSkau zwei Militärzüge mit 10 Oifizieren und 225 Artilleristen von der 37. Artillerie-Brigade ein getroffen. In Riga und Umgegend wird die ganze 37. Artillerie- Brigade temporär stationiert, und zwar acht Batterien mit je ftckS Schnellseuergeschützen. Die in Riga b«findl«che 76. Artillerie-Brigade wird nach Saratow zurnckbesördert. Auf einen vom KlirgS- winister beim Reichsrat gestillten Antrag erhalten die Kosaken, die zur Niederwerfung der revolutionären Bewegung eingezogeu wurden, im ganzen 113000 Mann, zum Unte'halt ihrer verlassenen Wirtschaften eine Extravergümng von 5 Millionen Rubel. — Auf dem Bahnhof von ZarSkoje-Sselo, wo der Hof residiert, wurden zwei junge Leute durch die Geheimpolizei verhaftet, dte verdächtig erschiene«. Beide Arretierten trugen Bomben bei sich; sie gehören der anarchistischen Partei au. — In TammerforS (Finnland) lieferten Mitglieder der Vereinigung der Arbeiter der Polizei eine Frau aus. die an der Beraubung der russischen Staats- bankfiltale in Helstnafors beteiligt sein soll und in ein.m Hause dieser Vereinigung iu TammerforS ab- g-stiegen war. Die Frau, die sich Emilie Kahl nennt, erklärte, ans Riga zu stammen und zur sozialdemokratisch n Partei zu g, hören. Bei zwei Personen, die unter dem Verdacht der Beteiligung an dem Raub hier verhaftet und nach HtlstogsorS gebracht worden find, wurden 13585 Rubel und 9990 Mark gefunden.
Otschakow, 3. März. Nach Schluß der Plaidoyers im Meuterei-Prozeß gab Leutnant Schmidt folgende Erklärung ab: Angesichts de» Todes erkläre ich, ich handelte nicht gegen die Persöalichkeit des Kaisers. Ich glaube, daß der Pfahl, an den man wich binden wird, um mich zu erschießen, ein Grenzpfahl deS sklavischen und deS freien Rußlands werden wird.
Otschakow, 3. März. Der Martue- leutnant Schmidt wurde zum Tode durch de» Strang verurteilt; gegen drei Matrosen lautet das Urteil auf Tod durch Erschießen. Zwei Studenten erhalten als Strafe lebenslängliche Zwangsarbeit, 16 andere Zwangsarbeit iu verschiedener Zeitdauer; neun wurden zu Zuchthau»-
G-sp-mn kutschierte, und die Kitharina. die in drr entnervenden, blumendurchduftete« Atmosphäre ein Salons Klavier spielte, waren zwei verschiedene Wesen; Herr v. Chavxv'll- war nicht der Mann, di« beiden miteinander zu verwechseln.
N»bt viel, gnädioe» Fräulein." wiederholte er. „Ich möchte nur, daß die Frau G-Sfin die ganz« Geftll'chaft von Ofterno auf einen kurzen Besuch einlüde."
Da« lag auch in Katharinas Wünschen. Sie wollt« sich durch den Anblick EttaS selbst martern, fi« wollte sehen, wie Paul seine Fra« mit jener offene« B-wunderung anblickte, die sie für etwa» ganz andere» hielt, als Liebe, für etwa» uncntl ch viel Niedrigere», als jene Leidenschaft. Ihr Herz, da» unter der Last de« Unglück» zermalmt war, begrüßte mit Freuden jidr Veränderung, selbst wen» sie noch elender dadurch wurde.
„DoS kan» ich tun," sagte sie. „ES war schon längst besprochen, daß in unser« Wäldern eine Bärenjagd stattfind-n sollte."
„G»t, gut!" murmelte Herr von Chauxville sinnend. „Also vielleicht in ein paa» T-gen, wenn e» drr Gräfin paßt."
Katharina antwortet« nicht. Erst nach einer langen Pause fragt« fi« in ihrer s lisamen, abgebrochenen Weis«:
„War werden sie dadurch gewinnen?"
Der Baron zuckt« die Achftln.
„Wer kann da« wissen? E» gibt viele», wa» ich erfahren möchte, viele Fragen, deren Beantwortung man nur durch eigene Beobachtung finde« kann. Ich möchte die beiden beisammen sehen. Sind sie glücklich?"
K'tharinaS G> sicht wurde wieder hart.
„Wenn e» einen Gott im Himmel gibt, der unser« Gebete hört, dürfen sie e» n'cht sein." antwortete sie schneidend.
„Sie habe« in P-ter»burg ziemlich glücklich auSgesehen," meinte der Franzose, der auf die Wahrheit keine großen Stücke hielt.
„So oft e, der Meinung war, daß Katharina einer Anfeuerung bedurfte, erwähnte er Etta» Namen.
„Ich hätte andere Frage» zu stellen, von denen st« einige beaatworteu könnte«, wenn Sie Lust hätten, gnädige» Fräulein."
(Fortsetzung folgt.)