Poinrare Delegationsführer für die Regierungs-Konferenz.
Paris, 8. Juli. An der Spitze der französischen Abordnung für die politische Konferenz wird Ministerpräsident Poincarö stehen- Neben ihm werden der Abordnung Außenminister Briand und Finanzminister Cheron angehören. Sie dürften von einem größeren Stab von Beamten des Auswärtigen Amtes und des Finanzministeriums begleitet sein.
Aus Stadt und Bezirk.
Neuenbürg, 9. Juli. (Zum Heimattag.) Das idyllisch gelegene Oberamtsstädtchen im Enztal ladet zu einem Heimattag ein. Das ist kein Fest im gewöhnlichen Sinne. Ernstere Gedanken liegen der Veranstaltung zugrunde: über den herrschenden Materialismus der Gegenwart hinweg soll znm Besinnen verwiesen, durch die Liebe zur Heimat soll das Gemeinsamkeitsgefühl geweckt werden. Trotz des ernsten Besinnens bei dem Worte „Heimat" erfaßt uns ein inneres Freudengefühl, das uns frohgemut stimmt. Denn Heimat und Freude gehören zusammen, sie sind ohne einander nicht denkbar. Wer denkt nicht beim Worte „Heimat" an frohe Jugendzeit, ans Vaterhaus, an so viele glückliche Stunden und Tage, die die Heimat einst uns gab. So soll auch der Heimattag wieder bei vielen jenes Frohgefühl aufkommen lassen, das uns aus dem Jugendland in lieber Erinnerung ist. Der Heimattag wird am kommenden Samstag mit einer Begrüßungsfeier in der städt. Turn- und Festhälle seinen Auftakt nehmen. Zu dieser Feier ist allen auswärts wohnenden Neuenbürgern eine herzliche Einladung zugegangen und viele davon haben bereits zugesagt, die die Heimat auch in der Fremde noch nicht vergessen haben. Musik und Gesang dürfen in Neuenbürg am Heimattag nicht fehlen. In bunter Reihenfolge lösen bei der Begrüßungsfeier musikalische und gesangliche Darbietungen einander ab, dazwischen Aufführungen der Turner und Turnerinnen, so daß ein abwechslungsreicher Abend in Aussicht steht. Der Haupttag, Sonntag den 14. Juli, wird mit großer Tagwache und Böllerschießen seine Einleitung nehmen. Nach dem vormittags 11 Uhr stattsindenden Standkonzert der Kapelle des Musikvereins wird sich um 2 Uhr der große Festzug, von der Bahnhossallee nach dem Turn- und Festplatz bewegen, daselbst anschließend Kinderfest, für Vergnügungen und Belustigungen aller Art ist Vorsorge getroffen. Mit Spannung wird man wiederum abends dem großen Feuerwerk entgegensetzen, pyrotechnische Kunst läßt ein einzigartiges Schauspiel erwarten, neben unzähligen Raketen und Kometen kommen große 7—8fache Kunstverwandlungsbomben zur Entfaltung, ein silberweißer Wasserfall taucht das ganze Tal mit seinen dunklen Tannenwäldern in strahlende Helle. Doch dürfte der Schluß des Feuerwerks das Meisterstück bilden. Glüht hinter dunklen Tannenwipfeln ein riesengroßer Mond auf, beginnt das Raumschiff seine rasende Fahrt zu ihm empor, dort oben in tausenden von Sternen und Kometen zerschellend. Ist das Feuerwerksschauspiel zu Ende, erstrahlt Schloß und Ruine in magischem Rot, dem sich eine Illumination der Häuserfronten anreiht. Für ausreichende Rückfahrgelegenheit nach Pforzheim ist durch eingelegten Sonderzug gesorgt.
Neuenbürg, 9. Juli. Von den Einweihungsfeierlichkeiterr der neuen kath. Kreuzeskirche Neuenbürg hat Photograph Stadelmann 12 gutgelungene Photo-Aufnahmen bei Kaufmann Lindemann ausgestellt.
(Wetterbericht.) Von Westen nähert sich ein Hochdruck, dessen Wirkung indes nicht von/längerer Dauer sein wird, da die Depressionstätigkeit im Norden fortbesteht. Für Donnerstag und Freitag ist Wohl zeitweilig mrfheiterndes, aber noch nicht beständiges Wetter zu erwarten.
Birkenfeld, 8. Juli. (SOjähriges Jubiläum des Krieger- und Militärvereins.) Letzten Sonntag feierte der Krieger- und Militärverein sein SOjähriges Jubiläum im Gasthaus zum „Adler". Der Saal war festlich geschmückt. Nach einem schneidigen Eröffnungsmarsch, gespielt von einigen Mitgliedern des Orchestervereins, begrüßte der Vereinsvorstand Braun die zahlreich erschienenen Mitglieder und Festgäste. Mit freudigem Stolz schaut der Krieger- und Militärverein auf ein halbes Jahrhundert zurück. Gegründet am 1. Juli 1879 von patriotisch gesinnten Männerst hat der Verein diese SO Jahre trotz mancher SchicksalsschLige durchgehalten und seine Mitglieder haben nach alter Schwabenart dem Verein die Treue bewahrt. Wir gedenken daber m erster Linie der noch lebenden und unter uns weilenden Kameraden Theodor Müller, Friedrich Oelschläger, Karl Bester und Wilhelm Vollmer. Sodann ist es uns Herzensbedürfnis der Vielen zu gedenken, die der Tod aus unfern Reihen gerissen hat. Wir wollen unfern Gefühlen Ausdruck geben, indem wir
uns erheben und das Lied vom guten Kamerq-en anstimuren. Geschieht. Wir wollen deutschen Geist und, deutsche Sitte, deutschen Sinn und deutsche Treue pflegen und festhalten an dem Glauben an Deutschlands Wiedererstehen zu alter Kraft und Herrlichkeit. Und als pflichtgetreue, alte Soldaten, als würdige Glieder der alten, ruhmreichen Armee und nicht zuletzt im treuen Gedenken an unsere im Kampf fürs Vaterland gefallenen Kameraden wollen wir nmner in vorderster Linie stehen, wo es gilt, jenen Glauben zu fördern und zu betätigen. In unseren Herzen aber soll klingen und schwingen und wirken heute und in alle Zeit das hohe, das heilige Lied der unbegrenzten und nie versagenden Liebe zum Vaterland. Mit dem Deutschlandlied wurde die nnt großem Beifall aufgenommene Rede geschlossen. Hierauf wurden an die obigen Jubilare künstlerisch ausgeführte Diplome verteilt, ebenso ein solches an Fritz Becht für 25jährige Zugehörigkeit zum Verein. Bezirksobmann Schur-Neuenbürg dankte für die Einladung und die freundliche Begrüßung. Er sei der Einladung gerne gefolgt. Es sei ja im Leben eine schöne Sitte, daß man nach gewissen Zeitabschnitten stille steht, um Rückschau und Ausschau zu halten und mit neuen Hoffnungen gestärkt der Zukunft entgegengehe. So habe es auch der Krieger- und Militärverein Birkenfeld gemacht. Er gedachte der Blütezeit Deutschlands, welche bald der Gründung des Militärvereins folgte, die den Neid der anderen Völker erregte und Anlaß zum Weltkrieg wurde und der unvergeßlichen deutschen Leistungen in diesem Krieg und seines unglücklichen Ausgangs für Deutschland. Weiter stellte er die idealen Ziele der Kriegervereine in den Vordergrund: Pflege der Vaterlandsliebe und der Kameradschaft, Unterstützung bedürftiger und in Not geratener Kameraden, Einweisung solcher in Kriegererholungsheime und Gewährung von Sterbegeldern; er dankt Vorstand und Ausschuß für ihre Vereinsarbeit, die Treue der Mitglieder gegenüber dem Verein verdiene und übermittelte die Glückwünsche des Württ. Kriegerbundes. Rechtsanwalt Dr. Brand st ätter- Pforzheim verbreitete sich in längeren und zündenden Ausführungen über die „Kriegsschuldlüge". Der 28. Juni 1914 und 1919, Mord von Serajewo und Unterzeichnung des Schand- vertrages von Versailles, seien Schicksalstage für Deutschland. Unter Druck und Zwang der Gegner mußte der Vertrag unterzeichnet werden, die Hauptschuld am Kriege trage nicht Deutschland, sondern die andern; er betonte die Friedensliebe Deutschlands, das nur zum Schutz des Vaterlandes das Schwert zog und wiederholt Gelegenheit gehabt hätte, Krieg zu führen, während Frankreich schon von 1871 an den Rachegedanken in seinem Volke nährte. Der H 231 des Versailler Vertrages, welcher Deutschland die Alleinschuld am Kriege zuschiebt, sei das ungerechteste, was je einem Volk aufgezwungen wurde, man dürfe nicht Nachlassen, gegen diesen Paragraphen Sturm zu laufen, bis er aus dem Vertrag' verschwunden fei, denn wir können die uns dadurch auferlegten Milliardenlasten auf so lange Zeit nicht tragen. Auf seine Ehre und Freiheit kann das deutsche Volk nicht verzichten. Gebe uns Gott Männer, die unerschrocken und furchtlos für das deutsche Volk eintreten und eine Regierung mit gesteiftem Rücken, die unser deutsches Vaterland wieder einer besseren Zukunft entgegenführt. Beiden Rednern wurde lebhafter Beifall gespendet. Damit war der offizielle Teil beendet, und es folgte 8er gemütliche Teil des - so schön verlaufenen Festes.
Birkenfeld, 9. Juli. Letzten Sonntag wurden in Freiburg Sie Kreismeisterschaften des 10. Kreises der Badischen Turner- schast ausgetrugen. Der Turner Albert Le i nz, der im Stab- hoch. schon zweimal württembergischer Meister (Südd. Leichtathletik-Verband) war, wurde am Sonntag im Stabhoch (mit 3,40 Meter) im 10. Kreis badischer Meister. Es ist die einzige Meisterschaft, die sich der Pforztzeimer Turngau sichern konnte. Im. Weitsprung mit 6,4S Meter war. Heinz au 2., im Hoch- sprung mÄ 1,62 an 3. Stelle. Die Leistungen von Heinz wären noch besser ausgefallen; wenn nicht die Witterung! die Gesamtleistungen beeinträchtigt hätte. Der Turner Rudolf Oelschläger errang im Speerwerfen mit 46,80 Meter den 3. Preis. Der Turnverein Birkenfeld kanu mit Stolz auf die Freiburger Kreismeisterschaften zurück blicken, indem die Turner ihren Verein, und den Pforzheimer Turugau ,Mt vertreten habein Wirr gratulieren!
/z Herrrnalb, 9. Juli. (Vom Trachteufest 10- und 11. August.) Wie wir hören, wird sich an dieser glänzenden Veranstaltung der Kurverwaltung auch der hiesige Schwarz- waldverein iw hervorragender Weise beteiligen. Zehn bis zwölf Paare werden- SchwarMalktänze vorführen, wozu die Vorbereitungen in vollem Gange sind. ' Der Trachtenball, den dieser Verein im vorigen Jahre im KursäaL abhiskt, hat damals viel Anklang gefunden und steht als richtiger Heimatabend noch irr allerbester Erinnerung. Es ist deshalb zu erwarten, daß Heuer diese wesentlich erweiterte Darbietung eine besondere
Zugkraft auf Fremde und Einheimische ausüben wird. De« tatkräftigen Vorstand, Postinspektor Schübelin, verdankt um es, daß echte Schonacher Trachten zur Verwendung geä nm-n
Württemberg, ^
Ludwigsburg, 9. Juli. (Das Brandunglück.) Zu ^ schweren Brandnnglück wird noch berichtet, daß zunächst an ^ Möglichkeit, es könnten Menschen verunglückt sein, gar nicht gedacht wurde. Me Feuerwehr hatte eine Stunde lang zu arbeiten und richtete ihr Augenmerk vor allem darauf, die sch^ gefährdeten Nachbarhäuser zu schützen. Zinn war der Hof de, Fa. Hagen von den Kindern regelmäßig als Spielplatz benützt worden. Me bisherigen Ermittlungen haben ergeben, daß die 2 verbrannten Kinder des Stadtpsarrers Dr. Sting in der Giebelstock des Lagerhauses gegangen sind, wo Zündhölzer urj Feuerwerkskörper aufbewahrt sind. Dort haben sie aller Wahrscheinlichkeit nach mit Zündhölzern gespielt und so das Unglück verursacht, das ihnen das eigene Leben gekostet hat. Andere Kinder, die sich am Spiel vorher beteiligt hattm rannten, als sie Las Feuer sahen, davon. Der Brand war schor beinahe niedergekämpft, als Stadtpfarrer Dr. Sting sei« Kinder suchte, die nicht nach Hause gekommen und auch sonsr nirgends zu finden waren. Zum Schrecken und tiefsten Schmerz des Vaters fand man unter den Trümmern die verkohlt«, Leichen. Nicht Benzin war bei dem Brande explodiert, sondern die Feuerwerkskörper und Zündholzpackungen, während et s lang, die Benzinfässer rechtzeitig zu entfernen. Für die Feuerwehrleute lag in der Tatsache, daß sich in dem Magazin so feuergefährliche Gegenstände befanden, eine außerordentliche Gefahr. Erschwert wurde die ganze Arbeit der Feuerwehr dadurch, daß man dem Brandobjekt nicht direkt beikomme» konnte. Eine Unvorsichtigkeit liegt darin, daß einem Zutritt Unberechtigter in diesen gefährlichen Lagerraum nicht vorgebeugt wurde.
Heilbronn, 9. Juli. (Ein Eisenbahnzug fährt durch di? Straßen.) Allgemeines Aufsehen erregte gestern ein „Güterzug" der Reichsbahn, der durch die Straßen der Stadt fuhr. Es waren richtige Eisenbahnwagen von ansehnlicher Größe, ähnlich den Güterwagen oder großen Möbelwagen, die durch motorische Kraft getrieben werden und abgeschlossen sind. Es handelt es sich um einen Versuch. Ein solcher Lastzug läuft seit einiger Zeit zwischen Eßlingen^Stuttgart—Ludwigsburg. Er ist bestimmt, Frachtgüter aus kurze Entfernungen zu befördern, um so die Verladekosten zu reduzieren, die Güter werden von Haus zu Haus befördert und zwar am gleichen Tag, sodaß sowohl eine Beschleunigung als auch eine Verbilligung erreicht wird. Im Rheinland laufen solche Lastzüge vielerorts mit bestem Erfolg. Es besteht nun für den oben erwähnten Jajt- krastzug ein Reservezug, und um diesen auszunützen, wurde vereinbart, daß von der Zuckerfabrik Heilbronn ein gewisses Quantum Zucker auf diese Weise nach Feuerbach spediert wird. Um den Rückweg.auszunützen, werden nun in Heilbronn Bezieher von Waren aus Stnttgart-Feuerbach gesucht, die auf diese Weise jedenfalls schnell und ohne zeitraubende Umladung befördert werden kömreu.
Mötzikgen, OA. Herreuberg, 9. Juli. (Bestrafter Ueber- mut.) Als der neunjährige Eugen Kußmaul am letzten Freitag nach Vogelnestern stöberte, sprang er von den unteren Aesten eines Baumes zu Bodeu und stürzte dabei so unglücklich, daß er das rechte Bein brach. Ein altes Kindrrversiein lautet „Nimmst du dem Vogel Nest und Ei, — Jffs mit Gesang und Obst vorbei. — Laß doch in Ruhe, liebes Kind, - Me Tierchen; die so nützlich find.
Salzstetten, OA. Horb, S. Juli. (Schwerer Unwetterschaden.) Wie erst setzt bekannt wird, hat das am 3. d. M. über die Markung niedergegan gerne schwere Gewitter mit Sturm und Hagekschlag großen Schaden angerichtet, der durch Hagelschlag an Len Feldfrüchten größtenteils 70 bis 100 Prozent beträgt: Knabenanstalt und Kloster St. Antonius in Heiligenbronn wurde vom Unglück am schwersten betroffen, da die gesamte Liegenschaft in diesem heimgesuchten Gewann liegt Die meisten der großen Kirchenfenster der Wallfahrtskirche wurden durch die Schloffen mehr oder weniger zerschlagen, ebenfalls über 30 Fenster des großen Hauptgebäudes. Das Dach der neuerbauten Scheune wurde größtenteils durch den Sturm gehoben und Mer 300 Ziegel, auch von anderen Gebäuden, liegen zerbrochen am Boden.
Göppingen, 9: Juli. (Der städtische Haushaltsplan ohne Deckung.) In siebenstündiger Sitzung hat gestern der Gemeinde? at den Voranschlag der Stadtgemeinde behandelt, die Etatsberatung aber ergebnislos abgebrochen, weil keine Einigung über die Deckung des Abmangels zu erzielen wir. Der durch Umlage zn deckende Abmangel des Voranschlags beträgt 1543 797 Mark, wobei der Ertrag der von der Verwaltung vor- geschkägenen Gebühren mit 186 000 Mark bereits in Anrech-
Nächte der Angst.
Ein Sylt-Roman von Annq Wothe.
Copyright by Greiuer L Co., Berlin NWS.
(Nachdruck verboten.)
11. Fortsetzung.
Schon hob er sein Haupt der blonden Schönheit, ihren dürstenden Lippen entgegen. Wie von Sinnen war er einen Augenblick, dann aber sprang er schnell von dem Fußschemel auf und starrte Estrid erschreckt an.
„Ihr treibt seltsamen Scherz, Estrid Banken," kam eS tonlos von seinen Lippen.
„Wer sagt Euch, daß ich scherze?"
„Mein Herz, denn ich kann nicht «mrehmen, daß meines Bruders Weib —"
Er sprach den Satz nicht zu Ende, sondern starrte Estrid nur unablässig an.
Wieder lag das Lächeln um ihren Mund, das ihn rasend machen konnte. Er wußte nicht, ob vor Liebe, Schmerz oder Wut
„Ein wunderlicher Gesell seid Ihr, Herr Schwager. Ihr versteht mich nicht."
Angegeben," antwortete er bedrückt, „ich sinne Eurem Wesen nach. Es gibt ein berühmtes Bild, die Mona Lisa — ich weiß nicht, ob Ihr es kennt — das mich immer seltsam angezogen und zugleich abgestoßen hat. Euer Lächeln und Eure Augen hat es. Viel heiße Leidenschaft lauert darin, aber auch unendlich viel Grausamkeit"
„Sehr schmeichelhaft beurteilt Ihr mich nicht, Bent Bonken," Estrid sagte es spöttisch, aber ihre Stimme zitterte
leicht. —
„Ihr mögt recht haben. Zuweilen denke ich, daß Euch — verzeiht — menschliches Wesen fremd ist. Vielleicht seid Ihr gar ein Nixlein dort aus dem salzigen Grund?" versuchte er zu scherzen.
Estrid sah ihn prüfend an. Was wollte er eigentlich? Was wußte er und wie stellte er sich zu ihr.
„Ich denke oft unserm letzten Gespräch von den See
gespenstern nach," fuhr Bent fort, näher an die breite Fensterreihe tretend und in die jetzt glutrote, untergehende Sonne blickend. „Ist es nicht seltsam, daß Jngewart Ferks gerade so zu uns ins Haus kam, wie wir uns den „Gonger", das bekannte Seegespenft vorstellen?"
Estrid schwieg. Es war totenstill in der Stube.
„Welch dunkle Worte er sprach,"' fuhr der Kapitän fort, „als er auf der Diele, wie wir ihn brachten, einen Augenblick zu sich kam. Wer mag die Ungetreue sein, der er des Nachts erscheint und die er verflucht? Euch hat lerne wirre Rede so erschreckt,, daß Ihr zusammenbracht."
Estrid raffte sich aus.
„Ja, ich glaubte ihn schön tot, und vor seiner Plötzlichen Wildheit fürchtete ich mich, daß ich noch heute zittere, wenn ich daran denke. Wenn Ihr mir nur ein klein wenig gut seid, Bent Bonken, dann sorgt dafür. Laß der Mann aus dem Hause kommt. Mit Peter ist darüber nicht zu reden und die törichte 'Sölve tut, als pflege sie den Heiland selbst."
Zuerst bei Estrids kosenden Worten hatte dem Kapitän heiß das Herz geklopft, aber ihr Angriff auf Sölve erkältete ihn sofort.
„Ihr tut Eurer Schwester unrecht," trat er eifrig für sie ein, „nie sah ich eine rührendere, aufopferndere Pflegerin wie dieses junge Geschöpf, das, fast ein halbes Kind, eine so seine Seele für das schwere Leiden dieses verunglückten Seefahrers hat."
„Ihr übertreibt, Kapitän, denkt etwas weniger an Sölve und lieber ein klein wenig mehr an mich und sorgt, daß Jngewart Ferks den Gotteskoog verläßt."
„Das dürfte kaum angehen, Frau Estrid. Peter brachte vorhin die Nachricht aus List, daß Ferks Mutter selber schwer krank daniederliegt. Sie kann ihren Sohn weder holen noch pflegen." ,
Estrid sah voll Schrecken in das Gesicht des jungen Seemanns.
„So bleibt er hier?" stammelte sie fassungslos. „Ach, Bent," rief sie verzweifelt, beide Arme um des Schwagers Hals schlingend, „ich ängstige mich vor dem Seegespenst, das ich oft des Nachts sehe, so wie Jngewart Ferks dort auf der Diele gelegen hat. Helft mir doch, Bent Bonken."
Gelassen löste Bent Estrids Arme von seinem Halse. Weit trat er von ihr zurück, und seine Stimme klang hart, als er zu ihr Mach:
„Wart Ihr es, Frau Estrid, die er verfluchte?"
Estrid lächelte verlegen und strich sich das blonde Haar- gelock teich-t von der schmerzenden Stirn.
„Wie könnt Ihr nun so übel scherzen, Bent Bonken. Der Mann ist mir nur unheimlich und Peter lacht mich aus, wenn ich mich fürchte."
In demselben Augenblick wurde die Tür aufgerissen und Sölve stürmte in den Pesel.
„Er ist erwacht," rief sie mit glühenden Wangen. „Ganz klar scheint ihm zu Sinne." Und sich zu Estrid wendend, fuhr sie fast feierlich fort:
„Jngewart Ferks will dich sehen. Komm!"
Estrid wich erblassend zurück.
„Was ficht den Mann an? Ich habe nichts mit ihny-, zu schaffen." . d
„Doch", beharrte Sölve und faßte fest der Schwester Hand, indem sie ihr leise zuraunte:
„Treibe es nicht zum äußersten, ich stehe für nicht?, Wenn du mir nicht folgst."
Und mit sanfter Gewalt zwang sie Estrid zur Tur.
Kopfschüttelnd sah Bent Bonken den beiden nach.
Willenlos, wie unter einem Bann, folgte Estrid der
Schwester.
Ihre Zähne schlugen hörbar auseinander, als Sölve sie in die Krankenstube zog. ..
Akke, die bei dem Kranken geweilt hatte, schlich M mit einem bösen Seitenblick auf ihre Herrin aus den Zimmer. ,
Der Kranke saß aufgerichtet und starrte mit sieocr- glühenden Augen hinaus aufs Meer. Ein breiter -verband lief quer über seine Stirn.
Er schien den Eintritt der beiden Schwestern g« nicht zn bemerken, fein Auge hing an der Sonne, dem letzte Gluten über dem Watt verdämmerten.
(Fortsetzung folgt )