Wendung der Kunstdünger". Der gewandte Redner führte aus, daß der Landwirt vor dem Kunstdüvgerankanf wissen sollte „ was die zu düngende Pflanze brauche und woran es dem Boden mangle. Um letzteres zu erfahren, empfehle es sich, eine Bodenuntersnchnng durch die Versuchsstation Hohenheim vornehmen zu lassen; das Ergebnis einer solchen gebe Winke und Fingerzeige für eine rationelle Düngung. Der Redner warnte vor dem Kauf von Händlern und empfahl den genossenschaftlichen Ankauf, aber nicht nach GehaltSgarantie, sondern nach AnalysenauSsall. Man entnehme sofort noch Ankunft des Düngers unter Beiziehung eines Zeugen demselben Proben und sende fie au die Versuchsstation Hohenheim. WaS unseren Böden vielfach fehle, sei PhoSphorsäure, Stickstoff, Kali und Kalk. Die diese Stoffe enthaltenden Kunstdüugerarten wurden von Hrn. Bräuninger in leicht faßlicher Weise nach ihrer chemischen Zusammensetzung, ihrer Preiswürdigkeit, ihrer Verwendung nach Zeit und Quantum eingehend besprochen. Bei der Besprechung von Thomasmehl wurde unter anderem auSgeführt, daß eS schwerlösliche PhoSphorsäure enthalte und daher ein baldiges Aussäen, schon im November und Dezember, empfehlenswert sei, daß eS ferner bei reichlicher Aussaat von 5—8 Ztr. pro Morgen 2—3- jährige Dungkraft besitze und somit einer Verarmung des Bodens Vorbeuge. Wiesen mit Superphosphat zu düngen, welches infolge seiner leichtlöslichen PhoSphorsäure nur einjährige Dungkraft habe, sei wegen der allzukurzen Wirkung nicht zu empfehlen. Auf Ackerfeld dagegen könne die Anwendung von Super- phoSphat nicht genug angeraten werden. Insbesondere reagiere Frühjahrszetreide auf Superphosphat, wenn es einige Tage vor der Saat in Mengen von 6—8 Ztr. pro Morgen auSgestreut werde. In der Erörterung der stickstoffhaltigen Düngemittel forderte er ans 1 Morgen 70—100 Pfund Chilisalpeter, wovon '/- bei der Aussaat, daS zweite Drittel nach Aufgang der Saat und das letzte Drittel zur Zeit der Bestockung auszusäen seien. Schwefelsaures Amoniak, welches viefach mit großem Erfolg angewendet werde, sei für schwere Böden insofern eher zu empfehlen, als eine Verkrustung des Bodens weniger eintrete als beim Chilisalpeter. Eingehender beleuchtete Redner die Bedeutung des Kalks für die Landwirtschaft. DeS Kalks bedürftig find alle Kleearteu, Esparsette, die Leguminosen: Erbsen, Linsen, Wicken, Bohnen und namentlich auch die Halmfrüchte. Nicht zu vergessen ist der Obst- boum, der sich für eine Kalkdüngung außerordentlich dankbar erweist; ferner kann der Kalk für saure, nasse Wiesen nicht genug empfohlen werden, da er unter anderem auch die Hnmutsäure bindet. Die Vorteile des Kalks lassen sich kurz dahin zusammen- fassen: er verbessert die physikalischen Eigenschaften des Bodens, macht die bereits in der Ackerkrume vorhandenen Nährstoffe für die Pflanzen leichter und rascher aufnehmbar, beschleunigt die Zersetzung,
und was namentlich in Betracht kommt, macht schwere Böden leichter und wärmer, wie auch die leichteren bündiger. Da die Wirkung einer Kalkung von 8—10 Ztr. pro Morgen 6—8 Jahre anhält, und der Kolkpreis in diesem Jahr ausnahmsweise billig ist, ist es schr zu empfehlen, Kalkdüngungen in größeren Versuchen vorzunehmen. Der Redner forderte die Anwesenden auf, von dem sehr günstigen, aber nur noch einige Tage bestehenden Angebot des Neresheimer Kolkwerks, welches 200 Ztr. zu 90 ab Werk obgibt, Gebrauch zu machen. Infolge der überzeugenden Ausführungen kamen olle Anwesenden dieser Aufforderung nach und bestellten insgesamt 400 Ztr., welche in Bälde auf Station Althengstett cintreffen werden. Herrn Bräuninger sei auch an dieser Stelle für seinen trefflichen Vortrag herzlich gedankt.
Ebhausen, 22. Dez. Eine ca. 50 Pferdekräfte starke Elektrizitätsanlage hat Mühlebefitzer Kewpf an seinem Wasserwerk anbringen lassen. An Weihnachten werden sämtliche Wohnhäuser, die Anschluß erhalten, erstmals das elektrische Licht benützen können. Die mit dem Stromnetz verbundenen Kraftbetriebe zu landwirtschaftlichen und gewerblichen Zwecken find schon im Gang. Die Straßen, der Bahnhof und alle öffentlichen Plätze werden desgleichen schon durch elektrisches Licht erhellt.
Herrenberg, 23. Dez. Auf dem heutigen Wochenmarkt waren zugeführt: 118 St. Milchschweine, Preis pro Paar 30—48 62 St. Läufer-
schweiue, Preis pro Paar 50—90 ^ Verkauf gut.
Leonberg, 26. Dez. Von Kindern wurde heute früh bei der Siegel'schen Eägmühle am sogen. Hohloh die L ei ch e eines etwa 30jährigen Mannes gefunden. Neben der Leiche lag ein Revolver. Der Tote liegt vermutlich bereits mehrere Tage an dem wenig besuchten Platz. Man nimmt Selbstmord au.
Stuttgart, 23. Dez. Für einen neuen Ersatz-Transport für die Schutz truppe in Südwestafrika, mit Ziel Lüderitzbucht, stellt das württembergische Kontingent 18 Mann und 1 Zahlmeisterasptranten. Dieselben müssen am 4. Januar auf dem Truppenübungsplatz Münster eintreffen.
Stuttgart, 26. Dez. (Schwurgericht.) Der wegen Ermordung der Frau Hetzer in Aidlingen angeklagte ledige Schreiner Stürner von dort wurde zu 14 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust verurteilt.
Cannstatt, 23. T»z. Für die schwer bedrängten russischen Juden find hier wettere 603 ^ an freiwilligen Gaben eingegangen.
Gmünd, 23. Dez. Festgenommen wurden durch die Polizei 2 Frauen und 1 Ladnerin und gestern vormittag dem Amtsgericht übergeben. Die Lgdnerin war in einem hiesigen Warenhaus auf dem Marktplatz angestellt und hat ihren Prinzipal
in der raffiniertesten Weise bestohlen. Ihre Mutter, sowie eine weitere Frau mit Tochter haben Hehler- dienst geleistet. Die Hausdurchsuchung, welche Polizeiinspektor Reiser mit noch weiteren 3 Beamten vornahm, förderte ein ganzes Warenlager zu Tage, das in allen Winkeln des Hauses verborgen war.
Horb, 26. Dez. Das von dem Landtagsabgeordneten Keßler gepachtete Rittergut Dürrenhardt-Gündringen des Freiherru Oskar v. Münch auf Hoheumühringen steht seit heute morgen in Flammen.
ISny, 26. Dez. Auf eine eigentümliche Ursache ist ein gestern abend nach 7 Uhr in Großholzleute OA. Wangen ansgebrochenes Schadenfeuer znrückzuführen. Der Bruder und Geschäftsführer des Gutsbesitzers Mösle dortselbst bemerkte, daß eine Katze, welche ihre Lagerstatt in der Küche hatte, am Küchenherd Feuer gefangen hatte und brennend in die Scheune sprang. In kürzester Zeit standen die Futtervorräte in Flammen und das Gebäude brannte gänzlich nieder. Die Nachbarhäuser, worunter die den Allgäuer Sommergästen wohlbekannte Würzer'sche Gastwirtschaft, waren durch Flammen nad Flugfeuer sehr gefährdet. Der Viehbestand konnte gerettet werden.
Berlin, 23. Dez. Die Reihe der Kundgebungen zur Besserung der deutschenglischen Beziehungen soll durch eine besonders eindringliche Veranstaltung fortgesetzt werden. Es ist wie verlautet, von maßgebender Seite angeregt worden, den Lordmajor von London und andere angesehene Mitglieder der Londoner städtischen Körperschaften seitens des Magistrats von Berlin einzuladen, der Reichshauptstadt i« nächsten Jahre in corpore einen Besuch abzustatten. Wahrscheinlich wird gleichzeitig auch an Lord Avebury und Sir Thomas Barklry, die seit einem Jahr unermüdlich an einer Besserung der deutschenglischen Beziehungen arbeiten, eine entsprechende offizielle Einladung seitens des Oberbürgermeisters und des Magistrats der Stadt Berlin ergehen. Vorläufig hat man den Monat Juni als Zeitpunkt des Besuches in Ausficht genommen. Doch will mau i« jeder Weise etwaigen anderen Wünschen des Lordmajors und des Londoner City-Councils entgegen kommen.
— Die in Nordamerika weilenden Badener planen für das kommende Jahr einen Massenbesuch ihrer badischen Heimat und zwar als eine Jubiläumsexkursio», um anläßlich der Dopprlseier der goldenen Hochzeit und des 80. Geburtstages dem Großherzog die Glückwünsche der Badener in Amerika zu überbringen. Die Anregung geht von dem badischen Volksfestverein in Newyork aus, welcher auch die Führung für die in de« Monaten August und September zu veranstaltende Reise übernimmt. Die Hauptfeier findet in Karlsruhe am 8. und 9. September statt, bei welcher
im Nuckcn geschlungen. Die einzige Farbe an ihr war eine lichtblaue Feder, die mit einer Diamautagroffe an dem herzartigen Ausschnitt befestigt war. Weder an Hals noch Armen trug fie einen Schmuck.
Nebeneinander betraten fie den Salon, und NordheimS Blick leuchtete auf, als er oll die bewundernden, staunenden Augen sah, die auf seiner schönen Gattin ruhten. Frau v. Nordheim kam ihnen entgegen und nahm Viola an der Hand.
„Komm in das Nebenzimmer, Kind, dort wartet mein Mann auf Dich."
Als Viola wieder in den Salon trat, nachdem fie die Bekanntschaft ihres Schwiegervaters gemocht, wurde eben die entgegengesetzte Türe geöffnet und Naziedda schwebte herein. Einen Augenblick wich alle Farbe aus Violas Zügen. Niemand außer Linden, der gerade neben ihr stand, bemerkte den plötzlichen Schrecken. Noziedda war in ihrer Lieblingsfarbe, meergrün gekleidet, ihre ohnedies weißen Arme hoben sich blendend ab. Durch das hoch aufgekämmte Haar schlängelte fick ein Band in derselben Farbe und um ihren HalS lag eine einzige Reihe Perlen.
Nordheim schritt rasch auf fie zu.
„Baronesse, welche Freude! Ich ahnte nicht, daß auch Sie sich unter den Gästen meiner Mutter befinden."
Naziedda reichte ihm beide Hände und sprach etwas, aber so leise, daß Niemand es verstehen konnte. Linden blickte sich nach Viola um. Er sah daS leise Zittern der Noserflügel, die fest aufeinander gepreßten Lippen und zog seine Schlüsse.
„Kennen Sie Baronesse Noziedda, gnädige Frau?"
„Nein."
„Nun, dann bereite ich Sie darauf vor, daß fie ihre Stimme nie über einen Flüsterton erhebt, eS klingt dann aller viel interessanter."
DaS gewohnte, sarkastische Lächeln spielte um seine Lippen, während er zn der jungen Dame hiuüberbltckte, die Nordheim ganz in Beschlag genommen hatte.
„Wie heißt die junge Dome?"
„Baronesse Naziedda Bieneck."
„Wie sagten Sie?" Viola wandte ihm ihr vollständig farbloses Antlitz zu; die großen Augen blickten ihn erschrocken an.
„Biencck, Sie haben den Namen wohl schon gehört. Es hat ganz kürzlich in der Gesellschaft großes Aussehen erregt, daß ihr Bruder Botho v. Bieneck, sich mit einer steinreichen Witwe vermählte. Sie vereint in sich alle Vorzüge, nur ist fie die Tochter eines Bierbrauers; das schadet ihr."
„Deshalb kam mir ihr Gesicht so bekannt oor." Viola sprach dies« Worte leise vor sich hin. Noch immer lag jener sonderbare Ausdruck, halb Furcht, halb Zorn in ihren Zügen. Linden beobachtete fie scharf; er hätte gern noch mehr mit ihr gesprochen, aber Fernande trat an sie heran.
„Ich will Dich mit den andern Damen bekannt machen. Graf Linden» Sie führen meine Schwägerin zu Tisch.
Linden verneigte sich, dann, als di« Damen ihn verlassen hatten, sah er nach der Fensternische, in welcher Naziedda plaudernd stand. Seine Züge verfinsterten sich, ein Ausdruck fester Entschlossenheit lag darauf. „DaS Spiel soll Dir verdorben werden, schöne Naziedda; nun weiß ich den Grund, der Dich hieher geführt. Aber Du hast abermals vergessen, daß eS einen Menschen gibt, der Deine Ränke und Pläne durchschaut. Du meinst wohl, zwei Fliegen auf einen Schlag b.kommen zu können, Dich an ihm und ihr zugleich ,u rächen. Wir wollen abwarten, wer siegt, Du oder ich." D-r ernste Ausdruck verschwand und machte dem gewöhnlichen spöttischen LäLeln Platz, während er rasch auf die Nische zutrat, und seine Hand leicht auf NordheimS Schulter legte.
„Ich muß Dir noch sagen, Nordhriw, wie bezaubernd ich Deine Gattin finde. Ich hatte mir viel Schönheit erwartet, aber daS nicht."
Nordheim sah überrascht «ach ihm um.
„Ich dachte-"
„Herr v. Nordheim," NazieddaS Fächer berührte feinen Arm, „ich habe mein in Norderney gegebene» Versprechen nicht vergessen, jetzt begreife ich alle», wa» mir damals ein Rätsel war."
Dunkle Glut bedeckte einen Augenblick NordheimS Wangen, und als sein« Gattin und Fernande sich nährttrn, schritt er rasch von dannen, ein« düstere Falte auf der Stirn.
„Meine Schwägerin. — Baronesse Bieneck." Die beiden Damen rerchten sich di« Hände. Viola nahm eine abweisende Miene an, Naziedda aber lächelte bezaubernd zu ihr empor. (Fortsetzung folgt.)