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Stuttgart, 8. Nov. Auf dem Rathause wurde gestern ein großer Tafelaufsatz überreicht, welchen der -f Geh. Komm.-Rat v. Siegle und seine Gattin aus Anlaß der Einweihung des neuen Rathauses gestiftet haben. Der Aufsatz, in reich vergoldetem Silber getrieben, trägt einen Pokal, der abgenommen werden kann und bestimmt ist, beim Mahl zu kreisen.
Cannstatt, 9. Nov. Bei der letzten Häute- und Fell auktion im hies. Schlachthaus wurden folgende Preise per Pfund erzielt: Für Ochsenhäute 51'/- A, für Stierhänte 49'/- bis 50 A für Rinderhäute 54 bis 56'/, A für Farren- häute 41 bis 48 A für Kalbfelle 7,35 bis 11,15 per Stück. Verkauf lebhaft.
Tübingen, 9. Nov. Für das nächste schwäbische Sängerbundfest war die Universitätsstadt vorgesehen. Gestern wurde hierüber unter dem Vorfitz deS Oberbürgermeisters seitens der VcreinSvorstände eine Beratung abgehalten. ES wurde beschlossen, auf das nächste Sängerfest 1907 zu verzichten, sich aber um das deS Jahres 1910 zu bewerben. Die Gründe für diesen Beschluß liegen darin, daß bedeutende Bahnbauten (Herren- berger-Bahn, Bau des Güterbahnhofes, ferner Neuanlage von Straßen, Erstellung eines Anlagesees), in die nächsten Jahre fallen.
Reutlingen, 9. Nov. Der offizielle Herb st bericht konstatiert, daß der Ertrag der heurigen Obsternte nur 8000 beträgt, gegen 50000 im Voijahre. Der Wetnertrag war 2600 Kl, der höchste Weinpreis war 120 pro 3 kl, der mittlere 115 und der niederste 110 Unter der Kelter wurden 2500 bl für 107 000 verkauft.
Reutlingen, 9. Nov. Nachdem dem Zimmermädchen einer hiesigen Herrschaft einige kleinere Diebstähle ungestraft hingegangen find, stahl sie eine wertvolle Brillantbrosche. Dieselbe wurde aber nach einigen Tagen vermißt und der Diebstahl entdeckt.
Heilbronn, 8. Nov. Der 12 Jahre alte Steinbrechersohn Jakob Bauer von Donn- bronn war im Heilbronner Stadtwald mit Anstrcichen von Kulturpflanzen mit Kalkmilch zum Schutz der ersteren gegen Wildschaden beschäftigt. Infolge Hängenbleibens an einem Stämmchen kam Bauer zu Fall, wobei ihm der Inhalt des mit Kalkmilch gefüllten Gefäfses nahezu ganz ins Gesicht spritzte. Hiedurch wurde letzterer, insbesondere auf beiden Augen, schrecklich verbrannt, so daß er in die Augenklinik überführt werden mußte.
Aus demO.-A. Oberndorf, 8. Nov. Bei der kürzlich in Böchingen unter dem Vor fitz von Komm.-Rat Mause r - Oberndorf stattgehabten ord. Jahresversammlung des landw. Bezirksvereins hielt Bautechniker Friz-Smttgart einen Vortrag über landwirtschaftliches Bauwesen. Er führte n. a. aus, daß es sich empf-hle, Scheuer und Stallung im Grundriß die Quadraiform zu geben und zu elfterer Rundholz zu verwenden; ferner die Wohnung nicht über (wie im Schwarzwald Regel ist), sondern neben den Stall, und den Giebel des Hauses (nicht die Langseite) entlang der Straße zu platzieren. Den Beifall deS Redners fanden dagegen die großen, weitvorspringenden Dächer der Schwarzwaldbauernhäuser. Überhaupt empfahl er den Bauern, am ländlichen Charakter deS Bauernhauses festzuhalteu und warnte davor, städt. Bauart uachzuohmen. Seine interessanten Ausführungen veranschaulichte der Redner durch gelungene Zeichnungen.
Heidelberg, 9. Nov. Der katholische Pfarrer Bilger aus Nußloch wurde hier wegen StttlichkeitSverbrechen, begangen an Kindern unter 14 Jahren verhaftet und nach dem Tatorte Stuttgart gebracht.
Berlin, 8. Nov. Heute hat sich der Kais er mit dem König von Spanien nach Döberitz zur Parforcejagd begeben. Um 2 Uhr nachm, hatten sich am Denkmal auf dem Hasenheidenberg zur Parforcejagd über 200 Herren und 9 Damen versammelt, ein so zahlreiches rotes Feld, wie kaum je zuvor. Der Kaiser und König Alfous trafen im Automobil von Berlin ein und stiegen alsbald zu Pferde. Angelegt wurde die Jagd am Hasenheideu- berg, uoweit deS DeukmalS. Sie zog sich über den
Königsplatz, südlich deS KöuigSwegs, bis zum Finkenberg, wo der Keiler in Sicht kam und von den Hunden bis unmittelbar an die Lifiöre von Ferbitz gejagt und dort gedeckt wurde. Der König war einer der ersten beim Hallali. Leutnant Graf Einfiedel vom 1. Gardedragouerregiment hob aus. Der Kaiser selbst erteilte den Fang und verteilte 201 Brüche an die Teilnehmer an der Jagd. Dieselbe hatte 25 Minuten gedauert. Das Wetter war etwas neblig, aber sonst günstig. Der Kaiser und der König begaben sich sodann im Automobil nach dem neuen Palais bei Potsdam, wohin inzwischen die Ueberfiedlung stattgefuvden hatte. — Heber die Galavorstellung im Opernhaus am Dienstag berichtet der Lok.-Anz.: König Alfons in der Uniform seines 66. Regiments führte die Kaiserin in die große Hofloge, und begrüßte, so an der Brüstung stehend, mit drei tiefen Verbeugungen das Auditorium, das sich zum Große der Herrschaften erhoben hatte. DiS Kaiserin sah vortrefflich aus; sie trug eine tiefgelbe Seidenrobe, die ihr ausgezeichnet stand, und hatte ihr volles Haar mit einem herrlichen Diadem, den Hals mit einem kostbaren Kollier geschmückt. Der Kaiser in großer spanischer Uniform nahm links vom König Alfons Platz. Rechts und links saßen der Kronprinz, Prinz Friedrich Leopold, Prinz Eitel, Prinz Friedrich August, Prinz Albrecht mit seinen beiden jüngsten Söhnen, im Hintergründe das Gefolge. Man gab das temperamentvolle, phantastische Ballet Leo DelibeS' „Coppelia". In der ersten Pause blieben die hohen Herrschaften in der Loge, der Kaiser, die Kaiserin und König Alfons zogen Herrn v. Hülsen ins Gespräch, die Kaiserin unterhielt sich eifrig mit König Alfons und machte ihn auf verschiedene P-rsö lich- keiten in den Logen aufmerksam. Fürst Bülow in Husorenuniform benutzte die Gelegenheit zu einer eingehenden Unterhaltung mit Herr» v. LucanuS im Hintergründe seiner Loge. In der zweiten Pause begaben sich die Majestäten in das wunderhübsch mit frischen Blumen, unter denen mächtige weiße Chrysanthemen vorherrschten, geschmückte Foyer und hielten dort Cercle. Hier konnte man König AlfonS ziemlich genau sehen und studieren. Er hat nicht das strotzend Gesunde wie die preußischen Offiziere, die in seiner Umgebung vorherrschten; sein schmales, oval geschnittenes Gesicht mit großen, lebhaften Augen gewinnt, wenn er scherzt oder in angeregter Unterhaltung ist. Sehr sympathisch berührt seine ritterliche Höftchkeit, die er auch den im Rang weit unter ihm Stehenden zuwendet, besonders wenn er mit älteren Herren spricht. Die Kaiserin stellte ihm zahlreiche Persönlichkeiten vor, die dann immer in eine längere Unterhaltung gezogen wurden. Der Kaiser sprach mit vielen Damen der dort versammelten hohen Kreise. Als gegen 10'/< Uhr die Vorstellung ihr Ende erreicht hatte, begrüßle selbst zu dieser Stunde eine nach Tausenden zählende Menge die in geschlossenen Galakutschen heimfahrenden Herrschaften.
Magdeburg, 9. Nov. Der König von Spanien ist zur Besichtigung seines Regiments heute mittag 1 Uhr mit Gefolge per Eonderzug hier eivgetroffen und am Bahnhöfe von dem kommandierenden General und den Spitzen der Behörden begrüßt worden. Der König begab sich zu Wogen nach der Kaserne, wo auf dem Exerzierplatz dos Regiment eine Uebuvg avsführte. Noch einer Parade fuhr der König inS Off ziers- kvfino und nahm dortselbst im Kreise der Offiziere einen Imbiß eiu. Um 3 Uhr erfolgte die Weiter- fohrt des Königs mit dem Kaiser, der inzwischen eiugetrrfftn war, nach Hannover.
Kiel, 9. Nov. Der im Großen Belt gestrandete Echooner „Axel" verschwand in den Wellen als der Bergungsdaupftr nahte. Die gesamte Besatzung wird vermißt.
— Der Dampfer „Prinz-Regent" der den neuen Govverrevr v. Lindequist nach Lüderitz- bncht bringt, wird auch das Schiff sein, das den Generalleutnant v. Trotha der Heimat zuführt. Die formelle Ü bergabe der Gouvernemeutsg> schäfte wird zwischr n Trotha und Linde quist vorausfichtlich in der Lüderitzbucht statlfinden.
Aus der Schweiz, 8. Nov. Der 26jährige Kaufmann Willy Vollmer aus Stuttgart, ein Sohn der in Zürich wohnenden Fron vr. Vollmer, ist bei einem Ausflug, den er am Sonntag mit einigen Freunden in die Glarneralpen machte.
verunglückt. Er rutschte an einer sonst nicht gefährlichen Stelle aus und stürzte etwa 15 Meter tief ab. Man fand ihn mit einem Schädelbruch und schweren Verletzungen an der Brust am Fuße der Felswand liegen. Kurze Zeit, nachdem ihn seine Freunde aufgehoben, um den Verunglückten nach einer Alphütte zu bringen, verstarb er.
Lemberg, 9. Nov. Nachrichten aus Besarabieu zufolge find in Mifilew 5 Inden getötet und viele verwundet worden. AuS Siknray ist die gesamte jüdische Bevölkerung geflüchtet. Die Eisenbahnzüge werden geplündert und viele Reisende getötet.
Warschau, 9. Nov. Ueber die Beendigung des Eisenbahnerstreiks soll heute Mittag entschieden werden. Von diesem Beschluß wird auch die Wiederaufnahme des ganzen Geschäftsverkehrs in der Stadt abhängen. Gestern hatten nur wenige Läden geöffnet. Die Banken blieben geschlossen. Eine Böise wurde nicht abgehalten. Der Apothekerstreik ist beigelegt. Gestern Abend wurde im Menschengewühl ein russischer Polizeispitzel im Judeu- viertel erdolcht.
Warschau, 9. Nov. In dem jüdischen Stad!viertel wurden gestern 7 verkleidete Polizeispitzel, die Exzesse Hervorrufen wollten, von der revolutionären Partei erkannt und auf offener Streße ermordet. Drei Polizeibeamte, welche die Mörder verhaften wollten, wurden durch Revolverschüsse schwer verwundet.
Petersburg, 9. Nov. Nebogatow ist in Petersburg eingetroffen. Er hat einen Bericht von Admiral RoschdjeSwenSky bet sich. Nebo- gatow fühlt sich absolut unschuldig und hofft, daß das Gerichtsverfahren die wirklichen Schuldigen aufdecken wird. Von der Uebergabe eines Geschwaders könne keine Rede sein. Er habe nur vier erbärmliche Schiffe besessen, die teilweise zerschossen waren und endlich von 17 japanischen Schiffen umringt wurden. Admiral RoschdjeSwenSky, der die Verhältnisse besser kenne als das Marine- ministerium teile vollständig seine Ueberzeugung.
London, 9. Nov. Die englischen Rothschilds haben 200000 Mark für die verfolgten russischen Juden gespendet. Die Juden in Amerika haben bereits eine gleiche Summe telegraphisch nach Petersburg gesandt.
T anger, 9. Nov. Der deutsche Gesandte vr. Rosen empfing gestern den Besuch deS marrokkanischen Ministers des Aeußeru, der ihn im Namen deS Sultans willkommen hieß. In einer Unterredung erklärte Rosen, er begnüge sich damit, den Wunsch auszusprechen, daß die Konferenz in Algeciras eine glückliche Lösung finden möge. DaS Datum des Zusammentritts der Konferenz ist zwar noch nicht bestimmt, indessen dürfte dies vorausfichtlich in den ersten Tagen des Dezember erfolgen.
Dar-es-Salam, 9. Nov. Oberleutnant von Growert hat daS Gelände nördlich und westlich des festen Lagers in den Matumbi-Bergen ausgiebig gesäubert. Die Aufständischen, welche mehrere große Lager angelegt hatten, ergriffen bei Annäherung der Trvppen regelmäßig die Flucht. Gleichwohl erlitten sie starke Verluste. Eine Anzahl Gefangener konnte eingebrocht werden. Nach ihrer Aussage soll der bekannte Rebellenführer Abdulla Kitambi Mum- bei jetzt zur Unterwerfung raten.
Denrüschtes.
Württembergische Volksbücher herausgegeben vom Württ. Ev. LchrerunterstützuugSverein. Bd. 1. Sogen und Geschichten. Verlag von Holland u. Josenhans, Stuttgart. 192 Seiten.
Herausgeber und Verleger haben hier der Jugend und dem Volke ein Büchlein in die Hand gegeben, welches sie eioführen möchte in die Geschichten und Sagen, die dem schwär ischen Boden entsprossen find. Wir lesen in dem Büchlein die alten Geschichten und Sagen vom Wirt am Berge, von der Acholm, vom Geiger von Gmünd und von den sieben Schwaben. Zollernsagen wechseln mit Gtschichteu vom Wunnensteiu, Schwarzwaldgeschichten mit Sagen vom Bodensee. Deun jeder Gau deS Schwabenlandes hat seinen Sagenkranz, seinen Geschichtsstrauß. Unsere Gegend ist vertreten durch 4 Erzählungen: Graf Hubert von Calw, Kaiser Konrad und dl« Müllerskind, Kriwhtlde von Waldeck und der Riese Erkivger von Liebenzell. Die weislich getroffene Auswahl führt aber durchs ganze Land. Wir