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Samstag, dm 12. Dezember 1925.
83. Jahrgang.
Volkszählung LS25 in Württemberg.
Endgültige Ergebnisse.
Nach den endgültigen Ergebnissen der Volkszählung bmn 16 . Juni 1925 beträgt die Gesamtbevölkerung des Freistaates Württemberg 2 579 453 Einwohner, wovon 1242 725 männlichen und 1336 728 weiblichen Geschlechts sind.. Diese Zahlen stellen die sogenannte Wohnbevölkerung dar, die man erhält, wenn man zn der Zahl der ortsanwesenden Bevölkerung die vorübergehend Abwesenden hinzuzählt und die vorübergehend Anwesenden abz-ieht. Da man bei Len früheren Zählungen lediglich den Begriff „ortsanwesende Bevölkerung" benützt hat, so lassen sich Vergleiche nur auf dieser letzteren Grundlage ziehen. Die früheren Volkszählungen wurden allerdings im Winter vorgenommen, wo der Unterschied zwischen Wohnbevölkerung und ortsanwesender Bevölkerung in der Regel sehr gering war.
Die ortsanwesende Bevölkerung betrug für Württemberg:
männlich weiblich zusammen
1925: 1 249343 1345771 2595114
1910: 1192 392 1245 182 2 437 574
Zunahme
für 1925 plus 56951 plus 100589 plus 157540 Die Gesamtbovölkerung hat also um 6,46 Prozent zugenommen, wovon 2,34 Prozent auf die männlichen und 4,12 Prozent auf die weiblichen Personen entfallen. Berechnet man den Unterschied der männlichen und weiblichen Bevölkerung je innerhalb der beiden Zählfahre, so ergibt sich folgendes:
1925 1910
männlich 1249343 1 192392
weiblich 1345771 1245182
Abnahme für-
männlich 96428 52790
Diese Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Sie zeigen zunächst, daß sich die Abweichung zwischen männlicher und weiblicher Bevölkerung vom Jahre 1910 bis 1925 fast verdoppelt hat. Ein Frauenüberschuß von nahezu 100 Ooü ist für das kleine Württemberg mit seinen 2)^ Millionen Einwohnern äußerst bedauerlich. Zunehmende Ehelosigkeit mit all ihren Begleiterscheinungen wird die traurige soziale Folge dieser Tatsache sein. Was den immerhin vorhandenen nicht unerheblichen Bevölkerungszuwachs von 157 540 Seelen anbelangt, so entfallen hievon über 100 000 (ist ?4) aus die weiblichen Personen. Der große Ausfall an männlichen Personen ist ohne Zweifel aus Rechnung des Krieges zu setzen.
9 Städte haben eine Wohnbevölkerung von mehr als 20 OM Einwohner, nämlich:
Wohnbevölkerung Ortsanwes. Bevölkerung
am am
16. Juni 1925
I. Dez. 1910
Stutigart
341461
337933
298462
Ulm
57 278
56808
56 >09
Heilbronn
45520
45227
42688
Eßlingen
40562
40236
36521
Reutlingen
30501
30319
29 763
Ludwigsvurg
28861
27728
27191
Göppingen
22017
22066
22373
Gmünd
20438
20656
21312
Tübingen
20266
21259
19076
606904
602232
553495
Nach dem Religionsbekenntnis ergab sich folgende Gliederung:
l925
evangelisch 1722 185 (66,8 Proz.)
katholisch 796 200 (30,9 Proz.)
israelitisch 10853 ( 0,4 Proz.)
sonnige 50 216 ( 1,9 Proz.)
Die Staatsangehörigkeit ergab folgendes Bild:
1925
Reichsangehörige 2 562142 (99,3 Proz.)
Ausländer einschließl. Staatenlose 17 311 ( 0,7 Proz.)
Was die Bevölkerungsdichte anbelangt, so kommen auf einen Quadratkilometer 132,23 Personen (Wohnbevölkerung), während 1910 125,0 auf den Quadratkilometer gezählt wurden, wobei noch zu berücksichtigen ist, daß damals die ortsanwesende Bevölkerung der Berechnung zugrunde gelegt wurde.
Die Zahl der Haushaltungen betrug 615 570, so daß auf die Haushaltung durchschnittlich 4,19 Köpfe kommen.
Das Statistische Landesamt wird voraussichtlich noch im Laufe dieses Monats ein Gemeindeverzeichnis Herausgaben, das gemeindeweise folgende Angaben enthält: Zahl der Haushaltungen, Wohnbevölkerung, ortsanwesende Bevölkerung, Evangelische, Katholiken, Israeliten und sonstigen Bekenntnissen angehörige Personen. Das Verzeichnis erscheint als Sondernummer der „Mitteilungen des W. Stat. Landesamts.
Würirembery
Heilbronn, 10. Dez. (Bestrafte Roheit.) Die Namen der Wurmberger Einwohner, welche unlängst einen armen, alten Handwerksburschen namens Josef Stahl auf der Ortsstraße gemeinsam mit gefährlichen Werkzeugen in abscheulicher Weise mißhandelten und die vom hiesigen Schöffengericht zu 3 As 9 Monaten Gefängnis verurteilt wurden, sind: Theodor Hörnle, Wagnergeselle, Wilhelm Schaan, Arbeiter und Robert Schaab, Schmiedmeister. Der Handwerksbursche, der aus Schloßberg, OA. Neresheim, stammt, hatte ihnen keinen Anlaß zu solcher Mißhandlung gegeben.
Hvilbrorm, 11. Dez. (Kredite für die Neckarsulmer Fahrzeugwerke.) In seiner gestrigen Sitzung genehmigte der Heil- bronner Gsmeinderat als Vertreterin der Verwaltungsgemeinde des Arbeitsamts Heilbronn die von der Stadt Neckarsulm beantragten Kredite in Höhe von 65 OM M. für NSU. mit allen Stimmen gegen die beiden kommunistischen Vertreter. Mit dem Abschluß haben auch 1200 Hellbrauner Arbeiter einen vierten Arbeitstag erhalten.
Oeschingrn, OA. Rottenburg, 11. Dez. (Verblutet.) Bei der Arbeit in der Küche sprang der Ehefrau des Landwirts K. Schlauch eine Krampfader. Da niemand der Angehörigen zugegen war und es der Frau nicht rasch genug gelang, die Ader zu unterbinden, verblutete sie. Nur tot fand sie der im Stall beschäftigte Gatte beim Eintreten in die Stube auf.
Friedrichshasen, 11. Dez. (Auf Grund geraten.) Bei dem gestern nachmittag einsetzenden Wesisiurm machte der Dampfer „Königin Charlotte", der unlängst von der Hauptreparatur wieder seinem Element übergeben wurde, eine Probefahrt nach Höhe Wasserburg. Auf dem Rückwege setzte in Höhe Langenargen kurz nach 4 Uhr der Dampfer das Signal: ,Mitte mich zu schleppen", worauf ihn der des Wegs kommende Kurs 69 anlief. Die nähere Ursache ist noch nicht bekannt, dürfte aber in Heiznngs- oder Maschinendefekt zu suchen sein. Die mißliche Lage des Dampfers wurde von Friedrichshafen aus gesichtet
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und die Dampfschiffahrtsverwaltung ließ den von Romanshorn her einlaufenden Schweizer Dampfer „St. Gallen" sofort zur Hilfe auslaufen. Nach kurzen Abschlepppungsversuchen kehrte die „St. Gallen." in Len hiesigen Hafen zurück, um ihren Kurs fortzusetzen. Die Bergungsversuche wurden gestern abend fortgesetzt.
BermiMres
Errichtung eines Stadions in München. Der Stadtrat München beschloß, auf einem über vier Hektar großen Grundstück einen Sportplatz als Bezirksstadion mit Aschenlaufbahn, Fußballplätzen, Anlagen zum Kugelstoßen und Springen, mit Tribünenbauten, sowie Ncbenräumen für ärztliche Untersuchung, Wasch- und Badeeinrichtungen zu errichten. Die gesamte Anlage erfordert schätzungsweise eine Ausgabe von 280000 M. Von der Schaffung eines allgemeinen großen Stadions will der Stadtrat absehen und dafür Bezirkssportplätze in verschiedenen Stadtteilen errichten.
Ohrfeigen als Dividende. In einem Restaurant in Wiesau in Bayern ereignete sich eine ergötzliche Geschichte. Ein auswärtiger Geschäftsmann hatte sich erlaubt, die Geschäftsführung einer Aktiengesellschaft in scharfen Worten zu geißeln, da er fast 2000 M. in dem Unternehmen stecken hatte. Darüber geriet ein Mitaktionär in Hellen Zorn und versetzte dem Kaufmann einige tüchtige Ohrseigen.
Lawinen-Unglückssklle. Man schreibt uns aus Tirol: Der erste Teil dieses strengen Winters forderte bereits fünf Menschenleben, Einheimische, die durch Lawinen zugrunde gingen. Im Bezirk Reutte ereignete sich innerhalb einer Woche das dritte Unglück durch Lawinensturz, zwei junge Männer sind tot ausgegraben worden. Ebenso wie in den beiden anderen Fällen wollten Bauern diesmal aus der Gemeinde Bach im Lechtale, von der Höhe das aus den Bergwiesen mühsam erarbeitete Sommerheu herabbringen, von den 20 Leuten sind die drei Brüder Leo, Anton und Josef Heel von einer Lawine erfaßt und sortgerissen worden, nach einem Sturze über Fels- Partien blieb die Lawine liegen, unter ihren Schneemassen wühlte sich Anton Heel mit eigener Kraft hervor, trotz mehrfacher Verwundungen, seine zwei Brüder aber grub man einige Stunden später als Leichen aus dem Schnee.
Rückgabe eines deutschen Hotels in Italien. Wie aus Rom gemeldet wird, habe die italienische Regierung soeben das altbekannte deutsche Hotel „Bruhn" in Bologna der Familie des Besitzers zurückgsgeben. Das Hotel Bruhn steht an der Spitze des alt-römischen Jupitertempels und enthält eine Fülle wertvoller Antiken. Das ist angesichts des Sündenregisters, das die italienische Regierung durch die Südtiroler Schandtaten täglich zu mehren beflissen ist, natürlich nur ein Tropfen auf einen heißen Stein.
Eine glückliche Insel. Der Sowjetkreuzer „Worooski" lief in der Behringstraße eine Rußland gehörige Insel an, deren Bewohner seit über zehn Jahren vollständig von der Außenwelt abgeschnitten waren. Die Inselbewohner wußten nichts von dem Weltkriege und den Erschütterungen, die die Welt und Europa seitdem durchgemacht haben.
Tragisches Unglück auf der Paddelbootweltreise. Der waghalsige Versuch des Deutschamerikaners Röhrle, eine Weltreise mit dem Paddelboot zu unternehmen, endete mit dem Untergang des Reisenden. Röhrle befand sich auf dem Wege über Boston nach Ikcwyork. Bei einem plötzlich einsetzenden schweren Sturm kenterte das Boot und Röhrle ertrank. Seine Leiche wurde bei St. Leonard an Land gespült.
Acht Arbeiter verbrüht. Nach einer Blättermeldung aus Madrid stürzte in einer Eisengießeri ein Mit siedendem Wasser gefüllter Kessel um. Acht in der Nähe befindliche Arbeiter wurden so schwer verbrüht, daß sie bald daraus starben.
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Vom Glück vergessen.
Roman von Fr. Lehne.
57. Fortsetzung. Nachdruck verboten.
Er kniete vor ihr, nahm ihren grauen Kopf in seine beiden Hände und sah ihr mit seinem unwiderstehlichen Blick in die Augen. — „Liebes Mutterle" — weich und zärtlich klang seine Stimme, so wie früher, wenn er etwas erreichen wollte.
„Ich muß nun fort! Dich nur wollte ich sehen, wollte Abschied von dir nehmen! Auf lange Zeit wohl! Hättest deinen Buben nur sehen sollen, wie er in der vergangenen Nacht einsam in irgend einem Winkel gehockt hat — und wie er dann kühn und tapfer den langen, mühseligen Weg zu Entbehrungen gewählt hat, um vor sich selbst bestehen zu können! Lieber das, als mit einer ungeliebten Frau zusammenleben!"
Verstohlen beobachtete er die Wirkung seiner Worte; ein letzter Rest von Anständigkeit ließ ihn das Verlangen nach Geld nickt aussprechen. Es war wohl auch nicht nötig gewesen — die Mutter hatte ihn auch so verstanden. Eie seufzte tief auf.
„Du brauchst Geld?"
„Ich habe viele Auslagen in den letzten Wochen ge« habt!" versetzte er eifrig. „Allein die Blumen jeden Tag für Hanna und dann so mancherlei —! Ich würde es dir baldigst wiederschicken."
„Was ich dir geben kann, mein Sohn, ist nicht viel —" sagte sie stockend, „ick muß schon wieder ein Papier ver« kaufen! Beängstigend ist mein kleines Kapital zusammen- qeschmolzen! Es hat alles so viel gekostet. Ewendoline mußte ein Kleid haben — und ich habe mir auch ein neues,
schwarzseidenes Kleid arbeiten lassen für — für-"
sie stockte, „die Rechnungen sind bei der Schneiderin noch nicht bezahlt."
„Ob du das nun jetzt oder in zwei bis drei Wochen tust, das bleibt sich ja ganz gleich. Mutter, ich schicke dir die Summe ja bald wieder! Ich habe etwas in Aussicht — doch kann ich noch nicht darüber sprechen."
_
Schon hielt er das Portemonnaie geöffnet und ließ die Goldstücke, die ihm die Mutter gab, darin verschwinden; auch ein Hundertmarkschein leuchtete in ihrer Hand. Er kniffte ihn mehrere Male und steckte ihn achtlos zu dem übrigen Geld. Diese hundert Mark gehörten eigentlich Gwendoline, für ihren Bedarf an Kleidern und Wäsche bestimmt, wenn sie in Stellung ging.
Jetzt mit einem Male hatte Malte es eilig, sortzu- kommen — jetzt hielt ihn nichts mehr bei der Mutter zurück. Nach kurzem, hastigem Abschied stürmte er davon. Es drängte ihn fort ins brausende, lustige Leben!
Und er lächelte, als er an ein rothaariges Mädel dachte. Hei, die würde Augen machen, wenn er ihr in Berlin über den Weg lief.
Weiß der Teufel, die kleine Ausgeherstochter hatte ihn ganz verhext, und je kühler und abweisender sie gewesen, desto mehr hatte ste ihn entflammt. Sie war jetzt in Berlin; er hatte es erfahren.
Er sah ste vor sich, mir welchem ursprünglichen Temperament sie den Czardas getanzt und mit welch graziösem Schick und vollendeter Anmut nachher die modernen Gesellschaftstänze.
Sie hatte ihm den Weg gezeigt. Das Kabarett war das richtige für ihn. Wenn da solch kleines junges Persönchen sein Auskommen fand, warum nicht auch er? Er mit seiner Erscheinung, mit seiner modernen, müden Eleganz, seinem guten, vornehmen Namen und seinem Geist — warum sollte er da nickt ebenfalls sein Glück machen können?
Unbegreiflich, daß er nicht schon früher daran gedacht — er war der rechte Mann dafür! Ganz unbedingt würde er eine „gute Nummer" werden, um die man sich reißen,
die man schwer bezahlen würde-nur erst den Anfang
gemacht! Er zweifelte nicht mehr an seinem Erfolg!
Neunzehntes Kapitel.
Es war merkwürdig, daß sich Hanna Likowski verhältnismäßig schnell nach jener ungeheuren Enttäuschung erholt hatte; doch Ewendoline wunderte sich im Stillen, daß das bedauernswerte Mädchen sie, die Schwester Mattes, um sich haben wollte. Ihr Anblick mußte sie doch an die ihr widerfahrene Schmach erinnern.
Oder ob Hanna mit ihrer fein empfindenden Seele fühlte, daß Mutter und Schwester trotz allem von einer gewissen Genugtuung erfüllt waren, daß sie mit ihren Befürchtungen hinsichtlich Maltes recht gehabt hatten? Und instinktiv klammerte sich Hanna an die Freundin, die ihr aus überströmendem Herzen tiefste Liebe entgegenbrachte ohne den fatalen Beigeschmack des Mitleids. Ewendoline mußte immer um sie sein.
Acht Tage waren so vergangen.
Allerheiligen war da — ein schöner, milder, sonnenfroher Tag!
„Ich habe auch ein Grab zu schmücken, Ewendoline!" sagte Hanna leise. „Ein Grab, das meine liebsten Erinnerungen birgt!" Und dann schrie ste auf: „Wie konnte Malte mir das antun?"
Ewendoline saß auf dem Bettrand und hielt die zitternde Gestalt fest an ihre Brust gedrückt.
„-Vergiß ihn, Hannerl, vergiß ihn —"
„Wenn ich das könnte!" wimmerte Hanna. .Müßtest du, wie sehr ich ihn geliebt habe! Du kannst solches Gefühl gar nicht ermessen; du, die du so kalt bist und nur für dein Leben lebst —! Du weißt' nicht-"
„Ich weiß es nicht —" wiederholte Ewendoline in eigenem Ton und sah vor sich hin — und dachte an Axel, nach dem die Sehnsucht ste fast verzehrte. Dennoch war sie einer Begegnung mit ihm ausgewichen. Sie war froh, keine Gelegenheit dazu gehabt zu haben — sie schämte sich vor ihm. Wie konnte ste ihm jetzt den Brief der Herzogin zeigen — als wollte sie dadurch einen Druck auf ihn ausüben! Erst mußte sie wissen, wie er dachte — ob Mattes Handlungsweise nicht trennend zwischen sie treten würde.
„Du kannst mich ja nicht verstehen, Ewendoline, meine Liebe zu ihm war grenzenlos."
„Hannerl, nimm deinen Stolz zusammen — Malte hat sich schwer an dir versündigt — trauere ihm nicht länger nach — deine Liebe und deine Güte müssen auch Grenzen haben —"
(Fortsetzung folgt.)