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Pfullingen, 8. Sept. Ein Gesuch der Seefischhandlung Gustav Maier in Geestemünde, die Stadt wöge den Verkauf von Seefischen, wie andere Städte gegen 10°/» des Umsatzes übernehmen, wurde abgelehnt, jedoch wurde der Wunsch ausgesprochen, ein Kaufmann möchte den Seefischmarkt betreiben.
Niederstetten, 8. Sept. Unter falschen Vorspiegelungen gelang es einem Schwindler vorgestern Nacht, bei einem hiesigen Einwohner Unterkunft zu finden. Gestern Morgen wollte er einen 100 ^Schein gewechselt haben; der Logisgeber war aber dazu nicht imstande, deshalb verlangte der Schwindler, der sich sür einen Schreiber, der hier in Stellung komme, ausgab, 20 zur Auslösung seines Gepäcks bei der Güterexpedition. Nachdem der Logisgeber diesem Verlangen entsprochen hatte, traute er der Sache doch nicht und ging mit an die Bahn. Auf halbem Wege fiel dem Schwindler ein. er habe im Nachttischchen den Frachtbrief liegen lassen. Er ging eilig den Weg zurück und verschwand ohne Abschied.
Uhingen, 8. Sept. Gestern Abend wurde der Eisenbahnasfistent Fischer von hier in leblosem Zustande auf der Treppe seines Hauses aufgesunden. Nach ärztlichem Gutachten soll er sich aus dem Fenster gestürzt haben und auf die Staffel gefallen sein. Durch Aufschlagen des Kopfes sei der Tod eingetreten. Allem Anschein nach scheint Fischer in einem Anfall von Schwermut aus dem Fenster gesprungen zu sein.
Heilbronn, 8. Sept. Seit dem 1. Juli besteht hier eine Wass e rk a l ami t ät, die allmählich schwer empfunden wird. Der Zufluß der Quellen genügt schon seit Jahren nicht mehr den Ansprüchen, die alljährlich wachsend mit der Ausdehnung der Stadt an die Wasserleitung gestellt werden und wird die Stadtverwaltung nicht länger zögern dürfen, eine Erweiterung der Leitungszuflüsse vorznnehmen. Ueber 2 Monate wurden nun schon jede Nacht von 10—5 Uhr die Leitungen gesperrt. Zu welchen Unzuträglichkeitcn und unter Umständen großen Gefahren dieser Zustand führt oder führen kann, ist man sich in weiten Kreisen hier klar.
Vom Bodensee, 8. Sept. In den letzten Tagen erlitten die Hopfenpreise einen nicht unerheblichen Rückgang per Zentner bis zu 10 und 15 Geringere Ware wurde zu 35 und 40 ^ per 50 kx abgegeben. Das find Preise, die nicht einmal die Produktionskosten decken. — Besser stehen für den Verkäufer die Obstpreise. Leider ist die Ernte nicht überall befriedigend. Mostobst galt 3.50—4 Tafelobst 6—8 ^L; Zwetschgen 5—6 je per Zentner. — Der Saccharin- schmnggel scheint sich zu rentieren, sonst würde er nicht so stark betrieben. In Lindau hat man in den letzten Tagen schon wieder einen Sacchariu- schmuggler in der Person eines 25jähr. Schreinergehilfen aus Böhmen festgenommen. Er trug in
der Schmugglerweste zwischen 2 Hemden 14 Pfund Scrcharintabletteu. Die bisher verhafteten Schmuggler kamen fast alle aus dem bayerischen Wald oder aus Böhmen.
Pforzheim, 8. Sept. Der seit 14 Tage« vermißte Ingenieur Wilhelm Sauer von hier ist gestern am Fuße des Titlis tot aufgefunden worden. — Von 130 Angestellten des hiesigen Gaswerks streikt ein Drittel. Der Betrieb wird aufrecht erhalten.
Mannheim, 7. Sept. In einer von den Jungliberalen einberufenen öffentlichen Versammlung, die sich mit der Fleischnot befaßte, erstattete der Vorsitzende des badisch-pfälzischen Metzgerverbands und Obermeister der Mannheimer Metzgerinvung, Daniel Groß, das Referat. Er wies auf Grund der Statistik nach, daß die Maul- und Klauenseuche, die als Hauptgrund für die Sperrung der Grenzen angegeben werde, nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Nachbarländern fast völlig erloschen sei. Während auf dem Mannheimer Schlachthof im vergangenen Jahre 9 Stück seuchenkrankes süddeutsches Vieh festgestellt wurde, sei von ausländischem Vieh innerhalb 5 Jahren nur ein einziges Stück als krank befunden worden. Auch die Behauptung, daß doS Fleisch im Ausland auch nicht billiger sei, wies der Referent an der Hand der Marktberichte von Brüssel, Rotterdam. Wien und Paris zurück, nach welchen der Zentner Ochsenfleisch sich dort um 5—20 ^ niedriger stellt als in Mannheim. Die Versammlung ersuchte in einer Resolution die Regierung, geeignete Schritte zur Erleichterung der Zufuhr aus dem Ausland zu ergreifen.
Berlin, 8. Sept. Vom 7. bis 8. ds. M. mittags find im preußischen Staat 19 Erkrankungen und 7 Todesfälle an Cholera neu gemeldet worden.
Berlin, 8. Sept. Den Mannschaften der Garnisonen, in denen bisher Cholerafälle vorgekommen find, ist durch Kommandanturbefehl der Besuch von Tanzlustbarkeiten bis auf weiteres untersagt worden. Es wird angenommen, daß gerade auf öffentlichen Tanzplätzeu die Ansteckungsgefahr eine sehr große ist.
Petersburg, 8. Sept. Ueber die blutigen Unruhen in Baku wird nun offiziös mitgeteilt, daß den Anlaß zu den Revolten der Generalstreik der Angestellten der Straßenbahn gab. Die Armenier, als russische Soldaten verkleidet, überfielen die -Streikenden (Tataren und Russen) und schossen sie nieder. Die Brandstiftungen in Baku dauern fort. Bis jetzt find 300 Bohrtürme abgebrannt. Momentan brennt die Vorstadt Tscherrygorod, wobei die Armenier die Feuerwehr am Löschen hindern. Es kam zn Zusammenstößen mit dem Militär, wobei 52 Personen getötet und 50 verwundet wurden. In der Umgebung von Schuscha kam es ebenfalls
feigen und -om Schöffengericht Stuttgart-Amt wegen Beleidigung 3 Tage Gefängnis. Die Ferienstrafkammer, als Berufungsinstanz ermäßigte die Strafe auf 2 Tage Gefängnis.
Stuttgart, 8. Sept. Die Horb er Missionskonferenz wird vom 26.-28. Sept. in Stuttgart (Furtbachstr. 6) einen Kurs abhalten zur Weckung und Pflege des Mtsfionslebens. Zur Teilnahme find insbesondere Lehrer eingeladen.
Solttnde bei Stuttgart, 8. Sept. Gestern Nachmittag fand in der Nähe der beiden Parktore ein bedauerlicher Automobilnnfall statt. Auf dem vom Besitzer selbst gelenkten und erst kürzlich gekauften Automobil befanden sich 6 Personen. Der Besitzer hatte die höchste Schnelligkeit eingeschaltet und geriet auf das rechtsseitige Trottoir. Durch eine rasche Drehung der Kurbel suchte er wieder auf die Straße zu gelangen, überfuhr aber diese und so stürzte das Automobil in den linksseitigen Straßengraben, wobei es sich überschlug. Der Lenker und 4 weitere Wageninsassen kamen mit leichten Verletzungen davon, dagegen geriet ein junger Mann aus Gaggenau, der einzige Sohn seiner Eltern, so unglücklich unter den Wagen, daß ihm der Schädel vollständig zerdrückt wurde.
Münster O.A. Cannstatt, 8. Sept. Bei einem Kontrollgang durch die Weinberge stürzte der ledige Weinbergschütze G. Hohlmaier von hier infolge eines Fehltritts über eine ca. 1 Meter hohe Mauer, wobei sich sein Gewehr entlud und ihm die ganze Ladung in den Unterleib drang. Nach 1'/- Stunden trat der Tod ein.
Winnenden, 8. Sept. In einem in der Nähe von Bürg gelegenen Steinbruch löste sich während der Arbeit plötzlich ein Felsstück los und fiel auf den Arbeiter W. Lückert, der infolge der erlittenen schweren Verletzungen bald darauf starb. Ein anderer Arbeiter wurde leicht verletzt.
Waiblingen, 8. Sept. In Nellmersbach brach gestern nachmittag in dem Wohnhaus des Bäckers Gottlob Holzwarth Feuer aus, das *n kurzer Zeit das Wohnhaus, sowie eine mit Erntevorräten gefüllte Scheune einäscherte. Das Vieh und ein großer Teil des Mobilars konnten gerettet werden.
Reutlingen, 8. Sept. Die königliche Kreisregierung genehmigte eine Rekursbeschwerde des Schreiners Karl Schnitzer in Urach um Konzesfiouserteilung für den Wirtschaftsbetrieb im Hause Münstngerstraße 24 in Urach. Das Gesuch war wiederholt vom Oberamt mit der Begründung, daß Urach mit 8500 Einwohnern an 49 Wirtschaften genug habe, abgeschlagen worden. Die Rekursbe- schwerde fand bei der Kreisregierung jedoch Annahme unter Rücksichtnahme auf den starken Fremdenverkehr in Urach und auf den erheblichen Vermögensverlust des Gesuchstcllers bei Nichterteilung der Konzession.
Er ging. Dagobert stand mit gekreuzten Armen bewegt da.
Er hat recht, immer wieder recht!" sprach er dumpf vor sich hin. „Eine Kriminalistenseele wie die seinige kennt kein Erbarmen! Ich muß ihn gewähren lasten, denn ich selbst begehrte seine Hilfe; mir gebührt es nicht, sie zu schützen,
wenn sie schuldig ist, aber zum Henker bin ich nicht geboren!"-
28. Kapitel.
In seinem Stübchen saß am Nachmittage der einsame, alte Mann, geistig niedergedrückt, den Gram im Antlitz. Niemand kümmerte sich um ihn, denn er begehrte nichts. Dieser Fremde, der ihn belästigt, war der einzige gewesen, der ihn ausgesucht hatte, und was konnte der gewollt haben?
„Ich will's noch einmal versuchen!" flüsterte er vor sich hin, die Stirn aus der Hand hebend und mit müden Gliedern sich ausrichtend. „Es ist der Fluch, ja der Fluch und ich trage ihn nicht ohne Schuld! Die Ahnung, die ich mit mir umhergeschleppt, wird mir zur Wahrheit und ich stehe jetzt am Ziele, mit gebundenen Händen, denn ich kann es nicht, ich würde es nimmer können!"
Die Hände faltend stand er da, noch immer sinnend, was er tun solle; dann griff er nach dem Stock und suchte mit blöden, feuchten Augen den Hut.
Ein Geräusch draußen im Korridor erschreckte ihn; aufhorchend wandte er sich langsam zur Tür.
Jeder Schritt an dieser vorüber hatte ihn schon nervös zusammenfahren lassen, diesmal aber hörte er eine tiefe Männerstimme draußen und der Drücker bewegte sich.
„Wer kann mich suchen! Vielleicht ist es wieder der junge Mann!" Auf seinen Stock gelehnt, erwartet« er, daß man klopfe, und'das ließ ihn wieder erschrecken, den» er sah bereits «inen Mann eintreten, der, an der Türe stehend, kaum «inen Gruß bot.
„Sind Sie Herr Sernlow?" vernahm er die Stimme d«S Fremden.
„Ich bin eS! . . . Was ..." Er tat ihm einen Schritt entgegen.
„Ich bedauere, Ihnen lästig fallen zu müssen," fuhr der Mann artiger fort, sichtbar hiezu veranlaßt durch gramvolle Miene des Alten. „ES ist der Verdacht entstanden, daß Sie sich unter falschem Namen hier aufhalten, ich habe deshalb den Auftrag, Sie zum Polizei-Burrau zu laden."
„Zum . . . ?" Der Alte wankte bebend zurück.
„ES ist ja nur eine klein« Belästigung, der sich jeder Fremde unterwerfen muß, wenn «S verlangt wird," beruhigte ihn der Beamte. „Sind Ihre Papiere in Ordnung, so ist eS ja für Sie nur eine kleine Promenade, «in Umweg, denn ich sehe. Sie waren eben im Begriffe, auSzugehen."
Der Alte stand mit gesenktem Haupte da, die Hände auf den Stock gestützt der unter diesen mit ihm schwankte.
„Meine Papiere!" O, sie find es!" sprach er ohne aufzuschauen. „Wer kann denn Veranlassung gehabt haben . . . ?"
„Um so besser ich Hab« nur den Auftrag, Sie höflichst zu ersuche» ... wir dürfen nicht überall höflich sein!" setzte er tröstend hinzu. „Haben Sie Ihre Papiere bei sich!"
Der Alte legte di« unsichere Hand an die Brust.
„Ich habe sie!" antwortete er, aber furchtsam.
„Nun darf ich wohl bitten . . ."
Mit wankender Haltung folgte er dem Beamten; tief beschämt und gebeugten Hauptes ging er unten im Hotel an der neugierigen Bedienung vorüber, die sich auf die Nachricht gesammelt, di« Polizei suche einen der Gäste; aber er festigte seine Schritte, um seine Unbescholtenheit zu zeigen.
(Fortsetzung folgt.)