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83. Jahrgang.

Württemberg

Freudenstadt, 8. Mai. (Autoverbindungen iür Len Som­mer.) LautGrenzer" sind für den bevorstehenden Sommer wertvolle tägliche Autoverbindungen im RuHesteingebiet vor­gesehen. Vom 20. d. M. ab wird ein täglicher Autoverkehr von BaiersbronnMitteltalObertalRuhestein eingerichtet; eine Verbindung OttenhöfenRuhestein ist gleichfalls gesichert, der Autoverkehr zwischen OppenauAllerheiligenRuhestein hängt von der Frage ab, ob die defekte Straße ausgebessert wird oder nicht.

Stuttgart, 8. Mai. (Spielplan des Württ. Landestheaters.) Großes Haus: Sonntag, 10. Mai: Der Ring des Nibelungen 3. Tag: Götterdämmerung; Dienstag: 12. Mai: Gastspiel Heinrich Rehkemper: Rigoletto; Mittwoch: Meister Guwo! Donnerstag: Zar und Zimmermann; Samstag: Tristan und Isolde; Sonntag, .17. Mai: Carmen. Kleines Haus: Sonn­tag, 10. Mai: Gustav III.; Montag: Wallensteins Tod; Diens­tag: Moral; Mittwoch: Wallensteins Lager Die Piccolo­mini; Donnerstag: Wallensteins Tod; Freitag: Cosi fan tutte; Samstag: Wallenstein 1., 2., 3. Teil, Wallensteins Tod; Sonn­tag, 17. Mai: Gastspiel des Moskauer Kammer-Theaters Ale­xander Tairoff Das Gewitter; Montag, 18 Mai: Das Ge­witter.

Stuttgart, 8. Mai. (Fleischpreiserhöhnmg.) Die Stuttgar­ter Metzgerinnung hat Len Preis für Kalbfleisch erster Güte auf 1.30 bis 1.35 Mark (bisher 1.25 bis 1.30 Mark), und den Preis für Schweinefleisch auf 1.05 Mark (bisher 1 Mark), außer­dem den Preis für Hammelfleisch auf 1. bis 1.10 (bisher 0.95 bis 1. Mark) mit sofortiger Wirkung erhöht. Die Preise der übrigen Fleischsorten bleiben unverändert.

Stuttgart, 8. Mai. (Tagung der Vereinigung Deutscher Wohnungsämter.) Vom 8. bis 10. Juni findet hier, vorberei­

tet vom städtischen Wohnungsamt, die diesjährige Tagung der Vereinigung Deutscher Wohnungsämter statt. Es werden Woh­nungsfragen der Gegenwart erörtert, so die Wohnungs- Zwangswirtschaft und ihr Abbau, die Vorteile und Nachteile des Mietberechtigungsscheins und die damit gemachten Erfah­rungen, die Ausnutzung der Ergebnisse der Volkszählung 1925 für wohnungspolitische Zwecke. Außerdem ist eine Besprechung der zu erwartenden Entwürfe zu den neuen Mieterschutz- und Wohnnngsgesetzcn in Aussicht genommen. Auch die Wohnungs­fragen der Zukunft, insbesondere die finanziellen Gundlagen der Wohnungswirtschaft sollen zur Erörterung gelangen.

Cleebronn OA. Brackenheim, 8. Maj. (Grotzfeuer.) Heute früh brach in der Scheuer, die unmittelbar an das Doppel- Wohnhaus von Karl Binder, Wilhelm S. und Schmid Äug. Ww. grenzt, Feuer aus. Im Nu war auch das Wohnhaus er­griffen und das ganze Viertel gegenüber der neuen Schule, wo die Häuser eng aneinandergebaut sind, gefährdet. Die Bekämp­fung des Feuers war schwierig. Die drei angrenzenden Häuser von Behl Herrn., Storz Hermann und Fischer Louis Ww. sind ein Raub der Flammen geworden, die weiter angrenzenden Gebäude haben stark gelitten. Das Vieh und teilweise auch das Mobiliar konnte gerettet werden, trotzdem ist viel ver­brannt und der bedeutend. Auch die Brackenheimer

Feuerwehr wurde alarmiert. Es gelang, das Feuer auf seinen Herd zu beschränken. Die Brandgeschädigten sind nicht gut versichert.

Tübingen, 8. Mai. (Ein Freispruch.) Ingenieur Rudolf Matches hatte sich vor dem Schöffengericht wegen fahrlässiger Tötung zu verantworten. Er führte den Wagen, in dem am W. Oktober v. I. zwischen Sebastiansweiler und Ofterdingen Stadtbaumeister Maier von Rottweil tödlich verunglückte. Auch die Frau des Verunglückten und Stadtschultheiß Abreü von Rottweil wurden damals verletzt. Das Sachverständigen­

gutachten gelangte zu dem Ergebnis, daß die Kartanwells ge­brochen war, woran der Angeklagte keine Schuld trug. Er war allerdings mit hoher Geschwindigkeit gefahren. Aus Grund dieses Gutachtens kam das Gericht zu dem Freispruch.

Rottenburg, 8. Mai. (Mangel an Geistlichen.) Da die Zahl der Neupriester im Hinblick auf den großen Bedarf der Diözese an Hilfsgeistlichen sehr Kein ist, konnte eine Reihe von Vikariaten nicht besetzt werden, obschon deren Besetzung drin­gend erwünscht wäre. Umso schwieriger, ja schließlich unmög­lich wird es im Laufe des Jahres werden, bei Todesfällen und Erkrankungen von Geistlichen für Stellvertretung durch einen Hilfsgeistlichen zu sorgen. Die Dekanatämter sind deswegen ersucht worden, im Einzelfall strengstens zu prüfen, ob nicht durch örtliche oder nachbarliche Aushilfe der Seelsorge genügt werden könnte.

Mm, 6. Mai. (Kindsmörderinnen.) Im nahen bahr. Wei­ßenhorn hat die Dienstmagü Schüler, die wegen Kindsmord verhaftet wurde, die Tat eingestanden und zugleich erklärt, auch ihre Schwester hätte ein Kind weggeräumt und im Garten ver­graben. Die Gendarmerie Pfaffenhofen hat wirtlich vergangene Woche in dem angegebenen Garten nachgegraben.und den Leich­nam des Kindes gefunden.

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Lore.

211 Roman von Emma Haushofer-Merk.

Wiemanns szeilungS-Verlag, Berlin W. 66. 1924.

Aber die ruhige, überlegene Miene ihres Be­gleiters gab auch ihr Sicherheit und Haltung.Gnä­diges Fräulein," sagte er, die Augenbrauen in die Höhe ziehend, mit einer drolligen Miene des Er­staunens,ich sehe, daß ich mich ebenso schwer wie Sie gegen diese feindliche Korona versündigt habe. Ich sollte nämlich eine der würdigen Damen uMer den Müttern" zu Tische führen, und bemerkte, daß sie, ledenfalls sehr beleidigt über mein Fernbleiben, nun einen anderen Arm genommen hat, denn man hat sich ja schon an der Tafel niedergelassen. Es wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als gemeinsam das Straf­gericht ertragen, das sie über uns verhängen werden. Vorausgesetzt, daß Die mit meiner Gesellschaft vor­lieb nehmen wollen. Ich kann mir ja freilich nichts Schöneres wünschen als diesen Ersatz."

Er hatte sich lächelnd vor ihr verbeugt, und sie schaute trotz ihres schweren Herzenskummers mit auf­blitzenden Augen zu ihm empor.

Ach, Sie glauben ja nicht, wie dankbar ich Ihnen bin, wenn iuh mich an Ihrer Seite noch geborgen fühlen darf vor dem Sturm, den das Gesicht meiner Tante verkündigt."

Es war ziemlich auffällig, daß ein junges Mäd­chen an dem Mittelpunkt der Tafel Platz nahm, der für die Spitzen der Gesellschaft reserviert war. Aber Herr von Harthofs hatte als Intendant des Theaters, der sein Personal für dielebenden Bilder" zur Ver­fügung gestellt, auf einen dieser Ehrenplätze vollen Anspruch, und seine jugendliche Tischnachbarin saß denn zwischen kahlen und ergrauten Häuptern und sehr reifen Damen, die sie mit abweisenden Blicken maßen. Dieser Eingriff in die Rangordnung, die sich der so willkürlich arn Herkommen rüttelnde Intendant er­laubte. erbitterte aber besonders die älteren Krauen, die an das Tischende herabgedrückt worden waren, und

häuften eine neue schwere Last auf Lores ohnedies an diesen Tagen stark angewachsenes Sündenregister.

Herr von Harthoff war ein so liebenswürdiger Gesellschafter, daß ihr die Feindseligkeit, die um sie her grollte, kaum fühlbar wurde. Er ließ sich von Martinger erzählen, von ihrer Kinderzeit, von ihrem Wiedersehen mit Vater und Sohn, die sie so gern miteinander ausgesöhnt hätte, und lächelte, als sie mit einer so kindlichen Natürlichkeit hinzufügte:

Nicht wahr Sie finden mein Benehmen nun doch ein wenig begreiflicher?"

Aber mein liebes, gnädiges Fräulein! Vor mir brauchen Eie sich wahrhaftig nicht entschuldigen. Mein Gott, in Amerika würde eS Ihnen kein Mensch ver­argen, wenn Sie mit einem jungen Manne eine Viertel­stunde allein plaudern wollten! Aber hier bei uns da haben Sie nun einmal ein fürchterliches Ver­brechen begangen! O» es ist gefährlich, sich nichts aus dem zu machen, was die Leute sagen werden. Ich bin ja auch solch ein Uebeltäter, der den vielköpfigen Drachen herausfordert, und ich Verde von spitzen Zun­gen zerfleischt. Weil ich aus Erfahrung wbiß, wie solch eine kleine Unvorsichtigkeit hier geochndet wird, darum eilte ich ja als warnender Eckart z» Ihnen in den Park."

Sie fühlte ein so warmes, herzliches Interesse aus dem scherzenden Ton heraus, in dem er sprach, daß sie vertraulicher mit ihm zu reden, Aber ihr Leben zu klagen wagte, als sie es je vor einem an­deren Menschen getan. .

Das ist ja ein Mord! Der Mord Ihrer Stimme! Sie müssen den Mut haben, sich dagegen auszulehnen!"

Er verstummte, denn ein Redner war aufgestan­den, der in schwülstigen Phrasen den Professor Mar­tinger leben ließ. Man atmete auf, als er geendet hatte, und das allgemeine Hoch dem langatmigen Vor­trag ein Ziel setzte. Lore begegnete dem Blick ihres alten Freundes, während er sein Glas erhob, um höflich mit seinen Nachbarn anzustoßen. Wie müde er schien! Wie wenig Lebensfreude ihm dieser Ruhm erweckte, den er nun genoß! Sie hörte in Gedanken

förmlich das Brausen des Nachtzuges, der nun eben Wohl aus der Bahnhofshalle fortdampfte.

Es war ihr, als nehme er ihr eigenes Glück auf immer mit fort.

*

Ein eisiges Schweigen herrschte in dem Wagen, in dem Lore mit ihrem Vater, mit Tante Antoinette und Frieda nach Hause fuhr. Die Großeltern Waren schon vor dem Mahle heimgekehrt. Edmund erwiderte kaum den Gutenachtgruß seiner Tochter. Frieda zählte die Blumensträuße, die sie beim Kottillon von ihren Tän­zern bekommen, und sah höhnisch auf Lore, die nur ein einziges Rosenbukett in der Hand hielt, das Herr von Harthoff ihr überreichte. Tie jungen Herren, die sich über Lores Einsilbigkeit und Zerstreutheit geärgert, hatten sichfurchtbar" an ihr gerächt und waren mit ihren Blumen an ihr vorüber gegangen.

Am nächsten Tage wurde bet Hohenburgs wieder Familienrat gehalten. Tante Antoinette hatte erklärt, daß sie nie wieder mit ihrer Nichte eine Gesellschaft besuchen würde. Sie sei das ihrer Frieda schuldig. Edmund vermochte kein entschuldigendes Wort für seine Tochter zu finden.

Schweigend hörte der Großvater die Anschuldi­gungen an, die über seine Enkelin laut wurden. Die tiefe Verstimmung seines Sohnes entging seinen schar­fen Augen nicht.

Man muß Lore verheiraten" erklärte er dann in seinem ruhigen langsamen Orakelton, der keinen Widerspruch duldete.Ich werde die nötigen Schritte tun!" Dann verließ er steif und würdevoll, mit einem auch auf dem Teppich vernehmbaren Knarren seiner Stiefel das Gemach, in dem nach dieser kurzen Ent­scheidung des Familienoberhauptes ein tiefes Schwei­gen der Verblüffung sich geltend machte.

Lore ahnte nicht, was über ihren Kopf weg über sie beschlossen wurde. Sie fühlte nur, daß das Leben, das sie führte, einfach unerträglich war.

(Fortsetzüng folgt.) 4