Zweites

Blatt.

Der Lnztälsr. s

2S6.

Neuenbürg, Dienstag, den 16. Dezember 1924.

82. Jahrgang.

WUrnemberg»

Obertalheim, OA. Nagold, 15. Dez. (Uebersäll.) Ein 38jähriger Mann und ein 14 X jähriger Burjche, beide als Gipser in Stuttgart beschäftigt, gingen am Samstag abend von Eutingen nach Obertalheim. Ohne irgendwelchen Anlaß stach der junge Bursche in einem schmalen Waldweg seinen Begl-ner meuchlings mit einem Stilettmesser in den Hals. Ein eben^-ls von Eutingen kommender Mann kam gerade zu dem Verbre­chen und veranlaßte die Verbringung des Schwerverletzten ms Krankenhaus nach Nagold. Der Ueberfallene bejinder sich nr hoffnungslosem Zustano.

Stuttgart, 15. Dez. (Todesfall.) Die Hofpianistin Johanna Klinckersuß, eine in Kunstkreisen weithin bekannte Persönlich­keit, ist im Alter von 70 Jahren gestorben. Ihre Meisterschaft im Klavierspiel hat sie Jahrzehnte lang in den Dienst der Ehrung von großen Komponisten und von charitativen Einrich­tungen gestellt. Vom König erhielt sie die Große Goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft.

Geislingen a. St., 15. Dez. (Einträgliches Geschäft.» Kommt da auf der Strecke DeggingenGeislingen ein invalider, gebrech­licher Mann in den Eisenbahnwagen, den Hut in der Hand und einige Heftpflaster. Mühsam schleppt er sich durch den Abteil und bittet um ein Almosen. Der Bedauernswerte scheint lahme Füße zu haben und kann nicht mehr aufrecht gehen. Man hat Mitleid und wirft ihm ein Scherflein in den Hut. Auf einer Bank im Abteil, die nicht besetzt ist, zählt der Mann seine Einnahmen und schleppt sich dann in den nächsten Wagen. In Altenstadt stieg derBedauernswerte" aus und siehe da, wahrscheinlich infolge desguten Geschäfts", das derInvalide" machte, konnte der Mann tadellos gehen, von lahmen Beinen war nichts zu bemerken. Stolz wie ein Spanier, vielleicht lM Glauben, daß man ihn nicht mehr erkenne, ging er davon. Ein Mitreisender, der auch ein Almosen gab, stellte den Täu­scher zur Rede, um sich zu überzeugen, daß keine Verwechslung mit einem anderen vorliege, was jedoch nicht der Fall war. In wenigen Minutenverdiente", ohne sich anzusicengen, der arme" Mann über fünf Mark. Sicher waren unter diesen recht sauer verdiente Groschen. Die Gebefreudigkeit wird näht gehoben, wenn man sehen muß, Wie man von arbeitsscheuen Subjekten genasführt wird. Es muß unter solchen Umständen nicht wundern, wenn man mal einen wirklich Armen abweist.

Mietingen OA. Laupheim, 15. Dez. ..Einbruch.) Im Sägwerk wurde eingebrochen und ein Goldschmuck, altes Silber­geld, Haselnüsse usw. entwendet. Der Landjäger ermittelte als Täter alsbald einen jüngeren Burschen von hier. Die Hasel­nüsse wurden ihm zum Verräter.

Beckenweiler OA. Ravensburg, 15. Dez. (Pferdediebe) Die das ganze Zocklergäu unsicher machenden» Pferdediebe drangen auch in den Pferdestall der Witwe Roth hier ein Das vorderste von den drei im Stall stehenden Pferden wurde los- gebunden und aufgezäumt. Während die Diebe schon die Tür öffneten, wurden sie vom Dienstknecht noch rechtzeitig bemerkt. Auf den Alarm des Knechtes suchten die Diebe, ihre Beute zu­rücklassend, das Weite und verschwanden im Dunkel der lllacht.

Winnenden, 15. Dez. (Tödlicher Unfall.) Der 19 X- Jahre alte Sohn des Anwalts Jung von Lehnenberg stürzte, als er in Cannstatt in den schon im Gang befindlichen Zug einsteigcn wollte, seitwärts ab, wodurch ihm beide Füße durch die Tritt­bretter abgerissen wurden. Bei vollem Bewußtsein ist er abends im Cannstatter Krankenhaus verschieden.

BadeN-

Pforzheim, 15. Dez. Als zwei Arbeiter einer hiesigen Le­bensmittelfirma mit einem Handwagen, auf dem sich ein Faß Südwein von 230 Liter befand, die Poststraße herunterfuhren, löste sich auf dem Leopoldsplatz das eine Vorderrad und der Wein des herabstürzenden Fasses lief völlig aus.

Ettlingen, 12. Dez. Die Verhandlungen der Gewerkschaften des Albtals mit den Fabrikanten der Textilindustrie haben da­mit ihren Abschluß gefunden, daß die Ortzülagen vorläufig Wie biher bestehen bleiben.

Freibulg, 12. Dez. Ein Beleidigungsprozeß mit politischem Hintergrund wurde am 22. Mai vor dem Amtsgericht Emmen-

Fr anenhah.

Geschichtliche Erzählung aus dem 15. Jahrhundert von Felix Nabor.

4> (Nachdruck verbaten.)

Der Ritter und die Edelfräulein schauten die Gräfin betrof­fen an und wagten nicht, ihr zu antworten.

Die Ruhe und Milde, die anfänglich ihr Wesen erfüllt hat­ten, war verschwunden, und ihr alter Stolz, ihre Herrschsucht und Rachgierde waren wiedergekehrr und hatten sie ganz er­füllt. Jetzt war sie nicht mehr Weib jetzt war sie eine Königin, die der ganzen Welt Trotz zu bieten geneigt war.

In diesem kritischen Momente trat Hans von Freiberg her­an und meldete, daß die Boten kommen.

Eine Staubwolke ward in der Ferne sichtbar und bald konnte man eine Schar Ritter unterscheiden, die in sausendem Galopp auf der Straße von Tübingen dahersprengte.

Sie sinds", rief die Gräfin frohlockend;der Wöllwarth reitet schnell, ein Zeichen, daß der Friede unterzeichnet ist. Herr Ritter", sprach sie zu Stauffeneck,mit dem Morgengrauen >eid Ihr lediglich Eurer Haft und könnt zu Eurem Vetter reiten, dessen treuer Anwalt Ihr seid." Sprachs und rauschte davon, dem erschrockenen Jüngling stolz zuwinkend.

Das Fähnlein war unterdessen in den Schlotzhof eingeritten; ein älterer Mann mit harten Zügen und sonnoerbräuntem Ge­sicht, aus dem die Nase wie ein Karfunkel hervorleuchlete, ein Zeichen, daß ihr Besitzer nicht nur Schwert und Sturmhaube, sondern auch den edlen Rebensaft liebte, sprang vom Rosse und gab seinen Begleitern einige Befehle, worauf sie sich zerstreuten. Des Ritters verwetterte Rüstung zeigte manche Buckeln, die nur in heißem Kampfe geschlagen worden sein konnten. Schweigend, die Hand am Schwertknauf, durchschritt er schweren Tritts die Höfe und betrat den Garten, wo ihm die Gräfin entgegenkam.

Der Ritter beugte ein Knie vor der Gräfin, während der junge Edelmann im Panzerhemd und Samtrock, der ihm ge­folgt war, ihn ehrfurchtsvoller Entfernung martere, dis auch an ihn die Reihe käme, sich der Herrin zu nahen.

Willkommen I mein tapferer Feldhauptmann", sprach Hen­riette launig,das lobe ich Euch, daß Ihr Eure Rosse sputet, mir rasch« Antwort zu überbringen. Ihr bringt doch den Frieden?"

dingen verhandelt. In der Zeit des Verbots der Nationalsozia­listischen Partei erschien eines Tages in Emmendingen ein grö­ßeres Aufgebot von auswärtigen Polizeileuten, um bei Ein­wohnern, die in einem Briefe an das badische Ministerium der nationalsozialistischen Propaganda bezichtigt waren, Haus­suchung zu halten. Da die davon Betroffenen, zumeist jüngere Münster, annehmen konnten, die Anzeige bei der Polizei rühre von dem Fabrikanten Richard Bloch her, Achteren sie in einem Eingesandt" im Emmendinger Lokalblatt scharre Angriffe gegen Herr Bloch, worauf dieser Privatklage wegen Belei­digung anstrengte. Von den acht Beklagten, die ihre Unter­schrift zu demEingesandt" hergegeben hatten, wurde vor Ge­richt zu ihrer Verteidigung geltend gemacht, sie hätten sich durch die Haussuchungen gekränkt gefühlt und der Inhalt desEin­gesandt" sei eine Abwehr gegen die von Bloch ausgehenden Verdächtigungen. Das Amtsgericht billigte sänttlühen Beschul­digten den Schutz des Par. 193 (Wahrung berechtigter Inter­essen) zu und sprach sie kostenlos frei. Auf die Berusuirg des Privatklägers wurde die Sache nochmals vor der kleinen Straf­kammer aufgerollt. Das Berufungsgericht pflichtete dein Ent­scheid des Amtsgerichts bei und erkannte auf Abweisung der Berufung; die Kosten werden dem Privatkläger auferlegt. In der Begründung wurde gesagt, dasEingesandt" enthalte scharfe Wendungen gegen den Privatkläger, jedoch se» der Ar­tikel geschrieben worden zur Abwehr gegen Verdächtigungen, die unter Umständen schlimme Folgen nach sich ziehen konnten. In der Annahme, Laß die Anzeige von dem Privatkläger aus­gegangen sei, hätte man den Weg in die Presse gewählt, um die Verdächtigungen zurückzuweisen und sich zu verteidigen. Die Absicht der Beleidigung gehe aus dem Artikel nicht hervor, des­wegen sei in Uebereinstimmung mit der Entscheidung des Amts­gerichts sämtlichen Beklagten auch von dem Berufungsgericht der Schutz des Par. 193 zuerkannt worden. Aus diesem Grunde sei das freisprechende Urteil erster Instanz zu bestätigen.

Engen, 15. Dez. In Mühlhausen brach in dem Haus des Mühlenbesitzers Franz Hubenschmied Feuer aus, das das Ge­bäude vollkommen vernichtet. Die Brandursache steht noch nicht fest.

Mannheim, 13. Dez. Das Schwurgericht wird sich in seiner laufenden Tagung mit nicht weniger als fünf Meineidfällcn zu befaßen haben. Der Vorsitzende wies auf dieis äußerst be­denkliche Erscheinung hin, deren energische Bekämpfung er wr- derte. In den beiten ersten Fällen saßen die ledige 21jährige Fabrikarbeiterin Anna Würz und der ledige 25jährige Land­wirt Johann Georg Seitz, beide aus Heppenheim, auf der An­klagebank. Die falschen Eide hatten sie in einem Unterhalts­prozeß geschworen Die angeklagte Würz hatte sogar zweimal durch wahrheitswidrige Aussagen ihre Eidespflicht verletzt. Das Schwurgericht verurteilte die Würz zu einem Jahr Gefängnis und den Seitz zu einem Jahr Zuchthaus.

Vermischtes

Die Hauptversammlung des Deutsch-Oesterretchischen Alpen- verrins, die am Sonntag in München tagte, hat mit 1663 gegen 190 Stimmen die Sektion Donauland ausgeschlossen. Damit ist eine Angelegenheit erledigt, die seit Jahr und Tag auch in den Deutsch-Oesterreichischen Alpenverein Politik und Rassenfrage hineingctragen hatte. Bei der gestrigen Hauptversammlung leistete sich der Berliner Ministerialrat Badt die ungeheuerliche Entgleisung, daß er München die Stadt der Fechenbachs nannte. Damit erzielte der Berliner Ministerialrat eine derartig stür­mische Opposition, daß sich die Gemüter erst beruhigten, nachdem der Herr aus Berlin den Saal schleunigst verlassen hatte.

Es ist nichts so fein gesponnen... 1913 wurde in Donau- Wörth ein Mord an einem Viehhändler verübt, der nicht auf­geklärt werden konnte. Nun hat einer der Beteiligten auf dem Sterbebett ein Geständnis abgelegt, daß er, sein verstorbener Herr und dessen Frau gemeinsam die Tat verübten. Es bandelt sich um den 64jährigen Viehhändler Baruch Preßbnrger, der damals einem Raubmord zum Opfer gefallen ist. llntsr An­klage steht die verwitwete Süßbauer von Donauwörch, nun­mehrige Königsdorfer.

Ein Ereignis. Kürzlich wurde in der westfälischen Stadt Bocholt dem Arbeiter Johann Mething das elfte Kind geboren.

das standesamtlich als dreißigtausendster Einwohner der Stadt Bocholt eingetragen wurde und die Vornamen Bocholdia Maria Elisabeth erhielt. Im Aufträge der Stadt überreichte der Ober­bürgermeister den Ellern des Kindes 250 Mark und ein aus den Namen der kleinen Bocholdia lautendes Sparkassenbuch, das ebenfalls den Betrag von 350 Mark verzeichnte. Die Glück­wünsche, die der kleinen Mitbürgerin dargebracht wurden, und leider nicht in Erfüllung gegangen; das Kind ist dieser Tage gestorben.

Erhöhte Ueberfahrtspreise nach Nordamerika. Nach Mittei­lung aus Hamburger Reedereikreisen wird die aus der letzten No-rdatlantic-Konferenz für Anfang nächsten Jahres beschlossene Erhöhung der Preise für die Ueberfahrt nach Nordamerika be­reits am 15. Dezember in Kraft treten.

Ein sonderbares Geburtstagsmahl. Auf einer» verrückten Einfall kam ein Gefangener in derElisenburg" in Leipzig. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, zu seinem Geburrstag zu Hause zu sein. Darum hatte er ein Urlaubsgesuch eingereicht, aber die Direktton der Gefangenenanstalt rnachie ihm einen Strich durch die Rechnung. Aus Wut darüber beschloß er, sich an seinem Geburtstag den Magen gründlich zu verderben. Statt den schönen Geburtstagskuchen und all die Leckereien, die die teure Gattin ihm für diesen Tag bestimmt hatte, zu essen, verschlang er einen Stiefelabsatz, ein Stiefeleisen und mehrere Dutzend Nägel. Zum Nachtisch fraß er noch seine gesamten Gratulationsbriese auf. So endete die einsame Geburtstagsfeier im Krankenhaus, wo man eine gründliche Reinigung des Magens vornehmen mußte.

Kostenlose Bestattung in Dresden. Einen merkwürdigen Beschluß haben die Dresdener Stadtväter gefaßt: Die Einwoh­ner sollen künftighin kostenlos bestattet werden. Der Antrag war von kommunistischer Seite gestellt worden und ging mit der Unterstützung der Deutschsozialen mit 36 Stimmen gegen 35 der Bürgerlichen Lurch. Der Stadt erwachsen dadurch 350 000 Mark Kosten.

Dänisches Hartbier. Wie die Kopenhagenrr Zeitungen mel­den, ist es einer dänischen Gesellschaft gelungen, Bier in fester Form herzustellen, das sie unter dem NamenHops-Bier" in Form von Briketts in den Handel bringt. Die aus Hopfen, Malz usw. gepreßten Briketts werden nur im Wasser aufgelöst, gekocht und muffen dann in gewöhnlicher Zimmerremperatur einige Stunden gären, worauf sie gebrauchsfertigesBier" ergeben, das angeblich herrlich schmeckt, ähnlich demMärzen­bier" und erfrischend wirkt. Solche Bierbrikerts gibts für Hell und Dunkel und ein porter-ähnliches Bier. Sie kosten pro Stück vier dänische Kronen. Wie viele Flaschen oder LiterGesöff" man aus einem derartigen Brikett bereiten kann, wird leider nicht angegeben, dagegen hervorgehoben, daß sich das Bier, in Flaschen gefüllt, sehr gut halte.

Dir vorgenommenr Besitzveränderung. Dr. L>tz-Bat> ist Multimillionär und gehört dem Stadtrat von Zürich an. Dieftr Tage machte er, als er mit seiner Gattin von einem vergnügten Abend in der Stadt zurückgekehrt war, die betrübliche Ent­deckung, daß seine Villa von ungebetenen Gästen vollständig ausgeräumt worden war. Die Beute, die den Dieben in die Hände fiel, war sehr kostbar. Soweit ist nun an der Geschichte nichts, was besonderer Aufregung wert wäre. Einen Beige­schmack erhält sie erst durch den Umstand, daß der vermögende Stadtrat ein führendes Mitglied der kommunistisch.n Partei ist. Sein Reichtum gehört ihm also nicht persönlich, sondern der Allgemeinheit, und er wird sich damit absinden muffen, daß die Leute, die ihn mit ihrem Besuch beehrt haben, lediglich eine kleine, durchaus im Sinne seiner Weltanschauung liegende Besitzveränderung vor genommen haben.

Der älteste lebende Mensch. In Konstantinopel hat dieftr Tage ein Kurde namens Loco Agha seinen 150. Geburtstag ge­feiert. Zwar kennt man in den orientalischen Ländern keinen Zivilstand, der sich durch besondere Genauigkeit auszcichnet. Man findet häufig Hundertjährige, die es in Wiclichkei: gar nicht sind. Der Geburtsschein von Loro Agha ist indessen durch­aus in Ordnung und sein Inhaber dürfte demnach zweifellos den Altersrekord aller lebenden Menschen aufgestellt haben

Gewiß, edle Gräfin", versetzte der Feldhauptmann Wöll­warth mit rauher Stimme.Aber es hat vieler hieben bedurft, bis er zustande kam. Denn Eure Forderungen waren hart, Gräfin, und die Geroldsecker wollten, so sehr sie von den unsri- gen bedrängt waren, nicht darauf eingehen."

So habt Ihr sie überredet?"

»Ja mit dem Schwert in der Faust nicht überredet, gezwungen Hab ich sie, als sie nirgends Hilfe, noch einen Aus­weg aus ihrer Veste fanden, auf die Bedingungen, die Ihr ge­stellt die Hälfte ihrer Besitzungen Euch abzutreten cinzu- gehen. Heiß ging es Labei her, könnt mirs glauben, Frau Gräfin, und mehr Worte mußte ich an dem einen Tag machen, als sonst im ganzen Jahre."

Und nichts dabei zu trinken gehabt?" fragte die Gräfin schalkhaft.

Wenig und schlecht!" versetzte der Ritter trüb.

Und sie haben gelobt, mir von nun an treue Vasallen zu sein?"

Wie Ihr ans dem Pergament sehen könnt!" tagte Wöll­warth, ihr eine Rolle mit großen Siegeln überreichend.

Die Gräfin überflog rasch das Pergament und ihr Gesicht rötete sich vor Freude.Unterworfen Hab ich euch, ihr stolzen Herren", sprach sie leise,und euch gezeigt, daß auch Frauen zu herrschen verstehen und zu siegen."

Immer Heller erglühte ihr Angesicht, immer stolzer leuch­teten ihre Augen, je weiter sie las. Doch Plötzlich versinstcrten sich ihre Züge, die dunklen Augenbrauen krümmten sich wie zwei kleine Schlangen und ein blendender Blitz fuhr aus ihren Augen.

Wie", rief sie zornig,den Zollern vermisse ich gar? Wa­rum steht denn sein Name nicht auf dem Pergament? Sprecht eilig, Herr Ritterl"

Es ist so, Frau Gräfin! Des Grafen von Zollern Siamen werdet Ihr vergebens suchen."

Aber, sagt endlich, warum steht er nicht hier? Will der Graf fortfahren, mir zu trotzen, nachdem alle sich unterworfen?"

Frau Gräfin", erwiderte der Ritter bedächtig,mit Euch hätte er vielleicht Friede geschloffen. Aber die Ulmer und Rottweiler, Eure Bundesgenossen, verlangten hohe Entschädi« gung von Friedrich von Zollern, dieweil er ihnen ftüher man. chen Warenzug weggenommen hatte. Da lachte er ihnen ins

Gesicht:Holt euch selbst eure Waren, ihr Krämerhack! Kommt vor meine Burg, ihr dicken Spießbürger, so will ich euch mit Haselstöcken die Friedenssteuer auf eure feisten Rücken schreiben." Und weg war er mit den Seinen, die Städter im Hellen Zorne zurücklaffend. Hat mich selbst gesreut, wie ers den Pftsfer- säcken heimgegeben hat."

»Ja, grob ist er für ein Dutzend", sprach Henriette, lächelnd über den Eifer, mit dem Wöllwarth ihr den Spaß erzählte.

Was das betrifft, Frau Gräfin", versetzte der R tter ernst­haft,so glaube ich, mLH mit ihm messen zu können."

Wahrhaftig, Ihr habt recht", sprach die Gräfin lachend, aber Ihr seid auch treu wie dieses Gold, das ich Euch hiermit zum. Dank für Eure ausgezeichneten Dienste, die Ihr mir in dieser Fehde geleistet, überreiche." Und sie nahm von ibrem Weißen Hals die schwere goldene Kette und hängte sie dem Ritter um.Habt Dank für Eure Treue", sprach sie ernst,und bleibt mir auch fürder ein aufrichtiger Freund und Ratgeber."

Gerührt von so viel Freundlichkeit und Wohlwollen, Stim­mungen, die bei der Gräfin so selten waren, wie Sonnenichem in April, ergriff der Ritter die Weiche, Weiße Hand der Gräfin und zog sie an seine Lippen.

Mit einem gütigen Lächeln drohend, sprach sie:Ei, edler Herr von Wöllwarth, es ist mir ganz neu, daß Ihr auch galant sein könnt. Aber, seid damit sparsam, das rate ich Euch, denn unter uns gesagt, Herr Ritter Euer Bart ist etwas stachelig und zu spitz für zarte Frauenhände."

Will es in Zukunft bleiben lassen", brummte der Ritter gutmütig.

Bewahrt mir die Kette gut", fuhr die Gräfin fort,es ist ein kostbares Amulett daran, das mir der Bischof von Reims zum Geschenke machte, als ich noch in der Klosterschule saß."

Gnädigste Gräfin, es soll mich nie verlassen, denn ich weiß so hohe Gunst zu schätzen. Aber erlaubt, daß ich mich eines Auftrages entledige, den mir der Zollern gegeben «rt."

An mich?" fragte Henriette mit Spannung.

»Nein, Frau Gräfin, an den jungen Staufeneck, den ich auf. suchen möchte."

So kommt, wir wollen ihn suchen." Und beide schritte« dem Garten zu, aus dessen Gebüschen vielstimmiger Vogel, gesang ertönte.