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Amtliche uud PrwatMttigen.

Oberamtsstadt Calw.

Im Nachstehenden wird ein auf Grund des Art. 26 Abs. 4 Art. 33 Abs. 1, 3, 5 der Bauordnung und 8 1 der Vollziehungsverfügung hiezu und

Art. 30 des Polizeistrafgesetzes von den bürgerlichen Kollegien am

1905 beschlossenes

Ortsbaustatut

betr. die Einrichtung «. die Entleerung der Abtritte, Abtrittgrube« und Düngerstütte«

gemäß Z 2 der Vollzugs-Verfügung zur Bauordnung öffentlich bekannt gemacht,

mit v«r Aufforderung, etwaige Einsprache« in der Zeit vom 20. Juli dis IS. August 1905 schriftlich oder zu Protokoll beim Stadt- fchuktheitzenamt auzubringe«. ^

1. Jedes Wohngebäude ist mit der erforderlichen Anzahl von Abtritten zu versehen und zwar muß jedes Stockwerk und ebenso jeder zu Wohn- oder Schlafräumen benützte Dachstock einen Abtritt erhalten.

2. Befinden sich in einem Stockwerk mehrere getrennte, je für einen selbständigen Haushalt bestimmte Wohnungen, so ist für jede derselben, in­soweit als auf einen gemeinschaftlichen Abtritt mehr als 4 Zimmer entfallen würden, ein besonderer Abtritt anzulegen.

3. Auch in anderen Gebäuden als Wohngebäuden kann, wenn sie für den Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, und wenn nicht durch Her­stellung besonderer Abtrittnebengebäude entsprechende Fürsorge getroffen ist, die Anlegung von Abtritten verlangt werden.

8 2 (AbtrittqehLus«).

1. Die Abtritte sind im Innern der Gebäude au einer Umfassungswand anzulegen und mit ins Freie führenden Fenstern zu versehen.

2 Die Herstellung Hölzer««», übe» de« Ha«sg«««d vorspri«- ge«de»! Abtrtttgehänfe ist «icht gestattet.

3. Abtritte dürfen nicht unmittelbar von der Küche aus zugänglich sein.

4. Die Sitzöffnungen sind mit dichtschließenden Deckeln zu bedecken. Die Türen sollen leicht und fest verschließbar sein.

5. An öffentlichen Orten, Wirtschaften und dergl. sind die Fußböden wasserdicht herzustellen, und die Türen so anzuschlagen, daß sie von selbst zufallen.

6. Die besonderen Pißeinrichtungen sind mit Rinnen oder Schalen zu versehen, welche den Urin leicht und vollständig aufnehmen, mit genügendem Gefäll ableiten und mit den Abortgruben dicht verbunden sind.

8 3 (Abfall-öhren).

1. Die Abfallröhren müssen dichtschließend bis in die Grube geführt und aus Material hergestellt werden, welches von den Auswurfstoffen nicht angegriffen wird. (Asphalt-, Steinzeug- oder Gußröhren und dergl.).

2. Die innere Fläche der Abfallröhren soll möglichst glatt sein. Scharfe Biegungen der Röhren sind zu vermeiden; dieselben sind möglichst senkrecht, ferner so anzulegen, daß schadhafte Stellen sofort erkannt und Ausbesserungen leicht vorgenommen werden können.

3 Holzschläuche find ausgeschlossen.

8 4 (Tuoströhreu).

1. Als Verlängerung der Abfallröhren sind Dunströhren mit einer Licht­weite von mindestens 15 em aus Metallblech oder sonstigem solidem Material bis zu einer Höhe von 1 m über die Dachfläche hinaufzuführen.

Statt dieser Dunströhren können auch besondere Dunstabzugskanäle ein­gerichtet werden, welche von der Grube aus über das Dach zu führen und entweder neben häufig benützte Kamine zu legen oder mit einer den Zug be­fördernden Vorrichtung zu versehen sind.

3. Diese Dunströhren oder Kanäle sollen nicht in unmittelbarer Nähe von Fenstern (Dachfenstern) bewohnter Räume ausmünden.

8 5 (Gruben).

1. Jedes Abfallrohr muß, sofern nicht unter besonderen Voraussetzungen und Bedingungen die Anwendung eines anderen als des Grubensystems ge­stattet oder vorgeschrieben wird, eine eigene möglichst außerhalb des Hauses anzulegende Grube erhalten.

2. Gemeinschaftliche Gruben für zwei nahe beieinander befindliche Abtritte mit eigenen Abfallröhren sind nur ausnahmsweise gestattet.

3. Die Abtrittgruben dürfen sich nicht unmittelbar unter Wohn- und Schlafräumen befinden.

8 6 .

i Die Grube« «üffe« vus Backstei« oder Betorigenräuer wasserdicht hergesteüt Werve«

2. Eine Grube muß mindestens 1 cbm halten.

3. Sowohl die ganz außerhalb eines Gebäudes als die teilweise inner­halb desselben angebrachten Gruben sind unabhängig von dem Mauerwerk des Gebäudes aufzuführen. Zum Zweck einer völligen Isolierung ist das Gruben­gemäuer erst nach der Vollendung des Rohbaues herzustellen und mittelst Einlage von sogen. Asphaltplatten oder Zementguß von dem Mauerwerk des Gebäudes zu trennen.

4. Wo die Umfassungswände einer Grube innerhalb des Hauses frei liegen, sind sie außerdem mit einer mindestens 25 cm (ein Backstein) starken, in Portlandzement aufgeführten Mauer zu umschließen.

5. Die Abortgruben sind nach Fertigstellung und vor ihrer Benützung von dem Stadtbauamt durch vollständiges Füllen mit Wasser auf ihre Wasser­dichtigkeit zu prüfen. Die Fertigstellung ist dem Stadtbauamt anzuzeigen.

* 8 7.

1. Tie Gruben sind mittelst wasserdichter Ueberwölbung oder dicht- schlicßender Steinplatten gegen das Eindringen von Wasser, Kälte und Wärme zu schützen.

2. In der Ueberdeckung muß eine mindestens 25 c,äw große, nicht unter 40 ew breite Reinigungsöffnung angebracht werden, welche mit einer dicht­schließenden, doppelt gefalzten Steinplatte oder mit einer doppelten Lage gefalzter Dielen oder einer einfachen Lage solcher Dielen und darüber gelegter Eisenplatte bezw. mit gußeisernen Abortgrubendeckel neueren Systems zu be­decken ist.

3. Tie Reiuigungsöfsnnng muß außerhalb des Hauses liegen und leicht zugänglich sein. Sie soll sich über dem tiefsten Punkte der Grube befinden, zu welchem Zwecke dem Fußboden der Grube ein entsprechendes Gefäll zu geben ist, wenn nicht außerdem unter der Reinigungsöffnung im Fußboden eine 1520 em tiefe Versenkung angebracht werden will.

8 8 .

Alle Vorrichtungen, wodurch Abfallstoffe aus den Behältern in das Erd­reich, in die Dohlen, in die Nagold oder in die Seitenbäche derselben abge­leitet werden können, sind verboten. Die Hauseigentümer haben für solide Instandhaltung der Behälter zu sorgen.

8 9 .

Abwasser aus Haushaltungen und Gewerbeanlagen darf nicht in die Abtritte geleitet werden.

8 10 (Eutteeruug der Grube«).

Die Entleerung der Abortgruben darf nur mittelst der städtischen Latrinenwagen uud geschlossener Fässer erfolgen. Das Ablagern von Fäkal- stoffen (Abtritt) auf Düngerstätten ist verboten. Jedoch dürfen die Besitzer der Abortgruben den Inhalt derselben zu den im 8 1 der ortspolizeilichen Bor­schriften vom 13. Juli 1905 angegebenen Zeiten auf unmittelbar beim Haus gelegene Gartengrundstücke oder zu gewissen Tageszeiten auf eigene oder gepachtete Feldgrundstücke verbringen lassen.

8 11 («oerftätte«).

1. Düngerstätten und Jauchebehälter sind so anzulegen, daß Jauche und andere Flüssigkeiten weder auf Straßen und öffentliche Plätze abfließen, noch Brunnen oder Wasserleitungen verunreinigen können.

2. Zu dem Zweck sind über den Boden hervorragende Düngerstätten durch einen wasserdichten Boden und mindestens durch dichtschließende, in steinerne Pfeiler eingelassene Steinplatten, oder mindestens 45 em starke Dielen, welche zwischen genutete, steinerne oder mindestens 17 em durchweg starke hölzerne Pfosten eingeschoben werden, auf allen Seiten wasserdicht zu verwahren. Die Einfassungen müssen mindestens 1 m hoch sein.

3. Versenkte Düngerstätten sind mit wasserdichtem Boden und mit einer wasserdichten Ummauerung oder Betonierung zu verwahren. Dieselben sind trittsicher abzudecken.

4. Die. Jauchebehälter sind in gleicher Weise zu behandeln.

8 12 (Uevergangsvestimmungen).

Vorstehende Vorschriften finden unter Berücksichtigung des Art. 17 B.-O. Anwendung auch auf bestehende Gebäude; jedenfalls aber mit sofortiger Wirkung da, wo bei der vorhandenen Einrichtung Flüssigkeiten oder Abfallstoffe auf Straßen oder öffentliche Plätze, in das Erdreich oder in Dohlen auslaufen. Namentlich sind entlang der Nagold an den verschiedenen Gebäuden, von welchen die Cloake direkt in die Nagold geleitet ist, sofort Abortgruben anzu­bringen.

Ferner werden die über

die Entleerung der Abortgruben und Düngerstatten

auf Grund der Art. 30 uud 51 des Polizeistrafgesetzes vom 7. Nov. 1898 erlassenen

ortspoUMiche Vorschriften

in ihrer jetzigen Fassung bekannt gemacht:

8 1 .

Als die Zeit, zu welcher nach 8 11 der ortsstatutarischen Vorschriften, betreffend die Einrichtung und Entleerung der Abtritte, Abtrittgruben und Düugerstätten, die Besitzer der Abortgrubcn deren Inhalt auf unmittelbar beim Haus gelegenen Gartengrundstücke uud in dichtgeschlossenen Gesöffen auf ihre eigenen oder gepachteten Feldgrundstücke verbringen dürfen, wird festgesetzt:

Vom 1. April bis 30. September die Stunden von 9 Uhr abends bis 6 Ubr morgens; vom 1. Oktober bis 31. März die Stunden von 7 Uhr abends bis 8 Uhr morgens.

8 2 .

Dünger, der zum Wegführen aus Höfen, aus dem Innern der Gebäude oder aus versenkten Düugerstätten herausgeschafft werden muß, ist alsbald auf einen bereit gestellten Wagen zu verladen, der in möglichster Zeitkürze abgeführt werden muß. Nach erfolgter Dungabfuhr ist der Ausladeplatz sofort gründlich zu reinigen.

8 3.

Die Abfuhr von Gülle aus Viehställen und von übelriechenden Abfällen aller Art darf nur in dichtgeschlossenen Fässern oder Wägen stattfinden.

8 4 -

Tie zur Abfuhr von Dünger, Schutt oder sonstigen losen Gegenständen zu berützinden Wogen find mit Brettern so gut zu verwahren, daß jede Ver­unreinigung der Straßen unmöglich gemacht wird.

Bei Zuwiderhandlungen hat der Fuhrmann neben der Strafe die Kosten der außerordentlichen Straßenreinigung zu tragen.

8 5.

Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschriften werden auf Grund des Art. 30 des Pol.>SLr.-Ges. an Geld bis zu 18 bestraft.

Das im Vorstehenden bekannt gegebene, unter Zustimmung des K. Mini­steriums des Innern ausgestellte Ortsstatut wird nach Ablauf der Veröffcut- lichungsfrist auch wenn infolge begründeter Einsprachen etwa einzelne Bestim­mungen geändert werden sollten, doch seinem wesentlichen Inhalt nach Rechtskraft erlangen und die Polizeibehörde wird sofort Strotze um Strotz« z«- «rächst die «eue« Borschrifte« üder die Beschaffercheit der Abort­grude«, der Abfallröhre« u«d der D««gstäite» zur Durchführu«« dringe«. Die Besitzer von, den neuen Vorschriften nicht entsprechenden An­lagen (hölzernen Ablritttrögen, hölzerne» Abfallschläuchen, unverwahrten Dünger­stätten) werden fitzt schon aufgefordert, während der guten Jahreszeit ihre Umbauten freiwillig vorzunchmen. Erfahrungsgemäß find die nach den Vor­schriften des Statuts hergestellten Anlagen dauerhaft und daher, trotz der erst­maligen Mehrkosten, billiger, als die andauernden Nachbesserungen.

ES möchten daher auch alle, welche bisher ihre alten Anlagen nach neu­zeitlichen Grundsätzen schon umgebaut haben, diese neuen, die Gesundheit sör- dernden, den Geruchstnn und das Auge nicht mehr verletzenden Einrichtungen nicht mehr entbehren. Von dem ordnnngsliebenden Sinn der Einwohnerschaft darf daher erwartet werden, daß sie schon in der jetzigen Bauzeit an die Beseitigung der schwersten Mißstände freiwillig und ohne polizeilichen Zwang abzuwarten, herangeht.

Calw, 18. Juli 1905.

S1adtfchi»ltheitze«amt.

Co nz.