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zwei Dritteile der in der Ersten Kammer anwesenden Mitglieder für Abänderung eines von der Zweiten Kammer gefaßten Beschlusses und für Einleitung des weiteren Verfahrens erklärt, so hat die Zweite Kammer den Gegenstand einer nochmaligen Beratung und Beschlußfassung zu unterziehen. Wenn hiebei die Zweite Kammer mit einer Mehrheit von wenigstens zwei Dritteilen der anwesenden Mitglieder einen von demjenigen der Ersten Kammer abweichenden Beschluß faßt, so gilt ihr Beschluß — vorbehaltlich der Abstimmung über den Etat im ganzen — als Beschluß der Ständevsrsommlung. Kommt ein solcher Beschluß der Zweiten Kammer aber nicht zu stände und besteht noch eine Verschiedenheit der Beschlösse der beiden Kammern, so werden die bejahenden und die verneinenden Stimmen beider Kammern zusammengezählt und nach der Mehrheit sämtlicher Stimmen wird alsdann der Ständebeschluß abgefaßt. Würde in diesem Fall Stimmengleichheit eintreten, so hat der Präsident der Zweiten Kammer die Entscheidung. 3) Nach erfolgter Beschlußfassung über die einzelnen Titel des Hauptetats wird über den letzteren im ganzen zuerst in der Zweiten, dann in der Ersten Kammer abgesiiwmt. Kommt hiebei ein übereinstimmender Beschluß beider Kammern nicht zu stände, so wird der Ständebeschluß im Wege des Zusammenzählens der Stimmen beider Kammern nach Maßgabe der Zff. 2 festgestrllt. (Die Beratung über Art. 26 wurde nicht zn Ende geführt, sondern auf nachmittags 5 Uhr vertagt)
— In der NachmittagSsttzung wurde die Beratung des Budgetparagraphen zu Ende geführt. Da der Satz 1 des, Abs. 2 der Ziff. 2 über die Gleichberechtigung beider Kammern bei der Aufnahme von Anlehen und bei Veräußerungen von Bestandteilen deS Kammerguts beanstandet wurde, beantragte Prälat v. Sandberger Aufrechterhaltung des Entwurfs in dieser Beziehung. Der Abg. Gröber beantragte, daß die Zweite Kammer nur in dem Falle über abweichende Beschlüsse der Ersten Kammer nochmals zu beraten und abzustimmen habe, wenn die Erste Kammer ihre Beschlüsse mit einer Zweidrittelsmehrheit gefaßt hätte. Die Abstimmung ergab Ablehnung des Antrags der Ritterschaft auf Erweiterung des Ausgaben-Budget- rechts der Ersten Kammer, Ablehnung des oben erwähnten Antrags Gröber und Ablehnung des Antrags Sandberger, sodaß der Art. 26 in der Fassung des Entwurfs unter Beseitigung des Satzes über die Gleichberechtigung beider Kammern bei Aufnahme von Anlehen und Veräußerungen von Bestandteilen des Kammergutes angenommen wurde; weiterhin fand der Art. 27, welcher die strafrechtliche Verfolgung der Mitglieder der Ständeversammlung während der Dauer der Kommisfionsfitzungen, Annahme, ebenso der Art. 28, welcher bestimmt, daß im Folleder Auflösung spätestens binnen 6 Monaten eine Neuwahl sämtlicher gewählten Mitglieder der Ständeversammlung zu erfolgen hat. Die Kommission beschloß ferner, den Art. 193 der Verf.-Uik. dahin abzuändern, daß die Amtsbezeichnung der Registratoren beider Kammern durch die Bezeichnung „Kanzleidirektoren ersetzt werde. Endlich wurde der Art. 39, welcher bezüglich der Besoldung der Mitglieder des engeren Ausschusses eine anderweitige Regelung im Wege der einfachen Gesetzgebung vorzieht, angenommen. Damit wurde die erste Lesung des Entwurfs des Verfossungsgesetzes abgeschlossen. Die zweite Lesung soll erst stattfinden, wenn die Kammer am Dienstag, den 18. Juli und den folgenden Tag
den Etat erledigt haben wird. Die Beratung des Gesetzentwurfs über das Landtagswahlgesetz wurde ebenfalls bis auf Weiteres vertagt.
Stuttgart, 13. Juli. Die vom Liederkranz eröffneten Zeichnungen für den Umbau der Liederhalle und die Erhaltung des Liederhalle- gartens haben unter den Mitgliedern des Vereins, wie auch in weiteren Kreisen der Bürgerschaft das erhoffte Entgegenkommen gefunden, so daß jetzt schon, wenn auch die erforderlichen Mittel noch nicht ganz aufgebracht find, begründete Aussicht auf die Ausführung des Umbaues ohne Preisgabe des Gartens vorhanden ist.
Stuttgart, 14. Juli. (Landgericht.) In der bekannten Entschädtgungsklage in Höhe von 10 0000 welche Freih. v. Münch gegen den württ. Staats fiskus wegen der s. Z. vom Ministerium des Innern gegen ihn verfügten zeirweiligen Einweisung in eine Irrenanstalt erhob, verkündigte heute die Erste Zivilkammer des Landgerichts, das sich wiederholt mit der Sache zu befassen hatte, folgendes Urteil: Die Klage wird zurückgewiesen. Der Kläger hat dis Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Geislingen a. St., 13. Juli. Die Württ. Metallwarenfabrik hat aus Anlaß ihres 25jährigen Bestehens größere Summen zu Gunsten der Beamten und Arbeiter der Fabrik bereitgestellt. In den letzten Tagen kamen insgesamt 120000 an die Beamten und Arbeiter, und zwar unter Berücksichtigung der Stellung des Einzelnen und der Beschäftigungsdauer, zur Auszahlung. Eine weitere größere Summe ist für die Schaffung von Wohlfahrtseinrichtungen zu Gunsten der Angestellten und Arbeiter in Aussicht genommen; über die nähere Verwendung dieser Summe ist noch keine definitive Bestimmung getroffen worden.
Rottweil, 13. Juli. Als nach der Einfahrt des um 8.22 Uhr von Villingen ankommenden Zuges auf dem ersten Gleise die Vorspannmaschine wegfuhr, wollte Bahnhofinspektor Hofacker von dem eine Minute früher auf d.m zweiten Gleise eingefahrenen Tuttlinger Zuge sich entfernen und auf den Perron zurückkehren. Dabei wurde er von der Vorspannmaschine des Villinger ZugeS erfaßt und zwischen die Schienen geworfen. Trotzdem die Maschine sofort zum Stehen gebracht wurde, erlitt er so schwere Quetschungen, daß er nach wenigen Minuten starb.
Berlin, 13. Juli. Aus Gefle wird gemeldet: Die schwedische Königsyacht „Drott" ist mit dem König und dem Kronprinzen von Schweden, dem Minister des Aeußern und dem deutschen Gesandten an Bord zur Begegnung mit der Kaiseryacht „Hohenzollern" in See gegangen. Als sich die Königsyacht den deutschen Schiffen näherte, hißte sie die deutsche Flagge, worauf die Hohenzollern die schwedische Flagge hißte und die Schiffe salutierten. Die Geschütze der Königsyacht „Drott" erwiderten de» Salut. König Oskar und der Kronprinz von Schweden begaben sich dann an Bord der „Hohenzollern", deren Musikkapelle bei der Ankunft der Gäste die schwedische Nationalhymne spielte.
Berlin, 14. Juli. Der Kaiser hat den König von Schweden unter Stellung L lg, suits der deutschen Marine zum Großadmiral ernannt.
Stockholm, 14. Juli. Der deutsche Kaiser hat dem schwedischen Minister des Auswärtigen
das Großkreuz des Roten Adlerordens verliehen. Der Kaiser wird an Bord der Hohenzollern von Geste aus zuerst nach Sundsval und von dort nach Visby und Kalmar gehen.
Stockholm, 14. Juli. Kaiser Wilhelms Ankunft in Schweden wird von ollen Blättern mit Freuden und Befriedigung begrüßt. In gut unterrichteten Kreisen wird der Begegnung zwischen Kaiser Wilhelm und König Oskar eine grcßs politische Bedeutung beigemessen, was auch dadurch eine gewisse Bestätigung erfährt, daß der auswärtige Minister Graf Gyldenstolpe den König begleitet.
Budapest, 14. Juli. Nach Tausenden geht die Zahl der russischen Emigranten, die auf der Flucht über Rumänien die ungarische Hauptstadt passieren um sich größtenteils nach der Schweiz und England zu wenden. Die meisten Flüchtigen stammen aus Odessa, das nach der Abfahrt des „Potemkin" 200000 Inden aus Furcht vor Verfolgungen verlassen haben.
St. Petersburg, 14. Juli. Der Regierungsbote bestätigt amtlich die Ernennung des Präsidenten des Ministerkomitees Witte zum Bevollmächtigten bei der Friedenskonferenz in Washington.
Petersburg, 14. Juli. In den Arsenalen von Odessa und Libau wurden Massendteb- stähle von Gewehren und Patronen entdeckt.
Odessa, 14. Juli. Die Meldung von dem Ausbruch einer neuerlichen Matrosen-Meuterei bei Sewastopol bestätigt sich nicht. Hier wie dort herrscht vollkommene Ruhe. Das Schlachtschiff „Rostislaw" ist mit dem Transportdawpfer „Pruth" hier eingetroffen und landete 40 schwer gefesselte Meuterer und nahm dafür 90 Meuterer vom „Pob- jedonvoszcw" als Gefangene an Bord.
London, 14. Juli.- Die Blätter veröffentlichen Petersburger Meldungen des Inhalts, daß Witte absolute Vollmacht habe zum völligen Friedeusschluß. Nur unter dieser Voraussetzung Habs er eingkwilligt, nach Washington zu gehen. Die englische Presse begrüßt Wittes Ernennung als günstiges Zeichen dafür, daß Rußland wirklich beabsichtige, sich mit Japan zu verständigen.
New-Uork. 14. Juli. Die intensive Hitze, die seit mehreren Tagen den Aufenthalt im Freien geradezu unerträglich macht, hat zahlreiche Wahnsinnsanfälle und Selbstmorde zur Folge gehabt. Die Totenliste von vorgestern bezeichnet allein 30 Falle. In den Straßen brachen 57 Personen zusammen.
8. Juli.
9. Juli.
11 .
12 .
13.
Standesamt Kak».
Geborene.
Franz Xaver, Sohn des Josef Martin Schwarz, Stationsdieners hier.
Klara Berta, Tochter des Karl Ehret, Bierführers hier.
Lydia Johanna Friederike, Tochter des Wilhelm Barth, BahnschlofferS hier.
Gestorbene.
Joh anne Katharine Egner, geb. Talmongros, gewes. Haltestellevorstehers Wwe. hier, S4
Friedlich Weber, Schuhmacher in Ernstmühl, 54 Jahre alt.
Marie Agnes Laur. ledig hier, 82 Jahre alt. Ernst Grießler, Wirt hier. 66 Jahre alt.
Verehrern umringt, als sie, überdrüssig dcs Spiels, plötzlich abbrach, die Kugeln mit den Füßen von sich stieß und den Hammer auf de» Rasen warf.
„ES ermüdet mich! Ich danke Ihnen, meine Herren! Ich will meine Toilette zu einer Spazierfahrt machen."
Ein Schatten war nämlich über ihre Stirn gegangen, als sie Leo'S ansichtig geworden, der, noch immer sie anschauend, dastand und sogar vergaß, die Hand an den Hut zu führen, als ihr Blick dem seinigen begegnete.
Flüchtig und graziös, die Fingerspitzen nur bis an di« Brust erhebend, warf sie den Herren ihren Gruß zu und schwebte zur Terrasse, auf deren untersten Stufen die Gesellschafterin sie bereits erwartete.
„Ich will mit Herrn v. Wiedenstein allein sein, wenn er kommen sollte," sagte sie halblaut zu dieser, einer dürren Gestalt, mit grobem Teint und unfreundlichem Gesichte, während dieselbe hinausschaut« und die H-rren sich mißvergnügt entfernen sah. „Führe ihn in mein Wohnzimmer, er soll mich dort erwarten !*
Schweigend blickte Jane, eine arme JrlSnderin mit rotblondem Haare und und dem Stempel bewegter Vergangenheit auf dem erschlafften Antlitze, der anmutigen, fast junonischen Gestalt nach, wie sie die Stufen Hinausstieg.
„^VvU," murmelte sie vor sich hin. „Er wird jedenfalls damit zufrieden sein. Sie soll ihm endlich den Abschied geben! Dadurch wird sie sich zwar einen Feind mehr schaffen zu all' den übrigen, aber ein Freier wird lästig, wenn er schon mit so anspruchsvoller Miene kommt wie dieser."
Die mager« Gestalt hockte sich auf der Terrasse in di« Eck, unter die Blumm, um Wache zu halten, und wand unruhig dir dürren Hände umeinander.
Leo, der die sich entfernenden Herren vermieden und die kleine Seitenpforte des Gartens gesucht hatte, erstieg inzwischen zaudernden Schrittes die Terraff« und gewahrte die vertrocknete Gestalt, die mit unzufriedenem Blick, ohne sich zu erheben, ihn anschaute.
„Die gnädige Frau ist zu Haus«, Miß Jane?" fragte er artig.
Jane wußte anfangs nicht, ob sie antworten solle.
„Sie ist eS." sprach sie endlich wir für sich, ohne sich zu rühren.
„Wollen Sie so freundlich sein, mich zu melden?" Unmutig über diesen Empfang stand er vor ihr.
Jane wiegt« den Kopf zwischen den Schultern.
„Sie find ein recht guter Mensch, Herr von Wiedenstem." sagte sie im Tone des Mitleides. „Wie lang- ist eS jetzt her, seit Sie an ihr hangen wie ihr Schatten ... ja, wie ihr Schatten," wiederholte sie mit einem höhnischen Lächrln vor sich hin.
„Was soll die Frage, Miß Jane?" Leo fixierte sie unruhig.
„Die Frage? Nun, sie gefällt mir so! Wie ich Sie beurteile, haben Sie alles um ihretwillen aufgegeben; Sie haben keinen Plan und kein Ziel mehr als sie, und was nützt Ihnen das? Glauben Sie wirklich?"
„Ich liebe Afra — Sie wissen eS."
„Jo, das weiß ich, deshalb tun Sir mir leid. ES ist nicht dar erste Mal, daß ich Ihnen da- ondrute. Sie ist nicht geeignet zum Heiraten und Sie sollten sie nicht dafür halten. Sie schwärmt für einen Mann schon längst; aber dieser sind Sie nicht!"
(Fortsetzung folgt.)