Württemberg.
Stuttgart, 12. Dez. (Aufruf von Gutscheinen.) Die Reichsbahndirektion Stuttgart ruft die von ihr ausgegebenen Gutscheine im Nennwert unter 100 Milliarden zur Einlösung bis zum 10. Jan. 1924 bei der Eisenbahnhauptkasse auf. Die aufgerufenen Gutscheine verlieren nach Ablauf dieser Frist ihre Gültigkeit.
Stuttgart, 12. Dez. (Notenfälschung.) Von den ursprünglich auf 100 M. lautenden, vom 15.12.18 datierten, mit 50 Milliarden M. auf Vorder- und Rückseite rot überdruckten Scheinen der Würlt. Notenbank sind Fälschungen im Umlauf. Die Fälschung besteht in einem Ueberdruck auf 20 Billionen M.
Eutringen O.A. Herrenberg, 12. Dez. (Holzverkauf.) Im Frhr. v. Ow'schen Walde war der erste Brennholzverkauf in diesem Winter. Zum Verkauf kamen 5 Rm. gemischte Prügel, eichen und buchen, ebenso gemischtes Flächenlos. Für 1 Rm. Prügel wurden bei 10 Mark Angebot bis 11,20 Mark bezahlt, für das Flächenlos 22 Mark bei sofortiger Bezahlung.
Nürtingen, 12. Dezbr. (Neues Neckarkraftwerk.) Die Stadtgemeinde, die 1903 schon das früher Künkel'sche Elektrizitätswerk erworben und 1908 erweitert hatte, will dieses Werk nochmals von bisher 80 ?8 auf 380 L8 ausbauen. Außerdem besteht die Absicht, durch ein neues Neckarwerk mit Wehr unterhalb der Aichmündung mit einem nutzbaren Gefäll von 4,3 Meter und einem mittleren Nutzeffekt von 1000 ?8 zu erstellen; gleichzeitig soll eine Wasserspeicheranlage auf dem Zisishäuser Berg mit weiteren 400 ?8 Nutzeffekt geschaffen werden. Gesamtkosten 1750000 Goldmark. Der Gemeinderat wird sich demnächst über die Ausführung dieser Anlage endgültig schlüssig werden.
Rottweil, 12. Dez. (Neuwahl.) Der Hauptwahlvorstand hat die Beschlüsse der Distriktswahlvorstände bestätigt; über einige bezüglich der Giltigkeit umstrittenen Stimmzettel konnte keine Einttimmigkeit erzielt werden. Als endgültiges Wahlergebnis gilt also Stimmengleichheit bei den Kandidaten Hirzel und Ritter. Also hgt eine Neuwahl stattzufinden.
Schwenningen, 12. Dez. (Sie leben noch.) Die Nachricht, daß die am 13. November angeschossene Gertrud Kipp gestern gestorben sei, bestätigt sich glücklicherweise nicht. Dagegen mußte bei dem Mädchen am Kniegelenk eine Operation vorgenommen werden, so daß ein Bein steif bleiben dürfte. Gemeinderal Staiger, der durch einen Lungenschuß verletzt wurde, ist aus dem Krankenhaus entlassen worden. Es befinden sich nur noch drei der Angeschossenen in ärztlicher Behandlung.
Ebingen, 12. Dezbr. (Folgenschwerer Zusammenstoß.) Auf der Trüchlelfingerstraße stießen ein Fuhrwerk und zwei Motorradfahrer zusammen. Die beiden letzteren erlitten sehr schwere Verletzungen und mußten ins Spital verbracht werden. Sie sind von Onstmettingen, das Fuhrwerk von MeHstetten.
Biberach, 12. Dezbr. (Ueberfahren.) Gestern mittag gegen 12 Uhr wurde eine Abordnung der Sanitätskolonne zum Bahnhof gerufen, um einen Eisenbahnbediensteten (Bremser eines Güterzuges), dem in Warthausen der Fuß abgefahren wurde, in Empfang zu nehmen und ins Krankenhaus zu schaffen.
Waldsee, 12. Dez. (Wilderer.) Förster Locher von Hittisweiler hat in der Waldabteilung Neuwaldsee einen Wilderer ertappt und festgenommen, trotzdem er heftigen Widerstand leistete. Es soll sich um eine wegen Wilderns schon vorbestrafte Person handeln.
Berfütterrmg von Brotgetreide und Mehl.
Stuttgart, 11. Dez. Von zuständiger Seite wird mitge- teilt: Die Berfütterung von Brotgetreide an Tiere ist, da Heuer die Brotversorgung aus bekannten Gründen fast völlig auf ^>!e Jnlandsernte angewiesen ist, ein Verbrechen am Volke, «ie war schon im verflossenen Wirtschaftsjahr unter Strafe gestellt
Jas Fähnlein der sieben Aufrechten
Erzählung von Gottfried Keller j14
„Was Kreuzsakerment soll das heißen? Was treibt ihr da?" rief die Runde, ohne jedoch eine genügende Antwort zu erhalten, da die beiden Käuze kein vernünftiges Wort her- oorbrachten. Der Offizier öffnete rasch die Türe und sah in das Zimmer: denn Karl, der die Ohren gespitzt, war schnell aus dem Bett gesprungen, hatte den Riegel zurückgeschoben und sich ebenso rasch wieder unter die Decke gemacht. Als der Offizier sah, daß alles dunkel und still war, und nichts hörte als schnaufen und schnarchen, rief er: „Heda, Leute?"
„Geht zum Teufej!" ries Karl, „und legt euch einmal schlafen, ihr Trunkenbolde!" Auch die andern stellten sich, als ob sie geweckt würden, und riefen: „Sind die Bestien noch nicht im Bett? Werft sie hinaus, ruft die Wache!"
„Sie ist schon da, ich bin's!" sagte der Offizier, „mach' eines von euch Licht, rasch!" Es geschah, und als die Besessenen beleuchtet wurden, erhob sich ein Gelächter unter allen Bettdecken hervor, wie wenn sämtliche Mannschaften von dem Anblick.im höchsten Grade überrascht waren. Ruckstuhl und Spörri lachten mit wie die Narren, marschierten herum und hielten sich die Bäuche: denn ihre Geister hatten wieder eine andere Richtung eingeschlagen. Ruckstuhl machte dem Offizier ein Schnippchen ums andere unter die Nase, und Spörri streckte ihm die Zunge heraus. Als der Verhöhnte sah, daß mit dem fröhlichen Paare nichts anzufangen sei. zog er seine Schreibtafel hervor und schrieb ihre Namen auf Nun traf es sich zum Unglück, daß er gerade in einem von Ruckstuhls Häusern wohnte und. da eben Ostern vorüber mr, den Mietzins noch nicht bezahlt hatte, sei es, weil er
t bei Geld war oder weil er des Dienstes wegen die versäumt. Kurz, Ruckstuhls Genius verfiel urplötzlich -n Gegenstand, und er stotterte lachend, indem er Offizier torkelte: „Bezahlen — zahlen Sie zuerst Schulden. Herr Leutnant, e — eh Sie di — die m — schreiben! Wissen Sie wohl?" Spörri , lauter, schwankte und krebste rückwärts, mit
und bisher verboten. Neuerdings wurden die Strafvorschristen wesentlich verschärft. Das mit Brotgetreide gefütterte Vieh kann eingezogen und der Erlös zur Brorverbilligung verwendet werden. Besonders schwer geahndet werden diejenigen Fälle, in denen nicht selbst geerntetes Brotgetre'de verfüttert wird; hier ist die Strafe Gefängnis nicht unter einem Monat, außerdem ist die Einziehung des Viehs in diesen Fällen zwingend vorgeschrieben.
Baden.
Karlsruhe, 11. Dez. Vor der Strafkammer stand am Dienstag der Maschinist Hans Spindler, verheiratet, ein Mann anfangs der 30er, der in Pforzheim Gold und Silber entwendete und an Len Mitangeklagten Schreiner Gottlieb Klais ans Pfalzgrafenweiler weiter verkauft hat. Dieser ist gleichsfalls Familienvater und schwer kriegsbeschädigt. Spindler machte seine Notlage geltend und erhielt ein Jahr Gefängnis. Die gleiche Strafe traf wogen Hehlerei den Klais, dem nach Lage der Sache ebenfalls mildernde Umstände zugebilligt werden mußten. Auch wurde der Haftbefehl gegen ihn ausgehoben.
Freiburg, 10. Dez. Die Arbeitslosigkeit in hiesiger Stadt hat einen so hohen Grad erreicht, daß die Anstellung von zehn weiteren Kontrolleuren notwendig geworden ist. Die strenge Durchführung der Kontrolle der sich anmeldenden Erwerbslosen erwies sich als dringend notwendig.
Schopfheim, 11. Dez. Der Eichener See ist wieder da. Durch die reichlichen Niederschläge und die damit verbundene Schneeschmelze in der letzten Zeit ist seit einigen Tagen der See wieder ausgetreten und langsam im Steigen begriffen. Der Pegelstand hat bereits ein Meter Höhe überschritten. Der See erhält vermutlich unterirdischen Wasserzufluß aus dem Feldberggebiet.
Falsche So- und Sgd-Milliarden-, sowie falsch» Mark-Scheine. Von Len Reichsvanknoren über so
Marksteinen mit dem Ansaat des 1. Noveniber 1923 sind Falschstticke in den Verkehr aelÄ die an dem Fehlen der Wasserzeichen und der PflaiuenÄ' sehr leicht zu erkennen sind. Vor der Annahme der stücke wird gewarnt. Die Reichsbank hat ?ür die Ausfii,tz> machung einer Falschmünzerwerkstätte und dahin rührender gaben hohe Belohnungen ausgesetzt.
Vom „Doktor" Antu» Schmuttermaier. Im „Würrbu^ Generalanzeiger" lesen wir: Man erinnert sich in Würrlm^ nock reckt QUt des ..Leiters der ReLirksretrsiell-»'
Vermischtes,
Rettet die deutsche Jugend! Das ganze Schwergewicht der deutschen Volksnot fällt aus unsere Jugend. Wie viele Kinder gibt es, die keine richtige Unterkleidung,- keine guten Schuhe mehr besitzen, und in den Städten mehrt sich die Zahl derer, die deshalb oder vor Hunger und Schwäche die Schule nicht mehr besuchen können. Die immer noch steigende Wohnungsnot gefährdet aufs höchste nicht nur die Gesundheit, sondern auch die sittliche Entwicklung der Jugend, die sich um so mehr auf die Straße gewiesen sieht, und die um sich greifende Erwerbslosigkeit trifft viele Fannlien doppelt und dreifach. Aber auch wo die äußeren Verhältnisse noch erträglich sind, lagern ofl schwere Schatten aus dem jungen Geschlecht. Der seelische Druck, der bei der Erschwerung aller Arbeit in Berus und Haushaltung auf den abgehetzten Eltern liegt, trübt leicht das Familienleben; die unvermeidlichen täglichen Gespräche über Geldkurs und Preissteigerung sind wie Mehltau ffir die Kinderseele, und der Beamtenabban muß, wenn auch nach Reichstagsbeschlutz die Schule mit besonderer Schonung behandelt werden soll, doch die Bildung und Erziehung unserer Kinder in einer Zeit aufs schmerzlichste verkürzen, wo im Gegenteil Ausbau und Vertiefung das Losungswort sein sollte.
Um so größer, verantwortungsvoller und schwerer ist die Erziehungsausgabe, die heutzutage auf der Familie selbst liegt, und es gilt jetzt mehr als je die inneren Kräfte mobil zu machen, die zu ihrer Lösung nötig lind. Aus dieser Erwägung veranstaltet gegenwärtig der «vang. Reichselternbund durch Deutschland hin eine Reichserziehungswoche, bei der in Vorträgen, Familienabenden und Besprechungen aus die grundlegende Bedeutung, hingewiesen wird, die nach den Erfahrungen der Geschichte das Evangelium selbst unter den ungünstigsten Verhältnissen gehabt hat für die Erneuerung des Familienlebens und die Heranbildung der Jugend zum Träger einer besseren Zukunft. Hier liegen in der Tat noch ungehoben? Schätze. Allein schon der Glaube an den himmlischen Vater birgt den Urgedanken der Familie, eine unvergleichliche Quelle der Ehrfurcht, des Vertrauens, der Gemeinschaft. .Haus und Schule müssen noch mehr als bisher in Ärbeitsgemeimchafr mit einander treten, um aus dieser Quelle zu schöpfen; zugleich müssen sie fordern, daß sowohl die äußere Fürsorge für unsere Jugerck» als auch ihre seelische Not allgemein zum öffentlichen Anliegen gemacht und namentlich der Kampf gegen Schmutz und Schund und gegen die Entartung des Vergnügungswesens in aller! Volkskreisen mit Nachdruck unterstützt wird; sonst wird auch das neue Reichs-Jugendwohlfahrtsgesetz nicht den beabsichtigten Erfolg haben. Darum ergeht an alle der Ruf: schützt und Pflegt das deutsche Familienleben, rettet die Jugend, für sie ist das Beste gerade noch Mt genug - sonst gibt es keine Rettung für unser Volk!
noch recht gut des „Leiters der Bezirksfetrstelle', d»s Doktor" -mton Schmuttermaier. Er bekleidete diele Stelle bemib» Jahre, Unterzeichnete alle Schriftstücke mit „Dr. Schmust» .naier" und fungierte auch dreimal als Zeuge und Sachvcrstist- oiger, wobei er den Doktortitel auch beschwor. Nur sein Alt» gab er immer verschieden an. Ueber seine Berechtigung ^ Doktortitel zu führen, entstanden Zweifel, allein Schimitt», maier wußte alle Welt zu täuschen. Ende 1922 kam er als M sistent des Tierarztes nach Helmstadt, blieb fünf Monate dort und ließ sich dann als Tierarzt in llrphar (Baden) und zuletzt in Alzenau nieder. Dort kam endlich der Schwindel heraus daß er gar kein Tierarzt war, ^...v
Schmuttermaier floh, wurde aber im IM d. Js. in Hirschberg Schlesien) verhaftet. Noä einmal versuchte er den Schwindel 'ortzusetzen; er log der- A Hörde vor, er habe in Augsburg das Gymnasium absolviert sei ein Jahr an der Front gewesen (während er nur in der Heimat Kanzleischreiber und dann in einer Standortschlächtern war). In Wirklichkeit hatte er nur die Volksschule in Augsburg und die Landwirtschastsschule in LanLshut besucht rrnd einen Ittägigen Zuchtwartkurs in Weiden mitgemacht In der Zwischenzeit will er Äcmdwirtschaftsschüler gewesen sein; seine Dienstfrau gab jedoch an, er sei Dienstbube gewesen. Seit 2i Juli befindet sich Schmuttermaier in Haft, wurde inzwischen vom Schöffengericht Alzenau wegen B"trugS zu drei Woche» Gefängnis verurteilt; er hatte sich nun vor der Strafkammer Würzburg wegen fahrlässigen Falscheides zu verantworte!, ni-eil er den Doktortitel in drei Prozessen beschworen hatte. Er gab an, er habe sich nur aus Eitelkeit den Doktortitel beigelegt. Das Gericht verurteilte ihn zu drei Monaten Gefängnis, lehwe eine Bewährungsfrist ab, rechnete ihm aber zwei Monate linier suchungshaft an. Er blieb aber in Haft.
Bergsturz. Aus Doberdo trifft in Görz die Nachricht von einem gewaltigen Bergrutsch ein. Ein Bergvorsprung über Doberdo ist durch die starken Regengüsse der letzten Tage gelockert worden und verschüttete beim Sturz mehrere Barsch, und Bauernhäuser. Weitere Bergrutschungeu werden benirch- tet. Die bedrohten Bauernhäuser sind bereits geräumt morden. Nach den bisherigen Meldungen sind keine Opfer an Menschenleben zu beklagen.
Stiergesecht für die deutsche Not. Am Sonntag, den »: November, wurde von der Stadt Mexiko auf dem Chaputepec- Platz ein Stiergesecht zugunsten der notleidenden .Kinder ,« Deutschland veranstaltet. Von deutschfreundlichen Hacienda- Besitzern waren Stiere besonders edler Zucht unentgeltlich znr Verfügung gestellt worden. Mehrere Militärkapellen wirkt« nrit, und obgleich «die französische Kolonix eifrig gegen das Unternehmen arbeitete, war die Beteiligung aus allen Schicht« der Bevölkerung so groß, daß ein bedeutender Betrag für de Hilfeleistung einging.
Untergang eines deutschen Dampfers. Der Dampfer ,,Düsseldorf" der deutsch-australischen Dampsichissahrtsgesellschä», der erst kürzlich in Dienst gestellt wurde, ist bei Quinteros m der Westküste Südamerikas auf einen Felsen aufgelaufen. DaS Schiff wird als verloren betrachtet. Passagiere und Mannschaft landeten in Valparaiso.
Handel und Verkehr.
Stuttgart, 12. Dez. (Börsenbericht.- An der Effektenbörse wird imm->r noch viel Material zum Kauf angebolen und die Neigung zur Schwäche besteht fort. Es notierte» von Banken: W. Hypotheken!», minus 0,5 (2), W. Notend. 70 (unv.), W. Vereinsb. min. 0,75 (3); von Brauereien: Ravensburg min. 0,5 (2,1), Eßlingen min. 1 (3), Rettenm - Tivoli plus 2 (10), Rottweil Pfauen pl. 1 (8), W. Hohenz. min. 1,5 (8,5), Wulle pl. 1.1 (6,1); von Textilwerte»: Erlangen min. 2 (10), Unterhauien minus 5 (25), Bietigheim 45 (unv.). Kolb u. Schule 15 (unv.), Pfersee 25 (unv.), Kottern pl. 2 (30), Kuchen pl. 7 (27), Eßlingen 30 (unv.),
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dem Kopfe wackelnd, und fistelte: „Be — be de be — zahlen Sie Ihre Schulden, Herr Leutnant, da — da das ist gu — gut gesagt, gut gesagt."
„Stehen vier Mann auf," sagte jener ruhig, „und führen die Arrestanten aus die Wache! man soll sie augenblicklich scharf einsperren: in drei Tagen wollen wir vorläufig sehen, ob sie ausgeschlafen haben. Werft ihnen die Mäntel über und gebt ihnen die Hosen auf den Arm. Marsch!"
„Die Ho Ho Ho — die Ho — Hosen." schrie Ruckstuhl, „die brauchen wir; da — da fällt noch wa — wa — was raüs, wenn man sie schüttelt!"
„Ra — ra raus, wenn man sie sch — schüttest, Herr Leutnant!" wiederholte Spörri. und beide schwangen die Beinkleider herum, daß die Taler darin erklangen. So zogen sie mit ihrer Begleitung lachend und lärmend durch die Gänge, die Treppe hinunter und verschwanden bald in einem kellerartigen Raume des Erdgeschosses, worauf es stille wurde.
Am folgenden Mittag wurde bei Meister Frymann der Tisch ungewöhnlich reich gedeckt. Hermine füllte die geschliffenen Flaschen mit Sechsundvierziger, stellte die glänzenden Gläser neben die Teller, legte schöne Servietten darauf und zerschnitt ein frisches Brot aus der Bäckerei zur Henne, wo ein allherkömmliches Gastbrot gebacken wurde, das Entzücken aller Kinder und Kaffeeschwestern von Zürich. Auch schickte sie einen sonntäglich geputzten Lehrling zum Pastetenbeck, die Makkaronipastete und den Kaffeekuchen zu holen, und endlich stellte sie auf einem Seitentischchen den Nachtisch zurecht, die Hüpli und Offleten, das Gleichschwer ' und die Pfafsenmümpfel oder den Gugelhupf. Frymann, der durch die schöne Sonntagslust angenehm erregt war, entnahm aus diesem Eifer, daß dis Tochter seinen Plänen keinen ernstlichen Widerstand leisten wolle, und er sagte vergnügt zu sich selbst: So sind sie alle! Sobald eine annehmbare und bestimmte Gelegenheit an sie herantritt, so machen sie kurz ab und nehmen sie beim Schopf! j
Nach alter Sitte war .Herr Ruckst»hl auf Punkt Zwölf;
geladen. Als er ein Viertel nach Zwölf nicht da war, sagst Frymann: „Wir wollen essen; man muß den Musjö beizeiten an Ordnung gewöhnen!" Und als er nach der Suppe noch nicht kam, rief der Meister die Lehrlinge und die Magd herbei, welche heut' allein essen sollten und teilweise schon fertig waren, und sagte zu ihnen: „Da eßt noch mit, wir wollen das Zeug nicht angaffen. Haut zu und laßt es euch schmecken, wer nicht kommt zur rechten Zeit, der soll haben, was übrig bleibt!"
Das ließen sich die nicht zweimal sagen und waren fröhlich und guter Dinge, und Hermine war am aufgewecktesten und empfand um so besseren Appetit, je verdrießlicher und unlustiger der Vater wurde. „Das scheint ein Flegel zu sein>" brummte er vor sich hin; sie hörte es aber und sagte: „Gewiß hat er keinen Urlaub bekommen, man muß ihn nicht voreilig verurteilen!"
„Was Urlaub! Verteidigst du ihn schon? Wie wird der keinen Urlaub bekommen, wenn es ihm darum zu tun ist?"
Aeußerft unmutig beendigte er di« Mahlzeit und ging sogleich und gegen seine Gewohnheit auf ein Kaffeehaus, nur um sich nicht mehr von dem nachlässigen Freier antreffen zu lassen, wenn er endlich käme. Gegen vier Uhr kehrte er, statt wie gewohnt seine Sonntagsgesellschaft, die sieben Männer, aufzusuchen, nochmals zurück, neugierig, ob Ruckstuhl sich nicht gezeigt habe? Als er durch den Garten kam, saß Frau Hediger mit Herminen, da es ein warmer Frühlingstag war, im Gartenhaus, und sie tranken den Kaffee und aßen di« Pfafsenmümpfel und den Gugelhopf und schienen sehr aufgeräumt. Er begrüßte die Frau, und obgleich ihr Anblick ihn wurmte, srug er sie sogleich, ob sie nichts aus der Kaserne wüßte, und ob vielleicht die Schützen einen gemeinsamen Ausflug gemacht hätten."
„Ich glaube nicht," sagte Frau Hediger, „am Morgen sind sie in der Kirche gewesen, und nachher ist Karl zum Essen zu uns gekommen; wir hatten Schafbraten, und den läßt er nie ini Stich!"
„Hac er nichts von Herrn Ruckstuht gesagt, wo der hin sei?" (Fortsetzung folgst.