Dienstmädchen überfallen. Unter ständiger Bedrohung verlangten die Einbrecher — ein Mann und eine Frau, die auch ein verkleideter Mann gewesen sein kann — von dem Dienstmädchen die Herausgabe des Silberzeuges ihrer Herrschaft, die seit einiger Zeit verreist ist. Nach der Angabe des Mädchens, daß ihre Herrschaft das Silberzeug mitgenommen habe, steckten die Einbrecher ihm einen Knebel in den Mund und verschwanden. Am Sonntag vormittag wurde das Mädchen vom Hausbesitzer vorgefunden. Zwei Wochen vorher wurde in dem gleichen Hause ein Einbruchsversuch unternommen. Die Täter sind unerkannt entkommen.
Freiburg i. Br., 1. Aug. Während der Nacht wurde die bekannte Witwe des ehemals Fürstenbergischen Kammerpräsidenten Danzer ermordet und beraubt. Der Tat verdächtig ist das seitdem verschwundene Dienstmädchen.
Vermischtes.
Der „Prophet" Häuser unter der Anklage des Betrugs.
Vor dem Schöffengericht Berlin-Mitte hatte sich letzten Samstag der „Apostel" Ludwig Häuser aufs neue dem Richter zu stellen. Er erhielt bekanntlich kürzlich in Oldenburg wegen Vergehens gegen das Gesetz zum Schutz der Republik eine Gefängnisstrafe von 1 Jahr 9 Monaten, die er gegenwärtig im Gefängnis zu Vechta verbüßt. Vor dem Berliner Gericht erschien er in „weltlicher" Kleidung, da er durch die Gefängnisordnung gezwungen war, seine Kutte abzulegen und sich auch dem Schermesser zu unterwerfen. Er ist gegenwärtig leidend und wurde von den ihn begleitenden Beamten gestützt. Häuser soll in einer Berliner Zeitung 3 Inserate seiner Vorträge auf- gegeben haben mit der Absicht, sie nicht zu bezahlen. Einer seiner Vertreter hatte die Bezahlung abgelehnt mit der Erklärung, daß Häuser überhaupt nicht zahh, denn er arbeite für die Ewigkeit. Der Angeklagte bestritt, die Absicht einer Täuschung gehabt zu haben, und das Gericht kam auch zu einer Freisprechung in diesem Falle. Dagegen wurde Häuser wegen Beleidigung zu 50 000 Mark Geldstrafe verurteilt. Häuser nahm das Urteil sofort an und wurde ins Gefängnis zurückgeführt, nachdem seine Anhänger und Anhängerinnen, die ihm bei feiner Ankunst auf dem Lehrter Bahnhof einen stürmischen Empfang bereitet hatten, von ihm rührenden Abschied genommen hatten.
Berliner Straßenbahnpreis. AL 1. August ist der Fahrpreis der Berliner Straßenbahn auf 10 000 Mark festgesetzt.
Stapellauf des „Dampfers Stuttgart". Bei schönstem Wetter lief Dienstag mittag auf der Stettiner Werft des Stettiner Vulkans „Bredow" der für den Nordamerikadienst des Norddeutschen Lloyd erbaute Doppelschraubendampfer „Stuttgart", ein Schwesterschiff des im Juni d. Js. in den Dienst gestellten Dampfers „München" glücklich vom Stapel. Als Vertreter der Stadt Stuttgart nahm Oberbürgermeister Dr. Lautenschlager am Stapellauf teil, der auch die Taufrede hielt. Der Norddeutsche Lloyd war von Präsident Heiuecken, Generaldirektor Stim- ming und anderen Mitgliedern des Aufsichtsrates und Vorstands vertreten.
Bei der Schwarzfahrt getötet. Im Auto eines Chemnitzer Fabrikanten, der sich zurzeit im Bade befindet, unrernahm ein Chauffeur eine schwarze Fahrt von Chemnitz nach Waldheim. Auf der Rückfahrt stürzte Las in einer Kurve bei Alrgerings- Walde scharf gebremste Auto über einen Sandhaufen in den Straßengraben. Die Insassen wurden sämtlich verletze. Einer davon, der Naturheilkundige Endler aus Chemnitz, erlitt so schwere innere Verletzungen, daß er alsbald starb.
Mit Weib und Kind in den Tod. Kinder vom Blankeneser Pflegeheim fanden im Walde des Falkensteins drei Personen in schwerverletztem Zustande. Es handelt sich um den Kaufmann Elias Haddach, Türke oder Grieche, aus Beirut, d-ssen Frau und einjährige Tochter. Die Familie wohnte zuletzt in Hamburg. Bei Haddach fand sich ein Zettel folgenden JnhalrS: „Durch Familienverhältnisse gezwungen, begehen wir Selbstmord, wir ziehen den Tod einem bitteren Leben vor."
Zehntausend Taschendiebe in Berlin! Nie ist die Zahl der Taschendiebe in Berlin so groß gewesen wie in diesem^ Sommer. Nach den Feststellungen der Kriminalpolizei halten sich in der Reichshauptstadt nicht weniger als 10 000 dieser Verbrecher auf. Meist stammen sie aus Galizien, Warschau, Wien oder Budapest. Obwohl die Kriminalpolizei bereits eine große Anzahl dieser Verbrecher hinter Schloß und Riegel gebracht hat, werden täglich neue Fälle gemeldet. Einer dieser Spezialisten, namens Weiß, der es trotz seines lahmen Annes verstand, den Besuchern der Rennbahnen die Wettkarlen aus der Tasche zu ziehen, konnte verhaftet werden.
Der Preis-Multiplikator der Bäder und Kurorte. Ter vom Reichsverband der deutschen Hotelbesitzer, dem Allgemeinen deutschen Bäder-Verband, dem Verband der Fremdenheime und
dem Verband ärztlicher Heilanstaltsbesitzer herausgegebene Preismultiplikator für Bäder und Kurorte wurde auf 42 000 erhöht.
Wie soll man junge Leute, die dis über die Ohren verliebt sind, von dem Sprung ins sichere Unglück einer Ehe bewahren? Da Liebe bekanntlich blind und keinen vernünftigen Erwägungen zugänglich ist, so werden die besten und verständigsten Gründe nichts nützen, sondern gerade das Gegenteil Hervorrufen. Man muß daher schon schlauer zuwege gehen. In einer englischen Zeitschrift, die über dieses heikle Unternehmen seine Leserinnen befragte, werden einige Antworten von Müttern mitgeteilt, die ihre Kinder von dem raschen Sprung in die Ehe glücklich cchzubringen wußten. „Meine Doris", schreibt eine dieser Mütter, „hatte sich in einen hübschen jungen Burschen verliebt, der so temperamentvoll war. Laß er es in keiner Stellung aushielt. Der Kaufmannsberuf widerstrebte seinem poctrfchen Empfinden. Er hielt sich für einen Künstler und wußte großartig von seinen Arbeiten zu sprechen, ohne daß man je etwas davon sah. Ich sagte nicht das Geringste gegen ihn, aber ich bat seine Mutter, Doris zu einem Besuch einzuladen. Als Doris sah, wie die arme alte Frau sich abmühen mußte, um für chren faulen Jungen das Brot zu beschaffen, wie sie unter seinen Ungezogenheiten litt, da stand ihr deutlich das Los der künftigen Frau dieses Tagediebes vor Augen, und sie war von ihrer Liebe vollkommen geheilt, als sie zu mir nach Hause zurückkehrte." — „Meine Ella hatte sich mit einem Mann verlobt, von dem ich sehr enttäuscht war", erzählte eine andere Mutter. „Ich hatte den Eindruck, Laß es nur ein Sommerflirt war und daß auch der Mann es nicht ernst meinte. Trotzdem blieben die beiden dabei, daß sie sich heiraten wollten, und ich wußte nicht, wie ich diesen Wahnsinn verhindern sollte. Als aber der Erwählte anfing, bei Uns zu verkehren, da fand ich den richtigen Weg. Ich merkte gleich, daß er sehr selbstsüchtig war. Ich empfing ihn also mit offenen Armen und sagte ihm, wie glücklich Ella sei. einen so starken, kräftigen Mann zu bekommen, der ihr alle Sorgen des Lebens abnehmen werde, denn sie selbst sei ja zart und unfähig, im Leben etwas Tüchtiges zu leisten. Nun werde sie von ihm in ein hübsches Heim gesetzt werden, schöne Kleider bekommen und mit all dem Luxus umgeben werden, den sie so sehr liebe. Ich merkte sofort, daß ihm diese Eröffnungen nicht gerade gefielen. Er bekam es mit der Angst zu tun, daß er sein Leben lang für eine anspruchsvolle Frau werde arbeiten müssen. Bald kam es zwischen ihm und Ella zum Zank; die Verlobung wurde aufgelöst, und Ella weiß heute noch nicht, wie cckles gekommen ist." — Eine dritte Mutter teilt mit, wie sie ihren Sohn vor einer unüberlegten Heirat schützte: „Wenn er sich in ein Mädchen verliebte, das nicht zu ihm patzte, dann sagte ich ihm immer, „ich sei überrascht, daß er sich so wegwerfe. Ich hätte immer gedacht, er würde ein Mädchen heiraten, aber nicht ein Mädchen ihn, und Las wirkte."
Große Hitze in Spanien. In ganz Spanien herrscht augenblicklich, so berichtet das „Journal", eine ganz außerordentliche Hitze. In Madrid verzeichnete man gestern 41 Grad im Schatten.
den Vulkan-Werken am 31. Juli folgendes Teleamw«
Handel und Verkehr»
Ungeheure Leverpreissteigerung. Auf dem Ledermarkt haben sich in den letzten Tagen Zustände herausgebildet, die in den Kreisen des Schuhmachergewerbes begreiflicherweise große Unruhe verursachen. Es wird nicht mehr möglich, den Anforderungen an den Ledermarkt zu genügen. Die Gerbereien verkaufen nur noch nach Dollarwährung. Dementsprechend muß auch das Schuhmacherhandwerk seine Preise festsetzen. Es kostet z. B. Sohlleder (reiner Kern) das Kilo 2,3 Mill. Mk., an der Haut 1.43 Mill. Mark, Boxkalf der Quadratfuß 446 OM Mk., Rindbox 300 000 Mark. Die Preise steigen täglich. Mit Uebergangspreisen ist nicht mehr auszukommen. Es wird anzuerkennen sein, daß, wenn eine halbe Haut sich auf 15 Millionen Mark stellt, das Schuhmacherhandwerk in eine sehr heikle Lage versetzt worden ist.
Neueste Nachrichten-
Stuttgart, 1. Aug. Staatspräsident Dr. Hieber, der einer an ihn ergangenen Einladung zur persönlichen Teilnahme am Stapellauf des neuen Dampfers „Stuttgart" der Vulkanwerfte in Stettin aus dienstlichen Gründen nicht Folge leisten konnte und dies dem Werk unter Beifügung der besten Wünsche für den Stapellauf brieflich mitteilte, ließ
gehen: „Zum Stapellauf des Dampfers „Stuttgart m mals meine besten Wünsche. Mögen dem Schiff „iest liche Fahrten beschiedeu sein und möge es in aller A die Schwaben von ihrer schönen Heimat grüßen!
Hieber, Staatspräsident
Stuttgart, 1 . August. Die Rentensätze und dungssummen für Kriegsbeschädigte sind derart uniM niedrig, daß es nicht verantwortet werden kann, sie ausiM zu erhalten. Im Verhältnis zu anderen, staatlicher Unt^ stützung teilhastigen Bevölkerungsteilen sind eben diejenW die den Dank des Volkes vor allein verdienen sollten schlechtesten gestellt. Ein solcher Zustand widerspricht'^ Empfinden der breitesten Volks kreise. Der Abg. Wider Mi fragt: Ist das Württ. Staatsministerium gewillt, bei Reichsregierung mit dem notwendigen Nachdruck auf endliche Besserung der Verhältnisse der Kriegsbeschädigte hinzuwirken?
Müucheu, 1. August. Der Landtag stimmte hm, über den Antrag betr. die bayrischen Eisenbahnen ab. h, Antrag der Demokraten wurde in seinem ersten Punkt, j, eine amtliche Nachprüfung und Untersuchung der Angch! der Denkschrift des volksparteilichen Abgeordneten Ratsch über die Bilanz der Verreichlichung der bayrischen Veitz anstalten fordert, angenommen. — Ferner wurde ein Ach Held (Bayr. Volkspartei) mit den Stimmen der KoM angenommen. In dem Antrag wird erklärt, daß die Ratz regierung sich durch die Umwandlung der Reichsbahn in ^ vom sonstigen Reichsvermögen losgelöstes SonderottMz, durch die Verpfändung der Reichsbahn ohne Zustinu» der bayrischen Staatsregierung außerhalb des StaatsmtH stellte. Die bayrische Staatsregierung wird ersucht, mit K Reichsregierung in Verhandlungen einzutreten, um die gestaltung des Rechtsverhältnisses der bayrischen Bahn» zu vereinbaren, die den außerpolitischen Notwendigkeiten i»! Reiches Rechnung trägt, die zur Wahrung der LebO interessen Bayerns unerläßliche Selbstständigkeit der batzüi- schen Bahnen gewährleistet.
München, 1. August. Der sächsische MiniftnprkW Zeigner hat den angekündigten öffentlichen Vortrag As „Nation und Wirtschaft" abgesagt, nachdem die Münchm bürgerliche Presse Zeigner als Redner wegen seiner schach Haltung gegen Bayern abgelehnt hatte.
Landau, 1. Aug. Der Betrieb des hiesigen Post- O Telegraphenamts ist am Montag von den Franzosen gesM worden. Als Grund dieser Maßnahme ist bekannt gegech worden, daß das Amt verbotene Zeitungen und Zeitschrift beförderte und Befehlen der Bssatzungsbehörde keine Fch! geleistet hat. Wie verlautet, soll der Zeitraum der Epech 8 Tage betragen.
Neuwied, 1. Aug. Die gestern von den Franzos« bei der Reichsbanknebenstelle in Neuwied beschlagnahm Summe beträgt etwa 40 Milliarden. — Die Franzosen h setzten gestern auch das Rassensteiner Eisenwerk, wo sie inj Widerspruchs der Werkleitung 17 Milliarden Lohnzelki beschlagnahmten.
Dortmund, 1 . Aug. Vom Militärpolizeigericht der?, Linirn-Division wurde gestern der Straßenbahnschasfm Hermann Waldenspicker zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt, weil er an einer Haltestelle vor einem französischen nicht gehalten hatte, obwohl sich der Offizier durch bemerkbar machte.
Esten, 2. Aug. Die Lage im Ruhrgebiet wird ernst«, Infolge der französischen Grenzbestimmungen wird du Grenzverkehr immer mehr beschränkt. Waren kommen m in geringen Mengen ins besetzte Gebiet. Infolgedessen haben sehr viele Geschäfte ausverkauft oder find geschlossen. Weiterhin wirkt die ungeheuerliche Markentwertung kav 'trophal. Die Preise werden täglich, wenn nicht stündlich, erhöht. Die Erwerbslosen stellen immer höhere Forderungen,
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Magnus Wörland und seine Erben
24
Roman von Günther von Hohenfels
„Magna?"
Es würgte ihm heiß in der KK'-v Nur daran nick! denken, nicht daran!
Aber seine Mutter!
Er wusch sich und zog sich ui:i. Der Koffer war ja zur Hand, und Geld hatte er auch.
Nicht viel. Ein paar hundert Mark hatte ihm der Onkel in der Eile zugesteckt, und die durfte er ruhig nehmen, denn sie entsprachen seinem redlich verdienten Gehalt. Leben also konnte er einige Tage, und dann natürlich? 5ns Ausland! Don ein paar hundert Mark! Er lachte.
Aber er ging hinunter und ließ sich starken Kaffee und Gebäck geben: denn er fühlte, wie schwach er war. Dann schrieb er an seine Mutter. Die arme liebe Mutter! Nein, sie glaubte ihm, sie sicher! Sie zweifelte nicht. Aber wenn er sie mit sich nehmen könnte in das neue Leben. —
Er ging auf die Straße, planlos, und doch in der Hoffnung, einen Gedanken zu fassen. Auf der Post lag sicher ein Brief vom Onkel. Die «weiteren Weisungen für seine Reise". Er fühlte, daß er diesen Onkel haßte. Er wollte den Brief gar nicht lesen und ging an der Post vorüber.
Aber wenn Magna geschrieben hätte?
Sofort packte ihn die Sehnsucht.
Natürlich hatte sie geschrieben! Sicher! Wie unrecht hatte er ihr getan. Sie wußte doch gar nichts, und er hatte auch sie schon lieblos gescholten. Er stürmte und drängte sich an den Schalter. Der Beamte suchte.
.Hier dieser eine Brief."
„Nur der eine?"
.Weiter ist nichts da."
Des Onkels Handschrift. Er ging nach dem Hotel zurück, er mutzte ihn lesen. Er enthielt j« sicher etwas von Magna!
Und er laS. LaS, wie ihn der Onkel prsisgab, las von Magna, und daß ec einsichtig sein «nd ihr daS übereilt gegebene Jawort zurückgeden solle. Kx lgHte lMt a^s. Kein
Wort von ihr selbst! Keine Zelle, nicht einmal ein Abschieds- grutz! Und wie hatte er sie geliebt! Wie hatte er an ihre Liebe geglaubt! Heiß stieg es in ihm auf, Groll, Verachtung! Waren das Menschen? Was hatte Magna von ihm gewollt? Weil er Magnus hieß? Oder weil sie den andern, den Vür- germeistersohn in Hamburg noch weniger mochte? Weil der ihr vielleicht ein zu selbständiger Mann war und er selbst ihr als das bequemste Spielzeug erschien? Deshalb hakte sie ihm eine Seele vorgespielt, die sie nicht besaß? Hatte in seinen Armen gelegen, hakte ihn geküßt. O, wie hatte er an ihre Liebe geglaubt: und nun?
Er wollte den Brief zerreißen, aber er tat es nicht. Er las ihn wieder und wieder und bekam einen bitteren, harten Zug in das Gesicht. Hunderttausend Mark schenkte er ihm, um ihn loszuwerden! Ihn, den Verbrecher! Soviel wert war es, ihn abzuschieben! Pfui! Er wollte wollte zur Bank und der Firma das Geld vor die Füße werfen. Unsinn! Was konnten die fremden Menschen dafür. Aber an den Onkel wollte er schreiben. Er setzte sich nieder und schrieb, schrieb, wie eS ihm um das Herz war, voll Verachtung und Schmerz und ehrlichem Zorn, so wie es ihm sein gutes Gewissen diktierte. Und dann schloß er damit, daß er das Geld zurück- wies: er wollke es nicht!
Und dann schrieb er an die Staatsanwaltschaft in Bremen. Daß er unschuldig sei, daß er nicht freiwillig geflohen, daß sein Onkel ihn dazu gezwungen, daß er bereit sei, zurückzukommen und sich zu stellen.
Er steckte die Briefe ein und ging wieder fort. Er war am Hafen und sah die Schiffe. Ein großer Dampfer wurde beladen! stattlich und majestätisch stand er da, Niesenmassen verschwanden, von starken Kranen und Winden gehoben, in seinem Bauche. Aus den Hellen Schornsteinen kräuselte sich leichter Rauch. Unwillkürlich trat er heran: .Königin Wilhelmine' stand vorn in leuchtender Farbe. Er fragte einen Herrn, der die Ladung beaufsichtigte:
.Wo geht das Schiff hin?"
Der Mann sprach deutsch.
.Buenos Aires".
.Wann fährt es
.Uebermorgen".
.Verzeihen Sie, wo kaust man Billette?"
Der Mann sah ihn einen Augenblick prüfend an, dann nannte er ihm die Adresse der Schiffsagentur.
MagnuS ging weiter. Auf einmal hakten seine Gefühle einen andern Weg genommen. Der Dampfer da ging hinaus, hinaus aus der Enge der Heimat. War er nicht ein Tor? Zurückreisen? Sich stellen? War es nicht eines Phantoms wegen! War es nicht genug, daß er wußte, daß er unschuldig war? Was sollte er daheim, selbst wenn alles sich klärte? Bom Onkel Almosen nehmen? Irgend eine untergeordnete Stellung ankreten, wo doch an seinem Namen etwas haften blieb? Magna Wiedersehen?
Er blickte sich um. Wie der Dampfer lockte!
Er ging nach der Schiffsagentur.
«ckr auf der „Königin Milhelmine" noch Platz?
.Welche Kajüte?"
„Wie sind die Preise?"
.Kennen Sie die Bedingungen?"
.Ich kenne nichts und bitte um Aufklärung."
„Sie müssen einen rechtsgültigen Auslandspaß von der deutschen Regierung haben, ferner ein Führungsattest von Ihrer Zeimatsbehörüe, aus dem hervorgehk, daß Sie während der letzten fünf Jahre nicht gegen die gesellschaftliche Ordnung verstoßen haben, nicht mit Gefängnis bestraft wurden, geistig normal sind und nicht der öffentlichen Wohltätigkeit zur Last fielen. Diese Papiere müssen ordnungsgemäß von dem argentinischen Konsul Ihrer Heimakssiadk visiert sein, und außerdem müssen Sie sich bei dem holländischen Konsul die Einreiseerlaubnis bestätigen lassen."
.Und wie teuer sind die Fahrkarten?"
.In der ersten Kajüte tausendzwanzig Gulden, tm Zwischendeck hundertachzig G»lden holländischer Währung.
„Ich danke Ihnen."
^ E»rtsoh«a, folgte