76. Amts- und Anzeige!
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«rschkimmgStagr: »i«n«tug, Lonn-rLtag, Samstag, Tonntag. JnsertionSpr.-uS 10 Pfg. pro Aktie für Stadt und Bqt-Äort»; außer Bezirk ir Äfg.
Dienstag, Sen 16. Mai 1905.
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Tagesnesigkeite«.
-r. Calw. An dem gestrigen Ausflug des hiesigen Schw arzwaldveretns beteiligten sich 12 Damen und 21 Herren. Wohl war der Morgen kühl und der Himmel anfänglich trübe, aber zum Wandern war das Wetter das geeignetste, und mangelte auch der Helle Sonnenschein, so bot das durchwanderte, an landschaftlichen Schönheiten reiche Gebiet, bei dem Fcühlingsschmuck der Natur doch unvergleichliche Reize. Morgens 7 Uhr marschierten die 13 Teilnehmer an der Tagestour (worunter 1 Dame) von hier ab; gewählt wurde nicht der nächste, sondern der an Schönheiten reichste Weg, und so gingS über die Schtllsrhöhe ins Schweinbachtal, durch das Felsenmeer und über Schömberg zum Langenbrander und Engelsbrander Ausfichtsturm, bei welchem zur selben Minute gegen 2 Uhr die 20 Teilnehmer der Halbtagstour eintrafen. Diese letzteren hatten die Bahn bis Unterreichenbach benützt und waren über Grunbach zum Sammelplatz gekommen. Hier, mitten im Hochwalde, lagerten sich die glücklich Vereinigten und ließen sich ein Rucksackoesper trefflich munden. Nun führte der Weg weiter auf der Höhe zwischen der Enz und der Nagold, dem letzte« Ausläufer des Schwarzwaldes, der nach beiden Teilen prächtige Ausblicke bietet, über Büchenbronn und den Wafferturm nach Pforzheim, das gegen 5 Uhr erreicht wurde. Im Gasthof z. Kaiserhof fand die Gesellschaft eine gute Aufnahme und es entwickelte sich hier bald eine recht frohe Stimmung. Um 9 Uhr brachte das Dampfroß die von den Erlebnissen des Tages hochbefriedigten Ausflügler wieder in die Heimat zurück.
8 Calw, 15. Mat. Am Sonntag und Montag, de» 21. und 22. Mai, wird der württem- bergische Fischereitag in Ulm abgehalten. Die Eröffnung findet Sonntag vormittags 11 Uhr im Saalba« in Ulm statt; nachmittags 2 Uhr Festessen im Saalbau. Anmeldungen für Quartiere und Essen find bis 17. Mai an Fabrikant Wilhelm Braun in Ulm zu richten.
Liebenzell, 12. Mai. Auch in hiesiger Gemeinde wurde das Gedächtnis des 100jährigen Todestags unseres großen Dichterfürsten Schiller in durchaus schöner und würdiger Weise gefeiert. Am Vormittag des 9. Mai fanden in dm Schulen die Schillsrfeiern statt, bei welchen von Setten der Gemeinde sämtlichen Schülern das Mosapp'sche Schillerbüchlein geschenkt wurde. Gestern vormittag wurde in Anwesenheit der Geistlichen, der bürgerlichen Kollegien und der Lehrer mit ihren Schülern auf dem sogen. Platz eine Schillsrlinde gesetzt, wobei Stadtpfarrer Weit brecht eine zu Herzen gehende Weiherede hielt und die Schüler nach Absingen einiger Lieder durch ein Schillerbüchlein erfreut wurden. Der Platz, den dis Linde schmückt, wird künftig den Namen Schillerplatz führen. Abends fand in dem mit der Schtllerbüstc geschmückten Saale des Gasthofs zum „Hirsch" eine zahlreich besuchte Schillerfeter statt. Nach einer Begrüßungsansprache des Stadtschultheißen Mäulen schilderte Stadtpfarrer Marquardt in einem trefflichen Vortrag Schillers Leben und Wirken und versuchte die Herzen der Anwesenden dem Verständnis der herrlichen Geistsswerke von Schwabenlandes größtem Dichter zu öffnen. Die gut gelungenen Vorträge des Liederkranzes, sowie di; meisterhaft ausgeführten Musikstücke auf dem Klavier und der Violine durch Schullehrer Haug und Schulamtsverweser Deschler und Borträge von Schiller'schen Gedichten umrahmten die Feier und fanden reichen Beifall. Znm Schluß dankte Herr Stadtschulthetß Mäulen im Namen der Anwesenden allen Mitwtrkenden in warmen Worten für den genußreichen Abend. Möge diese wohlgslungene Feier noch lauge im Geiste aller Teilnehmer fortleben.
Unterreichenbach, 14. Mai. Bei einer Rauferei hat sich einer der Streitenden gegen dm abwehrmden Wirt gewendet und auf dessen Kopf ein schweres Bterglas zertrümmert. Der Wrt wurde schrecklich zugerichtet. Seine vielen Wunden mußten vom Arzt genäht werden.
Stuttgart, 10. Mai. Sonntag vormittag war ein Schlosser in seiner Wohnung in der Böb-
linzerstraße mit Löten beschäftigt. In seiner übergehenden Abwesenheit nahm sein V« Jahre alte! Kind einen in Salzsäure getauchten Holzspan in den Mund und zog sich dadurch eine Vergiftung zu. Obgleich das Kind alsbald in ärztliche Behandlung genommen wurde, hat sich dessen Zustand verschlimmert, so daß es später in die Olgaheilanstalt verbracht werden mußte, und dort gestorben ist.
Stuttgart, 13 Mai. Die Kammer der Abgeordneten füllte den größten Teil ihrer heutigen Sitzung, in welcher der Kultusetat weiterberaten wurde, mit einer Debatte über die Verhältnisse unserer Gymnasien aus, in deren Verlauf Kultusminister v. Weizsäcker auf die Ausführungen des Berichterstatters vr. Hartranft, des Vizepräsidenten vr. v." Kiene, des Abg. v. Nieder und des Prälaten v. Wittich ausführte, daß die Unterrichtsverwaltung vorsichtig, aber doch liberal das Neue auf dem Gebiet der Schule prüfe, wie denn auch in den letzten 20 Jahren Fortschritte gemacht worden seien; der UeberbürdungSfrage der Schüler durch Hausaufgaben sei die Unterrichts- Verwaltung näher getreten. Unsere Ferienzeit sei für den Gesundheitszustand anerkanntermaßen sehr günstig; immerhin komme unsere Jagend in den Städten zu wenig in die freie Luft. An ein vollständiges Aufheben der Hausaufgaben sei nicht zu denken; denn sie seien unentbehrlich, wenn man den wissenschaftlichen Charakter deS Unterrichts beibehalten wolle. Die Bewegung im Freien müsse in bestimmte Bahnen geleitet werden, deshalb habe er probeweise an einigen Anstalten für diesen Sommer obligatorische Turnspiele angeorduet. Bezüglich eines einheitlichen Schulbeginns sei es zu keiner Einigung mit den übrigen Bundesstaaten gekommen, mit denen Verhandlungen darüber geführt worden seien. Er halte mit Rücksicht auf die Hochschulen den Beginn der Schulen im Herbst für das richtige; einer Anregung v. Kienes folgend, erklärte sich der Minister bereit, den Schulbeginn vom 1. November bis 1. März auf '/,9 Uhr feftzusetzen. vr. Hieb er bezeichnet« die Klagen über das Uebermaß von Hausaufgaben als übertrieben und
Der Spion.
Historischer Roman aus der Geschichte des heutigen Rußlands von Julius Gro sse.
(Fortsetzung.)
„DaS erklärt sich ja alles von selbst," sagte der Alte. „Dmkm Sie doch, Sherwood ist hier seit drei Tagen — ja wohl, der Herr Kapitän sind hier. Er ist gekommen mit allem Pomp, um seine Gemahlin zu holen. Mit vier Pferd en ist er angefahren, wie ein kleiner Fürst. Alle Hochachtung, Herr Oberst, dar ist ein Mann geworden, ein großer Mann !"
Mir schien es beinahe barock, daß der Abenteurer es so buchstäblich wahr gemacht, wenn eS nicht ein neuer Schwindel war. Eine närrische Welt das! Also Sherwood hier — nach alledem und trotz alledem — unglaublich!
Aber der alte Herr fuhr fort: „Ja denken Sie, er ist vollständig versöhnt mit seinem Schwiegervater. Das sagt nicht alles. Herr von Uschakoff ist stolz darauf, solchen Mann seinen Eidam zu nennen. Zwar, auch wenn er nicht wollte er würde müssen, auf Befehl de- Kaisers. So ist eS, versteh' eS ein Anderer! Als armer Teufel ist er einst geflohen aus Tarussa, dann war er lange Freiwilliger und Unteroffizier — ich weiß e« von ihm selbst — aber schon seit Ostern ward er Fähnrich im Leibregiment der Gardedragoner, und jetzt ist er schon EtabSkapitän. So ist er wieder gekommen, geadelt vom Kaiser und überhäuft mit Gnade» — eine glänzende Karriere, nicht wahr, Herr Oberst? Und da» ist noch nicht alle» l Er muß sich außerordentliche Verdienste erworben haben. Denken Sie: Se. Majestät hat ihn mit einem besonderen Beiname» dekoriert. Er heißt
Sherwood-Wierny. Sherwood der Getreue. Und dann seine Ehe — ich sagte eS wohl vorher schon, feine Vermählung ist dem Kaiser bekannt geworden, und auf Befehl Seiner Majestät, auf ausdrücklichen Befehl ist Herr von Uschakoff, man darf nicht sagen gezwungen, aber veranlaßt worden, den armen Ausländer al» seinen Schwiegersohn und Erben anzurrkennen. WaS sagen Sie dazu? Morgen ist der erste feierliche Kirchgang mit seiner Frau, und die ganze Familie wird dabei das heilig« Abendmahl nehmen, gleichsam als Akt der Versöhnung, den man will anstatt einer neuen Einsegnung; so wünscht es Frau Nadjeschda, und Herr von Uschakoff sagt zu allem Ja. Ganz natürlich, man fragt ihn gar nicht weiter. Nun, Sie werden ja selbst dabei sein."
Mir klangen die Worte deS redseligen Alten so abenteuerlich, wie ein morgenländisches Pärchen. Aber wer da weiß, wir rasch und wunderbar gerade in Rußland schon glänzende Crrrieren gemacht wurden — man braucht nicht an den Pastetenbäcker Menschikoff und an den Stallknecht Biron und andere Ausländer zu denken — der konnte auch das begreiflich finden. Gedachte ich freilich daran, welcher Natur die Verdienste waren, denen der Denunziant sein Glück dankte, so war er wenig beneidenswert, und daß diese Verdienste jedenfalls den Seinen ein Geheimnis geblieben und auch künftig bleiben mußten, dar legte sich doch wie ein Wolkenschleier über dieses sonnige GlückSbild.
„Sie haben also Sherwood kennen gelernt," sagte ich. „Was halten Sie von ihm?"
„Wie meinen Herr Oberst?" erwiderte der Geistliche. „Ich kannte ihn ja schon früher, aber ich will «S eingestehen, ich habe ihn damals verkannt, al« er noch Lehrer war, oder vielmehr, wir haben un» eigentlich gar nicht gekannt.