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kreisen hervorgerufen, welche sich in zwei energischen Eingesandt, die allen drei Zeitungen zugingen, Lust machte. Durch diese Eingesandt und zwei weitere Artikel im Pforzheimer Stadt. Tagblatt sah sich Eichhorn als Politiker und Reichstags- bezw. Landtagsabgeordneter so schwer gekränkt, daß er die Klage erhob und, wiewohl er das als „Zeitungsmann" bedauerte, als „Beleidigter" den Zeitungen die Wahrung berechtigter Interessen bestritt, weil das Reichsgericht den Grundsatz aufgestellt habe, daß berechtigte Interessen nur mit speziellem Mandat wahrgenommen werden könnten. Der Vertreter der Beklagten, R.A. Brombacher, wies mit Recht darauf hin, daß die Zeitungen nur der erregten Stimmung Aufnahme gewährten, daß die sozialdemokratische Presse und Agitatoren sich das Recht herausnehmen, viel schärfer zu kritisieren, und beantragte mindestens für Generalanzeiger und Pforzh. Anzeiger Freisprechung. Das Gericht sah aber in verschiedenen Aeußerungen formelle Beleidigungen.
Mainz, 17. März. In Nackenheim gaben gestern Burschen, die zur Musterung gewesen waren, einem 6 Jahre alten Kinde so viel Schnaps zu trinken, daß es noch in der Nacht verstarb.
Berlin, 17. März. Anläßlich der V er - mählung des Kronprinzen soll eine M e - daille geprägt werden, die die Bildnisse des Kronprinzen und der Herzogin Cäcilte zeigt.
Berlin, 17. März. Nach Meldungen deS Generals v. Trotha vom 15. ds. stieß Hanpt- mann v. Koppy am 10. abends am Südausgange der Schluchten von Nurudas auf die Banden von Morris und stürmte die feindlichen Stellungen. Am 11. dS. vormittags ging die Abteilung des Majors v. Kawptz am Nordausgange der Nurudas-Schluchten auf SturmannS Werft vor und warf den Feind zurück. Beide Abteilungen näherten sich bei Fortsetzung deS Vormarsches einander, wobei die Abteilung Kamptz zahlreiche vor Koppy flüchtende Feinde unter Feuer nehmen konnte. Am Abend deS 11. wurde die gegenseitige Signalverbindung gewonnen. Verluste des Gegners schwer. 700 Stück Großvieh, 6000 Stück Kleinvieh, 50 Pferde und 5 Wagen erbeutet. Diesseits 1 Reiter gefallen, 8 Reiter schwer, 2 Offiziere nnd 3 Reiter leicht verwundet. Die Abteilung des Hauptmanns Kirchner stieß am 10. ds. beim Vormarsch von Norden her auf eine gut verschanzte Stellung, die unter großen Verlusten unsererseits gestürmt wurde. Diesseits gefallen 2 Offiziere, 7 Unteroffiziere und Retter; leicht verwundet 2 Offiziere, 16 Unteroffiziere und Reiter; vermißt 2 Reiter. Einer der am 10. ds. bei KofiS gefallenen Offiziere ist der Hauptmann Karl Kirchner, früher im Neumärkischen Feldartillerie-Regiment Nr. 54.
Tonlon, 17. März. In einem hiesigen Cafe explodierte gestern ein Acetylen - Beh älter, wodurch die beiden Eigentümer des Cafes getötet und 12 Gäste verletzt wurden. Das Cafe wurde vollständig demoliert.
Rom, 17. März. Die Ankunft des deutschen Kaisers in Taormina wird am 26. ds. MtS. erfolgen. Es wurde eine direkte Telegraphenleitung von Taormina nach Berlin gelegt. Allenthalben werden Vorkehrungen getroffen, den Kaiser würdig zu empfangen.
Sr« loMlsch-msßschtii triez.
Petersburg, 17. März. Ein aller- höchsterUkaS enthebt heute den General Kuropatkin aller seiner Funktionen als Oberkommandierender. An seine Stelle tritt General Linje witsch. Der Zar hat damit dem Drängen der Partei nachgegeben, welche für Fortsetzung des Kriege S eintritt.
Petersburg, 17. März. Nach den gestrigen offiziellen Meldungen Kuropatkins hat bet Tteling kein weiterer Kampf stattgefunden. Die Russen rücken nach Norden zu weiter, indes wohl kaum bis Chardin, das 400 Werst entfernt ist. Der vorläufige Marsch dürfte nicht weiter als 60 Werst nördlich von Tieling gehen. Von Charbin sind bereits Verstärkungen unterwegs. Auf ernste Zusammenstöße ist vorläufig nicht mehr zu rechnen, da die Japaner nördlich von Tieling die Verfolgung nicht so rasch fortsetzen können, da Proviant nicht so schnell herbeizuschaffen ist. Von der Einnahme Tielings durch die Japaner ist hier nichts bekannt.
Petersburg, 17. März. Die Ereignisse überstürzen sich. Einzelheiten über die gestern erfolgte Besetzung Tielings durch die Japaner find noch nicht bekannt. Es wird nur berichtet, daß ein von den Russen besetztes Dorf von den japanischen Granaten in Brand gesetzt wurde, worauf Kuropatkin wiederum gezwungen war, bedeutende Vorräte und Bagage zurückzulassen, die verbrannt wurden. Außerdem soll er 80 Geschütze verloren haben. Die Zahl der Toten und Verwundeten belief sich auf 10000 Mann.
Petersburg, 17. März. Die 120000 Mann frischer Truppen, welche teils in Charbin eintreffen, teils dahin unterwegs sind, verspäteten sich um 14 Tage wegen einer ernsten Störung auf der Bahnstrecke. Oyama hatte von dieser seine Operation wesentlich begünstigenden Unterbrechung Kenntnis.
London, 17. März. MarschallOyama und sein Stab zogen, wie aus General OkuS Hauptquartier gemeldet wird, vorgestern durch das Südtor in Mukden ein. Viele bei Mukden lagernden Truppen bildeten mit den zerfetzten Fahnen in den Straßen Spalier. Die chinesischen Beamten begrüßten Oyama und Tausende Chinesen waren auf den Straßen. Die öffentlichen und viele andere Gebäude waren geschmückt. Tausende von japanischen Fahnen wurden gehißt.
vermischtes.
— Auch aus einer „kleinen Garnison". In der heereSfeindltchen Presse wird bekanntlich jeder Fall einer Soldatenmißhandlung in ungebührlicher Weise aufgebauscht und verallgemeinert, selbstverständlich weniger aus Sorge um deS Heeres Tüchtigkeit, sondern um die Groschen derer einzuheimsen, die nur derartiges lesen wollen. Umsomehr darf man sich freuen, wenn aus gelegentlichen kleinen Vorkommnissen hervorgeht, daß jenes Vertrauensverhältnis nicht ganz rettungslos zerstört ist. Ein solches scheinbar unbedeutendes Vorkommnis, das aber doch als ein erfreuliches Zeichen gelten darf, schildert eine Zuschrift der „Straßburger Post" aus der kleinen elsäßischen Garnison Bischweiler also: „Heute Nachmittag verließ Leutnant Sohn von der hiesigen Abteilung des unterelsäßischen Feldartillerieregiments Nr. 67, ein Sohn des Senatspräsidenten am Oberlandesgericht in Colmar, unsere Stadt, um sich nach dem Truppenübungsplatz in Münster und mit dem Transport am 28. Februar zur Schutztruppe nach Südwestafrika zu begeben. Im Offizterskafino fand vorher eine einfache, aber sehr herzliche Abschiedsfeier statt, an der außer den Offizieren und Beamten der Abteilung Freunde deS Scheidenden aus bürgerlichen Kreisen, in denen sich Leutnant Sohn ebenfalls großer Beliebtheit erfreute, tetlnahmen. Als Leutnant Sohn dann in der schmucken Uniform der Schutztruppe das Kasino verließ, spielte die Musik „Muß t denn, muß t denn zum Städteli hinaus", und zu seiner Ueberraschung hatten seine sämtlichen Rekruten vor dem Tor Aufstellung genommen, um ihm ein dreimaliges Hurra zuzurufen. Es war ein ergreifender Anblick, als Leutnant Sohn jedem seiner Rekruten die Hand zum Abschiede reichte; gar manchem der jungen Soldaten standen die Tränen im Auge, als sie von „ihrem" Leutnant Abschied nahmen. Mehrere von ihnen haben sich ohne Aufforderung freiwillig zur Schutztruppe gemeldet und gebeten, mit ihrem Leutnant nach Afrika ziehen zu dürfen. Das gesamte Offizierkorps gab dem Scheidenden bis zum Bahnhof das Geleite. Als der Zug abfuhr, hörte ich aus den zahlreich hinter der Bahnsperre versammelten Leuten aus dem Volke eine schlichte, ältere Frau die einfachen, aber vielsagenden Worte äußern: „Ich Han e au gekennt; es ische gar örtlicher Herr gefinn!" (Kyffh. K.)
— Im Zirkus zu Warschau auf der Ordinackastraße führte, wie man dem Berl. Tageblatt schreibt, ein Klown einen dressierten Esel vor. Nachdem Grau'chen verschiedene Kunststücke gezeigt, sollte es auch exerzieren. Auf das Kommando „Vorwärts" konzentrierte der Esel sich aber rückwärts. Je mehr der Dresseur „Vorwärts" rief, desto mehr eilte das Tier zurück. Darauf rief der Klown: „Aha, ich merke, du bist Kuropatkin!" Dieser Scherz rief ein ungeheures Gelächter und einen stürmischen Beifall hervor. Auf polizeilichen Befehl wurde der Zirkus geschloffen und der Klown verhaftet.
„Halte dich treu, mein Sohn: so lange ich lebe, stehst du in meinem Schutz, denn ich glaube dir. Versuche denn dein christliches Werk in deiner Weise, ob du die Betörten von ihrer Bahn ablenken kannst."
„Aber Majestät," rief abermals der Graf, „wollen Sie bedenken —"
„Kein Bedenken mehr, Graf," sagte der Kaiser. „Wie oft schon, istS mir auch heute, als ob ein lichter und ein düsterer Engel an meinem Pfade ständen. Sollen wir die Strenge erwählen, um Milde und Langmut nur dem höchsten Richter zu überlaffen? Nein, ich will noch einmal dem lichten Genius meines Lebens folgen, so tief mich auch die Wunde schmerzt, die mir der Undank geschlagen. WärS nur Undank allein, ich will nicht fragen, ob die Unzufriedenen doch nicht gerechte Ursache hatten."
„Und er fuhr in leiserem Tone und in französischer Sprach« fort: „Es ist wahr, Graf Araktschejef, Ihnen zuliebe habe ich manche Beschwerden beiseite gelegt. Es könnte aber dennoch die Stunde kommen, wo ich Sie fragen müßte, ob alle jene Maßregeln der Strenge unabwendbar gewesen, ob sie notwendig waren, um mir den Fluch meiner Völker aufzuladen. Ich fürchte, Sie sind mehr als einmal nicht mein lichter Engel gewesen, und ist eine Katastrophe unausbleiblich, so tragen Sie allein die Verantwortung."
„Majestät," erwidert« der Graf mit vollkommenster Selbstbeherrschung trotz unverkennbarer Bestürzung. Auf solche Sprache müssen auch die treuesten Diener der Monarchen gefaßt sein. Soll ich mich wiederholt verteidigen? Majestät verlangen daS nicht. Aber wenn eS zum Heil Rußlands, wenn es zur Sicherheit Ihrer geheiligten allerhöchsten Person dient, so entlassen Sie mich!"
„Der Kaffer stand eine Weile schweigend vor dem Minister. Vielleicht zum erstenmal« schien er sich aufgerafft zu haben gegen seinen Tyrannen, aber diese Anstrengung ertrug er nicht lang« und sank wieder in seine Apathie zurück.
Dann reichte er dem Grafen die Hand, sagt« mit gütigem Tone: „Vielleicht war mein Wort zu herb, Graf, dann vergeben Sie mir. Gott allein prüft die Nieren und kennt die Herzen. Mag er über das richten, was unserer unzulänglichen menschlichen Einsicht entgeht. Kommen Sie,, vielleicht finden wir Trost und Erleuchtung im Gebet. Begleiten Sie mich in das Alexander-Newski Kloster. Diesen Mann aber lassen Sie auf seine Stelle zurückkehren und geben Sie ihm alle Mittel zur weiteren Wirksamkeit und zur Überwachung der Unbesonnenen."
„Noch einmal blickte er mich an und fügte hinzu: „Du aber, mein Sohn handle nach bestem Wissen und Gewissen als ein Christ. Wenn du das Verbreche» verhindern kannst in Güte, so will ich dich segnen. Brauchst du stärkere Mittel, so wmde dich an den Grafen."
„Dann nickte er leicht mit dem Kopfe und entließ mich mit huldvoller Hand- bewegung. Ich machte linksum Kehrt und verließ daS Kabinet. Im Nebenzimmer erwartete mich mein Begleiter, der Adjutant, und brachte mich in das Palais deS Grafen zurück, wo mir ein Zimmer und ein Bett angewiesen wurde.
„Glauben Sie mir, Herr Oberst, es war mir so leicht, so hehr und feier, lich zu Mut, al» hätte ich Gott weiß, welche Heldentat vollbracht. Daß mich der Kaiser verstanden und in meinem Sinne gehandelt, beugte mich zur Ehrfurcht vor ihm, wie vor einem gütigen Gott. Zum erstenmale, wie seit lange nicht mehr, schlief ich ruhig und sanft den Schlaf des Gerechten.
„Aber über den schwersten Berg war ich gleichwohl noch nicht.
„Am andern Morgen wurde ich in das Kabinet deS Grafen gerufen. Er saß am Schreibtisch und schrieb. Bei meinem Eintritt legte er di« Feder nieder und wandte sich um. Sein Auge war starr und drohend auf mich gerichtet."
(Fortsetzung folgt.)