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zu welchen die Minister die höheren Beamten ihrer Ressorts eingeladen hatten. Der Präsident der Ersten Kammer, Graf Rechberg, gab den Mitgliedern des engeren und weiteren ständischen Ausschusses ein Diner im Hotel Marquardt, wo auch das Fest­essen der bürgerlichen Kollegien stattfand. Ober­bürgermeister Gauß brachte dabei den Toast auf den König, Bürgerausschußobmann Löchner den­jenigen auf die Königin aus. In herkömmlicher Weise wurden die Armen auf Kosten der Stadt im Bürgerhospital bewirtet, während in den Volksküchen die regelmäßigen Besucher auf Kosten der Königin gespeist wurden.

Freudenstadt. Die am 19. ds. Mts. in das Hotel z. Christophs«,: einberufene Versammlung der Holzinteressenten hatte zahlreiche Vertreter der Holzindustriehtehergeführt. Hr. A. Bruder eröffnete die Versammlung im Namen der Sektionsvorstände. Darauf sprach der Sekretär des Zentralvereins, Heinrich Hertz er-Freiburg, über die Bestrebungen des Vereins. Ihre günstige Entwicklung verdanke die Holzindustrie in erster Linie der Btsmarck'schen Schutzzollpolitik, in zweiter Linie der vor 30 Jahren kaum geahnten Entwicklung der Verkehrswege. Sie verarbeite jährlich neben dem von der inländischen Holzproduktion erzeugten Nutzholzquantum von etwa 20 Mill. Kubikmeter noch etwa 5 Mill. Festmeter vom Ausland bezogenes rohes und roh vorgearbei­tetes Nutzholz. Dazu komme der seit der Zoll­erhöhung i. I. 1885 stark entwickelte Holzhandel; die Einfuhr von rohem, roh vorgearbeitetem und gesägtem Holz allein sei seit 1886 um etwa 4 Mill. Kubikmeter gestiegen. Es sei nun der Vereinsleitung während ihrer langjährigen Tätigkeit gelungen, in mancher Richtung Wandel zu schaffen, jedoch bliebe noch viel zu tun übrig und eine allseits befriedigende Lösung der Aufgaben, welche sich die Vereinsleitung gestellt habe, sei nur denkbar, wenn sie die gesamte Holzbranche hinter sich habe. Hierauf hielr Chef­redakteur Laris-Fretburg einen Vortrag über die Maßnahmen zur Besserung der Verhältnisse im Holzeinkauf. Wenn die Reichsregierung, wie sie wiederholt durch den Staatssekretär Grafen Posa- dowsky habe erklären lassen, die Frage des Holz- zollS nicht so ernst ansehe, so sei dieser Standpunkt nicht zu begreifen. Es unterliege keinem Zweifel, daß die Einfuhr österreich-ungarischer und rumän­ischer Sägewaren, namentlich solcher aus den Urwald­gebieten der Karpathen in nächster Zukunft ganz erheblich sich steigern werde. Haben schon bisher diese ausländischen Sägewaren die Verkaufpreise in Westfalen und am Niederrhein diktiert, wie viel mehr werde das in Zukunft der Fall sein! Das Bedürfnis einer Revision der bisherigen Organisa­tionen des Holzgewerbes sei nunmehr zur Natur­notwendigkeit geworden; es sei hohe Zeit zum engen Zusammenschluß. Was sodann die Schiedsgerichts­frage betreffe, so gewinne der Gedanke schiedsgericht­licher Lösung in volkswirtschaftlichen Streitfragen stetig an Boden. Bald werde man kaum mehr

Verträgen über Handel und Verkehr begegnen, in denen nicht die Schiedsgerichtsklausel Aufnahme gefunden habe. An den Vortrag schloß sich eine längere Erörterung über die Schiedsgerichtsfrage, Organisations- und Einkaufsfrage.

Ehingen, 25. Febr. Vorgestern wurde ein Bauer von Frankenhofen lt.Volksfreund für Oberschwaben" während einer Gerichtsverhandlung vom Schlage gerührt. Er mußte ins Bezirks­krankenhaus verbracht werden, woselbst er ohne das Bewußtsein wieder erlangt zu haben, starb.

Ellwangen, 25. Febr. Ein Konditor­lehrling stahl hier seinem Meister nach und nach gegen 600 welche er zum größten Teil für sich verbrauchte. Der Gutedel sitzt jetzt hinter Schloß und Riegel.

Vom Bodensee, 25. Febr. Am Donners­tag wurden in Lindau zwei junge Böhmen wegen Saccharinschmuggels verhaftet. Sie hatten 52 Lx Saccharin in kleinen Paketchen verpackt unter ihren Sitzplätzen in einem Coupee 2. Kl. versteckt. Eines der Paketchen ragte etwas unter dem Sitze hervor und dies führte zur Entdeckung auch des anderen.

Mainz, 25. Febr. Heute Mittag 12 Uhr erschoß sich in einem der vornehmsten Hotels in Bingen am Rheinufer ein junges hochelegantes Paar, das gestern Abend dort abgestiegen war und sich als Mann und Frau eingezeichnet hatten. Die Beiden sollen aus Ludwigshafen stammen.

Berlin, 25. Febr. Wie dieTägliche Rundschau" aus glaubwürdiger Quelle erfährt, beruht die Nachricht, daß die Beschwerde des Oberst­leutnants Io b st gegen Oberst Leutwein beigelegt sei, durchaus auf Irrtum. Die Untersuchung der Angelegenheit ist eingelettet und kann noch längere Zeit dauern, da nicht nur in Berlin, sondern auch in Afrika Zeugen vernommen werden müssen.

Berlin, 25. Febr. Ein Raubmord­versuch ist an der Kassiererin des llntergrund- bahnhofesZoologischer Garten" heute in der zweiten Morgenstunde von einem Manne verübt worden, der die Uniform eines Beamten der Untergrundbahn trug. In dem Kassenhäuschen des Bahnhofes ver­setzte der noch nicht Ermittelte der Kassiererin Fräu­lein Hedwig Effenberg mit einem Handbeil einen Schlag über den Kopf und entfloh auf die Hilferufe der Ueberfallenen, wobei er seine Mütze und das Handbeil zurückließ. Die Verletzungen des Mädchens find nicht lebensgefährlich.

Bern, 25. Febr. Obwohl der Durchstich des Simplon fast über Erwarten gut abgelaufen ist, hatte er infolge eines mißlichen Zwischenfalles doch einen Todesfall im Gefolge. Als nämlich die Ingenieure, an ihrer Spitze der Bauleiter Brandow, zur Durchbruchstelle vordrangen, wurden einige der Herren in dem Dampf und der drückenden Hitze, die durch das Wasser ausströmte, ohnmächtig. Zwei italienische Ingenieure mußten schleunigst nach Jsell

hinausbefördert werden, wo der eine alsbald am Schlagfluß starb. Es zeigte sich, daß die Kühl­vorrichtung durch das ouSströmende Wasser beschä­digt worden war und nicht mehr recht funktionierte. Trotzdem drang Brandow mit einigen Gefährten bis zur Sprengstelle vor und fand, daß das Wasser sich aus einer meterbreiten Spalte reichlich entleerte. Wegen der gefährlichen Temperatur find die Arbeiten im Tunnel vorläufig eingestellt.

Petersburg, 25. Febr. Die Nachrichten aus Russisch-Polen und dem Kaukasus lauten immer ernster. Täglich treffen Gesuche der dortigen Be­hörden wegen sofortiger Entsendung von Truppen sowie Instruktionen über die einzunehmende Haltung ein. Zwischen dem Kriegsminister Sacharow und dem Minister des Innern Bulygin fand gestern eine Konferenz statt, welche durch die Aus­dehnung des Eisenbahner-Ausstandes veranlaßt worden war. Es wurde festgestellt, daß angesichts dieser bedeutsamen Tatsache es unmöglich sei, gegenwärtig nach den bedrohten Provinzen Truppen abzusenden. Auch in den baltischen Provinzen gewinnt die Ausstandsbewegung an Aus­dehnung. Ein Regiment, welches von dort nach Petersburg gerufen worden war, um an Stelle eines Regiments der Garde, dessen Loyalität nicht als sicher galt, zu treten, mußte in aller Eile nach feiner Garnison zurückgesandt werden. Man be­fürchtet nunmehr die vollständige Unterbrechung des Verkehrs zwischen Wilna und Warschau und Wilna Eydtkuhnen. Dies würde gleichbedeutend sein mit einer vollständigen Unterbrechung des Verkehrs zwischen Polen und Rußland sowie mit dem übrigen Europa. Es bestätigt sich, daß die Georgianer in Batum erklärt haben, daß die Autonomie für ihr Land (sie) beanspruchen. Ein umfangreicher Waffen­schmuggel geht an der Grenze vor sich, besonders zwischen Polen und Oesterreich.

Petersburg, 26. Febr. Gestern fand beim Landwirtschaftsminister eine Zusammenkunft mehrerer Minister und Hochangestellter Personell statt. Man beschäftigte sich mit der inneren Lage in Rußland und beriet über Mittel und Wege die Ruhe wieder herzustellen. Als das einzige Mittel für Wiederherstellung der Ruhe wurde die Ver­öffentlichung einer Verfassung bezeichnet. Es heißt, der Zar wolle bereit sein, die Verfassung zu ge­währen.

Tokio, 25. Febr. Im Heere Ohamas herrscht großer Unwille darüber, daß die Russen mit verkleideten Abteilungen operieren. Diese Mann­schaften find in chinesische Uniformen gekleidet und erschweren dem Kriegsrecht zuwider wesentlich den Aufklärungsdienst.

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so lange schon entbehrte. Das war verzeihlich und natürlich, und würde ich ihm zu diesem Zweck gern einen längeren Urlaub gewährt haben. Möglich aber auch, daß ihn rin neues Abenteuer gefesselt, oder daß er überhaupt der Versuchung, zu desertieren, bei dieser Gelegenheit nicht widerstanden; kurz, ich bereute eS fast, mich mit diesem Unberechenbaren «ingelaffen und ihm so viel Teilnahme geschenkt zu haben, ja, ich beschloß, mir diesen Menschen und seine Angelegenheiten ganz aus dem Kopfe zu schlagen.

Gab es doch viel wichtige Dinge, die alle Gemüter in Aufregung erhielten und die Luft mit besonderen Gerüchten erfüllten.

Zuerst die Entlastung vieler Professoren in Kasan und Reval, die Maß­regeln gegen alle Studenten, die irgend einer Gesellschaft angehörten, die uner­hörteste Zensur gegen die Presse und Wissenschaft. Die Professoren durften nur nach approbirten Handbüchern lesen und mußten ihre Konzepte einreichen. Die Direktion des geistlichen Unterrichts ließ in allen Seminaren, Schulen, Klöstern und bei Privaten alle Bücher über Religion konfiszieren und versiegeln, bis der heilige Synod sie geprüft. Alles dies und dir ganze Wirtschaft des allmächtigen Ministers Araktschejef war nur ein Vorspiel des Kommenden.

Bei Grusino hatte ein Haufen von Kronbauern und Leibeigenen den Kaiser auf der Reis« angehalten und mit stürmischen Beschwerden überfallen, ohne nur angehört zu werden. In den meisten Militär-Kolonien des Nordens und Südens und besonders an der polnischen Grenze zeigte sich ein rebellischer Geist; mehrere Kuriere und Untersuchungskommiffare waren auf geheimnisvolle Weise ver­schwunden.

Die Kunde, daß eine allgemeine Verschwörung existire und der Umsturz bevorsteh«, wurde immer allgemeiner, ohne daß Jemand die Quellen dieser Gerüchte entdecken konnte. Vergebens war eine Legion von Spionen über Rußland ver­

breitet, aber sie bewirkten nichts, als daß der Verkehr selbst mit den nächsten Freunden und Kameraden unerquicklich ward. Keiner traute mehr dem andern, und das Gefühl der Unsicherheit der nächsten Zukunft wie alles Bestehenden lag wie eine schwere, unheimliche Wolke über ganz Rußland.

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Beinahe ein halbes Jahr war seitdem vergangen und wir alle im Regiment betrachteten jenen Abenteurer als einen ehrlosen Deserteur, als Sherwood eines Tage- wieder sichtbar ward.

Ich erkannte ihn zuerst nicht, denn er erschien in eleganten Zivilkleidern, mit samtenem Schnürrock und hohen Stiefeln, wie eS damals polnische Tracht war. Sein Haar war länger, über den Lippen trug er einen martialischen Schnurrbart, und seine Hände zierten Pariser Handschuhe. Dabei war seine Haltung von großem Selbstbewußtsein, ja von herausfordernder Anmaßung.

Melde mich wieder zum Dienst, Oberst," sagte er, indem er flott hereintrat.

Ich maß den kecken Gesellen.Wo waren sie denn solche lange Zeit, Sherwood?"

Hm," sagte er und schlug mit seiner Reitpeitsche an die eleganten Stiefel. DaS ist nicht so rasch gesagt. In diesen schweren Zeiten findet man auch un­verhofft zu tun. Gehen seltsame Dinge vor. Oberst. Auf hoher See braucht der Steuermann keinen Lotsen mehr, aber das Senkblei muß er werfen."

Sie scheinen sich ja sehr mit unseren Sprüchwörtern befreundet zu haben, oder wollen Eie den alten Uschakoff kopiren? Wozu diese Umwege?"

Keine Umwege, Oberst. Schrieb ich Ihnen denn nicht, daß mich Oberst Gw«rS auf das Gut seiner Frau schickte im Gouvernement Charkow? Dort habe ich höchst merkwürdige Persönlichkeiten kennen lernen, den Artillerielieutrnat WadkowSki und in WoSnessenSk den Bulgarie." (Forts, folgt.)