Reutlingen, 28. März. (Hitzköpfe.) Der Geschäftsführer de- Kommunalverbands Tübingen mußte neulich mit zwei Landjägern bei dem 50jährigen Bauern Gottlieb Weil zum Ludwigshof bei Gönningen borsprechen, weil dieser die Ablieferung seines überschüssigen Getreides verweigerte. Die Kommission beschlagnahmte 5 Ztr. und schaffte sie aufs Rathaus. Nachher aber kam Weil mit seinem Schwiegersohn und Ernst Käs aufs Rathaus, bewaffnet mit einer Pistole und einem Beil, und wollten die Frucht wieder holen. Ein Landjäger verhinderte das mit Mühe und wurde dabei, ebenso wie andere, die ihm zu Hilfe eilten, beschimpft und bedroht, bis cs gelang, den Weil zu entwaffnen. Die beiden Hitzköpfe haben «inen gehörigen Denkzettel zu erwarten.
Pfullingen, 25. März. (Zeitungs-Jubiläum.) Der „Echaz-Bote", Amtsblatt und Chronik für die Stadt Pfullingen und Umgebung, konnte in diesen Tagen auf sein 25jähriges Bestehen zurückblicken. Aus diesem Anlaß haben Verlag und Redaktion eine reichhaltige, mit Zeichnungen des heimischen Künstlers Max Autenrieb schön illustrierte Jubiläumsnummer herausgegeben, in welcher neben anderen interessanten Beiträgen die Geschichte der Stadt Pfullingen, verfaßt von Stadtpfarrer Dr. Maier, wiedergegeben ist. Der Echaz-Bote wurde von I. Schwenkmezger am 22. März 1896 gründet, ging 1909 an den jetzigen Fachzeitschriften-Verlag G. Knapp über und befindet sich seit 1915 im Besitz der Firma Oertel u. Spörer, in deren Verlag auch der Reutlinger Generalanzeiger erscheint. Als Schrift- und Betriebsleiter ist seit einer Reihe von Jahren eine auch in Neuenbürger Kreisen gut bekannte Persönlichkeit, Gottlob Rempfer, mit Erfolg tätig.
Ulm, 25. März. (Todesfall.) Der aus einer alteingesessenen Ulmer Familie stammende Oberst a. D. Martin Fehl ist gestorben. Er war 1878 beim Grenadierregiment 123 eingetreten und hatte späterhin Dienststellen bei den Regimentern 126, 120, 127 und 122, wo er Major wurde. Wegen eines Unfalls Zur Disposition gestellt, war er zuerst hier Bezirksoffizier und dann in Ellwangen Bezirkskommandeur. Er hat auch am Kriege teilgenommen, zuerst an der Front, dann wegen Krankheit als Kommandeur des Landsturmbataillons Geislingen.
Ulm, 28. März. (Grausige Tat.) Eine 40jähr. Maurers- Witwe in Neu-Ulm wollte am Karfreitag ihre 7jährige Tochter töten und dann Selbstmord begehen. Zuerst versuchte ote offenbar wahnsinnig gewordene Frau das Kind zu erwürben, wurde aber durch dessen Geschrei daran gehindert. Dann hotte sie ein Beil und zertrümmerte dem armen Geschöpf den Schädel. Schließlich gab sie sich selbst mit diesem Beil einen Schlag auf den Kopf. Beide wurden ins Krankenhaus geschafft. Das Kind dürste kaum, die Mutter wahrscheinlich mit dem Leben davonkommen.
Leutkirch, 28. März. (Mandatsmüde.) Der Landtagsabgeordnete Farnh-Dürren hat in einem Schreiben an den Bezirksvorsitzenden der Zentrumspartei, Rechtsanwalt Kiechle m Leutkirch, sein Landtagsmandat niedergelegt. Als Grund hat er Ueberlastung mit beruflichen Geschäften angegeben. Die Landwirtschaft verliert dadurch einen ihrer Vertreter in der Zentrumsfraktion, denn als Farnhs Nachfolger tritt Maschinensetzer Josef Ehrhardt-Waldsee in den Landtag ein.
Baden.
Ettlingen, 25. März. Auf der Tagesordnung für die nächste Bürgerausschußsitzung steht die Bewilligung eines Kredits zur Errichtung weiterer Notwohnungen. Es sollen 200 000 Mark bewilligt werden, die nur Anlehensmitteln zu entnehmen sind.
Singen a. H., 24 März. Nach der „Singener Zeitg." entstand im Schorenbühlwald ein größerer Brand, als ein Feldarbeiter ein brennendes Streichholz achtlos beiseite wart.
Mosbach, 25. März. Nach einer bisher unbestätigten Nachricht der Havas-Agentur (Paris) soll einer Meldung der Chicago Tribüne aus Washington zufolge das amerikanische Staatsdepartement die deutsche Regierung aufgefordert haben, den steinreichen (!) amerikanischen Deserteur Bergdoll auszuliefern und die beiden amerikanischen Polizisten unverzüglich in Freiheit zu setzen. Bevor nicht eine Bestätigung aus Berlin kommt, wird man gut tun, die Richtigkeit der Nachricht zu bezweifeln. — Die allgemein gehegte Befürchtung, daß durch die neue Zollgrenze das Loch im Westen wieder aufgerissen werde, scheint sich schon zu bestätigen. Infolge der veränderten Zollverhältnisse im Westen werden französische Rotweine das Stück zu 6000 Mark angeboten^ während der deutsche Rotwein daS zwei- und dreifache kostet. — Die drei jugendlick'en Mör
Mt dem Brandmal.
der Willy Fritsch, Kurt Englert aus Mannheim und Eugen Rieger aus Frankenthal wurden wegen Unterschlagung vom Mannheimer Jugendgericht zu 4, bezw. 3, bezw. 5 Monaten Gefängnis verurteilt. Fritsch hatte bei seiner Lehrfirma, der Elektrizitätsfirma Liebetrau u. Hessel, 8000 Mark unterschlagen, mit denen die drei Bürschchen ihre Verbrechertat antraten. — Seit einiger Zeit wird die Brückenkontrolle der Fußgänger wieder scharf gehandhabt. 1. Die Brückenwache wird nach Eintritt der wärmeren Jahreszeit wieder von schwarzen Truppen gestellt.
Vermischtes.
Das Gewissen. Im vergangenen Herbst wurden dem Schmiedmeister Eberle in Echlishausen ein Schmalzhafen mit 40 Pfund Schmalz gestohlen, ohne daß der Täter ausfindig gemacht werden konnte. Vor einigen Tagen erhielt nun Eberle eine Postanweisung mit 50.— Mark, aufgegeben in dem Wallfahrtsort Oberelchingen bei Neu-Ulm, ohne weitere Mitteilung. Man nimmt an, daß den Schmalzdieb beim Wallfahren sein Gewissen gedrückt und er eine Abschlagszahlung für das gestohlene Gut übersandt hat. Hoffentlich macht der Dieb seine Buße vollständig und ersetzt den Schaden ganz.
Die Passtonsspiele in Oberammergau. Wie den „M. N. N." gemeldet wird, sind die Passionsspiele in Oberammergau für das Jahr 1922 beschlossen worden.
Wilhelm v. Bodelschwingh ch. Ein schwerer Schlag hat die bekannten Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel und die ganze evangelische Liebestätigkeit getroffen: Nach kurzer, nur achttägiger Krankheit, ist am Donnerstag abend Pastor Dr. Wilhelm v. Bodelschwingh einer Lungenentzündung zum Opfer gefallen. Er ist ein Sohn des Anstaltsbegründers.
Die Reichsverfassung. In den neuen Reichshaushaltpkan für 1921 find 1 725 000 Mark eingestellt worden, die für die Beschaffung der Abdrucke der Reichsverfassung verwendet werden sollen, die an die schulentlassene Jugend zur Verteilung kommen.
Aufgehobene Sperre. Nach einer der Handelskammer- Stuttgart von der Oberpostdirektion zugegangenen Mitteilung, ist die seit 15. März verfügte Sperre für Postpakete nach Italien vom 24.—31. März einschließlich aufgehoben.
Der Raubübersall auf das Berliner Postamt 54 wurde durch Verhaftung eines Teiles der Täter aufgeklärt. Der Postbetriebsassistent Paul Antoch, der angeblich von den Räubern überfallen, gefesselt und geknebelt sein wollte, wurde als der Anstifter festgestellt und verhaftet. Er legte gestern abend ein Geständnis ab und erhängte sich in der Nacht in der Zelle des Polizeigefängnisses. Außer Antoch wurden vier Komplizen verhaftet. Die übrigen sind noch nicht ergriffen worden. Es ist noch nicht gelungen, die geraubte Million wieder herbeizuschaffen.
„Herzogin Dato". Der König von Spanien verlieh der Frau des ermordeten Ministerpräsidenten Dato den Titel einer Herzogin. Die gleiche Ehrung erhielten seinerzeit die Gattinnen Prams, Canovas und Canalejas, die ebenfalls Attentaten zum Opfer gefallen waren.
Die Hungersnot in China. Nach einer Meldung der „Agene Havas" aus Peking fordert die Hungersnot in Honan, Schenst und Tschili schreckliche Opfer. In der Provinz Schensi sollen 50 000 Personen an Entkräftigung gestorben sein. In der Provinz Tschili wüte außerdem die Lungenpest.
Berlin, 27. März. Wie die Deutsche Allgemeine M ur.g erfährt, hat das Reichskabinett in der sicheren ErnM ««zvL»r>rer»r ung, daß Oberschlesien nach dem Ergebnis der Absrimnuw Hrrteljtchlich in Neuem ungeteilt beim Deutschen Reiche verbleiben wird, den Reich! rürg ^ lS-^-.TwrL di« minister des Innern beauftragt, die Vorbereitungen für dck Jost tm Orts- »md Ob«, oberscklesische Autonomiegesetz in Angriff zu nehmen. j «itl-Berkebr sowie im Berlin, 28. März. Da verbrecherische Elemente wieder Ästigen wliind. Verkehr holt Versammlungen unter freiem Himmel und Straßenden,o« ^lb.s0rn.Posib«,7. <?.ld strationen dazu benutzt haben, um zum Aufruhr aufzuhch« - hat der Polizeipräsident bis auf weiteres alle Versammlung!, ^ -4»
vni
unter freiem Himmel und alle Straßendemonstrationen ^
boten. Die Vertreter der Berliner Gewer kschast-komm ssio« Mellungen nehmen all. der SPD. und der USPD. haben dem Polizeipräsident!, ßoststellen, m Neuenbürg persönlich erklärt, daß in der nächsten Zeit Versammlung^ ,»herbem die Austräger unter freiem Himmel und Straßenumzüge nicht geplant wcrW jederzeit entgegen. Obiges Verbot richtet sich also lediglich gegen das nto Nr. 24 bei verfassungswidrige Treiben gewissenloser Aufwiegln! Oberamt,.Sparkaff.
— Gestern wurde ein Anschlag auf die Eisenbahn von Neuenbürg, bekannten Tätern gemacht. Sie durchschnitten zwei DiM
an zwei Einfahrtssignalen am Bahnhof Tegel, um so <i„!_
Zusammenstoß herbeizuführen. Eisenbahnd-amte bemerkt-
zum Glück das Nichtfunktionieren der Leitungen und sorgt«, für ihre Wiederherstellung. '
Rom, 27. März.
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Deuts,
München, 29. März. D<
Handel und Verkehr.
Devisen-Kurse. (Durch die Rheinische Creditbank, Niederlassung Herrenalb, mitgeteilt.) Vorbörslich. Holland 2170—2190, Schweiz 1080—1090, Paris ca. 435, London 246—247, Newyork 63—63 X. Tendenz: fester.
Neueste Nachrichten.
Frankfurt a. Main, 29. März. In der Nacht zum Ostermontag wurden durch die Wächter im Kulisfenhaus des Opernhauses an zwei Stellen Brandherde entdeckt. An der einen Stelle hatten die Täter die Fenster zertrümmert und Zündstoffe in den Raum geworfen und dadurch mehrere Gegenstände in Brand gesetzt. Die Flammen konnten noch rechtzeitig gelöscht werden. An der zweiten Stelle fand man Zündschnüre, die unter einer eisernen Tür in das Haus geschoben worden waren, wo sie abbrannten, ehe sie die in „„""''ttlK"'--"- g^h- b<-sindlichen Kulissen ergreifen konnten.
Um Brandstiftungen auf Gütern ff vergelten, begaben sich die Fascisten von Piacenza nach Man! und äscherten die dortige Arbeitskammer ein. Aus Fcrrait wird gemeldet, daß sich zahlreiche Leiter von sozialistischen Ostersamstag geplante Generali bänden, um der Wut des Volkes zu entgehen, auf das Gebizstr gefallen. Die Annahe ist d der Republik von San Marino geflüchtet haben. In Pero- Bayern fremde Elemente die 2 wurden alle sozialistischen Führer durch Vergeltungsmaßnch stm müssen, und zwar deshalb, men der Fascisten gezwungen, sich in die Arbeitskammer z, Vertrauter niemals in Bayern flüchten. Die Versammlungslokale der Sozialisten wurdqtag proklamieren würde, weil ar verwüstet. Die Stadt trägt Flaggenschmuck. In den Strafarbeit geleistet wird. Die Ar finden patriotische Umzüge statt. — Die Beerdigung der OpfMayern wird sich von dem Gene des Bombenanschlags vor dem Diena-Theater in Mailand h nicht anstecken lassen, in feierlichster Weise unter Teilnahme des Grafen von Turi, Berlin, 26. März. Das R als Vertreter des Königs auf Staatskosten stattgefundcn. aller in Betracht kommenden Rom, 28. März. Demnächst wird in Italien eine im,WirtsHaftung des Zeitungsdruck alliierte Konferenz unter dem Vorsitz von Giolitti stattfi,->' sortzusetzen. — Zurzeit schwebe: die sich mit der Reparationsfrage, mit dem Ergebnis der Voll früheren bayerischen Truppenü abstimmung in Oberschlesien und mit dem türkisch-griechjschsiaus der Ukraine geflüchtete den Krieg beschäftigen wird. Nach einer Berliner Meldung
London, 29. März. Die Konferenz der Unabhängige Rcichsfinanzministerium an ein« Arbeiterpartei hat mit 521 gegen 97 Stimmen einen AntrMs zu einer Vervierfachung auf Anschluß an die Moskauer Internationale ab gelehnt, dürfte.
London, 27. März. In der vergangenen Nacht wurde! Hannover, 27. März. D vier große Heuschober in Newcarnet, einer Vorstadt von LoMiidtages, Leinert, teilt mit, ! don, vernichtet. Eine Menge Oel wurde in der Nähe vorgMkspartei auf schleunige Einb funden. Eine Anzahl von Bränden auf Gütern wird auch aiisMs zum 31. März nur die 1 der Gegend von St. Albans gemeldet. Lloyd News berichteten Volkspartei und der Kon Laß in der Umgebung von Newcastle-on-Tyne mehrere Feuerüend alle anderen Parteien sich g brünste auf Gütern ausbrachen. Der Schaden wird auf einMtten. Der Vorschlag, den stä Tausend Pfund Sterling geschätzt. ffei von allen Parteien abgewies«
Aus dem westlichen Industriegebiet. j Die Gewalttaten der Komm,
« ° ^ - Gotha, 26. März. Nach!
Berlin, 27. Marz. Der Ostersonntag ist in-Berlin ruWammlung der Generalstreik ab> verlaufen. Auch aus den westlichen Industriezentren sind ZkMetriebsräte abgesetzt worden, schenfälle nicht gemeldet, doch ist dort eine lebhafte TätW-Met, der heute morgen den 1 keit der Kommunisten bemerkbar. Ihre Taktik geht offenbnsUljch des Beschlusses besteht dahin, auf dem Wege des Generalstreiks jetzt neue Unruhen Uneinigkeit. Aus den Zeitungs! schaffen, ehe die Bewegung in Mitteldeutschland zusammeMtvalt herausgeholt. bricht. j Halle, 29 Ntärz Hier wu
Remscheid, 26. März. Die kommunistische Partei kM angrenzenden Gebäude m: klärte heute früh zur Unterstützuim der kommunistischen B»,., Bororten hörte man in Le wegung ,n Mitteldeutschland den Generalstreik. Um 6 >2 A^.wrratümen Es aelana d«>n verließen die Arbeiter die Arbeitsstätten und strömten z» von Lmmendorf zu ivrem Versammlung auf den Rathausplatz. Die industriellen W >ach Thüringen unterbroc triebe stehen fast sämtlich still. Die Stadt ist vollkomm^ .^...^tenattentate auf me!
x auf den dortigen Bahnho Essen, 26. März. Die Vorstände der Freien GewerkschHebäude. Die Baulichkeiten wu ten und des Afa-Bundes erlassen an die freigewerkschaftHn der Gegend von Ammend« organisierten Arbeiter und Angestellten einen Aufruf, in deLchwellen aufgerissen und sich l sie erklären, daß infolge der kommunistischen verbrecherischen Halle wie in den Vororte, Politik Arbeiterblut geflossen ist und dadurch zahlreiche Mabeiterschaft und versehen di beiterfamilien ins Unglück gestürzt wurden. Nachdem i'LPersonen von Ammendorf, Eisd mehr die Moskauer Parole in Mitteldeutschland erfolglos watznch die dortigen Behörden si, soll das Proletariat des Ruhrgebiets geopfert werden. DWnldenstein auf der Bahnstreck
lmbahnbrücke in die Luft gesp
Roman von Gebhard Schätzler-Perasini.
H (Nachdruck verbot««.)
Das Wetter hat sich geändert und ganz unerwartet, gegen den Abend hin, verdichtet sich die Luft. Tausende von weißen Sternen, sinken herunter, langsam, gemächlich, wie im sanften Spie!. Nun fährt ein frischer Strom der Lust dazwischen, wirbelt alles lustig durcheinander. Der erste Schnee im Jahre. Und die Iungens stampfen durch die Gassen, formen kleine Bälle, bombardieren sich gegenseitig und vollführen einen Höllenlärm. Alles zeigt freundlichere Gesichter, selbst Meister Pankratius.
Wie es allmählich dunkel wird, macht sich Friedrich Weihold auf den Weg. Das Schneegestöber hat wieder aufgehört, am unbewölkten Himmel zeigt sich die Sichel des Mondes.
Schwer hängt sich der Schnee an die Sohlen und nicht besonders eilig hat es Weihold mit dem Weiterkommen. Den Weg kennt er noch gut. Durch das Städtchen hinaus, über di« Brücke und dann an einem Dutzend Kastanienbäumen vorbei, die kahl und verlassen dastehen. Denselben Weg hat er gemacht, da er seine Eltern, gute brave Leute, zum letzten Male hier hinausgeleitete. Die träumten sich's wohl niemals, daß ihr Sohn dereinst in der Dunkelheit an das Grab der Schwester schlich, ängstlich besorgt, daß ihn niemand erkannte.
Das eiserne Tor ist nur angelehnt. Es ächzt in den Angeln, wie es Weihold zurückschiebt.
Das ganze Feld der Toten liegt vor ihm und der erste Schnee hat sein Leichentuch darüber geworfen. Der Mond leuchtet herunter, breitet sein magisches Licht über die Steine und Kreuze.
Kein Lüftchen bewegt sich, kein Laut erschallt. Hier blinken unter dem Schnee die goldenen Buchstaben der Grab- tafeln, dort, weiter zurück, recken Kreuze ihre kahlen Arme in die Höhe und in der durchleuchteten Luft sehen sie aus wie matte Schattenbilder.
Weihold stand eine Weile starr. Er mußte seine Gedanken sammeln, die durch sein Gehirn schossen.
Er will weiter — kennt ja das Familienbegräbnis — da fährt er zusammen. Er wähnt sich allein hier auf dem zu
dieser Stunde verlassenen Friedhof. Die Grabsteine werfen schwarze Schatten und daraus hervor tritt ein Mann, auch ein Besucher der stillen Schläfer. Er hat den Anderen noch nicht bemerkt, langsam, den Mick wie sinnend am Boden festhaltend, kommt er näher.
Man vernimmt kslnen Tritt; auf einem mondbeschienenen Platze treffen die beiden Männer auf einander. Einer muß am andern vorüber und jetzt stockt beider Fuß. —
Weil,old schaut dem Fremden in das Gesicht, zwei Paar Augen -essen sich, fassen sich einen kurzen Moment und schon ! es entschieden. Ein« Abneigung, ein widerliches 'Empfinden hat jeden zu gleicher Zeit erfaßt. Gs ist einer jener seltsamen Augenblicke, wie sie manchmal im Leben erscheinen. Zwei fremde Menschen stehen sich das erste Mal gegenüber und noch ehe einer eine Silbe spricht, empfinden beide eine instinktive Abneigung gegen einander.
Es ist kein Grund vorhanden, scheint es doch wirklich, als ob die Seelen selbst Bericht erstatteten.
So auch hier.
Weihold stand eine kurze Weile vor dem Herrn im Pelze, dann hatte er den Hut gelüftet und: „Guten Abend" gesagt.
Gleichgültig antwortete der Andere, schiebt das Kinn noch tiefer in den Pelz und schreitet weiter, dem Ausgange des Friedhofes zu. Nicht ein einziges Mal wendet er sich um nach dem unangenehmen Menschen, welcher ihm begegnete; er entfernt sich eiligst unter dem Schatten der hereinsinkenden Nacht.
Friedrich Weihold ist ebenfalls weiter geschritten, seltsam, genau den Fußtritten nach, die man auf der weißen Schneefläche bemerkt.
Er hat noch nicht einmal über diesen Umstand nachgedacht, bis er plötzlich vor einem Grabhügel steht, auf dem ein Kreuz liegt, nur teilweise von Schnee bedeckt. Das Kreuz, welches in der gefrorenen Erde steckt, trägt einen verhaßten Namen für Viele: Margarete Weihold.
Der Heimgekehrte fühlt, wie ihm die Knie wanken, das heiße Naß ihm in die Augen schießt. Nun kniet er vor dem Hügel uiid der Mann, der verlernte, zu seinem Gott zu rufen, der ihn in aller Not verließ, betete mit einer Stimme, durch die alle Qualen seines elenden Daseins zittern, für die Schwester, für seine kleine Margarete.
Wie er sich endlich erhebt, noch immer den Ort anstar- zu verhaften.
rend, wo sie tief unten schläft, geht ein Zucken über sein«.. Halle, 28. Marz Der Ob Züge. Er bemerkt die Spuren im Schnee, die der Verordnung Re Polizei,tu, Fuß jenes Fremden hinterließ. Sie führen nur bis hierher W angeordnet, daß ieder, m de und nicht weiter. riskiert, erschossen zu wer!
Nun sieht er auch, daß eine Hand die Schneekruste von s*"Eiistche" von mehr als 3! dem Kreuze streifte, so daß der volle Name sichtbar wurde,, st- „kommunistychen BIc daß die Tritte um den Hügel führen. , die die Arbeiter zu (
Da ist sie wieder, jene entsetzliche Angst! sind verboten worden
Was hatte der Fremde am Grabe Margaretens zu - 2° Marz. Nachd
schaffen? " reunawerk be,etzt hat, das Pi
War es ein Phantom, ein trügerisches Hirngespinst, um Ändert hatte, hat sie nun auch defsentwillen Weihold einen Menschen erschlug? Wenn Mar- ° UstMbung und vor allem garete doch noch einmal antworten könnte! Doch gab sie ihm ! Hilferufe der Emwohne nicht damals eine Antwort, die jeden Irrtum ausschloß? O, "eichswehr im Anmarsche, über diesen Zwiespalt, der sich in den Menschenköpfen breit Keine Stri
machen kann! . Berlin, 28. März. Laut
Weihold fühlt, daß ihn die Angst schüttelt und die Kalk sieichskommissar für die Entwo ihm ein Zittern verursacht. Er wendet sich rasch ab und Vorsitzenden des dem Reick daraus an die Grabstätte feiner Eltern tretend, murmelt er lamentarischen Beirates des Reic dort noch einige Worte. Dann verläßt er hastig den Friedhof, regierung und preußische Regie, Das fahle Mondlicht strömt darüber, ein leiser Hauch wri Magdeburg der Ansicht sin! schüttelt nun die schneebedeckten Büsche, daß es in ihnen «on Waffen seitens der Aufrü raunt und flüstert und endlich beginnt es auch wieder zu Wrt werden darf. Die Reich- schneien. Die weißen Sterne sinken herunter und verwischen schrien gegen die Aufrührer fü die Spur der beiden nächtlichen Besucher. j,»^> . „ , .....
Weihold hastet atemlos vorwärts. Ihm ist, als müsse " auf wurttemberglsche L er den Fremden erreichen, ihn zur Rechenschaft ziehen, was Am Karfreitag sind auf A er, gleich ihm, an Margaretens Ruhestätte wollte. Doch so Ministeriums aushilfsweise 150 rasch er auch weitereilte, der Fremde war verschwunden. ! kehrswehr, die sich den Bahnj Zudem machte das stärkere Schneegestöber eine sofortige Des« chn Schutz der-durch fortgesetzt folgung unmöglich. oeten Bahnanlagen in den
Weihold gab auch diesen Gedanken auf. Was wollte n-m Halle und Magdeburg m er eigentlich? Einem fremden Mann nachrennen, den er Len. Bei ihrer Ankunft in § nichts anderes beschuldigen konnte, als daß er, gleich ihm « sie kaum den Zug verlassen selbst, zur Abendzeit den Friedhof aufsuchte und vor dem - sich in den umliegenden Ge Grabe stehen blieb! Im Grunde genommen war es lächer« rmhnhof führenden Brücke Verb, lich, kleinlich, und dennoch ließen ihn die gemachten Wahr- p-Äehr- und Maschinengewehrs nehmungen noch einen ganzen Tag in dem Städtchen bleiben, «rper wurde an den beiden Bah Doch denjenigen, den Weihold suchte, fand er nicht. Diesel! Wrengt, der Kirchturm war vc war noch mit dem Abendzuge fortgereist, kurz nachdem er besetzt. Leider fiel diesem vom Friedhofe kam. (Fortsetzung folgt.)