atsstadt Neuenbürg.
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Neuenbürg, Samstag den 22. November M9.
77. Jahrgang.
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Rundschau.
Der Landtag war in dieser Woche zu einer kurzen und doch inhaltsreichen Tagung versammelt. Zunächst aber hatte er den Tod seines bedeutendsten Mitglieds, des Abg. Adolf Gröber, zu beklagen, der am Mittwoch in Berlin mitten in der Ausübung seiner chm zum Lebensberus gewordenen parlamentarischen Arbeit gestorben ist. Er kannte keine Rast und keine Ruhe, wußte seit Jahren, in welcher Gefahr er schwebte, aber die Not des Vaterlandes, die Liebe zu Heimat und Volk, war chm nach Gottes Willen stärkstes Gebot. Dem Mann, der bei Lebzeiten alle Ehren verschmähte, folgen nun feine Werke nach. Der höchste Lohn für feine Arbeit wird chm jetzt in der allseitigen Anerkennung von Freund und Feind. Er wird weder im Landtag, noch im Reichstag in absehbarer Zeit vollwertig zu ersetzen sein.
Die Arbeiten des Landtags umfaßten diesmal die Grund- erwerbssteuer der Gemeinden, eine Beschaffungszulage für die Beamten und Arbeiter des Staates in Höhe von 8 5 Millionen und das Torfgefetz. Finanzminister Liesching entwickelte ein trostloses Wild unserer Lage und versagte sich auch nicht eine Kritik gegen die Reichsfinanzpolitik, die ihn förmlich gezwungen habe, dem Lande diese neue Riesenlast aufzulegen, für die es keine Deckung -gebe und die nur mit SchulLenmachen aufzubringen fei. Das Torfgesetz führte zu einem scharfen Zusammenstoß mit der Bürgerpartei, deren geistvoller Führer wegen seiner unbequemen Politik in roher Weife beleidigt nick» vom Präsidium nicht genügend geschützt wurde.
Besseres aber teuereres Brot sollen wir jetzt erhalten, auch mehr Kohlen, wenn letzteres wahr ist. Die reichen Niederschläge kamen jedenfalls zur Hebung der Wasserkräfte für die Elektrizitätswerke und Mühlen ebenso gelegen wie die Verbesserung der Kohlenzusuhr aus den Wasserstraßen. Daß die Einjährigenprüfung jetzt abgeschafft wird ist kein Fehler. Man könnte ihr zur Zeit auch die Leichenoerbrennung folgen lassen, die für jede Einäscherung mehr Zentner Kohlen brauchen, als ein ganzer Haushalt für den Winter zur Verfügung hat. Unter den vielen Notverordnungen würde diese sicherlich keinen schlechteren Platz ein- aeymen, als die Verfügung über die Pensionierung der Beamten mit 65 Jahren. Geh weg, laß mich hin, heißt es da. Im Zeichen der Revolution sucht eben jeder Stand, ja jeder Einzelne für sich etwas besonderes herauszuschlagen. Man braucht nur einer großen Organisation anzugehören und recht zu schreien, dann ist die Regierung bald überzeugt. Da dieses Verfahren neuerdings auch auf den Universitätsbetrieb überzugreifen droht, hat der große Senat in Tübingen dagegen aufbegehrt. Er verlangt sein Mitbestimmungsrecht auch bezüglich der Zulassung zum Unioersitäts- studium. Das zielt im einzelnen gegen Len Wunsch unserer Volksschullehrer, nach zweijähriger praktischer Tätigkeit ohne weiteres studieren zu können wie einer, der sein Maturitätsexamen macht.
Der Reichstag hat am Donnerstag seine Plenarsitzung wieder ausgenommen. Bis dahin hatte der Untersuchungsausschuß getagt. Er ist ausgegangen wie das Hornberger Schießen. Hin- denburg, Ludendorff und Helfferich haben die Märchen des Grafen Bernstorsf ins rechte Licht gerückt. Me Herren Ankläger Cohn, Sinzheimer, Schücking und David waren bald in die Rolle der Beklagten gekommen, obgleich man Helfferich zweimal strafte, weil er sich weigerte, einem Manne wie Cohn, der mit russischen Geldern bei uns die Revolution vorbereitete, zu antworten. Ein Mann mit Gott ist immer die Mehrheit, sagt ein altes Wort. Hier waren drei Mann mit der Wahrheit stärker als der ganze Untersuchung^ ausschuß von 23 Köpfen, besonders nachdem der Vorsitz gewechsen war. Der Krach hat wie ein reinigendes Gewitter gewirkt. Wekln man jetzt unseren Hindenburg als. alten willenlosen Mann in den Kot ziehen und als Verteidiger Lützendorfs und Helfferich hinstellen will, so erweckt das bei einem anständigen Menschen nur Verach tung. Die Wahrheit muß doch siegen, mit oder ohne Ehrenkom pagine, aber auch mit oder ohne demagogischen Schwindel .
Die Gemeindewahlen in den besetzten Gebieten sind nun tat sächlich von der Entente aufgehoben worden, die zur Zeit mit ihren eigenen Wahlen stark beschäftigt ist. In Belgien und in Italien hat der Sozialismus gesiegt, in Frankreich ist er furchtbar unterlegen, woraus zu ersehen ist, wie verschieden Krieg und Frieden bei diesen drei romanischen Völkern gewirkt hat. Es ist noch nicht zu übersehen, ob davon auch bestimmte Wirkungen aus unser Schicksal zu erwarten sind. Vorläufig bleiben wir an Händen und Füßen gefesselt, rüsten uns auf den Empfang der Ueberwachungs- ksmmissionen als Zwingherrn, warten immer noch auf unsere Gefangenen in Frankreich und haben uns mit der Washingtoner Konferenz am Narrenseil herumführen lassen, indem unsere Arbeiter delegierten gerade an dem Tage hätten nach Amerika reisen dür len, an dem die Konferenz geschlossen wurde.
Hohe Löhne und hohe Steuern.
»Unsere Stadtverordenien tun gewiß recht daran, den Beam len, Angestellten und Arbeitern in der städtischen Verwaltung ein ben Zeitverhältmssen entsprechendes Einkommen zu gewährleisten, Aer bei weiteren Ausgaben sollte man auch an uns andere denken, we das alles bezahlen müssen. Das sollten auch die Leute bedenken,
Deutsche
Spur-Prämienanleihe
1919
die immer neue Forderungen an die Stadt stellen. Ich bin immer für die Arbeiterinteressen eingetreten, aber alles muß doch Maß und Ziel haben. Und manches hat heute weder Maß noch Ziel. Angestelltenausschüsse zerbrechen sich den Kops, alle Augenblicke neue Forderungen zu stellen. Wir müssen das alles bezahlen, obwohl an vielen Stellen kaum Nennenswertes geleistet wird . . . Die Gasarbeiter sollten unseren Leuten im Rathause die Arbeit nicht allzu schwer machen. Wenn wir nächstens Gaspreise von 70, 80 Pfennig für das Kubikmeter bezahlen müssen, so ist das eine Höhe, die man nicht mehr bezahlen kann."
So schreibt in der — „Freiheit" ein Unabhängiger, dem die 300 Prozent Zuschlag zur Staatseinkommensteuer, die seine Gemeinde von ihm fordert, auf die Nerven gefallen sind, und die Redaktion der „Freiheit" lehnt diesen Standpunkt nicht etwa ab, sondern findet es „sicherlich zutreffend, daß die Vertreter der Bürgerschaft mehr das allgemeine Interesse im Auge behalten sollten".
Ja, das war schon in den „bösen" Zeiten so, als wir noch keine demokratisch-sozialistische Republik waren: Forderungen nach besserer Bezahlung der Arbeiter und Angestellten wurden überall laut, besonders von radikaler Seite; wenn aber die Allgemeinheit naturgemäß die höheren und all die hohen Ausgaben für soziale Reformen, für Kulturzwecke usw. zu tragen hatte, dann ging das Geschimpfe links erst recht los über die unerschwinglich hohen Steuern. Daß die Steuern nicht niedriger würden, war für jeden klar, der wußte, daß die Arbeiter und Angestellten auch unter radikalem Regime ihre Forderungen nicht eindämmen, sondern im Gegenteil erweitern würden. Man kann nicht den Müllkutschern und Metallarbeitern 700 bis 800 Mark im Monat an Löhnen zubilligen, ohne daß die städtischen Angestellten und Arbeiter sich für berechtigt hielten, gleichfalls eine erhebliche Erhöhung ihrer Löhne zu verlangen. Alles das aber hat natürlich eine Erhöhung der Steuern mit Naturnotwendigkeit zur Folge. Höhere Steuern müssen natürlich aber von allen getragen werden.
Wer war es denn, der immer wieder jede Lohnforderung der Arbeiter nud Angestellten für durchaus berechtigt, ja notwendig erklärte? Waren es nicht gerade die Unabhängigen, von den Kommunisten ganz zu schweigen, die damit ihrer Phalanx die wünschenswerte Kräftigung durch den Zuzug der städtischen Arbeiter und Angestellten und kleinen Beamten gewinnen wollten? Die kommunistischen „Lichtstrahlen" haben deshalb ganz recht, wenn sie die obenerwähnten Klagen der „Freiheit" als eine der vielen unabhängigen Inkonsequenzen erklären und dem Organ der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei vorwerfen, es wisse noch nicht einmal, was Sozialismus sei. Und das sei nicht etwa ein Gelegenheits-Lapsus, sondern die Unabhängigen hätten schon, als sie in der Regierung waren, am 2. Januar 1919, es offiziell als „gebieterische Pflicht" erklärt, „dem Anwachsen der Lohnausgaben über das Maß des Erträglichen hinaus mit Festigkeit entgegen zu treten". Jener Erlaß trägt ja auch die Unterschriften der damaligen unabhängigen Minister Wolf Hoffmann, Strobel und Rosenfeld.
Es ist wahr: sobald die Unabhängigen in die Notwendigkeit versetzt sind, eine Verantwortung auf sich zu nehmen, dann merken sie, daß Theorie und Praxis zwei durchaus verschiedene Dinge sind. Sie sind ja auch nur deshalb aus der Regierung ausgetreten, weil sie es bequemer fanden, zu agitieren und zu schimpfen, als vernünftig zu regieren.
Deutschland.
Berlin, 20. Nov. Zu den neuen Forderungen der Landwirte, die der Reichsausschuß der deutschen Landwirte aufgestellt hat, sagt das „Berliner Tageblatt": Diese Sorgen wird man nicht mit einer Handbewegung auf die ergänzende Einfuhr aus dem Auslande abtun können. Die Städte und die Regierung sind bereit, mit den Landwirten zur Behebung der dringenden Notlage Hand in Hand zu gehen; sie dürfen auch auf landwirtschaftlicher Seite den Willen erwarten, Wege zu gehen, welche die städtische Versorgung nicht in den Sumpf führen.
Zur Zuckerversorgung.
Stuttgart, 20. Nov. Die Zuckerkarten wurden entsprechend den Brot- und Fleischkarten für die Zeit vom 1. September bis 15. Oktober ausgegeben, und zwar mit einem Cinlösungswert von 1000 Gramm. Da bereits im September 500 Gramm Einmachzucker ausgegeben wurden, für welche die Reichszuckerstelle keinen Ersatz leistete, so mußte die Monats-Ration für die Zeit vom 15. Oktober bis 15. November auf 350 Gramm herabgesetzt werden. Für die Zeit vom 15. November bis 15. Dezember wird wieder die volle Monatsration mit 650 Gramm gewährt. Im Laufe der nächsten Tage werden sämtliche Kommunalverbände den Zucker für die Zeit vom 15. November bis 15. Dezember erhalten.
Unsere Brokoersorgung bis Rtztte Februar gesichert.
Berlin, 21. Nov. Der „Vossischen Zeitung" zufolge, dürfte schon in aller Kürze eine entscheidende Sitzung stattfinden, in der eine Aenderung der bisherigen Zuckerbewirtschaftung festgesetzt werden wird. Wenn überhaupt an eine neue Bewirtschaftung des Zuckers gedacht wird, so kann das nur in beschränktem Maße der
Fall sein. Man wird sich nicht dazu entschließen könmn, von einer
Zwangsbewirtschastung des für die Haushaltungen rationierten Zuckers Abstand zu nehmen. In der BrotgetreidebewirtschastuiNg dürfte eine Aenderung jetzt nicht erfolgen. Gefahren für die Brot- versorgung bestehen nach der an maßgebender Stelle herrschenden Auffassung nicht. Me Reichsgetreidestelle ist bereits jetzt soweit eingedeckt, daß die Brotoersorgung bis Mitte Februar gesichert ist.
Zum Rückgang der deutschen Valuta.
Der neue, scharfe Rückgang der Mark beruht, wie in Hamburger unterrichteten Börsenkreisen bekannt wird, aus gewaltsamen Positionslösungen in Marknoten für ein dänisches und norwegisches Bankhaus. Dazu kam, daß man in Holland und vielfach auch in der Schweiz annahm, die Einstellung des Personenverkehrs in Deutschland sei ein Beweis für das Bevorstehen neuer revolutionärer Bewegungen. Es hat weiter den Anschein, als ob von englischer und französischer Seite die Situation ausgenutzt werden soll, um durch plötzliche große Abgaben in Marknoten einen neuen Druck auf die deutsche Valuta auszuiiben. Es gibt, besonders in England, weite Kreise, die konsequent darauf hin- strehtzn, den Kurs der Mark noch weiter herabzudrücken, um auf diese Weise in Deutschland billig einkaufen zu können. Dagegen beginnt in maßgebenden englischen Finanz- und Handelskreisen die Erkenntnis aufzudämmern, daß der Ruin Deutschlands, der bei einem weiteren Sinken des Markkurses unvermeidlich ist, auch England schwer in Mitleidenschaft ziehen würde. Vorläufig rühren aber, wie das „Hamburger Fremdenblatt" meldet, die amtlichen Londoner Kreise noch keinen Finger, um das „Loch im Westen" abriegeln zu helfen. Me deutsche Regienmg hat sich daraus beschränkt, scharfe polizeiliche Kontrollmaßnahmen zu treffen. Es bleibt aber abzuwarten, ob durch diese Maßregeln dem Schieber- tum ein Ende bereitet wird. Aus eigener Kraft kann Deutschland das „Loch im Westen" nicht schließen, ein Erfolg kann ur ein- treten, wenn auch die Entente diese Maßregeln unterstützt.
In den letzten Tagen war die Nachfrage nach Marknoten an den Auslandsmärkten etwas reger. Die Amerikaner, die ein unerschütterliches Vertrauen zu der Wiederaufrichtung, der deutschen Wirtschaft zeigen, beginnen wieder Markkäuse vorzunehmen. Das Ausland ist aber mit Marknoten so vollgepfropft, daß diese Käufe nur wenig Wirkung zeigen. Es zeigt sich immer mehr, daß die Gewährung von Einzelkrediten keine Rettung bringen kann. Erste deutsche Firmen müssen für die Einräumung von Valutakrediten in vielen Fällen den zehnfachen Betrag in deutschen Anlagewerten (Kriegsanleihe ist dabei fast immer ausgeschlossen) hinterlegen und außerdem noch die Garantie einer deutschen Großbank bringen. Weniger demütigend sind die Bedingungen der Amerikaner. So sind z. B. für den Bezug von etwa 500 000 Ballen Baumwolle den deutschen Geschäftsleuten recht kulante Bedingungen gestellt worden.
Zur Rechtfertigung Helfierichs.
Dr. Helfferich hat es bekanntlich abgelehnt, auf dir Cohn'schen Fragen zu antworten, weil das hochverräterische Treiben Cohns den Zusammenbruch des Vaterlandes mit herbeigeführt habe. Abg. Dr. Cohn leugnet natürlich. Insbesondere bestreitet er, daß er vom russischen Botschafter Joffe bolschewistisches Geld zur Re- volutionierung Deutschlands und seiner Armee erhalten und ver- wenkxt habe. Nur am 6. November 1918 habe er einen .gestimmten" Betrag erhalten, den er zur Unterstützung russischer Gefangener in Deutschland und nur zu einem kleinen Teile für die Zwecke der „Unabhängigen Sozialdemokratie" verbraucht habe. Da ist es doch am Platze, nochmals mitzuteilen, was der russische Botschafter Joffe selbst mitgeteilt hat. Er schrieb:
„Ich möchte diesen Anlaß benutzen, um dem Rechtsbeistand der russischen Botschaft in Berlin, Herrn Reichstagsabg. Dr. Oskar Cohn, mitzuteilen, daß jene fünfhundertundsünfzigtausend Mark und einhundertundfünfzigtausend Rubel, die er von mir in der letzten Nacht vor der Ausweisung, und zwar als Mitglied der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei- zur Förderung der deutschen Revolution erhalten hatte — in jener Nacht, als er gemeinsam mit uns im Botschaftsgebäude verhaftet saß —, daß er diese Summe zurzeit nicht an die Unabhängige Sozialdemokratische Partei auszuzahlen braucht. Das gleiche gilt von dom in Deutschland deponierten Fonds von zehn Millionen Rubel, worüber ich Herrn Dr. Cohn Verfügungsrecht im Interesse der deutschen Revolution eingeräumt habe. Auch diese Gelder sind nicht mehr zur Verfügung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei zu stellen. Was endlich die Summe von dreihundertundfünfzigtausend Mark und fünszigtaufend Rubel anbetrifft, die Herrn Dr. Cohn von mir zur Hilfeleistung an die in Deutschland zurückgebliebenen russischen Staatsangehörigen erhalten hat, so bitte ich ihn, über diese Gelder auftragsgemäß zu verfügen usw."
Und ein solcher Mann, der auf den Zusammenbruch Deutschlands planmäßig hinarbeitete, darf die besten und größten unserer deutschen Männer verhören, als seien sie Verbrecher.
Steuerwohllaten der Sparprämien-Anleihe.
Me 5prozentigen Zinsen der SMrprämienanleihe sind kapital- und einkommensteuerfrei. Wer 1000 Mark Sparanleihen hat.
Hauptgewinne
10 mal 1 . 00 V .000 Mark
Erste Getvinnziehung im März 1920