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Neuenbürg, Donnerstag den 26 . Juni 1919 .

77 . Jahrgang.

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Deutschland.

Stuttgart, 24 . Juni. Zur Stellungnahme der rvürtt. Legierung zu dem Friedensangebot der Entente nahmen sie Landtagsfraktionen am Samstag Stellung. Von der sozialdemokratischen Fraktion wurde laut Schwäb. Tagwacht mt übergroßer Mehrheit folgende Erklärung beschlossen:

Der Friedensvertrag der Alliierten und assoziierten Mchte ist ein Gewaltfriede schlimmster Art. Die An­drohung brutaler Gewalt gegen das friedliche wehrlose deutsche Volk im Falle der Nichtunterzeichnung zwingt die Regie­rungen, sich der Uebermacht zu beugen. Das deutsche Volk will dauernden Frieden und Gleichberechtigung unter den Völkern. Die sozialdem. Fraktion des württ. Landtags ist überzeugt, daß das württ. Volk als Glied der deutschen Nation von dem festen Willen nach Frieden durchdrungen ist. Die Folgen der Nichtuntrrzeichnung des Friedensver­trages sind für das Volk unerträglich. Nach Abwägung der für und gegen die Unterzeichnung des Friedensvertrags heroorgehobenen Gründe empfiehlt die sozialdemokratische Fraktion Zustimmung unter Verwahrung gegen das Bekennt­nis der alleinigen Schuld Deutschlands am Krieg sowie unter Verwahrung gegen die Forderung der Auslieferung deutscher Staatsangehöriger, ohne daß eine substanzierte Anklage­schrift vorliegt. Die Durchführung der wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen hält die Fraktion nach der heutigen Wirtschaftslage des deutschen Volkes für unmöglich, wofür der Nachweis zu erbringen ist. Jedoch ist der äußere Zwang für das Volk so stark, daß ihre Uebernahme nicht abgelehnt «erden kann.

Stuttgart, 25. Juni. Der Kabinettches des früheren Königs von Württemberg, Baron von Neurath, der bekannt­lich kurz nach der Revolution an Stelle des Grafen Brock­dorff Rantzau den Gesandtschaftsposten in Kopenhagen über­nommen hatte, wird zurücklreten. Graf Brockdorff-Rantzau »ird dafür wieder nach Kopenhagen gehen.

Karlsruhe, 25. Juni. Die französische Militär­delegation, bestehend aus einem Major und einem Haupt­mann nebst Begleitung, welche seit längerer Zeit zwecks Regelung von Paßangelegenheiten zum Abschnitt 5 der neutralen Zone hierher kommandiert war, hat gestern infolge drahtlichen Befehls unsere Stadt verlassen. Auch sonst sind die französischen Kommissionen in der neutralen Zone überall in das besetzte Gebiet abgereist.

Singen-Hohentwiel, 25. Juni. In einer öffent­lichen Versammlung der Unabhängigen erklärte Arbeiterrat Reinhardt aus Friedrichshafen lt.Volksfrd.", ganz offen, daß in den kommenden Wochen eine zweite Revolution die jetzige Regierung stürzen und die Räteregierung aufrichten «erde. Auch vor Kampf und Blut werde man nicht zurück­schrecken.

Duisburg, 25. Juni. Wegen versuchter Grenzüber­schreitung wurden von den Engländern irnerhalb der letzten 8 Tage in der Nähe von Elberfeld nicht weniger als 8 Personen erschossen. Außerdem wurde ein 30 jähriger Ar­beiter von einem Schotten im Streit erschlagen, während ein l8 jähriges Mädchen durch eine verirrte Kugel getötet wurde. Die Bevölkerung ist durch diese Schießereien sehr erregt.

Saarbrücken, 25. Juni. Auf Befehl des obersten Generaladministrators des Saargebiets müssen diejenigen Personen, die aus Elsaß-Lothringen ausgewiesen wurden und nicht von der französischen Militärverwaltung eine besondere Genehmigung zum Aufenthalt im Saargebiet besitzen, die Stadt am 26. Juni verlassen. Wer nach diesem Tage noch angetroffen wird- wird festgenommen und vor ein Militärge­richt gestellt.

Berlin, 25. Juni. DemBerl. Lok.-Anz." zufolge ist die Ausfuhr sämtlicher pfälzischer Weine nach dem rech­ten Rheinufer durch die französische Besatzungsbehörde frei­gegeben worden.

Berlin, 24. Juni. Der Reichsernährungsminister hat am Samstag eine Verordnung erlassen, wonach eine ganz erhebliche Erhöhung der Preise für Schlachtvieh stattfinden M. Man darf hoffen, daß damit die Neigung der Land­wirte und Viehproduzenten steigen wird, das Vieh abzugeben und daß der Auftrieb auf die Märkte und Schlachthöse da­mit sich bessern wird.

Berlin, 24. Jnni. In der Nationalversammlung werden Gesetzentwürfe vorbereitet, die zunächst für die von der Abtrennung bedrohten deutschen Gebiete, sodann für das ganze deutsche Reich, eine Auskunstspflicht der Banken über me einzelnen Vermögen studieren sollen. Diese Gesetze sol- >en zur Verhütung der Abwanderung von Kapital ins Ans­tand dienen. Diese Gesetze hätten viel früher kommen müs­sen. Heute sind viele Millionen bereits ihrem Zugriff ent­gangen.

Danzig, 2S. Juni. Warschauer Blätter bringen dis

Nachricht, daß der Rat de: Bier an die deutsche Regierung

ein Ultimatum gesandt habe, mit der Forder-.ng, daß alle Truppensendungen nach der polnischen Grenze zu unterblei­ben hätten. Falls diese Forderung nicht erfüllt werden würde, würde die englische Flotte Danzig besetzen.

Berlin, 24. Juni. Der Reichspräsident und der Reichswehrminister haben sich wegen der Schmachbedingungen der Fliedensvertrags an die Reichswehr gewandt und sie gebeten, dem Vaterlands weiter treu zu dienen. Die Fraktion der Deutschnationalen Volkspartei hat einen Antrag eingebracht, den 22. Juni, den Tag der bedingungslosen An­nahme des Fnedensvertrags oder den darauffolgenden Sonn­tag zum allgemeinen Trauertag zu erklären. Die Plün­derungen in Berlin hören nicht auf. Die Bevölkerung fordert von den Behörden energische Maßnahmen zur Beendigung der skandalösen Zustände. Auf dem Görlitzer Bahnhof in Berlin traten gestern abend die Eisenbahner wegen Lohn­forderungen in den Ausstand und zwangen die Eisenbahnbe­amten zur Einstellung des Fern- und Vorortverkehrs. Der Bahnhof wurde geschlossen. Die Organisation der Eisen­bahner steht dem Streik ablehnend gegenüber. In der Voss. Ztg." wird gemeldet, daß der Chef des Generalstabs, General Gröner, wegen der bedingungslosen Annahme des Friedensultimatums seinen Abschied einzureichen beabsichtigt. Nach einer Meldung derKreuzzeitung" gab der deutsche Botschafter in Wien aus dem gleichen Grunde seine De­mission. In Hamburg ist es im Verlauf von Demonstra­tionen, die sich gegen das Verfälschungswesen in der Lebens­mittelversorgung wandten, zu erneuten Unruhen und schweren Ausschreitungen gekommen, die eine ganze Anzahl von Opfern an Toten und Verwundeten forderten. Ueber die Städte Hamburg, Altona und Wandsbeck ist der Belagerungszustand verhängt worden. Die Eisenbahner des Direktionsbezirks Breslau sind in den Ausstand getreten, dem sich auch die Bahnunterbeamten angeschlossen haben. Der Streik, dem wirtschaftliche Forderungen zugrunde liegen, droht weiteren Umfang anzunehmen.

Die Unruhen in Mannheim.

Mannheim, 24. Juni. Zu den Unruhen in Mann­heim wird amtlich gemeldet: Nachdem in vergangener Nacht von Zivilpersonen auf militärische Patrouillen geschossen worden ist, hat die Regierung nunmehr angeordnet, daß weitere Truppenverstärkungen nach Mannheim gebracht werden sollen. Die Truppen haben den Auftrag, im Be­nehmen mit der Polizeibehörde Haussuchungen nach Waffen vorzunehmen und konsequent durchzuführen. Den Komman­dos der Truppen ist zur Lösung ihrer Aufgabe vom Staats­ministerium Herr Staatsrat Dr. Ludwig Haas als Kom­missar, vom Landtag Herr Vizepräsident Emil Maier beigegeben. Auch der Herr Minister des Innern begibt sich heute nach Mannheim, um an den notwendigen Beratungen teilzunehmen. Eine auf heute abend in den Nibelungensaal einberufene Versammlung der Kommunisten ist verboten worden.

Mannheim, 25. Juni. Der bei den Plünderungen am Samstag hervorgerufene Schaden beziffert sich auf mehrere hunderttausend Mark. Aus dem Lager des Lebens­mittelamts wurden allein für 80000 Mk. Waren gestohlen. Wie nachträglich noch bekannt wird, haben, um die großen Lager im Hafen zu schützen, am Samstag die französischen Hafenwachen die Volkswehr unterstützt und die Brücke ab­gedreht, damit die Plündernden nicht auch noch die Lager­häuser heimsuchen konnten.

Mannheim, 25. Juni. Bei dem Februarputsch war schon berichtet worden, daß durch die Aufrührer sehr erheblicher Schaden besonders am Gefängnis verursacht worden ist. Der neueste Nachtrag zum Staatsvoranschlag enthält jetzt auch eine Anforderung von 530000 Mk. für die Wiederherstellung des durch die Unruhen am 22. Febr. der Justizverwaltung erwachsenen Schadens. Da infolge der Unruhen beim hiesigen Landesgefängnis eine besondere Wache errichtet werden mußte, so wird hierfür eine weitere Anforderung von 32200 Mk. erforderlich.

Deutsche Nationalversammlung.

Weimar, 24. Juni. Auf der Tagesordnung stehen zunächst kleine Anfragen. Auf eine Anfrage des Abg. Silsing und Gen., ob die Regierung bereit sei, mit Rücksicht auf die Teuerung den Beziehern von Unfall- und Alters­renten eine Erhöhung der ihnen zustehenden Renten zu gewähren und die dadurch entstehenden Kosten auf das Reich zu übernehmen, erklärt der Kommissar des Reichsarbeitsamts Dr. Loews, eine allgemeine Erhöhung der Zusatzrente sei zurzeit nicht möglich, doch bestehe die Absicht, der National­versammlung einen Gesetzentwurf vorzulegen, der allerdings unter gleichzeitiger Heraufsetzung der Beiträge eine Erhöhung der Leistungen der Versicherten vorsieht.

Nach Erledigung einer Reihe weiterer Anfragen ohne

allgemeines Interesse folgre die erste und zweite Beratung des Gesetzentwurfes über Krankenkassen-Angestellten- und Ersatzkassen. Das Gesetz wird mit einigen Abänderungen in allen drei Lesungen verabschiedet. Nächste Sitzung am Dienstag, den 1. Juli, 3 Uhr nachmittags.

Ausland.

Wien, 24. Juni. Der englische Militärbevollmächtigte Cunningham machte in einem Schreiben an den Staats­sekretär Deutsch, in dem die gute Haltung der Vslkswehr in den schweren Tagen anerkennend hervorgehoben wird, die Mitteilung von der Einleitung einer Hilfsaktion für die Kinder der Wiener Volkswehrmänner.

Budapest, 24. Juni. Der ehemalige Erzherzog Wilhelm soll ein Komplott angezettelt haben, um seine Proklamierung zum Kaiser von Galizien und der Bukowina durchzusetzen. Der Erzherzog sei nunmehr in der Bukowina verhaftet und in der Umgebung von Bukarest interniert worden.

Basel, 25. Juni. Die deutsche Valuta in der Schweiz ist erneut stark gestiegen. An der Zürcher, Berner und Genfer Börse wurde gestern für die deutsche Mark 52. no­tiert gegenüber 40 vor zwei Tagen und 33 in der Vor­woche. Die übrigen Devisen sind im Verhältnis nur wenig gestiegen.

Basel, 25. Juni.Matin" meldet; Die Vorberei­tungen zur Siegesfeier in Paris gehen dem Ende entgegen. Der feierliche Einzug der Truppen soll am 30. Juni erfol­gen. Die Besatzunzstruppen in den Rheinlanden und in der Pfalz werden im Laufe des Monats Juli um etwa die Hälfte des hisherigen Bestandes vermindert. Alle älteren Jahrgänge werden entlassen.

Haag, 25. Juni. Aus Newyork wird gemeldet: Die Newyorker Tribüne" berichtet aus Koblenz, daß die Alli­ierten das Rheinland wie eine Monarchie des alten Stils behandeln wollen. Es wird behauptet, daß die Ententekom­missionen die Befugnisse und Machtmittel mittelalterlicher Souveräne besitzen und diese solange, bis Deutschland die Bedingungen des Friedensvertrages erfüllt haben wird, aus­üben werden.

Sp a a, 24. Juni. Nach Bekanntwerden der deutsche» Einwilligung in die Friedensbedingungen kam es vor de« von der deutschen Waffenstillstandskommiffion in Spaa be­wohnten Hotel zu lärmenden Kundgebungen der Bevölkerung, an denen belgische und französische Soldaten teiluahmen. Das Johlen und Pfeifen dauerte stundenlang an. Bo» deutscher Seite wurde selbstverständlich die strengste Zurück­haltung diesen Skandalen gegenüber geübt. Es blieb im übrigen bei Lärmen und Toben des Publikums, ohne daß es wie in Versailles zu tätlichen Ausschreitungen gekommen wäre.

Paris, 24. Juni. Das Kriegsgericht verurteilte den Flieger Teulat zum Tode. Er hatte im Jahre 1918 durch Vermittlung eines französischen Kriegsinternierten in der Schweiz den Deutschen Mitteilungen zukommen kaffen über die Geschoßeinschläge des SteilfeuergeschützesBerta".

Paris, 28. Juni.Daily Herald" berichtet, daß in Paris mit Bestimmtheit verlautet, daß die Alliierten sich im Rat der Vier für die sofortige Aufhebung der Blockade aus­gesprochen haben, sobald der Friedensvertrag mit Deutschland unterzeichnet sei.

Versailles, 24. Juni. Gesandter von Haniel hat an den Vorsitzenden der Friedenskonferenz Clemenceau eine Note gerichtet, in welcher er im Auftrags des Reichsministers des Auswärtigen bei den alliierten und assoziierten Regierungen anfragt, wann die Verhandlungen über das Abkommen betr. die besetzten Rheingebiete beginnen können.

London, 24. Juni.Morning Post" meldet: Lloyd George habe den englischen Pressevertretern in Paris gegen­über erklärt, daß England nach Ablauf eines Jahres Wartefrist nichts gegen die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund einzuwenden habe. Auf mindestens 15 Jahre hinaus müsse jedoch der Wohlstand Deutschlands dazu dienen, die Verbrechen des Krieges wieder gut zu machen.

London 24. Juni. Die Nachricht, daß die Deutschen zugestimmt haben, zu unterzeichnen, wurde in London ruhig angenommen. Es fanden keine Kundgebungen statt.

Holland will die deutsche Ehre wahre«.

Berlin, 25. Juni. Zu der Drahtmeldung, daß Hol­land gegen die Auslieferung des Kaisers sei und die hol­ländischen Sozialisten genau so wie die anderen dortigen Parteien aus dem Standpunkt ständen, daß das Asylrecht unter keinen Umständen verletzt werden darf, schreibt die Deutsche Allg. Ztg.":

Gemäß der bisherigen Haltung der Niederländer i« der Frage der Auslieferung des Kaisers kann dirse Draht-