Ueber Verbrüderungen an der Front dürfen die eng­lischen Blätter nichts veröffentlichen.

Paris, 11. Nov. Clemenceau sagte in einer Ansprache an Journalisten, Deutschland habe mit seiner Kapitulation bis zur Erschöpfung gewartet und sei jetzt außerstande, seine Lebensmittelvorräte anzufüllen. Da die Lage in Deutschland und Oesterreich-Ungarn verzweifelt sei, würden die Alli­ierten ihnen bis zum Aeußersten beistehen, da sie für und nicht gegen die Menschlichkeit kämpften.

London, 12 Nov. Das Unterhaus war ge­stern überfüllt. Lloyd George wurde mit begeister­ten Kundgebungen begrüßt und verlas die Waffen­stillstandsbedingungen, die, wie er sagte, um 5 Uhr morgens nach einem die ganze Nacht hindurch währenden Meinungsausaustausch unterzeichnet wor­den waren. Loyd George fuhr fort: Heute morgen 11 Uhr endete der grausamste und fürchterlichste Krieg, der je die Menschheit zerfleischte. Ich hoffe, daß an diesem ereignisvollen Morgen der letzte aller Kriege zu seinem Ende kam. (Langanhaltender Beifall.) Es ist jetzt keine Zeit zum Reden und unsere Herzen sind übervoll von Dankbarkeit, für die es keine Worte gibt. Ich beantrage deshalb die sofortige Vertagung des Hauses, um in der Kirche jetzt unseren Dank für die Befreiung aus großer Gefahr darzubringen. Asguith sagte, die Waffenstillstandsbedingungen zeigten, daß der Krieg nicht wieder ausgenommen werde. Auch glaubte er, daß die Welt in eine Aera eintrete, in der der Krieg etwas Ueberwundenes sei. Die Mitglieder des Hauses begaben sich darauf in feierlichem Zug zur Kirche. Englische Heuchelei!

Revolution in Paris?

Berlin, 12. Nov. Aus Bremen wird berich­tet: Ein Extrablatt derWeserzeitung" meldet: Wie uns mitgeteilt wird, haben die im Besitz der Arbeiter- und Soldatcnräte befindlichen Funkstation an der Nordsee die Mitteilung aufgefangen, daß die französische Regierung gestürzt und Poincare aus Paris geflohen sei. Diese Mitteilung stammt vom Soldatenrat, welcher den Luftverkehr mit Helgoland aufrecht erhält. In Helgoland ist diese Meldung aufgefangen worden; deshalb braucht sie noch nicht richtig zu sein. Man wird jedenfalls gut daran tun, anderweitige Bestätigung abzuwarten. Freilich fehlt es nicht an Anzeichen dafür, daß sich auch an den französischen, italienischen und englischen Fron­ten starke Auflösungserscheinungen geltend machen. Schweizer Urteile über die Waffenstillstands-- -edingungen.

Bern, 11. Nov. Die Schweizer Presse ist sich in der Verurteilung der Wassenstillstandsbeding­ungen, die von Foch gestellt wurden, einig; sie be­zeichnet sie als maßlos und alle pessimistischen Er­wartungen übersteigend.

Zürich, 11. Nov. In Einzelkommentaren der Zeitungen kommt zum Ausdruck, daß wenig Hoff­nung besteht, daß Foch seine Waffenftillstandsbe- dingungen trotz der vollkommenen Umwälzung in Deutschland, die zur Zertrümmerung der von den Alliierten als noch immer vorhandenen und weiteste Garantien verlangenden Gewalten führte, kaum mildern dürfte. Die Schwere der Beding­ungen, die, wie man hervorhebt, durch einen raschen Friedensschluß gelindert werden dürften, werden ohne Zweifel purch die sozialistischen und bürger­lichen Parteien in Frankreich selbst kaum begrüßt werden. Man dürfte nicht fehl geben, daß die aufs höchste geschraubten Forderungen, die nun dem republikanischen Deutschland gestellt werden, revo­lutionäre Strömungen unter den Soldaten der Ali- ierten eher fördern könnten.

Befürchtungen in England, Amerika und der Schweiz.

Berlin, 12. Nov. Der Berner Korrespondent desVorwärts" hört, daß die Vorgänge in Deutsch­land auf die Staatsmänner in England und Ame­rika einen tiefen Eindruck gemacht haben, und eine Rückwirkung auf England und Amerika befürchtet wird. In der Schweiz hält die beunruhigte Stim­mung über bolschewistische Tendenzen im Lande an. Die ententefreundliche Schweizer Presse äußerte Be­sorgnisse über ein Uebergreifen der Bewegung auf Frankreich und Italien.

Haag, 12. Nov. Zu der Mitteilung, daß die alliierten Truppen bis auf weiteres die jetzt be­setzten Linien nicht überschreiten dürfen, wird von gut unterrichteter Seite gesagt, man wolle ver­meiden, daß die französischen Truppen in Berühr­ung mit den deutschen Truppen kommen, da man befürchtet, daß auch unter ihnen eine aufständische Bewegung Platz greifen könnte.

Die Entente verwirft einen Berständigungs- frieden.

Haag, 12. Nov. Die Alliierten versuchen Wilson zu überzeugen, daß sich angesichts der revo­

lutionären Bewegung in Deutschland der Ver­ständigungsfriede in Wilsons Kundgebung überlebt habe. Man müsse versuchen, in den.Ententeländern durch vorteilhaften Friedensschluß und Belohnung der breiten Massen das Uebergreifen des Bolsche­wismus auf die Entente zu verhindern. Es sei möglich, die von den Bolschewisten erklärte Einig­keit der Arbeiter- und Soldatenräte Europas durch die ungeheure Verschiedenheit des Schicksals der Völker zu vereiteln.

Aus StaSt. Bezirk unv Umgebung

Neuenbürg, 12. Nov. Wegen augenblicklicher Bahnverhältnisse ist die Annahme sämtlicher Feld­postsendungen nach der Westfront vorläufig eingestellt. Die Annahme von Paketen nach dem Elsaß ist vorläufig ebenfalls eingestellt. Die Annahme sämt­licher Feldpostsendungen für deutsche Heeresangehörige in der Türkei, Rumänien, Balkan und Oesterreich-Un­garn ist gesperrt.

Neuenbürg, 12. Nov. Im Verfolg der Er­klärung des KriegsernährungSamts gibt die Reichs­getreidestelle bekannt, daß vom 1. Dezember d. I. ab die tägliche Mehlration um 40 Gramm erhöht wird. Den Schwer- und Schwerstarbeitern wird diese Erhöhung auf ihre Zulagen angerechnet.

Neuenbürg, 12. Nov. Es scheint weiteren Kreisen der Bevölkerung immer noch unbekannt zu sein, daß die am 2. Januar 1919 fälligen Zins­scheine der Kriegsanleihen von Reichs wegen als vollgültige Zahlungsmittel erklärt worden sind. Sie können also wie jedes andere Papiergeld benutzt und vom 1. November ab müssen sie von jedermann in Zahlung genommen werden; Zurückweisung ist unstatthaft. Ebenso werden nun auch die neuen als Kriegsnotgeld von der Stadt Stuttgart ausgegebenen Scheine über50, 20 und 10 von allen städtischen und staatlichen Kassen angenommen.

Neuenbürg, 12. Nov. Den Umtausch der Zwischenscheine für die 4'/-prozentigen Schatzan­weisungen der VIII. Kriegsanleihe und für die 4'/,prozentigen Schatzayweisungen von 1918, Folge VIII behandelt eine vom Reichsbank-Direktorium im An­zeigenteil der Nr. 258 desEnztäler" erlassene Be­kanntmachung, auf welche hiemit besonders aufmerk­sam gemacht wird.

Ealw, 12. Nov. Die Vorstellung der Bewerber für die Stadtvorstandsstelle soll am Sonntag den 17. Nov. stattfinden. Als offizielle Bewerber haben sich bisher gemeldet: Reg.-AsessorDreutz von Ehingen; Schultheiß Funk von Rohracker (O/A. Cannstatt); Ratschreiber Gähner von Untertürkheim; Schultheiß Rat von Lustnau O/A. Tübingen. Die Bemüh­ungen, den früheren Sladtpfleger Schultheiß Dreher in Weil im Dorf zur Bewerbung zu bewegen, waren nicht von Erfolg begleitet.

WurltLmbsrg.

Stuttgart, 12. Nov. Die Vorgänge im Wilhelmspalast am Samstag vormittag schildert derBeobachter folgendermaßen: Um 11 Uhr war die Vereidigung des neuen Ministeriums Liesching durch den König im Wilhelmspalast. Es war ein hochdramatischer Augenblick. Anfänglich war es noch ruhig draußen auf der Straße und im Vorhof. Plötzlich wird die Tür aufgerissen; es dringen Sol­daten aus der Bergkaserne in das Lokal. Sie fordern die Einziehung der Königsstandarte auf dem Hause uud das Hissen der roten Flagge, die sie mitbringen. Der König sagt:Die Fahne auf dein Dach ist die meines Hauses. Man kann von mir verlangen, daß ich sie einziehe; aber daß ich auf meinem Privathaus die rote Flagge aufziehen muß, das kann man doch nicht fordern." Nach weiteren Reden und Gegenreden wird die letzte Forderung nicht mehr gestellt. Die Soldaten ziehen ab zur Rotebühlkaserne. Mit Genehmigung des Sol­datenrats ist der König und d'e Königin am Sams­tag abend in vier Automobilen nach Bebenhausen abgefahren.

Stuttgart, 12. Nov. Das Kgl. Hoftheater hat mit dem gestrigen Tage den Namen Württem- bergisches Landestheater angenommen.

Stuttgart, 11. Nov. Die Landesversorgungs­stelle hat die Aufhebung sämtlicher Bezirks- und Gemeindeobststellen mit Ausnahme derjenigen der Oberamtsbezirke Ravensburg, Teltnang und Wangen, die als bevorrechtigte Obststellen bestehen bleiben, verfügt.

Stuttgart, 12. Nov. Von Kontrollbeamten des Kriegswucheramts wurde in den letzten Tagen auf dem Bahnhof Horb eine Expreßgutsendung an­gehalten und daraus insgesamt 4 Zentner Rindfleisch beschlagnahmt. Das Fleisch rührte aus einer uner­laubten Schlachtung her, die ein Sergeant des Ers.-Batl. Gren.-Regts. 119 in seinem Heimatort vorgenommen hatte. Die vier Zentner Fleisch, die

offenbar zu Schleichhandelszwecken nach Stuttgart verschickt worden waren, wurden dem Kommunal­verband Horb zugeführt und dort verwertet.

Zuffenhausen, 12. Nov. Bei einer dieser Tage in der Nachbarschaft durch hiesige Jägdler vorgenommenen Hasenjagd wurde ein hiesiger Kauf­mann von einem seiner Freunde angeschossen, jedoch nicht lebensgefährlich verletzt. Während diese de» Verletzten verbanden, wurde ihnen die aus meh­reren Hasen bestehende Beute gestohlen.

Oehr' ngen, 12. Nov. Zum Verkauf des heurigen Weinmosterzeugnisses der fürstl. Herrschaft waren, da Versteigerungen verboten sind, nur die Käufer vom letzten Jahre eingeladen, denen der Neue mit einem Zuschlag von 10 bis 15 Prozent auf die ferndigen Preise angeboten wurde, wonach sich der Hektoliter Weiß gemischt auf 514 Mk., Rot ge­mischt auf 540 Mk., Traminer auf 550 Mk. ge­stellt hätte. Die Käufer waren jedoch infolge der mißlichen Zeitverhältnisse sehr zurückhaltend und konnten sich erst zum Kauf entschließen, nachdem der Wein wesentlich billiger angeboten wurde und zwar der Hektoliter Weiß zu 400 Mk.. Rot zu 400 Mk., Traminer zu 430 Mk. (ohne Steuer.(

Mergentheim, 11. Nov. Eine wertvolle LadungNeuer" floß in den Vorbach. Ein hiesiger Dienstbote sollte in Laudenbach für nahezu 8000°^! Wein holen für eine hiesige Wirtschaft. Allein das Gefährt stürzte und der Wein ergoß sich in den Vorvach.

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VaSen.

Karlsruhe, 12. Nov. Ein mit keiner Un­terschrift versehener zeitgemäßer Aufruf wurde am Sonntag in sämtlichen evangelischen Kirchen verteilt, in dem es u. a. heißt: Wir haben allesamt schwere Schuld auf uns geladen. Wir haben zu einer Zeit, wo draußen das edelste Blut und bei uns die heißesten Tränen vergossen wurden, dem Wucher, dem Schleichhandel, der Gottlosigkeit, überhandneh­mender Unzucht die Türen weit geöffnet, ein großer Teil unserer Jugend ist zuchtlos geworden. Ver­sündigen wir uns nicht noch mehr! Lasset uns endlich der Stimme der Besonnenheit gehorchen, lasset uns das Band der Liebe, der Treue, der Einigkeit befestigen und entschlossen den kommenden Entscheidungen entgegensehen! Unser Schicksal liegt außer in der Hand Gottes bei den Vertretern des ganzen Volkes und bei jedem einzelnen von uns.

Vermischtes.

Berlin, 10. Nov. Generaldirektor Ballin von der Hamburgs Amerika-Linie erlitt nach einer Mel­dung derVoss. Ztg." aus Hamburg, gestern mit­tag einen Schlaganfall. Er ist heute mittag 1 Uhr gestorben.

Bingen, 10. Nov. Sehr vornehm zeigt sich eine Weinhandlung anläßlich der auch hier stark auftretenden Grippe. Die Firma läßt an alle Min­derbemittelten, die von der Grippe befallen sind, Rotwein zur Stärkung der Kranken kostenlos ver­teilen. Die Familien brauchen zu diesem Zweck bei ihrem Arzte nur einen Antrag zu stellen.

Gunzenhause n, 12. Nov. Dieser Tage starb der pensionierte Lehrer Leonhard Keusch', 55 Jahre alt. Seine Frau, die ihn gepflegt hatte, sagte bei seinem Tod:Jetzt kann ich auch nicht mehr!" legte sich zu Bett und verschied, während ihr Mann ausgesegnet wurde. Die beiden Söhne dieses Ehe­paares sind im Krieg geblieben.

Wer giltals minderbemittelt? Ueber diese Frage spricht sich die Kleiderstelle der Stadt Leipzig in einer Bekanntmachung über die Versor­gung der minderbemittelten Bürgerschaft dahin aus, daß als Minderbemittelte zunächst die zu gelten ha­ben, deren Einkommen bis zu 3100 Merk jährlich beträgt, sodann verheiratete Personen ohne Kinder bis zum Einkommen von 5300 Mark, mit einem unterhaltsbedürftigen Kind bis zu einem Einkom­men von 6900 Mark, mit zwei Kindern bis 7300 Mark usw. Jedes weitere Kind wird mit 1000 Mark angerechnet. Ein Familienvater, der z. B. 3900 Mark jährlich verdient, und vier Kieder zu unterhalten hat, gilt also als minderbemittelt.

Das un abänderliche Gebet. König Friedrich Wilhelm I. pflegte sich, wenn er abends ausgezogen war, um sich niederzulegen, von seinem Kammer­diener ein Abendgebet vorlesen zu lassen, wobei er mit großer Andacht zuhörte. Einst, als ein neu angekommener Kammerdiener das Gebet zum ersten­mal vorlas, glaubte er, es der Ehrfurcht gegen seinen Herren schuldig zu sein, die Worte :der Herr segne dich", sowie solche indem Gebet standen, abändern zu müssen: und sagte:der Herr segn Ew. König!. Majestät."Was liest er Lak rief der König. Der arme Mensch ward bestu z, und in der Meinung, dem Monarchen durch d