Berlin, 16. Nov. „Paris-Geneve" bringt an «uffallender Stelle einen Artikel: „Die Schweiz in Erfahr! Entdeckung einer ungeheuren Spionageaffäre, die die Neutralen und den Boden der Schweiz gefährdet!" Zum ersten Mal bestätigt ein Welschschweizer Blatt die Spionagevorkommnisse, die jüngst in den Münchener Neuesten Nachrichten" und von den Franzosen mit Entrüstung geleugnet wurden. Das Blatt sagt: „Der aufgedeckte Fall ist die größte Spionageaffäre des gegenwärtigen Krieges und weicht von allen anderen dadurch ab, daß er gegen die. Schweiz gerichtet ist. Laut Geständnis eines Schuldigen arbeiteten Missionen zu Gunsten einer krieg- führenden Macht, die in die Schweiz einfallen und sie zum Kriegsschauplatz machen wollte." Die Zeitung schildert eingehend, wie die Spione die Pläne der schweizerischen Befestigungen für 10000 Frcs. verkauften. Der Adjurant des französischen Militärattaches, Raispail, der Leiter de. Bande, wird diesmal zwar nicht erwähnt, aber seine Umtriebe sind ja durch die jüngsten Enthüllungen in ein völlig eindeutiges, das heißt zweideutiges Licht gerückt worden. — Dem „Berliner Tageblatt" zufolge schreibt das in Lugano erscheinende Blatt „Popolo LibertL": Laut sicheren Informationen war vor Be- ! ginn der deutsch-österreichischen Offensive ein ita- j kienisches Heer an der Schweizer Grenze aufgestellt, j Alle Grenzübergänge waren seit geraumer Zeit befestigt und auf der Linie Domodessola - Barese— Gallarate war das italienische Heer mit der Front gegen die Schweiz versammelt. Cadorna mißtraute nämlich den Schweizern (!) und fürchtete stets, entweder seitens der Schweizer selbst oder seitens der durch die Schweiz marschierenden Mittelmächte einen Angriff. So begann die grenzenlose Unklugheit, diesem Phantom zuliebe seine Hauptfront zu schwächen, svdaß ein ungerechtfertigtes Mißtrauen den Italienern die bittersten Früchte trug.
Köln, 17. Nov. Die Köln.Ztg. meldet aus Genf: Das Kabinett Clemenceau erscheint den Neutralen als Zeichen der erbittersten Fortsetzung des Kriegs. Nur eine Enttäuschung mit Amerika könnte Frankreich zum Nachgeben zwingen. Die Agentur Fournier meldet, der Minister des Innern Pams plane die radikale Ausrottung der Standale ohne Schonung Malvps. Der Minister des Aeußern Pichon werde die Hauptaufgabe im Abschluß eines neuen Bündnisses mit Japan erblicken. - - Die iiM^Wboss. Zig." schreibt: Clemenceau behält sich, das Reffort des Krieges vor. Er wird ihn mit den äußersten Mitteln führen und so lange als möglich. Er wird die verstärkte Mitwirkung Englands auf Grund seiner guten englischen Beziehungen herbcizu- ffihren trachten. Diö Kammer wird ihn eine Weile gewähren lassen. Seine Macht ist groß, größer die Zahl seiner Feinde.
Berlin, 17. Nov. Die „B. Z." meldet aus Rotterdam: In der „Humanste" schreibt der ehemalige Sozialist Sembat: Wir fürchten Clemenceau als Menschen. Sein Charakter und die Wirkung seines Denkvermögens bilden für Frankreich eine überaus drohende Gefahr. Unzusainmenhängendes
Steine am Weg.
Roman aus schwerer Zeit von Hans Kurd.
13) (Nachdruck verboten.)
Hab' vielen, vielen Dank für deine große Liebe. Ich will, wenn ich oben sein werde, für dich beten, daß es dir wieder gut geht. Vergiß mich nicht ganz, Paul, aber laß meinen Schatten nicht einen Stein dir im Wege sein, nimm das Leben, wie es dir gehört, und laß auch deine Liebe zum Leben nicht durch meinen Tod dir nehmen. Das will ich, das kann ich nicht wollen. Leb' wohl I*
Sie sprach'« mit geschlossenen Augen, leise, stockend.
Stumm weinend hielt er ihre Hand fest.
„Ich will jetzt sterben*, flüsterte sie kaum hörbar.
Und der Atem ging immer schwächer. Sie schlug die Augen auf, und mit fieberndem Blick betrachtete sie Paul, er fühlte das Zucken ihrer Hand, und immer schwächer wurde der Schlag des Pulses ... Eine leise Kälte kroch über die magere Hand, die Züge fielen langsam ein.
Da warf der Husten den todesmatten Körper noch einmal auf, ein Keuchen, ein schreiendes Stöhnen . . . dann fiel der Kopf nach hinten.
Durch das Zimmer rauschte der Engel des Todes und trug eine Dulderseele in Abrahams Schoß, hinauf da, wo es keinen Unterschied mehr gibt zwischen arm und reich.
In stummem Schmerz warf sich Paul über sein totes Weib. So lag er, tränenlos, die Lippen fest aufeinandergepreßt, bis der Arzt ihn mit sanfter Gewalt aufhob.
Mechanisch griff er nach dem Totenschein.
„Sie ist erlöst, und Sie mit, Werner*, raunte ihm der Arzt zu.
launenhaftes Temperament und Unbeständigkeit find unheilbare Laster, die zu schwerem Unglück führen können. Das ist in absichtlich gemäßigten Worten der Grund unseres wohlüberlegten und unerschütterlichen Widerstandes gegen Llemenseau.
Petersburg, 17. Nov. (WTB.) (Reuter.) Die Maximalisten geben bekannt, daß sie Zarskoje Selo besetzt haben und daß sich die Anhänger Kerenskis in der Richtung auf Paulowsk und Gatschina zurückziehen. Die Maximalisten behaupten, daß in den Kämpfen in der Nähe der Station Ale- xandrowsk 1500 Kosaken getötet und verwundet worden seien und daß die Verluste der Maximalisten nur 20 Mann betragen.
Berlin, 17. Nov. Die „B. Z." meldet aus Wien: Nach Meldungen aus Rußland, die hier eingctroffen sind, dürfte ein Kompromiß zwischen Kerenski und Lenin zustande gekommen sein. Ueber die Art der Vereinbarung hat man noch kein klares Bild. Nur das eine dürfte sicher sein, daß Lenin die Oberhand behalten hat, Kerevski sich den verschiedenen Wünschen der Bolschewiki Zügen muß und seine Person daher stark in Hintergrund treten wird.
Stockholm, 17. Novbr. „Stockholms Dag- bladet" meldet aus Petersburg: Ueber das Programm der neuen sozialistischen Koalitivnsregierung steht nur soviel fest, daß ihre erste Handlung darin bestehen soll, mit den äußeren Feinden Frieden zu schließen.
Basel, 17.'Nov. Blättermeldungen zufolge herrscht in verschiedenen Bezirken des Gouvernements Twer Hungersnot, unter welcher eine Bevölkerung von 100000 Personen leidet. Im Wvlga- gebiet ereigneten sich schwere Agrarunrvhen, ebenso in Cherson und Orel.
WürltLmdsrg.
Ebingen, 16. Nov. In den letzten Tagen wurden hier und im benachbarten Tailfingen einige Trikotfabrikanten unter dem Verdacht, Schleichhandel und Wucher getrieben zu haben, verhaftet.
Einunberechtigter Vorwurf. DerStaats- anzeiger schreibt: In der „Schwäbischen Tagwacht" wird von einem „31jährigen Geistlichen" „aus einem des Oberamts Künzelsau" berichtet, „der schon wiederholt zum Militär cinrücken sollte, sich aber jedesmal zu drücken verstand". Der darin enthaltene Vorwurf gegen die württembergische Geistlichkeit muß mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen werden. Soweit neben der großen Zahl von Geistlichen, welche im Heeresdienste stehen, andere vom Heeresdienst zurückgestellt sind, ist dabei lediglich die Rücksicht auf die Bedürfnisse ihrer oder der von ihnen vertretungsweise zu versehenden Gemeinden, nicht ihr persönlicher Wunsch maßgebend. Gegenüber dem erhobenen Vorwurf darf auch bei diesem Anlaß wieder.an die vielen schweren Opfer erinnert werden, welche der Krieg gerade auch unter den württem- bergischen Theologen schon gefordert hat.
. Der Arzt war gegangen, und die Nachbarin kam, kniete fromm am Bett der Toten im fürbittenden Gebet. Dann schob sie den Mann in das andere Zimmer.
„Ich will die Tote anziehen. Gehen Sie mit meinem Mann den Sarg kaufen, gehen Sie!"
Aber Paul Werner ging nicht.
Die Hände über das Gesicht gelegt, saß er ! am Tisch und versuchte Klarheit in seine Gedanken § zu bringen.
Seine Anni war tot, er hatte sie sterben sehen!
Jetzt war er allein, allein mit sich und seinem ganzen Jammer, hatte nun niemanden mehr, der seine Sorgen mit ihm teilte, ihn aufmunterte, wenn er verzweifeln wollte, niemanden mehr, der ihn liebte, den er liebte, für den er folgen konnte.
Ah ... war es da nicht besser, seinem Weibe nachzufolgen in das bessere Jenseits?
„Du sollst leben", waren der Toten Worte gewesen. „Nicht soll mein Schatten dir ein Stein im Wege sein, und mein Tod soll dir deine Liebe zum Leben nicht rauben", murmelte er vor sich hin.
War nicht der Wunsch der Toten für ihn neue Lebens Verheißung? Kein Stein im Weg ihr Schatten?
Jetzt ging erst recht die Sorge los. Einen Notgroschen hatte er nicht, und war auch die Anschaffung zur Beerdigung noch so einfach, sie kostete doch Geld genug.
Woher nun das alles nehmen?
Sollte er jetzt dem Vater schreiben? Nun stand sie ja nicht mehr zwischen Vater und Sohn, sie war tot.
Er überlegte lange.
Endlich entschloß er sich zu einem Briefe.
Er schrieb, zerriß das Blatt wieder und begann von neuem. Nicht betteln wollte er. . .
Skr StaSt. Vezstl-Ir unS
Lchömberg. Mit dem Eiservev Kreuz !l. Kl. wurde Karl Bertsch von hier, gegenwärtig in Italien kämpfend, ausgezeichnet.
Seine Majestät der König hat den NotariatS- praktikanten Dengler in Neuenbürg zum A«tS- gerichtssekretär in Oberndorf ernannt.
Neuenbürg, 18. Nov. Vom 1i». November an darf auf allen deutschen Eisenbahnen dis auf weiteres das Gewicht eines einzelnen Gepäckstückes 50 KZ nicht übersteigen. Dieser Gewichtsbeschränkung unterliegen nicht: Fahr- und Rollstühle, die Kranke und Gelähmte mit sich führen, Kuriergepäck, Gepäck der Offiziere, Marinegepäck. Musterkoffer der Geschäftsreisenden, soweit die Musterkoffer in Personenzügen befördert werden solen und der Reisende eine Bescheinigung der Handelskammer über die Notwendigkeit der Mitführung von Gepäck vorweist, Musikinstrumente in Kästen, Futteralen oder anderen Umschließungen, svfern sie unzweifelhaft zum persönlichen Gebrauch des Ausgebers dienen, sowie Geräte von Artisten und Schaustellern.
Pforzheim, 18. Nov. Gestern lvar ein halbes Jahrhundert verflvssen, seitdem am 17. Nov. 1867 eine Versammlung hiesiger Bürger unrer dem Vorsitz des damaligen Amtsvorstandes beschloß, nach den Grundsätzen von Schulze-Delitzsch hier einen Vorschußverein zu errichten. Dieser Vor- schußverem trat dann wenige Monate später i«S Leben und hat sich vor mehreren Jahren, um den Uebergang von einer Darlehenskasse zu einer mehr bankmäßigen Kreditgenossenschaft zu betonen, den Namen Pforzheimer Gewerbehank e. G. m. u. H. gegeben. Die Bank verteilt schon seit Jahren regelmäßig, auch während des Krieges, 6 Prozent Dividende und zählt nach dem letzten Abschluß 2372 Mitglieder. ,
vermischtes.
- Aus der Pfalz, 13. Nov. In den Annalen der pfälzischen Weingeschichte werden die späteren Geschlechter mit Staunen lesen, wie der Weinbauer im Jahre 1917 einen wircklich goldenen Lohn für sein Produkt erhielt. In den letzten Tagen an Martini, sind die Mostgelder ausbezahlt worden. Die Summen, die dabei auf den Banken umgesetzt wurden, belaufen sich tatsächlich in die Hunderte von Millionen und es ist keine Seltenheit, daß ^ die Produzenten das Geld im Reisekoffer nach Haufe tragen mußten. Kam es doch vor, daß eine einzelne Weinfirma 5 bis 6 Millionen an Mostgeldern ausbezahlt hat. Wenn man bedenkt, daß die letzte Kriegsanleihe, zu der Industrie, Landwirtschaft, Beamte, Arbeiter und Rentner beitrugen, in der ganzen Pfalz „nur" 120 Millionen betrug und der Pfälzer Weinbau allein, der doch nur eine» Bruchteil der Bevölkerung darstellt, jetzt etwa das Doppelte ein-
nein . . . nie . .. mochte der Vater machen, was er wollte.
Und nur eine kurze Nachricht wurde e».ßA»m ist tot. Nichts weiter.
Der Nachbar kam und sprach ihm Trost zu.
Dann gingen sie zusammen fort, kauften einen Sarg; Paul kaufte Blumen, weiße Rosen, die Anni immer so gerne hatte. Wie im Traume ging er durch die Straßen, und der Nachbar tat ihin den Freundschaftsdienst und besorgte alles fast selbst..
Auf dem Rückwege ging Werner zu seinem Chef und bat um Urlaub.
„Selbstverständlich, Werner. Sagen Sie, brauchen Sie Geld? Ich borge Ihnen dreihundert Mark gerne."
„Ich wollte nicht darum bitten, Herr Körber, aber wenn Sie mir es geben wollten . . .*?
„Gerne. Bleiben Sie ruhig noch bis Sonntag zu Hause. Sie werden ja selbst total abgespannt sein."
Werner steckte das Geld ein und empfahl sich-
Als er mit dem Nachbar nach Hause kam, lag sein Weib schon aufgebahrl.
Stumm drückte er ihr die Rosen in die kalte Hand.
Als er allein war, da Lbermannte ihn der Schmerz, und heftig schluchzend weinte er und streichelte über das wachsgetve, kalte Gesicht. ,
„Mein süßes, liebes Weib, leb' wohl! . . .'
Wankend ging er in das Zimmer und setzte sich auf das Sofa. Und langsam senkte sich der Schlaf über den ermüdeten Mann.
(Fortsetzung folgte