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der ursprüngliche Preis von 1.301.50 weit überboten werden muß. Auch der Hafer leidet sehr unter der Hitze. Die Weinberge weisen den denkbar besten Stand auf.

Schäftersheim, 15. Juli. Das 5 Jahre alte Töchterchen der Witwe Emmert hier wollte zum Hause hinaus, fiel aber hiebei so unglücklich in das Schuheisen vor dem Haus, welches aus einer alten Pfahlhippe bestand, so daß dem armen Kinde die Gedärme hervortraten. Aerztliche Hilfe war alsbald zur Stelle.

Endersbach i. R., 15. Juli. Spurlos verschwunden ist seit 4 Wochen Flaschnermeister Karl Eisele hier. Derselbe ist vermutlich nach Amerika entwichen mit Geldern, die er sich kurz zuvor durch Holzhandel rc. zu verschaffen wußte. Die Lieferanten haben nun daS Nachsehen, ebenso dessen Frau und 2 Kinder.

Geislingen a. St., 14. Juli. Wir haben nun auch hier das Rückgauer'sche Hebe­verfahren kennen gelernt; allerdings diente eS dies­mal zur Verkleinerung, nicht zur Erhöhung wie sonst, eines Wohnhauses in der Eberhardstraße, dessen Dach für einen bestimmten Komplex die Aus­sicht von einer Anhöhe ins Tal versperrte. Das Dach nebst Dachstock wurde festgelegt, sodann das darunter liegende Stockwerk entfernt, worauf der obere Teil herabgelossen und kunstgerecht wieder aufgesetzt wurde. Die Arbeit ging ohne Stockung und planmäßig vor sich und zog viele Neugierige an.

Göppingen, 15. Juli. Die hiesigen Textilarbeiter find lt.Hohenstaufen" in eine Lohnbewegung eingetreten. Sie verlangen, daß die Lohnskala an verschiedenen Stellen der Fabriken angeschlagen, zweitens die Mittagspause ohne Ver­längerung der Arbeitszeit auf 1'/» Stunden aus­gedehnt, drittens der Akkordlohn um 10 °/° erhöht werde und viertens stets nur gutes Garn zur Ver­wendung komme. Die Fabrikanten haben sich be­reits mit den Wünschen der Arbeiter befaßt und durch Anschlag in den Fabriken bekannt gegeben, daß sie dem Wunsch betr. die Lohnskala entgegen- kommen, die 1'/»ständige Mittagspause bewilligen; doch müßte die seitherige halbe Stunde hercingeholt werden. Der Wunsch auf Lohnerhöhung könne unter den obwaltenden Verhältnissen keine Berück­sichtigung finden, da Göppingen sonst nicht mehr konkurrenzfähig wäre gegenüber anderen Textil­zentren. Hinsichtlich des Garnes werde man bestrebt sein, nach wie vor nur bestes Material zu verwenden. Die Arbeiter derG. Krum'schen Papier­fabrik unternahmen am letzten Sonntag auf Kosten der Firma einen Ausflug nach Marstetten, OA. Leutkirch, um die dort errichtete Krum'sche Holzstoff- und Cellulosefabrik zu besichtigen. Bei dieser Gelegenheit überreichte der Inhaber der Fabrik, Herm. Krum, zwei seit über 10 Jahren in der Fabrik tätigen Arbeitern das Ehrendiplom des Papier­

industriellenvereins und je eine schöne Taschenuhr mit Kette.

Ulm, 13. Juli. Das hiesige Schöffengericht verurteilte den früheren Redakteur Schönfelde derUlmer Zeitung" zu 20 Geldstrafe, weil er in einem Artikel des genannten Blattes den Obersten a. D. Hüger, der über seine Erlebnisse beim Mili­tär ein Buch schrieb, einenUlmer Bilse" und des weiteren eineQuerulantenseele" genannt hatte. Auf Berufung Hügers erkannte die Strafkammer als Berufungsinstanz auf 100 ^ Geldstrafe. Die Strafkammer ging gleich wie das Schöffengericht von der Ansicht aus, daß die Vergleichung mit Bilse eine Beleidigung sei, zumal Hüger seine An­klagen mit seinem vollen Namen deckte, Bilse da­gegen ein Pseudonym wählte. In dem Ausdruck Querulantenseele" wurde eine formelle Beleidigung erblickt.

Tauberbischofsheim, 15. Juli. Gestern mittag entlud sich über unsere Nachbargemeinden Königheim, Werbach, Hochhausen, Werbachhausen und Böttigheim ein furchtbares Gewitter mit wolkenbruchartigem Regen, so daß das Wasser in Werbach und Werbachhausen '/> w hoch stieg und alles überschwemmte. Begleit-t war dieser Regen noch von einem furchtbaren Hagel in der Größe von Haselnüssen. In Königheim vernichtete der Hagel den gesamten Weinbergsertrag. In den anderen Gemeinden ist der Schaden weniger be­trächtlich.

Lindau, 14. Juli. Eine kühne Sch wimm­tour vollführten zwei hiesige Postbeamten, welche die Strecke von Lindau bis Bregenz (6 km) bei ungünstigem Wellengänge in 4'/- Stunden zurück- legtcn. Die Temparatur des WasferS betrug 18° R. Unterwegs wurde den Schwimmern von ihren Be­gleitern im Kahne stündlich ein in Kirschwasser getauchtes Stück Zucker verabreicht.

Berlin, 15. Juli. DerReichs-Anzeiger" veröffentlicht heute das am 12. Juli in London vollzogene deutsch-englische Schieds-Ab- kommen. Dasselbe hat folgenden Wortlaut: Artikel 1. Streitige Rechtsfragen und Streitfragen, die sich auf die Auslegung der zwischen den beiden vertragsschließenden Teilen bestehenden Verträge be­ziehen, sollen, sofern sie nicht auf diplomatischem Wege haben erledigt werden können, dem durch das Abkommen vom 29. Juli 1899 eingesetzten ständigen Schiedshof im Haag überwiesen werden. Dabei ist jedoch vorausgesetzt, daß solche Streitfragen nicht die vitalen Interessen, die Unabhängigkeit oder die Ehre der beiden vertragsschließenden Staaten be­rühren und nicht die Interessen dritter Mächte an- gehcn. Artikel 2. In jedem Einzelfalle sollen die vertragsschließenden Teile, bevor sie den ständigen Schiedshof anrufen, einen besonderen Schiedsvertrag abschließen, der den Streitgegenstand, den Umfang der Befugnisse der Schiedsrichter und die Frist klar bestimmt, die für die Bildung des Schiedsgerichts

und die verschiedenen Anträge des Verfahrens fest- zusetze» find. Artikel 3. Das gegenwärtige Ab­kommen ist für einen Zeitraum von 5 Jahren vom Tage der Unterzeichnung ab geschlossen.

Breslau, 15. Juli. Unter der Schiffer- Bevölkerung an der Oder sind zwei Typhusfälle vorgekommen, die auf den Genuß von rohem Oder­wasser zurückgeführt werden. In erschreckender Zahl mehren sich die Nachrichten über die Folgen der anhaltenden Dürre. Aus allen Gegenden Schlesiens treffen immer neue Meldungen über Waldbrände und größere Schadenfeuer in den Ort­schaften ein. Die Brunnen versiegen in vielen Orten und die Bäche und kleineren Flüsse trocknen aus.

Genf, 15. Juli. Eine große Anzahl Kondolenz-Telegramme ist hier eingetroffen, darunter solche der Schweizerischen Regierung, des Präsi­denten Stein, Cronje rc. Es heißt, Krüger hinter- lafse ein bedeutendes Vermögen.

Kopenhagen, 15. Juli. Der Dampfer Tjaldur" kam gestern aus Thorshavn mir 11 Ge­retteten von derNorge" hier an und zwar 5 Passagieren und 6 Leuten der Bemannung, darunter der Sleuermann Otto. Weitere 8 Gerettete liegen schwer krank im Hospital.

Aalesund, 14. Juli. Der deutsche Kaiser ist heute nachmittag um 2'/- Uhr an Bord derHohenzollern" bei prächtigem Wetter hier eingetroffen und mit Salutschüssen empfangen worden. Mehrere Dampfer waren derHohen­zollern" enlgegengefahren. Der Magistrat und der Präsident der Stadtverwaltung gingen an Bord derHohenzollern", um den Kaiser zu begrüßen, und kehrten mit dem Kaiser und dem Gefolge an Land zurück. Die Stadt und die Gebäude am Hafen waren mit Flaggen reich geschmückt. Beim Einlaufen derHohenzollern" wurde der Kaiser, obgleich er jeden Empfang ausdrücklich ab­gelehnt hatte, von der Bevölkerung in vielen bum- bewimpelten und mit Blumen geschmückten Booten freudig begrüßt. Von einem gemischten Gesangs­chor auf einem kleineren Dampfer wurden nor­wegische Lieder undHeil Dir im Siegerkranz" in deutscher Sprache vorgetragen. Bald nach dem Ankern besichtigte der Kaiser unter Führung des Fregattenkapitäns v. Grumme, welcher im Januar die Hilfsexpeditton geleitet hat, des Bürgermeisters, einiger Magistratsvertreter und des deutschen Konsuls die hauptsächlich vom Brand beschädigten Stadtteile. Amtmann Kielland hielt eine Ansprache, worin er sagte:Die schnelle Hilfe, welche Ew. Majestät mit bewunderungswürdiger Entschlossenheit der unglück­lichen Bevölkerung zu teil werden ließen, ist für die ganze Welt ein Beweis, daß die Menschheit an Mitgefühl und Solidaritätsgefühl außerordentliche Fortschritte gemocht hat. Ew. Majestät wird von ganz Norwegen gehuldigt, und der Name Ew. Majestät wird im ganzen norwegischen Lande mit Liebe und mit großer Begeisterung genannt."

in Oel gemalte Brustbild eines jungen WeibeS in lichter Ballrobe an, dessen große, geheimnisvolle Augen gerade auf ihn gerichtet schienen, dessen fremdartiger Typus hier in Oesterreich allerdings nicht ungewöhnlich war, aber durch seine Schönheit einen wunderbaren Zauber ausübte.

Regungslos stand er hinter dem Türrahmen; sein Atem stockte vor jäher Ueberraschung. Er war allein in diesem Gemach, denn Priska schien das Ge­suchte wirklich nicht gefunden zu haben.

DeS Majors Erscheinen neben ihm riß ihn aus dem Bann; dieser bejahte erst jetzt seine Frage. Der Oberstleutnant erhielt dadurch soviel Zeit, sich zu fassen.

Gestatte die Frage", sagte er mit gepreßtem Atem,wann starb sie?" Erregt blickte er seinen Vetter an.Verzeihe mir, wenn ich dir solche trübe Er­innerungen dadurch wachrufe?"

Sie lebt!" DeS Majors Stimme klang so unsicher.Ich wollte in des Kindes Gegenwart .... Meine Ehe sollte keine glückliche sein. Eine schwere Gemütskrankheit führte sie vor bereits drei Jahren von mir in eine Heilanstalt, auS der sie wohl nur der Tod erlösen wird."

Der Oberstleutnant drückte ihm schweigend, aber herzlich die Hand und folgte ihm in daS andere Zimmer zurück.

Ich lernte sie kennen, als ich in Posen stand," sagte er, nicht ohne Er­regung.Sie galt dort als eine der größten Schönheiten, war von polnischer Familie ... wir konnte ich ahnen ..setzte er mit weicher, finkender Stimme hinzu. DeS Majors Blick dankte ihm für so viel Teilnahme.

Ihr Vater zog von Posen nach Krakau, wo ich in Garnison stand, als die Gährung unter den Polen sich schon drohend bemerkbar machte, der die un­glückliche Schilderhebung unter MieroSlawSki folgte. Seine politische Bedeutung sollte, da er Güter in Rußland hatte, für ihn von schweren Folgen sein, denn

diese Güter wurden konfisziert, als man ihm wegen seiner Agitation den Prozeß gemacht, und das mag wohl die Ursache gewesen sein, die sie langsam zum Tief­sinn führte. Ihr Schicksal wirft natürlich oft seine Schatten auf das sonst so heitere Temperament Priskas, und da mußte jetzt auch noch dieser blutig« Krieg auSbrechen, der ihr, allein, wie sie unter fremden Leuten war, noch die große Sorge um das Leben deS Vaters bereitete.

Zum Glück hat ihr zum Frohsinn neigendes Gemüt sie über alles das hinweggetragen. Mir selbst wird jetzt, da ich dienstunfähig, nichts anderes übrig bleiben, als die Pensionierung. Die Ruhe giebt mir dann hoffentlich die Ge­sundheit zurück."

Seine innere Erregung verbergend, hatte der Oberstleutnant ihm teilneh­mend zugehört, bis Priska wieder eintrat und ihm lächelnd die Photographie überreichte. Ec sprang auf, legte den Arm um sie und küßte sie auf das kleine rosige Mündchen.

Er verließ beide sehr bald mit der Verabredung, den Nachmittag mit ihnen gemeinsam zu verbringen. Doch atmete er auf. als er das Haus verlassen. Es bedrückte etwas schwer sein Herz. Sie standen, so empfand er, ihm näher, als er geglaubt hatte, und dieses Mädchen namentlich, dessen Züge und ganze Er­scheinung sich ihm so tief eingeprägt.

ES existierte ein geheimes Band zwischen ihnen, von dem der Vetter durch­aus keine Ahnung hatte.

In sein Hotel zurückgekehrt, warf er sich, heftig bewegt, in einen Sessel.

PriSka I" ächzte er.Nach fast achtzehn Jahren mußte er sie Wiedersehen in ihrer Tochter, die ihren Namen trägt. Wie mich dieser schon berührte, als ich ihn nennen hörte, von Hellmuth, dem Vetter, und wie schmerzhaft es mich ergriff, als ich von dem traurigen Schicksal der Mutter erfuhr." (Forts, f.)