Es ist aber sehr wahrscheinlich, -daß dies für einen größeren Teil nicht der Fall ist. Sollen wir nun zusehen, daß unsere Stadt als Folge des Kriegs auf Jahrzehnte hinaus wirtschaftlick) geschwächt ist und in ihrer Entwicklung rückwärts kommt statt vorwärts ? Wollen wir dies verhüten, so müssen wir den Leuten hier am Platze Arbeit und Verdienst bieten, mit anderen Worten: wir müssen hieher neue Industriebetriebe bekommen. Nach dem Kriege wird ein Wettlauf der Gemeinden um Gewinnung solcher neuen Industriebetriebe entstehen, eine Gemeinde wird die andere in Zusicherung von allen möglichen Vorteilen an die Unternehmer überbieten. Müssen wir da mitmachen? Ich glaube nicht. Meiner Ansicht nach gibt es nur einen Weg zur Lösung und das ist folgender: Die Stadt schafft selbst eine Industrie. Welcher Art? Solcher Art, die am nächsten liegt. Wir haben in unseren Waldungen einen jährlichen Nutzholzanfall von hohem Wert, wir haben ein Elektrizitätswerk, das — Tag und Nacht durchgerechnet — erst zu einem Drittel ausgenützt ist, also: wir gründen einen Betrieb für Herstellung von Holzwaren. An Nachfrage nach Waren solcher Art wird es auf lange Zeit hinaus nicht fehlen, geeignete Männer zur Leitung und ein Stamm von Facharbeitern werden sich finden. Warum soll es neben einem Sägereibetrieb z. B. nicht möglich sein, Oberteile von Eisenbahnwagen herzustellen, Spezialartikel wie Tische und Stühle, Fensterläden oder Aehnliches in größerem Maßstab zu fabrizieren? Ist das vielleicht nur anderwärts oder in der Umgebung einer Großstadt möglich ? Ein Geleiseanschluß ist doch wohl, namentlich wenn aus den hier vorliegenden Gründen zur Eröffnung eines Betriebs geschritten würde, zu erreichen. Die Sache braucht ja nicht gleich ganz groß angesangen zu werden. Dies wäre aus verschiedenen Gründen nicht empfehlenswert, aber sie könnte so begonnen werden, daß schrittweise Ausdehnung möglich ist. Wird nun in dieser Beziehung dies oder etwas Anderes gemacht -- wer etwas Besseres weiß, der äußere sich —, aber geschehen muß etwas. Man wende nicht ein: „Dazu hat es noch Zeit". Ich sage: es ist keine Zeit zu verlieren; bis zum Ende des Kriegs müssen, wenn die Gelegenheit — hervorgerusen durch die Notwendigkeit — nicht unwiderbringlich verpaßt werden soll, die Vorarbeiten so weit gediehen sein, daß dann sofort zur Ausführung geschritten werden kann. Das sind wir nicht bloß unseren dann heimkehrenden Kriegern, das sind nur der Zukunft der Stadt schuldig.
Nagold, 24. Februar. Die in einer hiesigen Gärtnerei geflohenen französischen Kriegsgefangenen find in Wittlensweiler wieder aufgegriffeu worden.
Bazillen-Hafer zur Vertilgung der Feldmäuse.
1. Die Wirkung des Bazillenhafers beruht darauf, daß die Mäuse beim Verzehren des Hafers zugleich die daran haftenden Mäusetyphus-Bazillen in sich altsnehmen. Diese Bazillen rufen dann eine typhusartige Erkrankung hervor, an der die Mäuse nach 7 bis 14 Tagen eingehen. Für andere Tiere,
und auch für den Menschen, sind die Bazillen unschädlich.
Eine Wirkung tritt aber nur dann sicher ein, wenn die Anweisung genau befolgt wird.
Am besten verwendet man die Kulturen sofort nach dem Eintreffen; der äußerste Termin für die Brauchbarkeit ist auf jeder Flasche angegeben Nach diesem Termin sind die Kulturen unbrauchbar.
2. Das Bereiten des Hafers. In ein gut gereinigtes Gefäß mißt man ein und ein halbes Liter reines, kaltes Wasser und löst darin einen Kaffeelöffel voll Kochsalz; dazu gibt man unter Umrühren den Inhalt einer Flasche Kulturflüssigkeit. In dieser Mischung weicht man 5 Pfund Hafer ein. Nach zwei Stunden ist der Hafer fertig zum Auslegen.
Man kann nur ungeschälten Hafer verwenden; will man nur eine kleinere Menge anmachen, so nimmt man natürlich auch weniger Wasser.
3. Das Auslegen des Bazillenhafers wird, wenn der Hafer fertig ist, sofort vorgenommen. In jedes frische Mausloch legt man etwa 5 Körner; es ist wichtig, daß die Körner in die Löcher gelegt werden, weil sie dort vor dem Austrocknen mehr geschützt sind. Der angemachte Hafer muß an einem und demselben Tage ganz ausgelegt werden. Durch häufiges Umrühren des Vorrats sorgt man dafür, daß oberen Körner nicht vertrocknen. Wegränder und Böschungen müssen besonders sogfültig abgesucht werden. Im Frühjahr und ^Spätherbst wählt man warme Tage zum Auslegen, um sicher zu sein, daß die Mäuse den Hafer gleich holen.
4. Vorsichtsmaßregeln.
1) Mäusetyphusbazillen sind für Menschen und und Haustiere im allgemeinen nicht gesundheitsschädlich.
2) Bei Ausnahme größerer Mengen ist es jedoch möglich, daß bei darmleidenden Personen und Kindern Durchfall hervorgerufen wird. Deshalb verwendet man zum Auslegen solche Personen und Kinder besser nicht.
3) Die mit dem Auslegen betrauten Personen müssen dazu angehalten werden, während der Arbeit nicht zu essen, nicht zu rauchen, sich mit den Fingern ins Gesicht zu greisen, nach der Arbeit aber Gesicht und Hände mit warmem Wasser und Seife sorgfältig zu waschen.-,
4) Die benutzten Gefaste werden mit heißem Sodawasser gut gereinigt.
Letzte Nachrichten u. Telegramme.
Frankfurt, 24. Febr. (GKG.) Aus Paris meldet die „Frkf. Ztg.": Nach einer Verkündigung des Präfekten des Seine-Departements haben sich die in Frankreich wohnenden Serben, die zwischen 15 und 45 Jahre alt sind, im Laufe dieser Woche bei den französischen Behörden zur Rekrutierung zu melden.
Basel, 24. Febr. (GKG.) Die „Basler Nachr." melden aus London: Der Petersburger Korrespondent der „Morningpost" will erfahren haben, daß
die türkischen Truppen zusammen mit einer ganzen deutschen Division den Vormarsch von Trapezunt nach Erzerum angetreten hätten. Es handle sich zunächst mn die Herstellung einer türkischen Verteidigungsstellung bei Ersingjan, etwa 160 Kilometer westlich von Erzerum.
Wien, 25. Febr. (WTB.) Der König der Bulgaren ist gestern Abend nach 11 tägigem Aufenthalt nach Koburg abgereist, um das Grab seiner Eltern zu besuchen. Mit dem König reisten seine beiden Söhne, die gestern mit dem Balkanzug hier eingetroffen waren.
Sofia, 24. Febr. (WTB.) Der Ministerrat hat beschlossen, das Kupferbergwerk Bor, das in dem von den Bulgaren eroberten Teile Serbiens liegt und das reichste auf der Balkanhalbinsel ist, den Deutschen für die Kriegsdauer zur Ausbeutung zu überlassen.
Brindisi, 25. Febr. (WTB.) Essad Pascha ist an Bord eines italienischen Torpedobootszerstörers hier eingetroffen.
Berlin, 25. Febr. (WTB.) Aus Bern erfährt der „Berl. Lokalanz.", daß nach Drahtnachrichten, die bei der schweizerischen Oberpostdirektion eingelaufen sind, große Lawinen und ungeheure Schneemassen gewaltige Störungen in dem schweizerischen Postverkehr verursachen.
Den 25. Februar 1916.
Berlin. (Priv.-Tel.) Aus Rotterdam meldet das „Berl. Tgbl.": Der deutsche Erfolg bei Verdun macht in England den tiefsten Eindruck. Selbstverständlich wird der Erfolg nicht völlig zugegeben, man betont vielmehr, daß man nichts befürchtet, aber eben dadurch wird es klar, welch' große Bedeutung inan der neuen deutschen Offensive zumißt. So schreibt beispielsweise die „Times", es sei ausgeschlossen, daß die Deutschen von der gegenwärtigen Front aus Verdun erobern werden. Das Blatt gibt dann eine ausführliche Schilderung von der Schwierigkeit des Geländes zwischen der jetzigen deutschen Front und den äußeren Befestigungen Verduns und beruhigt die Leser mit der Versicherung, die Franzosen hätten jede Falte im Erdboden dazu benutzt, einem feindlichen Aufmarsch Schwierigkeiten zu bereiten. Die erste dieser Meldungen über den Erfolg bei Verdun rief, wie aus London gemeldet wird, den Eindruck hervor, daß es sich hierbei um einen deutschen Vorstoß handle, der sich von den vorherigen kleinen Offensiven und Operationen nur durch die Größe, aber nicht durch seine Bedeutung unterscheide; man könnte meinen, die Deutschen hätten wohl einen erheblichen Vorteil errungen, aber dieser sei schließlich nur örtlicher Natur. Diese Annahme wird aber durch die französische Mitteilung von gestern abend nicht bestätigt; man befürchtet vielmehr, daß die Tatsache eines deutschen Vorstoßes auf dem rechten Maasufer in die französische Front nicht ohne Rückwirkung auf die Front des linken Maasufers bleiben werde, da dieses nunmehr gewissermaßen von der Ostseite her zu umgehen sei.
Ss braust en, Auf.
82 s Erzählung von Max Arendt-Denar t.
Clorlietzuiig.'
In der Ferne hörte man jetzt bereits die Schüsse der Nachhutgefechte. Einer warf in die vor Angst wtldgewordene Menge die Bemerkung, daß dies der letzte Zug nach der Grenze sei, die Zurückbleibenden müßten sich aufs neue sammeln, um dem Verfolger zu stehen. Damit war das Signal zu einer allgemeinen Schlägerei gegeben. Mit Nägeln und Zähnen raufte man um die Plätze. Wer an den Türen stand, wurde erbarmungslos auf die Gleise herausgezogen. Noch einmal versuchte ein höherer Offizier für die Verwundeten einzutreten. Er wurde verlacht, und aus allen Wagen klang verzweifelt und wild der Ruf: Losfahren!
Endlich, als sich die Führer überzeugt hatten, daß an dieser regellosen Flucht nichts mehr zu ändern war. gab einer das Signal zur Abfahrt. Aber im jelben Augenblick stürzten sich zwanzig, dreißig Mann auf die Lokomotive. Mit der Waffe in der Hand verhinderte der Zugführer einen weiteren Ansturm, und unter dem Jammergeheul der Zurückbleibenden damvlte der Zug ans der Station.
Niemand hörte den Befehl zur Zerstörung der Gleise. Als eben der Zug entschwand, überschritten die Fliehenden den Bahnkörper, und in atemloser Hat ging es weiter.-
Auflösung, Flucht, Gefangenschaft, völliger Zusammenbruch. Das war das Ende der Armee Vautier und Cure.
* »
Als die deutschen Truppen in Mülhausen einzogen, wurden sie mit aufrichtiger Freude empfangen. Auch dieienigen. die von den Franzosen grundlegende Neuerungen und die vielbesungene Freiheit erhofft
hatten, waren zufrieden, daß die Herrschaft der Vogesennachbarn sobald beendet war, und hatten nur die eine Furcht, daß sie noch einmal wiederkommen könnten.
Aber die Tage waren mit großen Opfern erkauft. Hunderte Schweroerwundeter waren in Mülhausen untergebracht, Hunderte waren in die Heimat transportiert, und Hunderte hatten den Sieg der deutschen Waffen mit ihrem Tode besiegelt.
Die von den Franzosen eingerichteten Lazarette waren alle leer. Sie hatten schon lange vor der Entscheidung ihre Verwundeten in Sicherheit gebracht, die deutschen Verwundeten hatten sie als Kriegsgefangene nach Belsort geschickt. So waren die Mülhausener Lazarette frei für die vielen, die im Straßenkamps verwundet worden waren und für die nicht Transportfähigen aus den Feldlazaretten bei der Vorstadt.
» *
Im großen Saale bei Vater Lommert, der darauf bestanden hatte, daß sein Haus für die Verwundetenpflege erhalten blieb, lag in Fiederphantasien ein Kanonier, den man unmittelbar nach dem Abzug der Franzosen hereingeoracht hatte. Immer wieder verlangte er in seinen Wahnvorstellungen nach dem Kommandeur: dann wieder lag er stundenlang schweißbedeckt teilnahmslos da. Und mit ihm lagen noch die drei andern fast hoffnungslos danieder: Edwin von Carsten, Hermann Ferchhammer und Richard Wehrlin.
Es war eine seltsame unvergeßliche Stunde, als der Oberkommandierende eines Tages den Saal betrat, um diesen vier wackeren Kämpfern das Kreuz von Eisen zu bringen. Sie hatten des Kriegers schönsten Lohn empfangen und wußten es nicht: denn, obwohl seit jener mörderischen Schlacht schon vierzehn Tage vergangen waren — diese vier lagen noch
immer auf den Tod danieder, und nur der fremde Kanonier, der in seinen wilden Fieberträumen in > französischer Sprache von fernen Landen und von Menschen eines anderen Weltteils erzählte, schien nach dem Ausspruch der Arzte die Krise bereits überstanden zu haben.
In dem weiten Saale herrschte Schweigen.
Am Vormittag waren drei neue Helferinnen aus der Kreisstadt gekommen, die dort ihre Ausbildung empfangen hatten. Sie wurden jetzt von Amelie von d'Efträe in das Zimmer geführt und mit ihren Obliegenheiten bekannt gemacht.
Seit jenem Tage, da Edwin ihr am Lager seines schwerkranken Bruders mit grausamer Energie erklärt hatte, sie müsse die Stadt und das deutsche Gebiet verlassen, war in Amelie der Entschluß immer fester geworden, unter keinen Umständen ihre Tätigkeit aufzugeben, und als Karl von Carsten nach bangen Tagen endlich so weit war, daß er in die Heimat zur Erholung reisen konnte, hatte sie sich sofort nach Mülhausen begeben, um in der Arbeit Vergessenheit zu finden. Nun war sie hier dem Geliebten abermals begegnet und hatte ihm in einer gefährlichen Lage das Leben gerettet. Daß sie hatte töten müssen, um ihn zu schützen, daran dachte sie niemals: nur der Gedanke, daß er ihr nun verpflichtet war, beschäftigte sie unausgesetzt, und es erfüllte sie mit stillem Glück, daß er ganz gegen seinen Willen ihr Schuldner geworden war.
Als nach dem Gefecht vor den Toren der Stadt unter den Schwerverwundeten auch Leutnant Carsten bei Vater Lommert eingeliefert wurde, ging ein seltsames Leuchten über ihre Züge. Nun war er ganz der Ihre, nun konnte sie an ihm tun, was sie an seinem Bruder getan hatte, ohne daß er es wehren konnte. Er konnte sie nicht von sich weisen.
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