Erscheint

Montag, Mittwoch, Hreitag und Samstag«

viertrljL^rl.: !A Neuenbürg IL5. Nurch die Post bezogen: k« Drts- und Nachbar. M».Verkehr ^ 1.36« sonstigen inlSnd. Verkehr 1.40; hiezu 20 ^ Bestellgeld.

Ndemltinent» nehmen nie K»st»nstaltrn «nd Postboten jederzeit entgegen.

Der EnztälLN.

Knzeigrr kür Sas Lnztal unS Umgebung.

Amtsblatt kür Sen VberamlsbLAiirle Neuenbürg.

A»retge«r>reis:

die 5 gespaltene Zeit« oder deren Raum 12^, bei Auskunstserteilung durch die Lxxed. 15^.

Reklamen die 3gesx. Zeile 25

Bei öfterer Insertion entsprach. Rabatt.

Fernsprecher Nr. 4.

Celegramm-Adreffe: ^Enztäler, Neuenbürg".

«98.

Reuenbürg, Samstag den 19. Zuni 1915.

73. Jahrgang.

Der Krieg.

Berlin, 17. Juni. (WTB. Amtlich.) In ihrem amtlichen Bericht vom 15. Juni abends brüstet sich die französische Heeresleitung mit dem bekannten Fliegerangriff auf Karlsruhe, den sie als Vergeltungsmoßregel für die Beschießung offener französischer und englischer Städie hinstellt. Dieser Begründung des französischen Angriffs muß die Tatsache entgegengehaltrn werden, daß von deutscher Seite nur befestigte Punkte und solche im Operationsgebiet liegende Orte beschossen worden sind, die mit dem Krieg unmittelbar im Zusammen­hang standen. Ueberall, wo es sich dabei um offene Städte gehandelt hat. waren unsere Angriffe nur die Vergeltung für gleichartige Maßnahmen unserer Gegner. Wir haben darauf in unseren Berichten auch in jedem Fall ausdrücklich hingewiesen. Daß die Begründung des französischen Vorgehens somit der Wahrheit widerspricht, wird niemand in Erstaunen setzen, der die Berichte unserer Gegner kririsch zu lesen pflegt. Neu ist dagegen die brutale Offenheit, mit der die feindliche Heeresleitung eingefteht, daß sie ihren Fliegern als Angriffsziel eine fern vom Kriegsschauplatz gelegene friedliche Stadt bezeichnet hat. in der gerade den Franzosen vor dem Krieg so vielfach gastfreundliches Entgegenkommen bewiesen worden ist. Militärische Gründe können dieses Ver­halten nicht rechtfertigen, denn der einzige Verlust, den der Angriff unserer Kriegsmacht zugefügt hat, besteht in der Verwundung dreier im Lazarett be­findlicher Soldaten. Die abseits der Stadt gelegene Munitionsfabrik, deren militärische Bedeutung übrigens nicht allzu groß ist. hat bis auf die Be­schädigung eines Baugerüstes nicht gelitten. Obwohl sie als Angriffsziel sehr leicht erkennbar war. ist sie auch nur mit wenigen Bomben belegt worden. Schon daraus geht hervor, daß es den Franzosen gar nicht auf Gewinnung eines militärischen Vorteils ange­kommen ist Mit noch weit größerer Deutlichkeit ergibt sich diese Tatsache aus dem Umstand, daß den feindlichen Fliegern nach amtlichem Eingeständnis der Franzosen das Residenz schloß als Ziel bezeichnet worden ist. Man hat im Lager unserer durch Spionage so gut unterrichteten Gegner zweifellos genau gewußt, daß das Schloß außer der ehrwürdigen 'Großherzogin Luise seit mehreren Wochen die Königin von Schweden beherbergt. Die An­wesenheit dieses einem neutralen Herrscherhause angehörenden hohen Gastes hat die französischen Flieger jedoch nicht zurückgehalten, gerade das Schloß besonders heftig anzugreifen und auch in der Tat erheblich zu beschädigen. Wie groß die Gefahr für die Königin gewesen ist, zeigt u. a. die Tatsache, daß mehrere Sprengstücke in das Zimmer der schwedischen Baronin Rotschild geflogen sind. Auch die Kinder des Prinzen Max von Baden, über deren Schlaf­gemach eine Bombe das Dach zertrümmerte und in die Decke eingeschlagen hat. sind nur mit knapper Not dem Tod entgangen. Unter der Bürgerschaft hat der Ueberfall, wie bekannt, an Toten und Verwundeten insgesamt 84 Opfer gefordert. Wir können den Angriff nach diesem Ergebnis und nach der den feindlichen Fliegern erteilten dienstlichen Anweisung über die Angriffsziele nicht als eine militärische Unternehmung, sondern nur als ein Verbrechen bezeichnen, dessen Roheit von der wirklichen Höhe der vielbewunderten französischen Kultur beredtes Zeugnis ablegt. _

Der Verlauf dieser Woche zeigte in dem großen Weltkriege sehr wichtige Erscheinungen und Tatsachen. Der Siegeslauf der verbündeten Truppen Deutschlands und Oesterreich Ungarns in Galizien gegen die Russen geht Schritt für Schritt weiter, ja österreichische Truppen haben schon die Grenze überschritten und russisches Gebiet betreten. Neue gewaltige Vorstöße

machten die Engländer und Franzosen in Flandern und zwischen Lille und Arras, aber diese großen Anstrengungen der Feinde Deutschlands hatten doch wieder keinen rechten Erfolg, und auch vor den Dardanellen kamen die Feinde der Türkei nicht vorwärts. Die Kriegslage bleibt also für Deutschland, Oesterreich - Ungarn und die Türkei günstig, zumal auch die Italiener in ihren Angriffen auf Oesterreich-Ungarn keine bedeutenden Erfolge halten, ja sogar zwei Schlappen erlitten. Auch ereignete es sich, daß die mit so großer Spannung erwartete amerikanische Note, durch welche man eine Verschärfung der Beziehungen zwischen Deutschland und Nordamerika befürchtete, doch an dem Gedanken einer Verständigung in den Differenzen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Nord­amerika festhält. Dann geschah aber auch in dem großen Völkerkriege etwas ganz Neues. Es machten sich, wenn auch nicht frei und offen, so doch versteckt und heimlich Friedenswünsche in Rußland, Frankreich und England bemerkbar. Offiziell werden ja diese Erscheinungen in London, Petersburg und Paris abgeleugnet, ja verdammt, aber es wird doch wohl etwas Wahres an den Friedensneigungen in den Volkskreisen Rußlands, Frankreichs und Englands sein. Dem russischen Ministerpräsidenten ist von einem Vertreter des russischen Volkes ja die Frage vorgelegt worden, ob Rußland auch noch im nächsten Winter den Krieg fortzusetzen gedenke. Der russische Ministerpräsident hat in offenbarer Verlegenheit über diese Frage erklärt, Rußland denke nicht den Krieg auch noch im nächsten Winter zu führen, es werde bald der Friede geschlossen werden. Jedenfalls besteht in Rußland ein großer innerer Drang, den Krieg so bald wie möglich beendigt zu sehen. Man denke nur an die Riesenzahlen der russischen Verluste. Nach der neuesten Zusammenstellung hat Rußland in dem Weltkriege 1233 140 Gefangene verloren und mindestens ebenso viele Soldaten verlor das russische Heer durch den Tod. durch Verwundungen und Krankheiten. Es sind danach dem Zaren etwa 62 Armeekorps in dem Kriege verloren gegangen. Das find Riesenverluste, von denen sich Rußland nicht erholen kann, dazu kommen schwere innere Notstände in Rußland und der große Mangel an Geld. Der neue große Pumpversuch Rußlands in England, wo Rußland eine Riesenanleihe von zwei Milliarden Francs begehrt hat, ist ja auch gescheitert. So nimmt der Krieg für Rußland nun doch wohl die Gestalt eines alles vernichtenden Dämonen an, und man darf wohl gute Hoffnungen auf eine große Wendung in dem Weltkriege setzen, wenn es wahr­scheinlich den verbündeten deutschen und österreichisch- ungarischen Truppen gelingen sollte, die Russen ganz aus Galizien zu vertreiben und in Rußland ein­zudringen. _

Es ist kein Zweifel darüber möglich, daß wir aus wirtschaftlichem Gebiete zu Hause ebenso große Siege erringen, wie unsere braven Truppen im Felde. Unsere innere Leistungsfähigkeit erregt das Staunen der ganzen Welt nicht weniger als unsere militärische Wehrkraft. Eine Opferbereitschaft ohnegleichen be­herrscht die Nation und strebt ohne Ermatten einem siegreichen Ende des Krieges zu. Aber gerade die wirtschaftlichen Verhältnisse lassen doch sehr viel Menschliches. Allzumenschliches erkennen. Wir meinen die unerhört hohen Kriegsgewinne, die von einzelnen Personen oder Erwerbszweigrn gemacht werden. Wir leiden unter wilden Preissteigerungen wichtiger Nah­rungsmittel und anderer notwendiger Lebensbedürf­nisse, deren unsinnige Verteuerung nur mit allzu gutem Erfolg in Szene gesetzt wurde. Ein häßlicher Egois­mus macht sich auf gewissen Gebieten breit und wuchert in einer Weise empor, unter der Stadt und Land zu leiden haben. Es hat lange gedauert, bis endlich ein Mehlpreisabschlag kam, obgleich gerade bei uns in Württemberg die Preise fast im ganzen Reiche am höchsten waren. Nun ist zwar ein Ab­

schlag des Brotpreises erfolgt. Eine ernste Sorge bereiten aber die geradezu phantastisch hohen Preise für Schlachtvieh und für das in den Läden zum Verkauf kommende Fleisch. Wäre es nicht an der Zeit, jetzt, wo die teuren Kraftfuttermittel und die hohen Erzeugungskoften einen gewiß reichlichen Aus­gleich gefunden haben, auch hier zu Höchstpreisen überzugehen? Wir verstehen sehr gut die Lage unserer Landwirtschaft. Man hätte ihr längst von Staats wegen beispringen müssen, indem man der wucherischen Preistreiberei in den Kraftfuttermitteln entgegenwirkte, die nun mcht bloß den Landwirten, sondern der ganzen Allgemeinheit zur Last fällt. Es ist ferner richtig, daß. wenn den kapitalistischen Bier­brauereien gewissermaßen mit Unterstützung des Staates eine Erhöhung der Birrpreise bewilligt wurde, unsere Viehhalter schwer einsehen können, weshalb sie nicht den gleichen Vorzug sür ihre Milch finden sollen. Und doch gilt auch hier der Satz, daß alles seine Grenzen hat. Die Verantwortung für eine Gleich­setzung der Milchpreise mit den Bierpreisen wäre in Anbetracht der ungeheuren Wichtigkeit der Milch als Volksnahrungsmittel zu groß. Der Himmel hat uns eine vorzügliche Heuernte gegönnt und auch dke übrigen deutschen Fluren sichtlich gesegnet, so daß fortab die hohen Kosten für Kraftfultermittel einem normalen Zustand weichen. Wir müssen deshalb bei aller An­erkennung sür die Bedürfnisse unserer Landwirtschaft dem württembergischen Städtetag beipflichten, der neulich eine ernftwarnende Stimme gegen die ge­plante Milchpreiserhöhung erhob; sie muß, wenn irgend möglich, vermieden werden.

Wien. (WTB.) Amtlich wird verlautbart vom 18. Juni: Bei neuerlichen Vorstößen an der Jsonzo- front erzielten die Italiener ebensowenig einen Erfolg, wie bisher. Bei Plawa schlugen unsere braven Dal­matiner Truppen vorgestern abend und nachts den Angriff einer italienischen Brigade ab. Gestern griff der Feind nochmals an und wurde wieder zurück- geschlagen. Im Angriffsraum wurden zwei piemon- tesische Brigaden und ein Mobil-Milizregiment fest- gestellt. Die Verluste der Italiener sind hier wie am Krn-Gebiete sehr schwer. Erneute feindliche An­griffe im Plöckengebiet und aus dem Monte Coston wurden gleichfalls abgewiesen.

Berlin, 18. Juni. Aus Lugano meldet der Lokalanzeiger": Die in Nizza gepflogenen englisch- italienischen Verhandlungen über die Milliardenan­leihe sind trotz der Bemühungen des Botschafters Barrere. der zu diesem Zweck nach Paris fuhr, an für Italien unannehmbaren Bedingungen Englands gescheitert. Das wird, wenn sich die Meldung be­stätigt, die erste schwere Enttäuschung sür die italie­nischen Kriegspolitiker sein. (N. Tagbl)

Köln. 18. Juni. (GKG.) DieKölnische Volks­zeitung" meldet aus Lugano: Der heilige Vater hat aus Anlaß des Scheidens des Fürsten Bülow von Rom dem Fürsten ein eigenhändiges, herzliches Schreiben zugehen lassen, in dem er zum Ausdruck bringt, welche großen Verdienste sich der Fürst in seinem langen Amtsleben und ganz besonders in den schweren Monaten seiner römischen Botschaftertätigkeit um sein Vaterland erworben hat.

Petersburg, 18. Juni. In Moskau herrscht tatsächlich der Belagerungszustand. Durch Befehl der Behörden ist der Einwohnerschaft ver­boten. zwischen io Uhr abends und 5 Uhr morgens auf den Straßen zu erscheinen. Privat-Telephon­gespräche sind ebenfalls verboten. Der Arbeiterftreik erstreckt sich auf etwa die Hälfte der Fabriken.

Berlin. 18. Juni. Aus Stockholm meldet das Berliner Tageblatt": Plan berechnet den Schaden der Zerstörung, den der plündernde Pöbel in Moskau angrrichtet hat. auf die unerhörte Summe von 305 Millionen Rubel. (?)