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87.
Neuenbürg, Montag de» 31. Mai 1915.
73. Jahrgang.
Der Krieg.
ckplr. Berlin, den 27. Mai 1915.
Die Alte« von Italiens Berrat.
Eine Anzahl diplomatischer Aktenstücke und eine ausführliche Denkschrift über die Verhandlungen zwischen Oesterreich-Ungarn und Italien hat soeben das Wiener Ministerium des Aeußern hrrausgegeben. In der langen Reihe der Dokumente, die Italiens Politik ausführlich schildern, einer Politik, die mit striktem Neutralitäts-Verbrechen begann und mit schmählichem Verrat endete, sind auch die Aeußer- ungen des italienischen Königs enthalten. Die königliche Meinung hat sich danach im Laufe des Krieges ganz erheblich gedreht, und mit Staunen haben wir jetzt erfahren, daß Viktor Emanuel in den ersten Augusttagen Kaiser Franz Joseph seine herzliche freundschafiliche Haltung zu bewahren versprach, „entsprechend dem Dreibundvertrage". Die Grundpfeiler der italienischen Lügenpolitik zeigte ferner Graf Tisza in der letzten Versammlung des Abgeordnetenhauses in Budapest. Der ungarische Ministerpräsident konnte mit Leichtigkeit die lügenhaften Behauptungen des italienischen Ministerpräsidenten Salandra, der die Kriegserklärung an Oesterreich-Ungarn aussprach, widerlegen. Niemals hat die österreich-ungarische Regierung beabsichtigt, das Gleichgewicht auf dem Balkan zu erschüttern, die Donaumonarchie hat im Gegenteil erklärt, ausdrücklich erklärt, daß sie keine terrortoiale Aenderungen wünscht. Ferner lag ihr der Plan nach einer Vorherrschaft auf dem Balkan fern. Am schmählichsten aber ist die Behauptung seitens der italienischen Regierung, mit der sie zu sehr später Stunde auf dem Plane erschien, daß die Donaumonarchie den Dreibundvertrag verletzt habe, indem sie nicht Italien von dem Ultimatum an Serbien vor seiner Abgabe unterrichtet habe. Der Artikel sieben des Dreibundvertrags, den Salandra zu diesem Zweck heranführt, fordert aber nur ein Einvernehmen mit Italien für den Fall einer Aenderung des Statusquo auf dem Balkan. Eine solche lag aber durchaus nicht in der Absicht der österreich-ungarischen Regierung. So ist die Politik Italiens von einem Terrorismus beherrscht, der einfach ohne Beispiel dastehl. So hat es sich vollständig und blindlings den Händen der Dreiverbandmächte ausgeliefert und über jeden politischen Anstand hinweggesehen, — Aber keiner wird uns glauben machen, daß das italienische Volk mit dieser Politik einverstanden ist. Wenn uns auch die wahre Volksmeinung vorenthalten oder nur gefäibt gezeigt wird, so hören wir doch tagtäglich wieder, mit welcher Unlust die außerhalb Italiens wohnenden Italiener dem Mobilisierungsbefehl Nachkommen, und daß ein großer Teil von ihnen lieber in Oesterreich- Ungarn und in der Schweiz bleibt, als in diesen schändlich herausgefordertrn Krieg zu ziehen. Nicht viel anders ist die Stimmung der großen Volksmasse in Italien selbst. Bauern und Arbeiter veranstalten Demonstrationen gegen den Krieg und widerwillig fahren die eingezogenen Truppen gegen die Grenze. Von einem Volkskrieg kann daher nicht die Rede sein. Will man diesen Krieg beim richtigen Namen nennen, so ist es einfach ein Brigantenzug.
Budapest, 29. Mai. (WTB.) Der „Pester Lloyd" bespricht die gestrige Rede des Reichskanzlers Dr. von Bethmann Hollweg und sagt: Der italienische Verrat ist im deutschen Reichtage mit Skorpionen gezüchtigt worden. Die Rede des Kanzlers war ein furchtbares Strafgericht. — „Alkotmany" schreibt: Der deutsche Reichstag brandmarkte die beispiellose Perfidie und den Vertragsbruch Italiens. Die Worte des Reichskanzlers erfüllen die ganze Welt mit dem Widerhall sittlicher Kraft, deutscher Treue und Entschlossenheit. — Das „Pester Journal" schreibt: Der
Reichskanzler hat der italienischen Vertragstreue ein Denkmal gesetzt, auf das Italien nicht stolz sein wird. Unvergeßlich sind die Worte des Reichskanzlers, daß deutsches Empfinden sich gegen die Möglichkeit einer solchen ehrvergessenen Handlungsweise gesträubt habe.
Graz, 30. Mai. Der militärische Mitarbeiter der „Grazer Tagespost" meldet, wie wir der „Deutschen Tageszeitung" entnehmen: Ueberall dort, wo die Italiener an der Grenze mit Infanterie losgingen, wurden sie mit schweren Verlusten zurückgeworfen. An der kärntnerischen Front, wo die Italiener gegen den Plöcken mit beträchtlichen Kräften vorgingen, hatten sie nicht den geringsten Erfolg. Ihre in großer Zahl angesetzte schwere Artillerie konnte weder hier, noch an der Val Sugana Wirkung erzielen. Im Küftenlande ist ein in breiter Front durchgeführter Vorstoß gegen unsere Vorstellungen an der Jsonzalinie und zwischen Görz und Mon- falcone glatt abgeschlagen worden.
Rom, 29. Mai. Laut „Franks. Zeitg." sind in Rom eine englische und eine französische Militärmission angekommen, die bestimmt sind, den Generalstab zu begleiten. Jede Mission wirk» von einem General geführt.
Berlin, 29. Mai. Aus Lugano meldet das „Berliner Tageblatt": Von amtlicher Seite erhält der Mitarbeiter des „Berliner Tageblatts" folgende Darstellung der beiden Mailänder Bartholomäus-Nächte: Am 24. Mai, abends um 9 Uhr, rotteten sich Hunderte von Menschen zusammen, deren Rädlesführer Verzeichnisse der in Mailand ansässigen Deutschen auf Grund der Mitteilungen des Einwohnermeldeamts hatten. Andere waren mit Aexten und Petroleum- kannen ausgerüstet. Das Zerstörunqsweik begann an dem in schweizerischem Besitz befindlichen Hotel „Metropole", dessen Einrichtung völlig ausgeräumt wurde. Jetzt stehen nur noch die nackten Wände. Dasselbe Schicksal erlitten die Geschäftshäuser der Auskunftei Schimmelpfeng, Filiale Zeiß, Buchhandlung Sperling, Pension Rieger, deren fünf Stockwerke völlig verwüstet wurden. Auch hier wurde das gesamte Mobiliar aus den Fenstern auf die Straße geworfen und angezündet. All dies geschah unter dem Geheul der wütenden Menge, die unablässig brüllte: „Tod den Barbaren".
Die ganze Torheit des italienischen Krieges wird erst recht klar, wenn man sich vergegenwärtigt, was das italienische Wirtschaftsleben den Deutschen zu verdanken hat. Deutsches Kapital und deutsche Intelligenz haben starken Anteil an der Blüte des modernen Italiens, an dem großen wirtschaftlichen Aufschwung des Landes. Als die drohenden Kriegswolken den italienischen Himmel immer stärker bewölkten, da verließen die Deutschen in Scharen den ungastlichen Boden. Und mit einem Schlage waren die vielen Fabriken und viele großkaufmännische Geschäfte ihrer Ingenieure und Leiter, ihrer Werkmeister und Angestellten beraubt. Da sah man, wie besonders die Industrie Ober- und Mittelitaliens eine Schöpfung der Deutschen ist. So ist die aufblühende Elektrizitätsindustrie fast ausschließlich durch deutsche Unternehmungen gegründet worden. Italien ist bekanntlich arm an Kohlen. Seinen Bedarf hieran muß es aus Deutschland, zum größten Teile aus England decken. Als Ersatz haben die von den großen deutschen Elektrizitätsfirmen gegründeten Werke in großartiger Weise die Wasserkräfte des Landes verwertet. Großer Segen floß dem italienischen Wirtschaftsleben auch durch die vielen italienischen Arbeiter zu. die in Deutschland besonders als Erdarbeiter lohnenden Verdienst finden. Die Auswandererschar. die mit Beginn des Winters wieder nach Italien zurückkehrt, betrug 1910 615000, 1913 873 000. Ein beträchtlicher Teil davon entfällt auf die Auswanderer nach Deutschland, der größere Teil geht allerdings nach Nord- und Südamerika. Die Beträge, die von diesen fleißigen genügsamen Ar
beitern jährlich von Deutschland aus nach der Heimat wandern, werden auf eine halbe Milliarde Mark geschätzt. Ein noch viel reicherer wirtschaftlicher Gewinn aber fällt Italien durch den großen Strom von deutschen Vrrgnügungsrrisenden. die alljährlich über die Alpen nach dem „Land ihrer Sehnsucht" fahren. Der Deutsche stellt den weitaus größten Teil zu dem großen Fremdenverkehr, der eine ausgedehnte Fremdenindustrie des Landes mit ungezählten Millionen befruchtet. Gerade den tiefoeranlagten und schwärmerischen Deutschen zog es mit Vorliebe an die blauen italienischen Meeresgestade, in das Märchenland der „Mignon" mit seinen weißschimmernden Palästen unter ewigblauem Himmel. Das italienische Hotelgewerbe und die Eisenbahnen werden für die folgenden Jahre mit einem Ausfall von rund 800 bis 1000 Millionen Lire zu rechnen haben. Denn die Erbitterung über das treulose Gebühren der Italiener ist desto größer und nachhaltiger, je mehr wir die Heimat dieses Volkes geliebt haben. Der Deutsche wird lieber auf die landschaftlichen Schönheiten des Südens verzichten, als sie mit einem äußerst bitteren und wehen Beigeschmack zu genießen. Er wird auf lange Jahre hinaus keinen Boden dieses „Welschlandes" betreten. Das italienische Wirtschaftsleben befindet sich schon jetzt im Anfang des Krieges in einer mißlichen Lage. Auch in Italien herrscht eine Lebensmittelteuerung. Durch die Rüstungsaus- gaben, die auf 3 bis 4 Milliarden Lire insgesamt zu veranschlagen sind, haben die Staatsfinanzen eine schwere Belastung erfahren. Die Schulden sind jetzt schon auf insgesamt 15 Milliarden angewachsen. Wenn erst einmal Zehntausende auf dem Schlachtfelde verblutet sind, dann werden auch diesem irregeleiteten Volke vielleicht die Augen aufgehen. Der unendliche wirtschaftliche Schaden aber, den Italien durch seinen räuberischen Ueberfall und schamlosen Treubruch sich in frevelhafter Weise selbst zugefügt hat, wird auf Jahrzehnte hinaus auf der italienischen Volkswirtschaft schwer lasten.
Wien. 29. Mai. (WTB.) Amtlich wird verlautbart vom 29. Mai 1915 mittags: Nordöstlicher Kriegsschauplatz: An der Lubaczowka und östlich Radymno versuchten die Russen auch gestern und heute nacht an mehreren Stellen heftige Angriffe, die alle unter schweren Verlusten für den Feind abgewiesen wurden. Am Ostufer des San rücken die verbündeten Truppen unter fortdauernden Kämpfen vor. Am oberen Dnjester. dann bei Drohobycz und Stryj sind die eigenen Angriffe bis an die nächsten Distanzen vorgetragen. Vorstöße der Russen wurden durchweg blutig zurückgeschlagen. Die sonstige Lage ist unverändert. — Südwestlicher Kriegsschauplatz: Den Grenzort Ala und das Primör haben italienische Truppen erreicht. Im übrigen hat sich an der Tiroler und Kärtnerschen Grenze nichts ereignet.
Berlin. 30. Mai. Aus Stockholm meldet der „Lokal-Anzeiger": Aus Lemberg wird berichtet, daß dort ungeheure Erregung wegen der deutschösterreichischen Offensive herrscht. Russische Kaufleute verschleudern ihre Lagerbestände und verreisen.
Berlin, 30. Mai. Aus Chriftiania meldet der „Lokal-Anzeiger": „Aftenposten" berichtet heute, daß Helsingfors von einem deutschen Luftgeschwader rin Besuch abgestattet wurde. Zwei Zeppeline warfen ungefähr 30 Bomben, wodurch erheblicher Sachschaden angerichtet wurde. Mehrere Personen, darunter Kosaken, wurden schwer verletzt. Es entstand ein großer Brand. Ein Dampfer der Bore-Gesellschaft wurde ebenfalls getroffen. Deutsche Tauben waren schon mehrmals über finnländischen Städten gesehen worden, ohne daß bisher Angriffe stattgefnnden halten.
London, 29. Mai. (MTB. Nichtamtlich.) Die „Daily News" schreibt in einem Leitartikel: Die letzten Nachrichten von den Dardanellen ermutigen nicht zu der Hoffnung auf eine baldige Entscheidung Die Verluste an den Dardanellen weisen die gleichen