Extrablatt des CnMIers.
Ausgegeben: Neuenbürg, den 27. Mai 1915, mittags 12 Uhr.
Telegramm des WolffHe» Köm
aa den „CaMer".
(TBW.)
Den 26. Mai. 4.45 Uhr nachm.
Großes Hauptquartier, 26. Mai, vorm. Amtl.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Ein nächtlicher Vorstoß gegen unsere neugewonnenen Stellungen westlich des Teiches Belle Waarde wurde leicht adgewiesen. Die Zahl der den Engländern entrissenen Maschinengewehre hat sich auf 10 erhöht.
Nordöstlich Givenchy gelang es farbigen Engländern gestern abend, sich eines vorspringenden Teiles unseres vordersten Grabens zu bemächtigen.
Weiter südlich zwischen Lievin und der Lorettohöhe setzte nachmittags ein großer tiefgegliederter französischer Angriff ein; er ist vollkommen gescheitert.
Nördlich und südlich der Straße Souchez— Bethnne war es dem Feind anfangs gelungen, in unfern Graden einzudringen. Nächtliche. Gegenangriffe brachten uns jedoch wieder in den vollen Besitz unserer Stellung. 100 Franzosen blieben als Gefangene in unserer Hand.
Auch südöstlich Souchez brachen mehrfach wiederholte, starke Angriffe, die von weißen und farbigen Franzosen gegen unsere Linien gerichtet waren, dicht vor den Hindernissen völlig zusammen. Der Gegner erlitt überall sehr schwere Verluste.
Bei den Kämpfen an der Lorettohöhe zeichnete sich ein schlesisches Infanterie-Regiment besonders aus.
Ein feindlicher Vorstoß im Ostteil des Priester- waldes wurde leicht abgewiesen.
Südlich Lille wurde von unseren Fliegern ein feindliches Flugzeug abgeschossen.
Oestttcher Kriegsschauplatz:
Einzelne schwache Nachtangriffe wurden abgeschlagen.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Der Angriff der Armee des Generalobersten von Mackensen schreitet gut vorwärts.
Südöstlich Radymno ist nach heftigem Kampf der Ort Swiete genommen.
Oestlich Radymno wurde, nachdem österreichische Truppen den Brückenkopf westlich des Sans erstürmt hatten, auch der Uebergang über den San erzwungen.
Weiter nördlich erreichten unsere Truppen «ach Kampf die Gegend östlich Lazy, östlich Saszki und die Linie Korzeniea—Zapalow (an der Lubaszowka). Die Beute an Gefangenen «nd Material wächst.
Oberste Heeresleitung.
(WTB.) Den 26. Mai 1915, 6.45 Uhr nachm.
Wien. (Amtl.) Die Zahl der bei Przemysl eingebrachten Gefangenen ist auf 25000 gestiegen. 54 leichte, 10 schwere Geschütze, 64 Maschinengewehre und 14 Munitionswagen wurden erbeutet. Die Schlacht dauert fort. Bei einem Gefecht nördlich -er Weichsel wurden 998 Russen gefangen.
Der Krieg.
In Tirol rückte eine feindliche Abteilung in Condino (Jndicarien) ein. Am Padon-Paß flüchteten die Italiener bei den ersten Schüssen. An der kärtnerischen Grenze wiesen unsere Truppen mehrere Angriffe unter bedeutenden Verlusten der Italiener ab. Westlich des Plöcken floh der Feind und ließ seine Waffen zurück.
Berlin, 26 Mai (WTB.) Fürst und Fürstin Bülow sind heule früh in Berlin eingelroffen. — Der italienische Botschafter in Berlin, Bollati, ist mit dem Personal seiner Botschaft heute früh 4 27 Uhr vom Anhalter Bahnhof abgereist.
Berlin, 26. Mai. Aus Berlin meldet die „National-Zeitung": Fürst Bülow hat sich heute nachmittag 5*/« Uhr zum Reichskanzler begeben, mit dem er eine längere Unterredung hatte.
Berlin, 25. Mai. Fürst Bülow hat sich zu einem Korrespondenten des „Berl. Tagebl." geäußert, er sei niemals Optimist gewesen. Der Fürst wandte sich scharf gegen die italienischen Minister, welche das Volk im großen und ganzen irregeleitet, und warnte davor, Regierung und Volk in einen Topf zu werfen. Vor allem sollte man den Schimpf- artikeln der italienischen Hetzpresse nicht allzuviel Bedeutung beimessen.
Berlin, 26. Mai. (WTB.) Aus Chiasso wird geschrieben: Der „Corriere d'Jtalia" meldete gestern durch ein Sonderblatt einen großen Seesieg bei Ancona. Rom wurde sofort beflaggt. Große Menschenmassen belebten die Straßen und zogen jubelnd vor das Marineministerium. Kurze Zeit darauf wurde eine amtliche Mitteilung veröffentlicht, die den Sieg in Abrede strllt. Die ernüchterte Menge zog wütend vor das Lokal des „Corriere d'Jtalia", dessen verantwortlicher Redakteur wegen Verbreitung falscher Nachrichten verhaftet wurde.
Amsterdam. 27. Mai. (WTB) Die Blätter besprechen die österreichisch-ungarische Flottenaktion an der italienischen Oftküste. „Nieuws van den Dag" bemerken dazu: Wichtiger als die geringfügigen französischen Vorteile ist der moralische Eindruck, den die überraschende Aktion des neuen Krieges machen muß sowohl für die Kriegführenden wie für die Neutralen. Wie ist es möglich, daß die italienische Marine sich so überraschen ließ? Wir haben doch immer gehört, daß die Flotten der Alliierten schon ohne Italien das Mittelmeer und die Adria beherrschen und die österreichisch-ungarische Flotte zur Untätigkeit verurteilt sei. Durch diese Aktion wird bewiesen, daß Oesterreich-Ungarn willens ist. den italienischen Krieg nach deutschem Muster zu führen, den Feind zu überraschen und zu schädigen, wo und wann es möglich ist. Dagegen hat Italien bisher noch keinen Beweis von Schlagsertigkeit erbracht.
Rotterdam, 26. Mai. Pariser Blätter lassen sich aus Lugano melden, daß die Oesterreicher bei Trient zwei Etsckbrücken gesprengt und zwei Kilometer Eisenbahn bei Borghetto zerstört haben. Man glaubt, daß die Italiener zuerst im Jsonzotale die Offensive ergreifen werden. Möglich sei auch, daß der Angriff Italiens in der Herzegowina erfolgen werde.
Berlin, 26. Mai. Aus Genf meldet die „National- Zeitung": Wie die Lyoner „La Depöche" aus Rom erfährt, wurden zwei politische Redakteure des italienischen „Avanti" auf Verfügung des Ministeriums verhaftet wegen schwerer Anschuldigungen gegen die Minister Sonnino und Salandra. Das „Journal" will wissen, daß es sich um Anschuldigungen der Annahme französischer Gelder durch die beiden genannten Minister handelt, wodurch ibr Abschwenken , von dem Dreibund zum Dreiverband bestimmt worden sein soll. Der „Avanti" ist der Beschlag s nähme verfallen. (Stg N. Tgbl)
Genf. 27. Mai. (WTB) Privatmeldungrn besagen, daß die goldene Madonna auf dem Mailänder Dom, welche durch ihren Glanz den Flugzeugen als Orientierungspunkt dienen könnte, mit einer Stoffhülle
bedeckt wurde. Die Glasfenster des Domes wurden vorsichtshalber entfernt und die Kunftschätze in Sicherheit. angeblich in das Innere des Landes, gebracht.
Brunnen, 26. Mai. Nach dem „Giornale della Fori Publici" enihält der Bündnisvertrag Italiens mit dem Dreiverband die Bedingung einer außerordentlich starken Lieferung von Sprengstoffen und Munition an Frankreich, England und Rußland.
Innsbruck, 26. Mai. Die italienischen Zeitungen in Tirol haben ihr Erscheinen eingestellt.
Paris, 26. Mai. (WTB.) Wie „Petit Journal" erfährt, ist hier eine Anzahl italienischer Fliegerosfiziere eingetroffen, um Flugzeuge in Empfang zu nehmen, die von Frankreich für Rechnung Italiens hergestellt worden sind. (Diese Bestellung muß demnach schon längst vor der Kriegserklärung gemacht worden sein.)
Frankfurt, 26. Mai. (GKG.) Die „Franks. Zeitung" meldet aus Konstantin opel: Die Torpe- dierung des Linienschiffes „Triumps" geschah so wirkungsvoll, daß es im Verlauf von fünf Minuten unterging. Bon der Mannschaft wurden nur wenige gerettet.
Paris. 26. Mai. (WTB. — Agence HavaS.) Präsident Poincare erfuhr während seiner Reis« zu den Armeen in den Vogesen und in Lothringen die Teilnahme Italiens am Kriege. Er telegraphierte sofort an den König von Italien, ganz Frankreich freue sich in dem Gedanken, daß die beiden Schwesternationen wiederum gemeinsam für die Verteidigung der schwerbedrohten Zivilisation und für die Befreiung der unterdrückten Völker kämpfen.
Von der schweizerischen Grenze, 26. Mai. Der schweizerische Bundesrat hat in seiner gestrigen Sitzung u. a. auch wieder die politische Lage der Schweiz besprochen. Ein neues Truppenaufgebot ist, solange eine Aenderung in der Lage nicht eintritt, nicht zu erwarten.
Christiania, 26. Mai. (WTB.) Die hiesige Presse und vor allem auch die hiesige Bevölkerung verurteilen im allgemeinen so gut wie einstimmig die Kriegserklärung Italiens, mit der es seinem langjährigen Bundesgenossen anscheinend ohne ersichtlichen Grund im kritischen Augenblick in den Rücken falle.
Berlin, 26. Mai. Aus Lugano meldet der „Lokal-Anzeiger": Die italienischen Blätter verbreiten die deutschen Generalstabsberichte nicht mehr und schweigen den neuen großen Sieg Mackensens tot.
Berlin, 26. Mai. Nach der Petersburger „Rjetsch" sind jetzt an der deutschen Ostfront von Opatow bis Kolomea 35 Armeekorps zusammengezogen. Es sei anzunehmen, daß sich jetzt eine große Entscheidungsschlacht vorbereite. Diese Hauptschlacht sei als daS wichtigste Ereignis in diesem Weltkrieg zu betrachten und werde durch die verwickelten politischen und strategischen Verhältnisse verursacht. Festgelegt sei die Gruppierung der Streit- kräfte noch nicht und deshalb sei es ungewiß, wo der Hauptschlag erfolgen werde.
London. 26. Mai. (WTB.Reuter) Das neue Kabinett setzt sich folgendermaßen zusammen: Premierminister: Asquith. ohne Amt: Lord Landsdowne. Lordgroßkanzler: Sir Stanley Buckmaster, Lordpräfident des Geheimen Rates: Lord Crewe, Lordgeheimfiegel- bewahrer: Curzon, Schatzkanzler: Mac Kenna, Innen» amt: Sir John Simon, Auswärtige Angelegenheiten: Grey, Kolonien: Bonar Law, Staatssekretär für Indien: Chamberlain, Krieg: Lord Kitchener, Kriegsmunition : Lloyd George, Erster Lord der Admiralität: Balfour. Handel: Runciman, Kanzler des Herzogtums Lancaster: Churchill.
Köln, 27. Mai. (WTB.) Die „Kölnische Volks- zeitung" erfährt aus direkler Quelle, der englische Gesandte in Norwegen. Findtey, der den Mordanschlag gegen den Irländer Casement unternahm, sei keineswegs abberufen worden, sondern übe in Christiania sein Amt weiter aus.
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