Extrablatt der EnMlcrs.
Arrsgegeven: Neuenbürg, den 8. Dezember 1914, mittags 12 Uhr.
Telegramme des WolffHen Mm an -en „EaMler".
(WTB.) Den 7. Dez., nachm. 3.00 Uhr.
Großes Hauptquartier, 7. Dez. vorm. Amtl.
Vom westlichen Kriegsschauplatz und dem östlich der masurischen Seenplatte liegen keine besonderen Nachrichten vor.
In Nordpolen haben wir in langem Ringen um Lodz durch das Zurückwerfen der nördlich, westlich und südwestlich dieser Stadt liegenden starken russischen Kräften einen durchgreifenden Erfolg errungen. Lodz ist in unserem Besitz. Die Ergebniste der Schlacht lasten sich bei der Ausdehnung des Kampsfeldes noch nicht übersehen. Die russischen Verluste find zweifellos sehr groß.
Versuche der Rüsten, aus Südpolen ihren bedrängten Armeen im Norden zu Hilfe zu kommen, wurden durch das Eingreifen österreichisch-ungarischer und deutscher Kräfte in der Gegend südwestlich Piotrkow vereitelt.
Oberste Heeresleitung.
(WTB.) Den 8. Dez., vorm. 5.55 Uhr.
Wie». Amtlich wird verlautbart vom 7. Dez. mittags: Das Ringen um die Entscheidung auf dem russischen Kriegsschauplatz dauert noch an. Oesterreichisch-ungarische und deutsche Truppen wiesen im Angriff im Raum südwestlich Petrikau die über Nowo- radomsk nordwärts vorstrebenden russischen Kräfte zurück, indes deutsche Truppen den Feind zum Weichen zwangen. In Westgalizien find gleichfalls größere Kämpfe im Gange, ihr Ergebnis steht noch aus. In diesem Raum nahmen unsere und deutsche Truppen weitere 1600 Russen gefangen. In den Karpathen wird weitergekämpft. An manchen Stellen hat der Feind starke Kräfte wieder hinter den Gebirgskamm zurückgezogen.
Der Stellvertreter des Generalstabschefs: v. Höfer, Generalmajor.
Berlin, 7. Dez. (WTB. Nichtamtlich.) Der Chef des Generalstabes des Feldheeres erstattete dem Kaiser Bericht über die Kriegslage.
Köln, 7. Dez. (GKG.) Aus Paris wird der „Times" berichtet, daß sich der Kampf im Woevregebiet in eine Reihe von Arlillerie- zweikämpfen aufgelöst habe, die der Beherrschung der Straßen gelten. Die deutschen Geschütze beherrschen gegenwärtig den östlichen Teil der Straße von Commercy nach Pont ä Mousson, wo die dkwschen Laufgräben außerordentlich heftig verteidigt werden.
Am st erd am, 7. Dez. Hiesige Blatter berichten aus Paris, einer französischen militärischen Autorität zufolge hege Joffre volles Vertrauen in das, was er seinen „mathematischen Sieg" nenne. Bisher hätten die Deutschen, so wird der „Voss. Zeitung" berichtet, dadurch, daß sie die Truppen von Osten nach Westen sandten, ihm standgehalten. Jetzt
Der Krieg.
aber, so meint er, werden die Russen kräftig Vorgehen (!) und ihn dadurch in den Stand setzen, seinerseits auf der westlichen Front mit den Deutschen „gründlich abzurechnen".
Berlin, 8. Dez. (WB.) Aus „Rotterdam meldet der „Berl. Lokalanz": Londoner Blätter berichten, daß Ostende in Flammen stehe. Es sei unbekannt, ob das Feuer eine Folge der Beschießung sei oder ob die Stadt von den Deutschen selbst in Brand gesteckt worden sei. (Anmerkung des „B. L.": Eine Bestätigung dieser Meldung bleibt umsomehr abzuwarten, als gerade die Berichte der englischen Blätter aus Flandern sich in der letzten Zeit durch Unzuverlässigkeit auszeichnen.)
Berlin, 8. Dez. (WB) Der „Berl. Lokalanzeiger" meldet aus Gens: Die französische militärische Presse schreibt den Hauptanteil am Lodzer Erfolg, dessen Tragweite abzuwarten bleibe, der Vorzüglichkeit der deutschen Verkehrsmittel zu. Der „deutsche Bahnschaffner", so scheint es, hat den deutschen Schulmeister 70er Angedenkens abgelöst
Berlin, 7. Dez. (WTB) Aus Madrid gehen uns folgende vom 28. November datierte Meldungen zu: Die allgemeine Stimmung ist unverändert freundlich für Deutschland. Die Presse bespricht hauptsächlich die englischen Schiffsverlufte und das völlige Versagen der englischen Flotte. Sie schildert ferner die wirtschaftliche Lage Deutschlands als günstig. Die Zeitung „Debate" schreibt: Die Unabhängigkeit der wirtschaftlichen Lage Deutschlands ist heule größer als ehemals. Sie ist begründet in der eigenen Erzeugungskraft, in der Festigkeit des inneren Handels, wogegen die Beschränkung des Außenhandels wenig in Erscheinung kommt. — Die Aussichten für die Heimkehr deutscher Wehrpflichtiger sind gleich Null. Die Franzosen und Engländer untersuchen peinlichft die neutralen Schiffe.
Zuverlässige Nachrichten aus Marokko bestätigen die schwere Niederlage der Franlzosen bei Kenifra, südlich von Mekines. Die Verluste der Franzosen betrugen 30 Offiziere und 800 Mann. Ferner erbeuteten die Berber 8 Geschütze. Die Nachricht hat in ganz Marokko große Bewegung hervor- gerufen. Besonders hat die Eroberung der Geschütze Eindruck gemacht. Die Franzosen bringen jetzt alte aus Marokko herausgezogene Truppen über Marseille wieder zurück.
Ein beurlaubter belgischer Offizier, der in den Kämpfen um den Schienenweg Nieuport-Dixmuiden verwundet und nach mehreren Leidensstationen im Hospital von Eu untergebracht wurde, machte dem Vertreter des „Berl. Lokalanz." einige interessante Mitteilungen über die Lage in Nordfrankreich: Mit 54 Offizieren, worunter sich zwei Generalleutnants befanden, so erzählte der Offizier, wurde ich hinter die Gefechtslinie gebracht. Die Kämpfe, an denen sämtliche belgischen Streitkräfte teilgenommen hatten, übertrafen an Wildheit uud Erbitterung alle früheren Gefechte. Unsere Reihen waren nach diesem Treffen stark gelichtet worden. Die Hauptschuld an unserer Niederlage trug die schlechte Verständigung mit den Soldaten. Wir sprachen nur französisch, die Mannschaften nur flämisch. Das gab oft ein wirres Durcheinander. Vor unserem Abtransport nach St. Omer besuchte uns König Albert. Er sah sehr ermüdet und totenblaß aus. In seinen Worten lag wenig Zuversicht. Alle Lazarette waren überfüllt mit belgischen Mannschaften. Es ging ihnen sehr schlecht. Die Nahrungsmittel ließen auf sich warten. „Alles an die Front!" lautete der Befehl. Zufuhrkolonnen kamen vorüber, aber den Belgiern brachten sie nichts. Hunderte gingen zu Grunde und wurden auf französischem Boden begraben. Man pferchte unsere Soldaten mit den unzivilisierten Kolomalsoldaten zusammen. Es war ein ekelerregender Anbb'ck. Die Schwarzen verstopften sich ihre Wunden mit Land, sogen sich gegenseitig das Blut aus dem zerrissenen Fleisch. Viele von ihnen waren irrsinnig und sprangen aus den Wopenfenstern, was man ruhig geschehen ließ. In St. Omer ging alles drunter und drüber. Die Bevorzugung der „Ver
bündeten" empörte uns dermaßen, daß wir uns weigerten, die für uns bestimmten, vor Schmutz starrenden Räumlichkeiten zu beziehe», ehe nicht den belgischen Mannschaften ein menschenwürdiges Obdach gewährt würde. Es kam zu Streitigkeiten, die ein bedenkliches Licht auf das brüderliche Einvernehmen unter den Verbündeten warfen. Die französischen Verluste müssen unheimlich groß sein. In Abbeville und Umgebung liegen 35000 Verwundete. Die Picardie heißt im Volksmunde „Frankreichs Hospital". Ich glaube nicht, daß man in Paris, Bordeaux, Lyon, Marseille eine Ahnung von der wahren Lage hat, sonst wäre die Siegeshoffnung ernstlich erschüttert. Alle französischen Offiziere, die ich sprach, legten mir mit tränenerstickter Stimme das Geständnis ab: „Unsere Armee wird langsam, aber sicher ermordet. Wir werden uns nicht ergeben, bis zum letzten Mann ausharren. An einen Sieg zu glauben, ist Torheit. Frankreich stirbt an diesem Verzweiflungskampf."
Berlin. 8. Dez. (WB.) Das„B.Tagebl."meldet aus Rom: Aus Bordaux wird berichtet: Auf Veranlassung des amerikanischen Botschafters ließ die französische Regierung die Akten des Prozesses gegen die deutschen Aerzte und Sanitäter nach Bordeaux kommen. Sie scheint das Urteil kassieren zu wollen.
Konstanz, 7. Dez. Der schweizerische Bundesrat ist, wie dem „Lokalanz." von hier gedrahtet wird, ernstlich gewillt, trotz der Vorbehalte, die England in seiner Antwort auf die schweizerische Protestnote gemacht hat, ein ferneres Ueberfliegen der Eidgenossenschaft unmöglich zu machen. Dies geht daraus hervor, daß heute sowohl am Rhein, in Eglisau, als auch in Kreuzlingen größere Detachements Gebirgsinfanterie, Artillerie und Maschinengewehrabteilungen stationiert werden.
Konft antinopel . 7. Dez. Feldmarschall Frhr. von der Goltz trifft am Dienstag zur Uebernahme seiner neuen Stellung hier ein. Dem verdienten Feldherrn wird, nach Mitteilungen an die „Vossische Zeitung", ein besonders glänzender Empfang bereitet werden. Der Sultan hat seinem deutschen General- adjulanten eine fürstliche Wohnung im Palaste von Dolma-Bagdjche einräumen lassen.
Berlin, 8. Dez. (WB.) Aus Kiel wird dem „Berl. Lokalanz." gemeldet: Das Schloß Gottropp bei Schleswig, die 200jährige Residenz der Schleswig» Herzöge, das jetzt als Kaserne dient, steht seit gestern nachmittag in Flammen.
Genua, 8. Dez. Heute mittag ist der amerikanische Dampfer „Jason", der in Amerika gesam- melte Weihnachtsgeschenke für deutsche und österreich- ungarische Kinder bringt, hier eingetroffen.
Stuttgart, 7. Dez. Der König hat in hochherziger Weise die Anordnung getroffen, daß die ausgehenden Briefe mit „Kreuz-Pfennig"-Marken zu bekleben sind.
Stuttgart. 7. Dez. Pakete an die im Felde stehenden Offiziere. Beamten und Mannschaften werden wieder durch die Ersatztruppenteile angenommen. Auskünfte über die betr. Ersatzverbände erteilen bekanntlich die Postanstalten oder das stell». Generalkommando. Zu Anfragen an diese Behörde sind an den Postfchaltern besondere Postkarten erhältlich.
Stuttgart, 7. Dez. Drei belgische Geschütze wurden am Samstag in das hiesige Armee-Museum gebracht.
Tübingen. 7. Dezbr. Der einzige Sohn des Reichs- und Landtagsabgeordneten Rechtsanwalts Liesching ist im Alter von 20 Jahren vor Lodz an einem Kopfschuß gefallen.
Vom Heuberg, 7. Dez. Während der verflossenen Woche konnte man zum Teil recht starken Geschützdonner vom westlichen Kriegsschauplatz täglich vernehmen. In geradezu auffälliger Weise häuften sich gestern ungewöhnlich starke Schläge, die teilweise direkt vom Westen, teilweise auch von Südwesten zu kommen schienen.