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132.

Reuen bürg, Mittwoch den 19. August 1914.

72. Jahrgang.

Der Krieg.

Berlin, 16. Aug. (W.T.B.) Wie schon amt­lich mitgeteilt ist, gehört das Aufgebot des Land­sturms zu den planmäßigen von der allgemeinen Mobilmachung untrennbaren Maßnahmen. Sein Zweck ist in erster Linie, die sämtlichen zur Verwendung im Felde geeigneten Kräfte für die Einteilung in mobile Formationen frei zu machen. Das geht natürlich nur. wenn man ihnen den weniger an­strengenden, aber gleichwohl unentbehrlichen militär­ischen Dienst im Heimatland abnimmt und andere Leute mit ihm betraut. In den zunächst vom Feind bedrohten Grenzgebieten mußte das schon sehr früh­zeitig geschehen, denn hier kommt es darauf an, so schnell wie möglich Schutzmaßnahmen gegen feind- liche Einbruchsoersuche zu treffen und damit nicht nur Leben und Eigentum der Landesewwohner. son­dern auch den ungestörten Verlauf der Mobilmachung und des Aufmarsches zu sichern. Gegenüber diesen dringenden militärischen Erfordernissen muß die Rück­sicht auf volkswirtschaftliche Interessen in den Hinter­grund treten. Jeder felddienstfähige Mann gehört an die gefährdete Grenze. Wer sonst noch waffen­fähig ist, muß sich am Schutz der gerade in jenen Gebieten besonders stark bedrohten Verkehrseinrich­tungen und der sonstigen militärisch wichtigen Bauten oder Vorräte beteiligen.

Mönchen, 17. Aug. (W.T.B.) Das königl. bayerische Kriegsministerium gibt zu dem Land­sturmaufruf des Reichsheeres folgende Erläuterung: Dieser Aufruf, der nun auch für Bayern ergehen wird, daß die ungedienten Landsturmpflichtigen nun alsbald zur Fahne einzurücken häiten, hat zunächst nur die Bedeutung, daß sich Landsturmpflichtige zur Fahne anzumelden haben. Die Einberufung wird erst nach Bedarf mit der jüngsten Jahresklasse beginnend vollzogen. Die Bevö'ksrung wird daher darauf aufmerksam gemacht, daß es keineswegs not­wendig ist. aus Anlaß des Aufrufs des Landsturms seine Stellung zu kündigen, oder seinen Beruf auf­zugeben. Bei dem großen Vorrat an Kriegsfrei­willigen, die sich der Heeresverwaltung gestellt haben, ist vielmehr zu erwarten, daß insbesondere die älteren Jahresklaffen des Landsturms, wenn überhaupt, so erst spät zur Einberufung kommen. Es wäre des­halb unangebracht, Landsturmpflichtigen beim Suchen von Stellung Schwierigkeiten in den Weg zu legen.

Berlin, 17. Aug. DasBerl. Tagblatt" schreibt, daß die in englischen und italienischen Blättern ver­breitete Meldung, daß die KreuzerGöben" und Breslau" sich in havariertem Zustande in Pola befänden, falsch sei. Beide Schiffe seien durchaus unbeschädigt.

Köln, 17. Aug. DerKöln. Ztg." wird von Augenzeugen mitgeteilt, daß französische Truppen bereits am 1. August abends den belgischen Grenzort Erquelines besetzt haben, während die deutschen Truppen erst in der Nacht vom 2. auf 3. August über die deutsche Grenze gegangen sind. Frankreich hat also die Neutralität Belgiens gebrochen.

Köln, 18. Äug. DerKöln. Ztg." wird aus Wien gemeldet: Die Mobilmachung der Türkei ist nicht nur eine Vorsichtsmaßregel, sondern die Antwort auf die unmittelbare Bedrohung durch Rußland, welches die Absicht lat, die Durchfahrt durch die Dardanellen zu erzwingen. Man nimmt an, daß in den letzten Tagen zwischen Rußland und England Vereinbarungen getroffen wurden, infolge deren England seinen Widerstand gegen die Oeffnung der Dardanellen aufgegeben hat. Dadurch ist nicht nur die Türkei, sondern auch Rumänien und Bul- öansn bedroht. Hieraus dürfte sich eine türkisch­rumänisch-bulgarische Interessengemeinschaft ergeben.

Paris, 18. Aug. Nach demEcho de Paris" hat der wieder in Paris eingetroffene italienische Botschafter Tittoni der französischen Regierung die

Versicherung gegeben, daß Italien die absolute Neutralität beobachten werde.

Berlin. 17. August. Nach den bis zum 14. ds. Mts. in Berlin vorliegenden amtlichen Aussagen nehmen 64 deutsche Prinzen und 18 Bundessürsten an dem Feldzuge teil, davon über Dreiviertel in militärischen Frontlinien.

Berlin. 18. August. DieNordd. Allg. Ztg." schreibt: Auf Anordnung des Kriegsministeriums werden die dem Landsturm angehörenden Müller, Führer von Motorpflügen, landwirtschaftlichen Ma­schinen und elektrischen Ueberlandzentralen in weit­gehendem Maße zurückgestellt werden.

Berlin, 17. Aug. Die preußischen Garnison­kommandos haben das Angebot betreffs der von den sozialdemokratischen lokalen Missionen freiwillig zum Zwecke der militärischen Krankenpflege zur Ver­fügung gestellten sozialdemokratischen Gewerkschafts­häuser unter Zustimmung des Kriegsministers an­genommen. In einer ganzen Anzahl preußischer Städte haben di« Kommandos bereits die Belegung der sozialdemokratischen Gewerkschaftshäuser mit La­zaretten beschlossen.

Berlin, 17. August. Die Militärbehörden der Grenzbezirke haben die Ausübung der Jagd ver­boten. Auch in den inneren Reichsgebieten ist von einer Anzahl Militärbefehlshaber die Jagdausübung vorläufig verboten worden.

Berlin, 18. Aug. In Homburg sind 2 Per­sonen festgenommen worden, welche dort ohne Er­laubnis eine Station für drahtlose Telegraphie ein­gerichtet hatten.

Berlin, 18. Aug. Nach einem Privat-Tele- gramm berichten aus Serbien zurückkehrende deutsche Gewerbetreibende übereinstimmend, daß in Neuserbien ein großer Aufstand ausgebrochen sei. Die Eroberer von 1912 seien dort derart ausgetreten, daß aus die Nachricht von dem österreichisch-ungarischen An­griff auf Serbien die annektierten Gebiete sofort die Losreißung von dem neuen Staatsverbande in das Auge gefaßt und zu den Waffen gegriffen hätten. Dieser Aufstand soll sich bereits im Rücken der an der Donau stehenden serbischen Armee sehr fühlbar machen.

Berlin, 18. Aug. Die unerhörten Greuel an der Westgrenze werden durch folgende neue Tatsache in das grellste Licht gesetzt. Nachdem Hauptmann Arnim von Klützow im Feindesland den Heldentod gestorben war, begab sich seine Gemahlin, Helene von Klützow auf die Fahrt, um die Leiche ihres Gatten heimzuholen. Auf dem Wege zum gefallenen Gatten wurde sie von Meuchelmördern ermordet. Aus Deidesheim wird gemeldet: Der Bürgermeister von Deidesheim, Rittmeister der Reserve Dr. Lud­wig Bassermann-Jordan, wurde als Führer einer Bagage-Abteilung von einem Franktireur hinterrücks erschossen. Er war ein bekannter Förderer des Weinbaues und ist 45 Jahre alt geworden.

Zu welchen Ungeheuerlichkeiten sich die tendenziöse Berichterstattung im Ausland »ersteigt, dafür ein weiteres Beispiel: Nach der Einnahme der Festung Lüttich durch unsere tapferen Truppen erschien in Brüssel an allen Straßenecken und Litfaßsäulen folgender Anschlag: Revolution in Deutschland! Italien und die Schweiz haben Deutschland den Krieg erklärt I Große Schlacht bei Lüttich! 60000 Deutsche gefallen, 40 000 gelangen! Die deutsche Armee in voller Flucht über die Grenze! Die bel­gische Armee hat nur 300 Tote. Mehr kann kein Mensch verlangen.

Karlsruhe. 18. Aug. Ein französischer Flieger, der den Jsteiner Klotz überflog und über die ^ Schweiz nach Frankreich zurückkehren wollte, wurde von der Schweizer Grenzwache heruntergeschossen.

München, 18. August. Nach einer hier einge- gangenen zuverlässigen Meldung aus Tunis sind dort am 3. August sämtliche männlichen Deutschen über 18 Jahre ins Gefängnis geworfen worden.

Ihr Geld und ihre Papiere wurden ihnen abge­nommen.

Berlin, 18. Aug. Der Aachener Männer­gesangverein Orphea beschloß, die schwere goldene, mit 1000 Mk. bewertete, von König Albert von Belgien gestiftete Medaille, die der Gesangverein beim Internationalen Wettstreit in Brüssel errungen hatte, dem Roten Kreuz für dessen Zwecke zur Ein­schmelzung zu überweisen.

Mannheim, 16. August. Die ersten Ge­fangenen sind nun auch hier eingelroffen. Es sind 350 belgische Soldaten, die im Kreis­gefängnis untergebracht wurden. Da der Transport nachts hier eintraf, erfuhren nur wenige von dem unfreiwilligen belgischen Besuch.

Ueber die Schlacht von Mülhausen werden auch auf dem Umwege über die Schweiz immer mehr Einzelheiten bekannt. Hienach waren die Franzosen richtig bis nach Mülhausen vor­gedrungen und hatten sich hier schon festgesetzt. Die deutsche Armeeleilung hatte jedenfalls dieses Ein­treten größerer Heeresmassen in die freiere elsässische Ebene geradezu gewünscht und durch das Zurück­gehen der schwächeren deutschen Truppen veranlaßt. In den schluchtenreichen engen Tälern der südlichen Vogesen, die an den Hängen zudem stark bewaldet sind, hätte sich keine entscheidende Schlacht entwickeln können. Es hätte sich alles in eine ganze Reihe unübersichtlicher Kleinkämpfe'auflösen müssen, selbst dann, wenn die Kämpfe sich weiter südlich gegen das ebenfalls noch bergige Terrain von Belfort gezogen häiten. Hiebei hätten die Franzosen nöch an Belfort selbst den festesten Stützpunkt gehabt, von wo aus sie auch mit den Festungsgeschützen hätten eingreifen können. All diese Momente sprachen da­für, die Franzosen möglichst in die oberelsiissische Ebene in größerer Zahl herauszulocken und sie hier kräftig anzufassen. Das ist in zweitägigem harten Ringen gelungen. Nach schweizerischen Mitteilungen erstreckte sich das, Kampffeld von HabLheim (6 Kilo­meter südöstlich von Mülhausen, an der Eisenbahn­linie BaselMülhausen) durch den Hardwald über die StationNapoleonsinsel" (nordöstlich von Mül­hausen) bis nach Reichweiler (nordwestlich von Mül­hausen). Mülhausen war der Mittelpunkt der Schlacht­linie, die hienach eine Ausdehnung von ca. 10 Kilometer hatte. In Habsheim müsse, so sagen die schweizerischen Mitteilungen, ein furchtbarer Nah­kampf stattgefunden haben; es lagen französische Tornister, zerfetzte französische Uniformen usw. umher. In Napoleonsinsel sei der Bahnhof vollständig zer­stört. Einige Häuser sind durch Kanonen zusammen- geschossen; man sehe zerschossene Eisenbahnwagen, die von den Franzosen als Barrikaden benützt wurden. Allem nach seien die französischen Truppen nahezu ganz von Deutschen umzingelt gewesen, so daß den elfteren nur noch ein Entkommen nach Süden mög­lich war. Die Trümmer der französischen Truppe werden sich nun wieder nach Belfort hineingerettet haben. Sie können dort erzählen, was auch den übrigen Truppen bevorsteht.

Colmar, 12. Aug. Unser Psadsinderkorps hat sich überall, wo es zu helfen gab, in sehr an­erkennenswerter Weise betätigt. Daß die Jungeas ihrer manchmal nicht leichten Aufgabe voll und ganz gewachsen sind, bewiesen uns besonders die letzten Tage. Kam es doch sogar vor, daß einige der tapferen Jungen bis in die Feuertinie vordrangen, um den Kämpfenden Proviant und Erfrischungen zu bringen. Andere wieder brachten den seit 1. August in der Schützenlinie liegenden Soldaten die bereits angekommenen Pakete ihrer Angehörigen und wurden von den Soldaten mit lautem Jubel empfangen. Dabei fehlt es unseren braven Jungen keineswegs an Mut und Tapferkeit und keckem Wagemut. Einige konnten den Rückzug aus der Feuerlinie nicht mehr anlreten und versteckten sich in den naheliegenden