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11V.
Neuenbürg, Samstag den 11. Zuli 1914.
'2. Jahrgang.
Run-schau.
Wiederum weilt Kaiser Wilhelm an den wildromantischen Gestaden Norwegens, um hier, im Anblicke einer erhabenen Natur, für einige Wochen Erholung von den Pflichten und Anforderungen seines hohen Herrscheramtes zu suchen. Der jetzige Besuch des Kaisers in Norwegen stellt ein Jubiläum für ihn dar, denn der Kaiser ist hiermit zum 25. Male nach diesem skandinavischen Lande gekommen. Aus genanntem Anlaß brachten sämtliche Blätter von Christiania sympathische Begrüßungsartikel für den hohen Gast, in welchem sie sich mit seiner Person beschäftigen und ihn wegen seines prunklosen Auftretens in Norwegen und seiner Leutseligkeit rühmen. Diese Nordlandfahrt ist nicht nur ein Zeichen der Ruhe in unserer innern Politik, sondern auch ein Zeichen dafür, daß der internationalen Politik, unbeschadet aller sie seit langem beherrschenden Gegensätze, augenblicklich kein beunruhigendes Horoskop zu stellen ist.
Berlin, 10. Juli. Dem Reichskanzler ist eine Eingabe der deutschen Gewerkoereine zugegangen, worin beantragt wird, auf gesetzlicher Grundlage für alle Arbeiterinnen den freien Samstag-Nachmittag riuzuführen, so daß am Samstag der Arbeitsschluß um 1 Uhr statt um 5 Uhr nachmittags erfolgen wird. Auch der Deutsche Tertilarbeiterverband soll eine ähnliche Eingabe vorbereiten.
Berlin, 9. Juli. Im Reichsschatzamt wird, entgegen einer Meldung der „Kölnischen Volkszeitung", versichert, daß zurzeit kein Bedürfnis für neue große Reichsfinanzvorlagen vorhanden ist, eine solche auch nicht im Reichsschatzamt vorbereitet wird.
München, 10. Juli. König Ludwig hat eine Abordnung der Niederbayerischen Bauernvereine empfangen, die mit ihrem Vorsitzenden, Reichsrat v. Aretin, erschienen waren, um gegen die durch Kgl. Verordnung erfolgte Neuregelung des Fortbildungsschulwesens Einsprache zu erheben. Der Protest richtete sich insbesondere gegen die Verlegung der Schulzeit auf einen Werktag und gegen die Vermehrung der Unterrichtsstunden, wodurch eine Schädigung des Bauernstandes hervorgerufen würde durch Entziehung von Arbeitskräften. Der König erwiderte, er werde nie einer Verordnung seine Zustimmung geben, die den Bauernstand schädige. Der Kultminister, der der Audienz beiwohnte, führte aus, daß eine weitgehende Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse Platz greifen werde.
Der Vertreter des badischen Wahlkreises Heidelberg im Reichstage, der nationalliberale Abgeordnete Beck, bislang Amtsvorstand und Geh. Regierungsrat in Lahr, ist durch Ernennung zum Vorsitzenden der Land es Versicherungsanstalt Baden in ein höheres Amt eingerückt. Es verpflichtet ihn dieser Umstand zur Niederlegung seines Reichstagsmandats, doch kann er dann aufs Neue kandidieren. Geheimrat Beck vertritt den Wahlkreis Heidelberg seit 1898; bei den letzten Reichstagswahlen wurde er daselbst in der Stichwahl gegen einen sozialdemokratischen Gegner gewählt
Ein jungkonservativer Reichsverband ist die neueste politische Parteischöpsung in Deutschland. Der neue Verband will im Rahmen der konservativen Partei weniger die wirtschaftlichen Interessen als vielmehr die idealen Güter des deutschen Volkes betonen und verteidigen. Im übrigen gedenkt er die Sozialdemokratie, die Demokratie, den Atheismus, den Monismus u. s. w. zu bekämpfen.
Berlin, 10. Juli. Das Ergebnis des Wehrbeitrages in Preußen beträgt 603 Millionen, was dem von der Finanzverwaltung berechneten Voranschlag in Preußen entsoricht.
München, 10. Juli. Die München-Augsburger Zeitung behauptet, daß, wie in anderen Universitätsstädten, auch in München Ausschüsse eines großfer-
bischen Werbevereins beständen. Die bayrische Hauptstadt könne beinahe als serbischer Vorposten gelten.
Mannheim, 9. Juli. Auf dem Schützenfestplatz ereignete sich gestern Nacht 12 Uhr in der Münchener Bierhalle ein Zwischenfall, der glücklicherweise gut verlaufen ist. Um diese Zeit betraten einige Herren das Bierzelt, von denen einer mit lauter Stimme wiederholt »Vivs 1a pravee" rief Ein Frankfurter Schütze erhob sich von seinem Platz und verabreichte ihm eine Ohrfeige. Der Fran- zosenfreund. anscheinend ein Elsässer, wurde aus dem Bierzelt befördert und aus dem Festplatz entfernt, wobei er noch eine Pistole zog. die ec aber nicht in Anwendung bringen konnte. Zu bemerken ist, daß der Mann nicht betrunken war.
Fürst Wilhelm von Albanien befindet sich noch immer in Durazzo, obwohl seine Lage zweifellos nach wie vor eine äußerst kritische ist. Die schon wiederholt angekündigte Abreise der Fürstin und der fürstlichen Kinder von Durazzo ist ebenfalls noch nicht erfolgt. Neuerdings machen die Aufständischen in Nordepirus erhebliche Fortschritte; so haben sie jetzt die Stadt Koritza eingeschloffen. — Der albanische Ministerpräsident Turkhan Pascha, Ivelcher durch Besuche in den Hauptstädten der Großmächte einen letzten Versuch machen soll, die Mächte für das Schicksal des Fürsten zu interessieren, ist, nachdem er zunächst in Rom und dann in Wien geweilt, von letzterer Stadt aus nach Petersburg abgereist. ? Paris, 10. Juli. Wie Blättermeldungen be- ! sagen, ist die Petersburger Regierung einem etwaigen rumänischen Eingriff in Albanien durchaus f nicht abgeneigt. Ferner soll die russische Regierung ° erklärt haben, daß sie dem Fürsten Wilhelm nur s dann neue Geldmittel zur Verfügung stellen würde,
. wenn England und Frankreich sich einverstanden er- ! klärten und das gleiche tun würden, j Das seltsame Verhalten des Wiener Ober- s hosmarschallamtes beim tragischen Heimgange f des Erzherzogs Franz Ferdinand und seiner ? Gemahlin hat in weiten Kreisen der Bevölkerung > Oesterreich-Ungarns großes Befremden und lebhaften ! Unwillen hervorgerufen. Dieser Verstimmung hat ' vor allem der österreichisch-ungarische Hochadel durch ^ mehrfache bemerkenswerte Demonstrationen, die sich ? vor allem gegen den Leiter des Oberhofmarschall- i amtes, Fürsten Montenuevo, richteten, Ausdruck s verliehen. Ein ungemein gnädiges Handschreiben i des Kaisers Franz Josef an den Fürsten Monte- s nuevo hat zwar dieser Bewegung im Großen und Ganzen ein Ziel gesetzt, dennoch dauert der Groll in den Kreisen des Hochadels gegen den höchsten Würdeträger des Wiener Hofes fort, wie ein neuer Artikel des Prinzen Lobkowitz im Wiener „Fremdenblatt" in dieser Affäre erkennen läßt. Nur gestattet die Fassung des erwähnten Artikels wohl den Schluß, daß sich die Opposition der Adeligen jetzt nicht mehr allein gegen die Person des Fürsten Montenuevo richtet, sondern auch gegen das veraltete, spanische Zeremoniell am Wiener Hofe überhaupt — Ueber die Beschlüsse des außerordentlichen gemeinsamen Ministerrates, welcher letzten Dienstag in Wien in Sachen des Attentats von Serajewo abgehalten worden ist, wird neuerdings von anscheinend unterrichteter Wiener Seite gemeldet, es seien von dem Ministerrat gewisse Maßnahmen in der inneren Verwaltung Bosn iens und der Herzegowina erörtert und in Aussicht genommen worden. Außerdem habe man die diplomatischen Schritte erwogen, welche Oesterreich-Ungarn beim Belgrader Kabinett in Sachen der großserbischen Verschwörer etwa unternehmen könnte. Doch führten dem Vernehmen nach die Verhandlungen des Ministerrates über letzteren Punkt zu dem Beschlüsse, von derartigen Schritten in Belgrad vorläufig noch abzusehen. Ueber die Beschlüsse des gemeinsamen Ministerrates hielt der Minister des Auswärtigen. Graf Berchtold dem Kaiser Vortrag in Ischl. — Die nach Meldungen Wiener
Blätter angeblich bevorstehende Ernennung des Erzherzogs Friedrich von Oesterreich zum Generalinspekteur der österreisch-ungarischen Armee anstelle des verewigten Erzherzogs Franz Ferdinand soll noch keineswegs so unbedingt sicher sein. Erzherzog Friedrich hat übrigens mit seiner Familie in Potsdam einen kurzen Besuch gemacht.
Wohl sind die Nachwirkungen des erschütternden Vorgangs von Serajewo noch unabgeklärt und ungewiß, aber die akute Gefahr, die er zweifellos heraufbeschworen hatte, darf als abgewendet gelten. Gewiß nicht durch die Schuld der Serben, denn diese, die für Europa als anständige Nation gar nicht in Betracht kommen, sondern lediglich als Pufferstaat des russischen Slaventums mit in Rechnung gestellt werden, haben zu dem Frevel hin auch noch soviel Zynismus gefügt, daß man sich wahrlich nicht hätte zu verwundern brauchen, wenn sich der Unmut der österreichischen Bevölkerung noch in ganz anderer Weise entladen hätte, als dies in den paar serbenfeindlichen Demonstrationen der Fall war. Doch mögen auch die augenblicklichen Gegensätze mit der Zeit etwas abschleifen — vorerst ist dazu allerdings geringe Aussicht vorhanden, gehen doch die Serben, die allen Grund hätten, sich wenigstens anständig zu benehmen, soweit ihnen dies bei ihrer ganzen Unkultiviertheit möglich ist. soweit, Oesterreich den allgemeinen Boykott anzudrohen — das, was wir in der ersten Stunde nach dem ruchlosen Anschlag als unausbleibliche Folge festgestellt haben, wird sich verwirklichen, aus der bisherigen notorischen Gegnerschaft der beiden Völker wird sich ein unauslöschlicher Haß entwickeln, der mit Naturnotwendigkeit einmal zur Entladung führen wird. Und die Direktive hiezu gibt Rußland, dessen ganzes Interesse es ist, sich Serbien, das ganze Großssrbien, zu dessen Aufbau die Steine zusammengetragen werden, als Pufferstaat gegen Oesterreich und den Balkan zu erhalten. — Die Idee des G r o ß s e rb e n t um s, aus der heraus ja das Attentat von Serajewo mit entsprungen ist, hat ja eben in diesen kritischen Tagen neue Befruchtung erhalten durch den in der Form bereits perfekt gewordenen Zusammenschluß von Serbien und Montenegro, dessen hervorstechendste Bedeutung darin liegt, daß Serbien, dem dies durch den Widerstand Oesterreichs im bezw. nach dem Balkankriege vermehrt worden ist, nunmehr einen Weg zum Adriatifchen Meere erhält oder wenigstens zu erhalten glaubt, denn was Oesterreich und Italien dazu sagen werden, wenn es einmal an die Verwirklichung des Planes geht, das weiß heute noch niemand.
Wenn in der französischen Kammer in den letzten Tagen wieder, da es sich darum handelte, dem Präsidenten Poincar 6 einen Reisekredit von 400 000 Franks zu bewilligen, damit er in Petersburg und an einigen nordischen Höfen seine Staatsvisite machen kann, das Bündnis mit Rußland in allen Tonarten besungen worden ist. die Freude kann man den Franzosen wahrlich lassen, weil es eben ohne viel Umschreibungen klar auf der Hand liegt, daß Frankreich ohne Rußland in der europäischen Politik mitzureden einfach nicht in der Lage, zu absoluter Ohnmacht verdammt ist. Rußland holt sich in Frankreich alljährlich Milliarden soviel es eben braucht, und Frankreich, das selbst gegenwärtig in Finanznöten steckt, gibt sie bereitwillig, denn es erkauft sich mit jeder weiteren Milliarde seine weitere Eriftenz als Großmacht.
Paris. 10. Juli. Die Wahl des früheren Unterstaatssekrelärs des Krieges, Maginot, zum Berichterstatter des Heeresausschusses über den Antrag des Sozialisten Vaillant auf Abschaffung des Dreijahresgesetzes wird von den Anhängern dieses Gesetzes mit umso lebhafterer Befriedigung ausgenommen, als sie infolge der Wahl des Generals Pedoya zum Obmann des Ausschusses befürchtet hatten, daß sich im Ausschuß leicht eine der dreijährigen Dienstzeit feindlich gesinnte Mehrheit bilden