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M 92
Neuenbürg, Mittwoch den 10. Juni 1914.
72. Jahrgang.
RunSlchau.
Oppen au, 6. Juli. Die Budgetkommission der Zweiten Kammer hat den Gesetzentwurf betr. die Fortsetzung der Renchtalbahn von Oppenau über Ibach, Löcherberg, Peterstal nach Griesbach einstimmig angenommen. Die Baukosten inkl. Verwaltungsaufwand sind veranschlagt zu 2 620 000 Mark, zu denen noch weitere 85 000 für Beschaffung der erforderlichen Betriebsmittel kommen.
Bochum, 9. Juni. Der 17 Jahre alte Klempner August Sander aus Linden a. d. Ruhr ist, wie jetzt feststeht, einige Tage vor Ostern von Werbern in die französische Fremdenlegion verschleppt worden. Der junge Mann richtete an seinen Vater einen Brief, in dem er mitteilt, daß er beim zweiten Regiment in Saida in Algerien eingestellt worden sei und die Nummer 15 662 be- kommen habe. Wie er nach Frankreich gekommen sei, wisse er nicht. Er habe sich eines Morgens in einer Kaserne in Nancy wiedergefunden. Sander bittet seinen Vater um Beistand.
Der italienisch-albanische Zwischenfall, welchen die Verhaftung zweier italienischer Staatsangehörigen in Durazzo wegen ihrer Verbindung mit den Rebellen darstellte, gilt als wieder beigelegt. Der albanische Ministerpräsident Turkhan Pascha erschien beim italienischen Gesandten Aliotti und sprach ihm sein lebhaftes Bedauern über die Verhaftung des Obersten Muricchro und des Pro-
Pascha namens der albanischen Regierung einen Brief an Signor Aliotti, in welchem sie ebenfalls den Vorfall bedauert und sich zu jeder weiteren Genugtuungsleistung gegenüber Italien bereit erklärt. Hoffentlich wird sich die große Erregung, welche die italienische Presse wegen dieser Verhastungsaffäre zur Schau trägt, nun wieder legen. Die Wiener „Reichspost". das Organ des Erzherzog Thronfolgers Franz Ferdinand, beschuldigt den italienischen Gesandten Aliotti offen, die italienischen Umtriebe in Durazzo gegen die Regierung des Fürsten Wilhelm inszeniert und geleitet zu haben.
Wien, 8. Juni. In hiesigen politischen Kreisen verlautet, daß der internationale Aufsichtsausschuß in Albanien seine Aufgabe als vollkommen gescheitert ansehe und daß der Fürst die Entscheidung den Waffen überlassen werde.
Konstantinopel, 8.Juni. Die 3 türkischen Prinzen Osman Fuad Effendi. Kemal Eddin Effendi, Abdul Halim Effendi und Abdur Rahim Effendi reisen morgen zu ihrer militärischen Ausbildung nach Deutschland. Jeder der Prinzen, als deren militärischer Erzieher Oberst v. Strempel angeftellt ist, ist von einem türkischen Offizier begleitet.
Zwischen der Union und Mexiko gibt es immer wieder neue Zwischenfälle. Die mexikanischen Kanonenboote „Zaragoza" und „Bravo" sind nach Tampico beordert worden, um die vom Präsidenten Huerta über diese Hafenstadt verhängte Blockade in Kraft zu setzen. Die Unionsregierung wünscht aber keine Blockade Tampicos, sie hat daher dem Kreuzer „Tacoma" und dem Kanonenboot „Sacramento" Befehl erteilt, die beiden mexikanischen Kanonenboote zu überwachen und die versuchte Ausführung der Blockade Tampicos eventuell gewaltsam zu verhindern.
New-York, 8. Juni. Aus Niagara Falls wird gemeldet: Angesichts der Tatsache, daß Präsident Wilson den amerikanischen Seestreitkräften Weisung gegeben hat, den Hafen Tampico trotz des Blokadebefehls Huertas als für den Handel offen zu betrachten, ist schwer einzusehen, wie sich ein Bruch zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko soll vermeiden lassen. Die Friedensvermittler glauben, wenn die Vereinigten Staaten dem Dampfer „Antilla" dabei behilflich wären, die für die Aufständischen bestimmte Munition in Tampico
- zu landen, würde Huerta seine Vertreter bei der ! Friedenskonferenz zurückrufen und die Folge wäre
der Ausbruch der offenen Feindseligkeiten zwischen den Vereinigten Staaten und Mex'ko.
Mexiko-City, 8. Juni. Huerta hat beschlossen, die angeordnele Blockade über Tampico aufzuheben.
j In England vergeht jetzt kein Tag mehr, der
- nicht irgendeine Ausschreitung der „Wahlrechts- . rveiber" zeitigte. Am Sonntag früh verursachten i Suffragetten eine Störung des Gottesdienstes in der ! katholischen Kirche zu Brompton. Zwei der Suffca- i gelten wurden verhaftet
i London, 9. Juni. In Rayie, Grafschaft j Essex, haben Frauenstimmrechtlerinnen auf dem j Kirchhof marmorne Grabdenkmäler und Teile i der neuen Kirchhofsmauer zerstört.
! London, 8. Juni. Unmittelbar nachdem heute j der König und die Königin die königliche Loge betreten hatten, um den internationalen Olympia- Rennen beizuwohnen, erhob sich eine gut gekleidete junge Frau, die ihren Platz gegenüber der Loge hatte und rief der Königin einige Worte über die gewaltsame Ernährung der im Gefängnis gehaltenen Frauenrechtlerinnen zu. Die Frau wurde sofort i von zwei Polizeibeamten ergriffen und trotz ihres i Widerstandes aus der Rennbahn gebracht.
, Montreal, 9. Juni. Ein Taucher hat versucht, zu der gesunkenen Empreß of Jreland,
! sollen geborgen, einbalsamiert und zur Jndentifizierung ^ nach Quebeck gebracht werden.
! Quebeck, 9. Juni. 40 Fischerschooner sind ? bei einem Sturm am Freitag an der Küste nördlich i von Neu-Braunschweig gescheitert. 20 Personen ! sind dabei ums Leben gekommen. Der Sturm ! wütete besonders heftig an den Küsten der Micae- ! und Hippigan Insel. Acht Leichen sind bereits ge- i borgen. Nach Meldungen aus Caspe brach der ! Sturm plötzlich mit furchtbarer Gewalt aus. Viele l Schooner, die nicht an den Strand geworfen wurden, i wurden an den Felsen zerschellt. Es werden z immer noch Leichen gesucht.
Württemberg.
Stuttgart 9. Juni. Das diesjährige Volksfest beginnt am Freitag, 25. September, und dauert bis Montag, 28. September. Das landwirtschaftliche Hauptfrst findet am Samstag, 26. Sept., statt. Am Volksfestsonntag veranstaltet die Stadt wieder ein Pferderennen.
Stuttgart, 9. Juni. Zum Streit in der Sozialdemokratie erklärt der Vorstand der sozialdemokratischen Landtagsfraktion auf die Erklärung des Abg. Westmeyer, daß es die Art der Polemik Westmeyers sei, Parteigenossen, dort wo sie sich nicht wehren können, aufs schwerste zu beschuldigen und zu beschimpfen, um sie vor der Partei herabzusetzrn und dann, wenn sie sich wehren, sich als verfolgte Unschuld hinzustellen. Es sei richtig, daß die Abg. Engelhardt und Hoschka sich gegen die Veröffentlichung der Zurückweisung ausgesprochen hätten, trotzdem sie die Angriffe Westmeyers auf die Fraktion mißbilligten. Die überwiegende Mehrheit der Fraktion sei der Ansicht, daß bei der weiten Verbreitung der Angriffe Westmeyers ihre öffentliche Zurückweisung unerläßlich sei. um einer weiteren Schädigung der Partei vorzubeugen.
Stuttgart, 8. Juni. Welche Anziehungskraft die Stuttgarter Ausstellung für Gesundheits- pflege ausübt. beweist, daß in der Pfingstwoche 129 419 Personen die Ausstellung besuchten. Trotz der immerhin ungünstigen Witterung waren am vergangenen Sonntag doch 39 237 Besucher in der Ausstellung. Das sind Zahlen, die bisher nur selten von württembergischen Ausstellungen erreicht worden find. Dieser große Erfolg ist der Reichhaltigkeit
und der Uebersichllichkeit der Ausstellung zuzuschreiben, die j-dem einzelnen dauernde Werte für seine Gesundheit und für sein Wohlergehen bietet.
Stuttgart, 9. Juni. Die städtische Ausstellungskommission hat die bürgerlichen Kollegien der dem württembergischen Städtetag angehörigen Städte zum Besuch der Gesundheitsausstellung ein- geladen. Gestern besichtigten unter Führung von Dr, Jngelfinger die Gäste aus Feuerbach, Eßtingen, Geislingen und Schwenningen die Ausstellung. Heute werden die Kollegialvertreter der Städte Göppingen, Ludwigsburg und Zuffenhausen in der Ausstellung erwartet.
Stuttgart, 9. Juni. Leutnant W euch er vom 19. Utanenregiment in Ulm ist dieser Tage mit seinem Begleitosfizier von Hennings in 4 Stunden 50 Minuten von Johannistal nach Wien geflogen. Gestern trat er den Rückflug nach Ulm an und brauchte dazu, abgerechnet eine Zwischenlandung in Linz, 4'/s Stunden. In Ulm wurde ein vierstündiger Aufenthalt genommen und abends um '/-6 Uhr trotz schlechten Wetters nach Stuttgart weitergeflogen, wo gestern abend gegen '/r7 Uhr eine glatte Landung erfolgte. Heute abend nach 6 Uhr unternahmen beide Herren mit ihrem Doppeldecker einen Probeflug, der sie in mehrfachen, wundervollen Spiralen über Stuttgart bis zu etwa 1000 Meter hinaufführte. Das Flugzeug bot bei dem klaren, blauen Himmel und in der prächtigen Beleuchtung einen vielbestaunten UkÄÄnn Ä tte AuruiiHe ^.'ä i il/u l tg üu > OM iLUkMstättkk
Wasen.
Zum Besuch des am 14 Juni ds. Js. in Reutlingen ftattfindenden 22. Bundestags des Württ. Kriegerbundes wird auf den würltemb. Staatsbahnftrecken eine Fahrpreisermäßigung in der 4. Klasse mit Beschränkung auf die bei diesem Anlaß auszusührenden Sonderzüge in der Art gewährt, daß den Reisenden, die sich über ihre Zugehörigkeit zum Württ. Kriegerbund durch das Bundesabzeichen oder eine Bescheinigung der Ortsbehörde ausweisen, die Benutzung der Sonderzüge zum P-eis von 1,75 Pfg. für 1 km der einfachen Fahrt gestattet wird. Die Ermäßigung wird nur gewährt, wenn die Hin- und Rückfahrt in den Sonderzügen erfolgt. Auf die Familienangehörigen der Kriegerbundsmitglieder erstreckt sich die Ermäßigung nicht. Die Strecken, auf denen Sonderzüge verkehren und der Kurs dieser Sonderzüge werden durch Aushang auf den Stationen bekannt gegeben werden.
Degerloch, 9. Juni. Die ehemalige Villa Siemens an der Kirchheimerstraße, die seit mehreren Jahren leer stand und zum Kaufpreis von einer halben Million ausgeschrieben war, ist nunmehr um 312 000 in den Besitz eines Stuttgarter Arztes übergegangen, der sie samt dem schönen Park in ein Sanatorium umwandeln wird.
Haberschlacht, 8. Juni. Zum Ortsvorsteher der hiesigen Gemeinde wurde Oberamtspflegeassistent Ferdinand Fischer-Maulbronn gewählt.
Obertal bei Baiersbronn. 9. Juni. Wie sich leider jeden Tag mehr herausstellt, ist durch jdie kalten Mairage die Hoffnung auf eine reiche Heidel- beerernte vernichtet. Es sieht beinahe ebenso schlimm aus wie voriges Jahr. Im Tal sind die Heidelbeeren fast gänzlich erfroren, dagegen gibt es solche vereinzelt in den Hochwaldungen.
Kus SlaSt» Bezirk unS Umgebung.
^ Neuenbürg, 8. Juni. Wie jedes Jahr, so traten auch Heuer an Pfingsten die Vertreter der Evang. Arbeitervereine Württembergs zu einem Verbandstag. diesmal in Blaubeuren, zusammen. Munter flatterten die Fahnen in die heiteren Lüfte, lachend strahlte der blaue Himmel über dem stillen Winkel desBlautopss und festlicher Sonnenglanz leuchtete in die lauschigen Ecken des