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^ 61.
Neuenbürg, Freitag dm 17. April 1914.
12. Jahrgang.
Run-schau.
Korfu. 16. April. Der Kaiser machte heute früh den gewohnten Spaziergang, an dem auch der Reichskanzler teilnahm. Zur Mittagstafel beim Kaiserpaar waren geladen die Minister Beniselos und Dr. Streit, sowie der Gesandte Graf' Quadt. Der Reichskanzler empfing heute vormittag den Besuch des Ministers Veniselos und Dr. Streit.
Ueber die Vielrederei imReichstag. In einer Verteidigung ves Reichstags gegenüber abfälliger Beurteilung in der Presse sieht sich die „Frkf. Zig." ihrerseits zu einigen Ausstellungen veranlaßt. Sie schreibt u. a: „Das Kennzeichen des heutigen Parlamemsredners ist die Unbarmherzigkeit; ob seine Vorredner schon die gleichen Daten, Zahlen und Argumente benützt haben, das rührt ihn nicht, er muß sie noch einmal im Namen seiner Partei in den stenographischen Bericht Hineinreden; ob er sein Auditorium tödlich langweilt, kümmert ihn nicht, denn er redet ja „für die da draußen". Und die Praxis der Parlamente, die Parteien nach ihrer Stärke zu Worte kommen zu lassen, verschärft diesen Zustand noch; oft lösen sich drei Freunde einer Vorlage am Rednerpult ab und dann kommen ebenso eintönig die Gegner, alle mit ihren fertigen Manuskripten. Von einer richtigen Debatte, von einem Kampf mit Gründen und Gegengründen, ist keine Spur mehr vorhanden. Und natürlich kann von solchen Auseinandersetzungen auch keine Wirkung mehr auf das Land ausgehen. Die Fülle des Stoffes und die Breite der Verhandlungen erschweren den Parlamentsbetrieb gegen früher ganz erheblich. Der Reichstag hat jetzt rund 30 Kommissionen sitzen. Rechnet man für die Kommission im Durchschnitt 21 Mitglieder, so ergibt sich, daß die Zahl der Reichstagsmitglieder nicht einmal ausreicht, um die Kommissionen zu besetzen, daß also gerade die arbeitsfieudigen Abgeordneten in drei, vier oder gar noch mehr Kommissionen zugleich tätig sind. Lange Plenarsitzungen und zahlreiche Kommissionssitzungen, wie sollen da die überarbeiteten Volksvertreter noch die Zeit finden, sich so auf ihre Reden vorzubereiten, daß sie kurz sein können? Denn die kurzen Reden erfordern mehr Arbeit, als die bequemen langen! So wirken verschiedene Ursachen zusammen, um den jetzigen Zustand zu erzeugen, mit dem im Grunde niemand mehr zufrieden ist".
Frankfurt, 16. April. Die Eisenbahnverwaltungen Württembergs und Badens haben das Anbringen von Tafeln mit Warnungen vor dem Eintritt in die Fremdenlegion in den Eisenbahnwagen genehmigt.
Die „Augsburger Abendzeitung" berichtet über einen neuen Braunkohlenfund im bayerischen Algäu. Durch wissenschaftliche Untersuchung zweier Münchener Gelehrten ist festgeftellt worden, daß über zwei Millionen Hektoliter Kohlen in dem betreffenden Gebiet sich vorfinden. Das Revier befindet sich bei Jmberg in der Nähe von Sonthofen.
Die Ueberquerung des Chiemsees auf Wasserschuhen ist, wie die „T. R." meldet, dem Erfinder der Wasserschuhe, Josef Keiler, dem Unteroffizier Schnabel vom 1. bayr. Pionierbataillon und dem Kajakfahrer Dietrich geglückt. Die überquerte Strecke betrug 20 Kilometer und wurde in 3*/, Stunden zurückgelegt.
Dresden, 14. April. Der Flieger Reichelt war am Karfreitag gegen 4^/i Uhr auf seinem Harlan- Eindecker in Dresden, seiner Geburtsstadt, auf dem Flugplatz Kaditz aufgestiegen, um Kurven- und Gleitflüge nach dem Muster Pegouds zu machen. Man hatte ihn schon verschiedentlich gewarnt. Reichest, der ein vorzüglicher Flieger war, lachte jedoch die Aengstlichen aus und zeigte auf dem Eindecker staunenswerte Leistungen im Kurven- und Gleitflug. Kurz vor 5 Uhr hatte er seine Schwägerin, Frl. Selma Seglitsch, zu einem Flug aufgefordert und
machte mit dem jungen Mädchen andauernd Kurven, bei denen der Eindecker nach berühmtem Muster sich senkrecht auf die Seite legte. Etwa 15 Min. dauerten die waghalsigen Flüge, als man plötzlich an dem rechten Flügel, etwa 1?/e Meter vom Rumpf entfernt, in der Stoffbespannung einen Riß bemerkte. Im nächsten Augenblick flog die gesamte Leinwand des Flügels durch den entstehenden Winddruck in Fetzen davon. Der Eindecker drehte sich einmal um seine eigene Achse und schoß dann steil zu Boden. Etwa 15 Meter über dem Boden fiel Frl. Seglitsch aus, der Maschine und blieb mit gebrochenem Genick 1 ot liegen. Reichest geriet unter die Trümmer des Flugzeugs und wurde buchstäblich zermalmt. Reichelts Gattin, die den Tod ihres Mannes und ihrer Schwester mit angesehen hatte, wurde bewußtlos und zeigte, als sie sich wieder erholte. Spuren von Geistesgestörtheit. Reichest hinterläßt außer seiner Frau drei Kinder im Alter von fünf bis zwei Jahren.
Vor dem Schwurgericht in Mannheim hatte sich die Frau eines Arbeiters wegen Mordversuchs zu verantworten. Die Verhandlung ergab ein trübes Bild reger Lästerzungentätigkeit. Die Frau hatte am 15. Dezember versucht, sich und ihre 5 Kinder durch Einatmen von Leuchtgas und durch Einnehmen von Verona! zu töten. In der Verhandlung wurde festgeftellt, daß die Frau durch die Verlästerungen der Nachbarinnen zur Verzweiflung getrieben worden war. Das Gericht sprach sie frei.
Aurich, 15. April. In dem benachbarten Dorfe Tannenhausen verbrannten beim Entzünden eines Osterfeuers zwei Kinder im Alter von drei und fünf Jahren.
Reims, 15. April. Einer der beiden Deutschen, die kürzlich verhaftet wurden, als sie einen französischen Soldaten zur Desertion verleiten wollten, ist in Freiheit gesetzt worden. Er gibt an, Waffer- boot zu heißen. Er hat in Begleitung seines Vaters die Stadt verlassen und will sich nach Stuttgart begeben, um sich dem Regiment, von dem er desertierte wieder zu stellen.
Paris, 16. April. Alle Blätter widmen dem Flieger Garros lange Artikel und preisen ihn als den Retter der Ehre französischer Flugkunst. Deutschland hätte seine besten Piloten geschickt, denen jedoch das Schicksal ein Ziel gesetzt habe. Garros habe bewiesen, daß er der beste und geschickteste Flieger der Welt sei. Deutschland könne erst dann wieder auf dem Plane erscheinen, wenn Frankreichs leitende Männer vergessen sollten, die Flieger und Flugzeugbauer zu unterstützen. Garros gewinnt vorläufig 40 000 Franken in bar, sowie die Preise des Präsidenten der Republik, des Großherzogs von Mecklenburg, des Marineministers und des belgischen Aeroklubs.
Aus Brüssel wird gemeldet: Das Komitee für dis Weltausstellung in Gent verlangt von der Stadt Gent 4800 000 Francs zur Deckung des Defizits.
Im Theater in Esseg kam es zu stürmischen Demonstrationen gegen die deutsche Schauspielertruppe des Direktors Popp. Kroatische Studenten, die die Galerie besetzt hatten, erhoben, als der Vorhang in die Höhe ging, einen wütenden Lärm und bewarfen die Bühne mit faulen Eiern und Aepfeln. Die Polizei mußte einschreiten, um die Ruhe wieder herzustellen. Sechzehn Verhaftungen wurden vorgenommen.
Rom, 16. April. In einem Abteil erster Klasse wurden gestern im V-Zug Nizza—Rom einem Juwelier, während er schlief, Brillanten und Perlen im Werte von 350 000 Francs gestohlen.
Boston, 16. April. Professor Richard Strong von der medizinischen Fakultät der Harvarduniversität sieht voraus, daß mit der Eröffnung des Panamakanals die südamerikanische Ostküste das Gelbe Fieber nach Indien senden und dafür die ostasiatische Cholera eintauschen werde. Indessen
glaubt Prof. Strong, daß bei dem heutigen hohen Stand der Wissenschaften weniger Verluste an Menschenleben, als pekuniäre Verluste durch die Unterbrechung des Handels dir Folge davon sein werden.
Mürllsinberg. '
Stuttgart, 15. April. Der neue Finanzminister Dr. v. Piftorius hat sein Amt bereits übernommen, nachdem er heute vormittag 11 Uhr im K. Staats- mimsterium vom König vereidigt worden war. Minister a. D. v. Geßler hatte sich schon gestern abend von den Beamten seines Ministeriums verabschiedet und ist heute vormittag 9 Uhr von hier nach Berchtesgaden, wo er eine Billa besitzt, abgereist.
Stuttgart. 15. April. Der Staatssekretär des Reichsschatzamtes Kühn, der sich in den nächsten Tagen an den süddeutschen Höfen persönlich vorftellt, wird am 20. April hier vom König empfangen werden.
Stuttgart, 16. April. Zum künftigen Leiter der Landespolizeizentrale ist, wie das „Neue Tagblatt" hört. Oberamlmann Klaiber, jetzt bei der Kgl. Stadtdirektion Stuttgart, ausersehen. Der bayrische Regierungsasseffor Dr. Harster wird nur die Einrichtung der neuen Behörde besorgen, zu welchem Zweck er für ein halbes Jahr hieher beurlaubt wurde.
Stuttgart, 15. April. Zum Kriminalkommissär bei der neuen Landes-Polizeizentralstelle wurde vom König der bisherige städtische Kriminalkommissär Gotlhilf Waizenegger von Stuttgart ernannt.
Stuttgart, 16. April. Die Viehpreise, besonders die Schweinepreise, sind zurzeit sehr nieder. Trotzdem nehmen die Fleischpreise nicht ab. Eine Erklärung dieser Erscheinung soll, wie es jetzt heißt, auch darin liegen, daß die Metzger zu wenig Abnehmer finden. Das Angebot von Schweinen ist ungemein stark. Was sollen die Metzger aber mehr schlachten, als sie verkaufen können? So erklärt nämlich ein Metzger die Sache, der freilich verschweigt, wieviele aus Norddeutschland kontraktlich bezogene Schweine jeden Tag im Lande geschlachtet werden, während den württembergischen Züchtern erklärt wird, man habe „keinen Bedarf." Außerdem fragt es sich doch, ob die Abnahme des Fleischverbrauchs nicht sofort verschwinden würde, wenn sich die Metzger zu einem allgemeinen Abschlag verstehen könnten. Das Schweinefleisch kostet 80 Pfg. das Pfund. Bei 70 Pfg. würden die Metzger auch noch Geld verdienen.
Wie der Staat spart. Der Gasverbrauch zur Beleuchtung der Personenwagen hat im letzten Jahr erheblich zugenommen, was auf mangelhafte Bedienung der Kleinstelloorrichtungen durch das Personal zurückgeführt wird. Die Dienststellen wurden deshalb angewiesen, beim Personal auf eine sorgfältige Bedienung hinzuwirken.
Nürtingen. 15. April. In Begleitung des Generaladjutanten und eines Flügeladjutanten kam gestern der König im Automobil von Stuttgart hierher, um die Kunstausstellung zu besichtigen. Er wurde vom Regierungsrat Weihenmaier. Stadt- schultheiß Baur und Fabrikant Echauffier empfangen und nahm aus den Händen der Tochter des Stadt- schultheißen einen Blumenstrauß entgegen. In der Ausstellung selbst übernahmen Kornbeck und der Kunstmaler Drück die Fühmng durch die Ausstellung, wobei der König vielfach Lob spendete. Sodann wurde in engerem Kreise ein Imbiß eingenommen. Der Stadtschultheiß brachte einen Trinkipruch auf den König aus, den dieser mit einem Hoch auf die Stadt erwiderte. Alsdann erfolgte eine Rundfahrt durch Nürtingen und die Rückfahrt nach Stuttgart. Bei der Ankunft und bei der Abreise brachten die zahlreich zusammengeströmten Nürtinger dem König herzliche Huldigungen dar.