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Der Lnztäler. s
^ 31 .
Neuenbürg, Montag de» 23. Februar 1914.
! 72. Zayrgaug.
RunSschau.
Berlin, 22. Febr. Eine wüste Schlägerei riefen heute morgen etwa zehn halbwüchsige Burschen in einem Schanklokal in der Marienburgerstraße hervor: Die Lokaleinrichtung und die Fensterscheiben wurden vollständig zertrümmert. Alle im Lokal anwesenden Personen und der Wirt wurden verletzt, eine von ihnen so schwer, daß sie ins Krankenhaus geschafft werden mußte. Etwa 400 Personen, die sich vor dem Lokal angesammelt hatten, wurden von der Polizei zerstreut.
Hamburg. 20. Febr. In der Elbmündung werden seit einigen Tagen bedeutende Mengen Heringe und Sprotten gefangen. Allein in den letzten drei Tagen sind etwa 300000 Pfund dieser Fische gefangen und überwiegend auf den Cuxhavener Markt gebracht worden. Die Fischindustrie ist aber außerstande, diesen reichen Segen zu bewältigen, weshalb ein großer Teil der Beute als Dünger aufs platte Land befördert werden muß.
München, 16. Februar. Sprachenkundige Schutzleute plant man nach dem erfolgreichen Vorgehen des Stadtmagistrats Nürnberg nun auch in München heranzubilden. Die kgl. Polizeidirektion München hat, nach den „Münchner Neuesten Nachrichten". jetzt Anfängerkurse für Schutzleute zur Erlernung fremder Sprachen eingerichtet, und es haben sich für die englische Sprache 15, für die französische Sprache 20 Teilnehmer gemeldet. Später soll noch ein italienischer Sprachenkurs eingerichtet werden. Für dieses Sprachenstudium werden naturgemäß solche Schutzleute bevorzugt, die auf Grund ihres Schulbesuchs schon gewisse Borkenntnisse haben. Nach erfolgreich bestandener Prüfung werden die betreffenden Schutzleute voraussichtlich durch ein besonderes Abzeichen als sprachenkundig kenntlich gemacht werden.
Ein Wunderdoktor gefährlichster Sorte, wie sie gerade in Thüringen zahlreich vertreten sind, ist — wie aus Erfurt geschrieben wird — soeben verdientermaßen bestraft worden. Er führt den nicht ungewöhnlichen Namen Wilhelm Müller, ist seines Zeichens Handelsmann und hat in geradezu schrecklicher Weise um sich geheilt, was nicht weniger als 50 Zeugen bestätigen. Er wütete durch ganz Thüringen mit seinen Sympathiekuren, dir aber nur bei Anwendung eines geheimen, nur ihm bekannten „Segens" wirksam waren. Schlimme Augen, Gicht, Rheuma, Blinddarmentzündung, Frauenkrankheiten, — nichts war vor seiner Behandlung sicher. Keiner
Marga.
Roman von C. Crone.
851 (Nachdruck verboten.)
Lautlos war Fanny an den Kreis herangetreten. Die klugen Angen sahen die Umstehenden fast lustig an und ein feines Lächeln kräuselte die Livven.
„Ganz korrekt hat Dein Gewährsmann nicht berichtet, Mama", wandte sie sich an die Baronin. „Erlaube, daß ich die Mitteilungen ergänze. Niemand ist mehr berechtigt, ja verpstichtet, das zu thnn, als ich, die ich Erika Hcllis oder, wie sie eigentlich heißt, Marga Wilde, meine Freundin nenne, für die ich zu jeder Zeit und im unumschränkten Umfange bereit bin, einzutreten!"
In dem distinguierten Kreise fing man an, den Atem anznhallen. Es schien, als dürfe man ein interessantes Zwischenspiel erwarten. Verstohlene Blicke flogen hin und her.
Ohne sich um diese Zeichen erhöhter Aufmerksamkeit zu kümmern, sprach Fanny in dein Tone vornehmer Abweisung, den sie ganz besonders beherrschte!
„Es ist wahr, Marga Wilde ist ein Kind der Haide. Bis zu ihrem zwölften Jahre ist sie in Einsamkeit und Stille ausgewachsen. Dann starben die Eltern kurz nacheinander, und ein warmherziger Mensch, der treue Seelsorger der weit zerstreuten Haidcgemeinde, nahm sich der armen, kleinen Waise an, indem er sie in seinem eigenen Hanse erzog. — — Des Pastors Biehler wirst Du Dich sicher noch sehr gut erinnern.
der Behandelten hat jedoch Heilung gefunden, und die meisten sind unglaublich viel Geld losgeworden. Auch Pferde behandelt der Herr „Doktor," wobei er in einem Falle feststellte, daß der Besitzer des Gaules an derselben Krankheit litt, wie dieser. Vielen Heilsuchenden gab er sich als Spezialist für Nervenkrankheiten, Bein-, Kopf-, Ohren-, Nasenleiden, Bruchschäden, Krämpfe uff. aus, und — alle fielen darauf herein. Das tollste war, daß er damit renommierte, den Deutschen Kaiser behandelt zu haben; auch die Großherzogin von Sachsen Weimar habe er in seiner Eigenschaft als Kurarzt des Bades Berka a. I. behandelt. Ein häufig angewandter Trick bestand darin, daß er ein Stück rohes Fleisch zu den Kuren benutze; er feuchtete dieses an, übergab es den Kranken, und diese mußten es so lange bei sich tragen oder vergraben, bis es verwest war — dann war die Heilung vollendet. Es ist nicht möglich, all das blödsinnige Zeug anzuführen, auf das die Leute hineinfielen und mit Gold aufwogen, ohne natürlich auch nur den geringsten Vorteil davon zu haben. Das Gericht zog denn auch bei Abmessung des Strafmaßes diese Gaunerei in gebührende Erwägung und verurteilte den Herrn „Doktor" und „Spezialarzt" Wilhelm Müller zu 3 Jahren Zuchthaus, 150 Mk. Geldstrafe und 10 Jahren Ehrverlust. Die Kranken sind durch die großen Honorare und ihre Dummheit bestraft; denn sie sind mitschuldig.
Obertsrot, 20. Febr. Heute früh, kurz nachdem der Zug 6 Uhr 19 unsere Station verlassen hatte, stürzte eine größere Felsmasse auf den Bahnkörper herab. Der Bahnoerkehr wurde hierdurch gesperrt, die Aufräumungsarbeiten werden voraussichtlich zwei Tage in Anspruch nehmen. Der Personenverkehr wird durch die Automobilgesellschaft Gernsbach aufrecht erhalten. Die herabgestürzte Felsmaffe wird auf 150 Kubikmeter geschätzt.
Vom Bodensee, 20. Februar. Infolge des eingetretenen Tauwetters und der Schneeschmrlze in den Bergen ist der Wasserspiegel des Bodensees wieder merklich im Steigen begriffen. Innerhalb der letzten Tage ist er um etwa 15 eur gestiegen. Eine interessante Wahrnehmung wurde dieser Tage bei Einbruch des Föhns von einem bayrischen Dampfer zwischen Friedrichshafen und Langenargen gemacht, nämlich ein ganz eigenartiges, donnerarttges Geräusch, das sich auf ungefähr 10 Kilometer im Umkreis auszudehnen schien. Obwohl die Ursache des Geräulches, das nur ganz kurze Zeit währte, nicht festgestellt werden konnte, so ist es nicht aus- geschlossen, daß es sich wieder um die nicht allzu
selten zu beobachtende Erscheinung des sogenannten „Seeschießens" handelt.
London, 21. Februar. 'Durch eine Ueber- schwemmung in den Grafschaften Leitrim und Roscommon in Irland sind weite Landstrecken unter Wasser gesetzt worden. Die Straßen sind unpassierbar. Die Bevölkerung zahlreicher Stellen ist von den Städten abgeschnitten. In der Umgebung der Stadt Carrick on Shannon machen sich die Bewohner bereit, in die höhergelegene Villengegend zu fliehen. Die Lebensmittelversorgung erfolgt durch Boote. Die Flut steigt noch, Bäume sind entwurzelt, Hafer, Mais, Heu und andere landwirtschaftliche Produkte litten großen Schaden.
In Ardeer bei Glasgow sind bei einer Explosion in der Dynamitfabrik Nobel sieben Personen gelötet und zwei verletzt worden. Die Explosion ereignete sich im Mischraum der Fabrik und hat beträchtlichen Schaden an allen Gebäuden der Fabrik angerichtet. Unmittelbar nach der Explosion des Mischraums flog auch ein kleines Mustermagazin in die Luft. In der Umgebung des Werkes herrscht eine schreckliche Verwüstung. Der Knall muß 40 Meilen weit hörbar gewesen sein. Die Wirkung der 2. Explosion war noch schrecklicher als die der ersten. Funken flogen nach allen Richtungen. In einer Gießerei waren 300 Leute bei der Arbeit, als das Glasdach infolge der Erschütterung einstürzte und auf die Arbeiter fiel, von denen mehrere durch Glassplitter verletzt wurden. Eine große Volksmenge hat sich vor den Toren der Fabrik in Ardeer angesammelt. In dem Mischraum, in dem die Explosion erfolgte, befanden sich 6000 Pfund Gelatine.
Birmingham (Alabama). 21. Febr. Drei Räuber hielten den Expreßzug von New-Orleans 12 Meilen von hier an, raubten 40 000 Dollar aus den Postsäcken, koppelten dann die Lokomotive ab und fuhren mit dieser bis zu einer Stelle, wo, wie man annimmt, ein Automobil auf sie wartete.
Württemberg.
In Horb fand am letzten Mittwoch eine aus allen Teilen des Schwarzwaldkreises gut besuchte Konditorenversammlung statt. Der Unterverbands- Vorsitzende Finckh - Reutlingen erstattete einen umfassenden Geschäfisbertcht. Handwerkskammersekretär Hermann-Reutlingen hielt einen Vortrag über „Sozialgesetzgebung und Konditorhandwerk", wobei er besonders die Möglichkeit der Selbstversicherung und die freiwillige Weilerversicherung für selbständige Handwerker bei der Kranken-
Mama. Acht Jahre war er ja Erzieher Deiner beiden verstorbenen Brüder und ich weiß, daß Baron von Randow ihn noch heute als Freund schätzt."
-Es ist nicht meine Absicht", fuhr sie
lächelnd fort, „eine langatmige Lebensbeschreibung des kleinen Haidemädchens zu geben. Ich möchte nur eine Aufklärung darüber herbeiführen, daß Margas Ausbildung in ihrer Kunst durch Pastor Biehlers Vermittelung ermöglicht worden ist. Es ist wahr, daß in ihrem mehr wie einfachen Heim keine Schätze gesammelt worden sind, ebenso, daß ein Pastor unter den Aermsten der Armen in einem entlegenen Haidedorf kein Vermögen erwerben kann.
Tie alte Tante des Pastors, die seinem Hause Vorstand und noch dort lebt, gab aber mit willigem Herzen ihren bescheidenen Sparpfennig und ein Lehrer erteilte den Unterricht fast umsonst. So ist Marga in die Künstlerlaiifbahn hineingekommen, aber ohne Ehrgeiz, ohne Verlangen in betreff der sozialen Stellung unter ihren Mitmenschen, das kann ich bezeugen. Sie singt, weil sie nicht anders kann. Ihr innerstes Wesen ist Musik, Harmonie, die sie in den hinreißenden Tönen ausströmen läßt, die unS alle entzückten. Ergreifend, wie ihre Lieder, ist die Schlichtheit und Zartheit ihres Wesens. Ist Marga auch barfüßig in der Haide umher- gclanfen, ohne Hut, in vielgeflicktem Kleide — ihrer Sinnesart hat es nicht geschadet. Sie ist vornehm und sittsam geblieben, wie sie nie störrisch oder haltlos gewesen. Ter Geist, der ans den schönen Märchenangcn spricht, ist Dolmetscher, nicht nur eines stolzen, freien Künstlertums, sondern auch einer echten Weiblichkeit und einer schuldlosen Kinderseele."
Fanny hatte sich warm gesprochen. In den sonst so kühlen Augen lag ein schimmerndes Leuchten und in der Stimme klang es wie Stolz und Frohlocken zugleich.
Von seinem Platze ans hatte Haunibal seine Frau sehen können, während sic sprach.
Nicht znm ersten Mal hegte er den Wunsch, ihr zu zeigen, wie geistesverwandt er sich mit ihr fühle, wenn, wie er es immer häufiger beobachtete, ihre unbestechliche Gradheit in Wort und Wesen znm Vorschein kam. Er hätte ibr oft sagen mögen, wie ihr unbeirrtes Urteil, ihr rückhaltloses Eintreten für das, was sie für Recht hielt, das warme Aufwallen des Gefühls, das die sonst so steinernen Züge wie mit Zanberhand belebte, ihn
wie Frühlingswchen berühre-bis ein eisiger Blick
ans ihren Augen die Worte auf seinen Lippen erstarren ließ.
Als Fanny schwieg, wandte die Baronin sich der Schwiegertochter zu. Wie schwer es ihr wurde, ahnte kaum jemand, als sie, ganz Liebenswürdigkeit, gar« Einverständnis, sagte:
„Nach Deinen Ausführungen, liebste Fanny, ist eS selbstverständlich, daß weitere Erörterungen überflüssig sind. Ich vermutete nicht, daß Tu so eingehend unterrichtet seiest, sonst wäre die ganze Sacke viel einfacher gewesen. Trotzdem sicher alle befriedigt sind, denke ich, bringen wir doch lieber eine andere Abwechselung in das Programm hinein. Es wäre — zumal im Winter — mit zu vielen Umständen verbunden, die HelliS Herkommen zu lassen, von dein pekuniären Nachteil, der unserem Vorhaben erwüchse, ganz abgesehen."