RunSschau.

Berlin, 23. Dez. Nach demElsässer", dem Blatte, das die ersten Nachrichten über die Zaberner Vorfälle veröffentlichte, erhielt ein Teil der aus Zabern stammenden Beurlaubten, die bis 28. Dez. Urlaub hatten, gestern eine telegraphische Weisung, wieder in ihren Garnisonsort zurückzukehren. Die aus Zabern stammenden Rekruten des 99 er In­fanterie Regiments haben in diesem Jahre keinen Urlaub bekommen.

Im Saarrevier fanden in den letzten Tagen zwei große nationalliberale Versammlungen statt, in denen der Führer der Nalionalliberalen Partei. Reichstagsabgeordneter Ernst Basser­mann, über die politische Lage im Reiche sprach. Dabei äußerte sich der Redner auch über den Zaberner Fall und berührte dabei die Vorgänge im Reichstag. Er führte dabei u. a. aus:Was die Erledigung des Falles Zabern anlange, so möchte er noch ein Wort über den Charakter des Mißtrauensvotums sagen, weil das vielfach mißverstanden worden sei. Deutschland sei kein parlamentarisch regiertes Land, ! und deshalb könne man aus dem Mißtrauensvotum ^ nicht solche Folgerungen ziehen, wie in parlamentarisch r regierten Ländern. Der Reichstag habe mit seinem » Mißtrauensvotum nur ausgesprochen, daß er mit j der Behandlung des Zaberner Falles und seiner j Erledigung nicht einverstanden sei, und zwar aus j folgenden Gründen: einmal deswegen nicht, weil j diesem Fehler die Verfehlung des jugendlichen ; Leutnants sei an sich wirklich kein wellerschütterndes ! Ereignis gewesen nicht alsbald die Sühne auf dem Fuß folgte; zum zweiten und das trat hauptsächlich in den Vordergrund weil man es geduldet habe, daß wochenlang, zunächst latent, dann offensichtlich, Disharmonien zwischen Zivil- und Militärbehörden in die Erscheinung traten, und zum dritten wegen der Tatsache, daß Recht und Gesetz , verletzt wurden, wie das auch der Reichskanzler im ! Reichstage schließlich zugegeben habe, und daß die ! Remedur erst später erfolgte, dann allerdings durch ; das dankenswerte Eingreifen unseres Kaisers. Mit s andern Worten, man habe hier ein Feuerchen erst - zum Brand werden lassen, bevor man sich zum Ein- s greifen entschließen konnte. Es habe hier an der nötigen Staatskunst, Staatswsisheit und Energie ge- : fehlt, die hätte einsehen müssen, daß gerade in einem ^ Grenzlande ein besonderes Maß von Klugheit und ! Vorsicht vonnöten war, wenn ein Schaden verhindert i werden sollte, der heute zweifellos eingetceten sei. i Die Sozialdemokratie habe die Lage mit ihrem maß- ^ losen Toben und Schreien natürlich nicht verbessert, - im Gegenteil. Ein solches Verhalten habe der - Würde des Reichstags in keiner Weise entsprochen. - Ganz entschieden müsse man es ablebnen, daß hier irgend eine Generalisierung in dem Urteil über die Vorfälle eintrete. Wir seien stolz auf unsere Armee, wir wüßten, was wir an ihr haben, und wie tadel­los unser OsfizierkorpZ dastehe. Wenn in einem einzelnen Falle ein Leutnant entgleise die Armee möchte er sehen, wo dies bei einem Leutnant von

19 Jahren nicht einmal vorkomme so liege darin der Kernpunkt sicher nicht. Der Kernpunkt der Sache liegt in der Verzögerung, wofür natürlich der oberste Beamte des Reiches, der Reichskanzler, verant­wortlich sei.

Berlin, 23. Dez. In dem Rückblick auf das Jahr 1913 der Aeltesten der Kaujmannschaft von Berlin heißt es: Die Lage von Handel und Jndu- stiie am Schluffe des Jahres ist für die Mehrzahl der Geschäftszweige keine günstige. Indessen schafft die gute Ernte zweier Jahre eine gesunde Grund­lage für die Ueberwindung der ungünstigen Konjunktur. Der deutsche Geldmarkt steht so kräftig da. daß alle pessimistischen Urteile des Auslandes über die Kredit- unwücdigkeit Deutschlands unbegründet erscheinen.

Eine Entscheidung gegen die Arbeiter- as werk sch asten hat der oberste Gerichtshof in New Jork gefällt. Er hat in dem Prozeß der Hutmacherfirmen von Danbury zugunsten der klagenden Firmen entschieden, die gegen den Gewerkschafts­verband der Hutmacher eine Klage auf Schaden­ersatz eingeleitet hatten, weil der Verband über sie einen Boykott verhängte. Die Entscheidung hat die Bedeutung, daß nach dem Bundesgesetz über die Trusts auch Arbeitergewerkschaften als Verbindung zur Beschränkung des freien Geschäftsverkehrs haftbar gemocht werden können.

Berlin, 22. Dez. DerBerl. Lokalanzeiger" meldet: Der BallonDuisburg" stieg am Samstag in Bitterfeld auf und landete in Penn in Rußland. Er blieb 87 Stunden in der Luft und legte eine Strecke von 2800 Kilometer zurück. Ec schlug ! somit den von dem Franzosen Bienayme mit 2400 j Kilometer gehaltenen Weltrekord. j

Schwerin, 22. Dez. In der letzten Nacht ist ! ein großer Teil des abgebrannten Flügels des ! Residenzschlosses heruntergebrochen und I hat die unteren gewölbeartig bedeckten Räume des s Portalgefchosses durchschlagen. Durch eine ein- j gehende amtliche Untersuchung hat sich die ! Entstehungsursache des Brandes nicht fsststellen ! lassen. Jedenfalls aber ist feftgestellt worden, daß - weder Fahrlässigkeit noch vorsätzliche Brandstiftung ! vorliegt. !

Mannheim. 21. Dezbr. Zum Gedächtnis des > am 1. Januar 1814 erfolgten Ueberschreiten des > Rheines bei Mannheim durch die russischen Truppen s wird am 1. Januar 1914 ein Gedenkstein an der ! Stelle enthüllt werden, an welcher der denkwürdige ! Uebergang stattgefunden hat. Diese liegt im Gebiet i des städtischen Jndustriehafens, der bekanntlich aus ? dem Stromgebiet des früheren Rheinlauies hervor- . gegangen ist. s

Donaueschingen, 22. Dez. Heute fand die feierliche Einweihung der neuerbauten evang. Kirche unter sehr starker Beteiligung, auch der ka- i tholischen Bevölkerung statt. j

Iserlohn, 23. Dez. In einem Nachbarorte i wurde auf dem Boden eines alten Schmiedegebäudes ^ eine vollständig eingerichtete Falschmünzerwerk- ! stätte entdeckt und eine große Summe falschen ^ Geldes beschlagnahmt. Falsche Zweimarkstücke waren

in ganz Westfalen und am Niederrhein in Umlauf gebracht worden.

Metz. 21. Dez. Die Jägerei von Metz und Umgebung wird zur Zeit durch ein Sterben der Hasen sehr beunruhigt. Die Hasen gehen, der Metzer Ztg." zufolge, in manchen Gegenden massen­haft ein. Diese Tatsache ist um so unerfreulicher, als die Jagden meist sehr teuer sind und sich erheb­liche Verluste für den Besitzer wie für den Markt ergeben.

Straßburg, 22. Dezbr. Bei einem Zimmer­brand im Vorort Kronenburg sind gestern nachmittag zwei Kinder, ein Mädchen von 2 und ein Knabe von 4 Jahren, ums Leben gekommen.

Karlsruhe. 22. Dezbr. Infolge anhaltender Kälte, die sich in der Rheinebene bis 10 Grad steigerte, führen Murg und andere Schwarzwaldflüsse Treibeis.

Im bad. Schwarzwald und in den Vogesen hat das Frost wetter, das am Freitag eingesetzt hat, zugenommen. Die Temperaturen betragen bis 11 Grad 6. unter Null. In der Rheinebene hat sich die Kälte bis zu 7 Grad gesteigert. In den hohen Lagen des Schwarzwalds beträgt die Schnee­höhe 3040 cm, in den Hochvogesen bis zu 1 m.

London, 22. Dezbr. Der Schaden, welcher durch den Brand der auf einer Insel im Hafen von Portsmouth liegenden Admiralitätswerft angerichtet ist, wird auf etwa 20 Millionen Mark geschätzt. Bei dem Brande wurde auch ein Signalturm zer­stört. Zwei der Turmwächter kamen in den Flammen um.

Bei einer Einweihungsfeier im Volkshause in Brüssel wurde bekannt gemacht, daß der bekannte Industrielle Solo vey für Bildungszwecks für Arbeiter eine Million Francs gestiftet habe.

Graz. 22. Dez. Vom Bauernschreck wird berichtet: Auf einem Berge der Umgegend wurden gestern 3 Wölfe gesichtet, auf die heute große Streifungen stattfanden.

Mexiko. 23. Dezbr. Um einen Bankkrach zu verhindern, hat Huerta ein Dekret erlassen, worin von gestern an bis zum 1. Januar sämtliche Tage als Feiertage zu gelten haben. Infolgedessen hatte die London- und Mexikobank gestern ihre Tore nicht geöffnet. Der Ansturm des Publikums und die Panik, die hiedurch entstanden, war aber eine so große, daß die Bank sich entschließen mußte, nach­mittags ihre Lokale zu öffnen. In welcher Weise man der Bankkalamität aus dem Wege gehen will, ist noch nicht bekannt, neuerdings heißt es, daß Huerta ernstlich daran denkt, nach Neujahr die Präsidentschaft niederzulegen, um Mexiko vor einem finanziellen Krach zu bewahren.

Cincinnati. Frau I. Amory, eine bekannte Dame der hiesigen Gesellschaft, hat von dem Direktor des irländischen Kunstmuseums ein Porträt von Tizian. Philipp II., gekauft und es dem Kunst­museum der Stadt Cincinnati zum Geschenk gemacht. Die Dame hat für das Bild 400 000 Dollars (über 1600 000 Mk.) bezahlt.

Urkraft der Liede.

Roman von Karl Engelhardt.

63s (Nachdruck verboten.)

Und schweigend beuge ich mich vor ihr. Ja, ich liebe ich liebe Maja. Nur sie, sie allein. Und frei und jung und frisch. Ich verehre sie!" Plötzlich schlug seine Stimme zu tiefer Trostlosigkeit um.Und jetzt muß ich mir sagen, daß sie da drüben liegt und mit dem Tode ringt. Durch meine Schuld!"

Karla Karla wenn sie mir sterben würde! Schon der Gedanke daran könnte mich zum Wahnsinn bringen."

.Sie wird leben," sagte Karla sicher.Ich habe so felsenfestes Vertrauen. Sie kann jetzt nicht sterben. Mir ist es, als fühle ich das Walten des Schicksales und sähe seine Fäden."

Gebe es der Himmel, daß Sie recht behalten. Wie will ich ihre Liebe vergelten! Wie sehr! Wie weit es nur in die Kräfte eines Menschen gegeben ist."

Und jetzt will ich Ihnen auch etwas sagen, was ich bisher verschwieg. Damit Sie einsehen, wie Recht Sie ckaoen. wenn Sie jeden bereuenden oder be­dauernden Gedanken über die Vergangenheit hinter sich werfen. Ich habe einen neuen Beweis, der Ihnen jeden Zweckel nehmen muß.

Jenes Weib hat Sie betrogen. Ich Hobe kürzlich gesagt, Ihre erste Frau wäre es überhaupt nicht wert, daß Sie sich Ihr Glück durch sie zerstören lassen."

Sie haben einen Beweis?" rief er im höchsten Erstaunen.

Ja. Sie erinnern sich vielleicht, daß wir vor einiger Zeit einem Herrn begegneten, der mich grüßte. Einen Gerichtsassessor aus Berlin. Ich traf ihn vor einiger Zeit am Strande und er sprach mich an. Im Laufe der Unterhaltung erwähnte ich auch einmal Ihren Namen. Interessiert fragte er:Throndhjem? Ist der Herr Mater?"

Jawohl," erwiderte ich.Kennen Sie ihn denn?"

War er früher in München?" fragte er lebhaft weiter.

Auch das. Aber sagen Sie mir doch-!"

Er ist verheiratet? Zum zweiten Male?"

Woher wissen Sie denn das?" fragte ich er­staunt.

Ich kannte seine erste Frau," sagte er zögernd.

Selbstverständlich witterte ich dahinter etwas und war riesig gespannt. Ich fragte weiter. Und endlich gestand er cs mir. Er hatte Ihre Frau auf einem Maskenbälle kennen gelernt und ein Verhältnis mit ihr angefangen. Sie nannte sich Fräulein Throndhjem. Und von ihm war jener Brief, der in Ihre Hände fiel. In dem er definitiv- mit ihr brach und ihr seine Gründe noch einmal klar legte. Denn er war einmal

von einem Bekannten mit ihr gesehen worden-

so frech und offen trieb sie es und der sagte ihm, sie sei verheiratet. Daraufhin schrieb er ihr ab. Sic aber wollte davon nichts wissen. Sie schrieb ihm Brief aus Brief. Und endlich einen letzten voll äußerster

Verzweiflung. Sie könne ohne ihn nicht mehr leben. Und wenn er sie aufgäbe, würde sie die nächste beste Gelegenheit ergreifen und sich das Leben nehmen. Darauf schrieb er ihr jenen Brief. Sie aber brachte ihren Entschluß zur Ausführung, nachdem sie den Brief gelesen hatte. Denn Sie ließen ihr denselben doch lesen?"

Throndhjem nickte nur. Mit wachsendem Er­staunen hatte er ihr zugehört. Und dann hatte ihn fast etwas Freudiges, Erlösendes durchzogen. Tann ging er auf Karla zu und reichte ihr ernst die Hand.

Ich danke Ihnen, daß Sie mir das gesagt haben."

Nun aber der Zukunft," erwiderte sie,und hoffentlich einer glücklichen Zukunft!"

Daß mir der Himmel Maja gesund machen möge! Aber noch ein Wort für Sie, Karla: lieben Sie Walter wirklich nicht?"

Sie zuckte zusammen. Dann sagte sie in ge­preßtem Tone:

Ich kann nicht sein Weib werden."

Tatsächlich nicht?"

Sie schüttelte langsam den Kopf. Da schwieg auch Erich.

Und dann wandte sich Karla und ging hinüber in das Krankenzimmer. Erich folgte ihr-!