und trotz sachlicher Schärfe einen geordneten Verlauf nahm; wiederholte persönliche Anspielungen auf die Bksitzverhällnisse des Kandidaten wären allerdings besser unterblieben. Die liberalen Parteien können mit dem Ergebnis der Versammlung wohl zufrieden sein; ihr Kandidat hat durch seine ganze, auch dem Gegner Hochachtung abnötigende Art den besten Eindruck gemacht, was auch von einem sozialdemo­kratischen Redner ausdrücklich anerkannt wurde.

** Feldrennach-Pfinzweiler, 11. Novbr. Letzten Freitag abend besuchte uns das Wahlkomitee Commercll. Die Wahlversammlung in Pfinz­weiler war sehr gut, diejenige in Feldrennach gut besucht. In beiden entwickelte Hr. Commerell in feiner, klarer und eindrucksvoller Weise sein Wahl­programm. Zu unserer Bahnfrage nahm er eine offene Stellung ein, solche mit aller Kraft zu unter­stützen versprechend. Alles war sich darüber einig, daß die bürgerlichen Mittelparteien in der Person des Hrn. Commerell eine in jeder Beziehung ein­wandfreie Kandidatur haben. Möge daher der in j beiden Versammlungen aus ihrer Mitte vernommene Appell, am 16. ds. Mts. recht zahlreich für Hrn. Commerell abzustimmen, seine Wirkung nicht verfehlen.

Neuenbürg, 11. Novbr.Heiterer Abend", so lautete der gestern Sonntag abend im Saale des Gasthofs zumBären" von Hrn. Albert Sch ickle von Pforzheim veranstaltete Lautenlieder- und Rezitationsabend. Hr. Schickte erfreute sich einer schönen Anzahl von Zuhörern, und seine zur Laute dargebrachten Lieder der fahrenden Gesellen, sowie von der alten Liebe, Soldatenlieder, heitere L-chnurren, und lustige Schelmenlieder wurden mit reichem Bei­fall ausgenommen. Fanden schon seine Liedervor­träge begeisterte Aufnahme, so war dies von seinen eingestreuten Dichtungen von Böris v. Münchhausen, Th. Resa, Rideamus rc. mehr der Fall, womit er manch lachende Beifallsstürme erntete. Ein heiterer Abend war es, den Hr. Schickte seinen Zuhörern darbrachte und womit er auch volles Lob erzielte.

Pforzheim. 8. Novbr. Der 3*/e Jahre alte Knabe des Kaufmanns Knödler glitt auf einer Treppe aus und stürzte vier Stufen hoch herunter. Dabei erlitt das Kind eine Gehirnerschütterung, der es noch in der Nacht erlag.

Neuenbürg, 9. November. Auf den heutigen Schweinemarkt waren 7 Paar Milchschweine zu­geführt, welche zum Preise von 3038 pro Paar verkauft wurden.

Zur Landtagswahl

am Samstag den 16. November ds. Js.

Nur noch wenige Tage und das Württemberger Volk ist dazu berufen, aus seinen 64 Oberamts­bezirken die Abgeordneten zum Landtag zu wählen. In unserem Bezirk muß es sich entscheiden, ob der vor 6 Jahren gewählte sozialdemokratische Abge­ordnete, ein geborener Norddeutscher, der als ein von der sozialdemokratischen Partei angestellter Sekretär seinen Wohnsitz in Stuttgart hat. zu wählen ist, oder ob wir wieder einen Bezirksangehörigen als den Vertreter unserer Bezirksinteressen in den Halbmondsaal wählen wollen. Man sollte meinen, diese Wahl dürfte Niemand schwer fallen, besonders diesmal, da es sich um einen Kandidaten handelt, der als ein überall im Bezirk geschätzter Geschäfts­mann und Arbeitgeber den Vorzug verdient, zumal dieser ein in jeder Beziehung geeigneter Mann ist, den Bezirk richtig zu vertreten. Es ist dies Säg­werkbesitzer Commerell von der Firma Krauth u. Co. in Rotenbach-Höfen, der, dem Verlangen seiner Mitbürger nachgebend, eine Kandidatur für diese Wahl angenommen hat. Hr. Commerell ist, wie nun hinreichend und überall bekannt sein muß, der gemeinsame Kandidat der Nationalliberalen (Deutschen) und der Fortschritt!. Volkspartei, also der liberalen, bürgerlichen Mittelparteien. Er hat in den letzten 14 Tagen die meisten Orte des Be­zirks besucht und überall in offener, ehrlicher Weise zu den Wählern gesprochen; er wird diese Besuche im Laufe dieser Woche fortsetzen und zum Abschluß bringen. Ec spricht in schlichter, freier Art und hat damit überall Anklang gefunden. Hr. Commerell hat bei seinen Ausführungen hauptsächlich die Ver­hältnisse und Bedürfnisse auf dem Lande, der kleinen Gemeinden gegenüber den großen, stärkeren, im Auge, so bezüglich der Uebernahme der Schullasten auf den Staat, der neuen Wegordnung, die für die kleineren Gemeinden Besserungen und Entlastungen bringen müsse, Milderung der Härten bei den Kataster­steuern, Weg-, Straßen- und Bahnbauten. Der Durchführung der im letzten Landtag beschlossenen Vereinfachung der Staatsverwaltung an dem Etat würde Kandidat Commerell jeweils die größte Auf­

merksamkeit zuwenden. Wo gespart werden kann, ohne daß staatliche Aufgaben notleiden, da muß dies geschehen. Gleich überzeugend klingt es, wenn Commerell versichert, daß er die Interessen unseres Bezirks, wo dies immer nottut, nach Kräften zu vertreten, sich angelegen sein lasse; gleich vertrauen­erweckend. wenn er verspricht, daß er den einzelnen Gemeinden und den einzelnen Wählern ohne Unter­schied der Parteirichtung in ihren Anliegen mit Rat und Tat zur Seite stehen wolle. Mit eindrucks­vollen Worten mißbilligt er das Verhalten der extremen Parteien, welche sich an bestimmte Wähler­kreise wenden und ihre Interessen zu fördern ver­sprechen. Hierbei werden die extremsten Forderungen gestellt und ohne Rücksicht aus das Wohl der Ge­samtheit die Instinkte der Massen aufgepütscht; es wird das Klassenbewußtsein in einer Weife hervor­gehoben. die nur zu leicht zum Klassenhaß führen kann. Dieser Erscheinung gegenüber hat das liberale Bürgertum alle Ursache, die kleinen Trennungspunkte zu vergessen und sich darauf zu besinnen, was es eiuigt. Das ist nicht eine Verschärfung, sondern ein billiger Ausgleich dieser Gegensätze, nicht eine scharfe Bekämpfung der einzelnen Berufsstände und Berufsklaffen, sondern ei» gemeinsames Zusammen­wirken Aller zum Wähle des Vaterlandes.

Das Programm der Nationallib. (Deutschen) Partei, das diesen Grundsatz als einen der wichtigsten enthält, ist auch das Programm unseres Kandidaten Commerell. Wer wollte sich dem Eindruck ver­schließen, wenn er wörtlich die Erklärung gibt:Ich stehe, meiner innersten Ueberzeugung entsprechend, treu zu Kaiser und Reich, zu König und Vaterland; ich bin auch davon überzeugt, daß das Deutsche Reich, das durch seinen großen industriellen Auf­schwung so viele Neider in der Welt hat. gezwungen ist, zuWasserundzuLand stark und schlag­fertig gerüstet zu sein. Die Ausgaben, die dafür zu machen sind, sind keineswegs verloren, sie sind mehr oder weniger eine Versicherungsprämie, die wir für den Frieden zu bezahlen haben, und die Erhaltung dieses Friedens ist es, was wir in erster Linie notwendig haben, wenn unsere gewaltigen volkswirtschaftlichen Fortschritte nicht gehemmt und gefährdet sein sollen. Auch bedarf ein Land von der Größe und Bedeutung Deutschlands der Kolonien, um Absatzgebiete für unsere gewerblichen Erzeugnisse zu sichern und um in Bezug auf Gewinnung der notwendigen Rohmaterialien unser Gewerbe unab­hängig vom Ausland zu machen. An unserem Wirt­schaftssystem, an dem Schutz der nationalen Arbeit durch Zölle soll nicht gerüttelt werden. Es liegt das gleichmäßig im Interesse der Industrie wie im Interesse der Landwirtschaft. Alles in Allem ge­nommen hat der Verlauf der bisherigen Versammlungen, die unverkennbar von der Stimmung des Vertrauens zu der Person des Hrn. Commerell getragen waren, die Zuversicht kräftig belebt, daß es gelingen werde, die Wahl unseres Mitbürgers, des Bezirks­angehörigen Commerell siegreich durchzusetzen.

Zur Landtagswahl.

(Eingesandt.) Kürzlich sammelt eine Frau in Neuenbürg im Auftrag des sozialdemokratischen Wahlkomiteesfreiwillige" Beiträge zum sozialdemo­kratischen Wahlfonds ein. Sie besuchte auch hiesige Geschäftsleute, von denen jedermann weiß, daß sie nicht zur Sozialdemokratie gehören. Aus Furcht vor geschäftlichen Schädigungen durch Boykott geben diese einen Beitrag, um sich damit vom Boykott los­zukaufen. Wenn dieser auch nicht förmlich angedroht wird, so weiß doch jedes Kind, was es mit diesen freiwilligen" Beiträgen auf sich hat. Es ist auch bekannt, daß einige Herrn Genossen sich schon da­rüber lustig gemacht haben. Als vor ^/t Jahren nach der Reichslagswahl imEnztäler" ein öffent­licher Aufruf um Beiträge zu den Wahlunkosten erschien, konnten sich die Herrn Genossen nicht genug tun, ihre Bemerkungen darüber zu machen. Es ist das wieder ein Beispiel unter vielen andern, daß die Sozialdemokratie vor lauter Selbstgerechtigkeit ihre Fehler nicht sieht, sondern immer nur nach andern schielt und daß sie hier wie sonst immer zweierlei Moral in Anwendung bringt.

Der Mangel. Arbeiterverein und die Wahlen.

Mit dem allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht zum württemb Landtag gilt die Stimme des Arbeiters genau so viel wie die des reichen Fabrikanten. Diese Gleichberechtigung in der Miiwirkung an dem weiteren Ausbau der Landes­gesetzgebung legt allen Wählern, gleichviel welchem Stand sie angehöcen, die ernste Pflicht auf. ge­wissenhaft sich selbst zu prüfen, bevor sie am Wahltag die Stimmzettel in die Urne legen. Wohl steht

dem Wahlrecht keine Wahlpflicht gegenüber, indes kann es keinem von der Bedeutung des Wahlrechts überzeugten Mann auch nur einen Augenblick zweifel­haft sein, daß er mit der Ausübung des Wahlrechts eine hohe moralische Pflicht erfüllt. Auch ohne gesetzlichen Zwang ist jeder Wahlberechtigte verpflichtet, an der Wahl teilzunehmen und dadurch mit zu ent­scheiden, wie das Volk verwaltet und regiert und in seiner weiteren Entwicklung gestärkt und empor- gebrachl werden soll.

Durch dieses Wahlrecht ist das richtige Prinzip zur Anerkennung gekommen, daß jeder Bürger, der bereit sein muß. Gut und Blut für die Ehre und Größe des Vaterlandes in die Schanzen zu schlagen, dafür auch über das Geschick des Vaterlandes, durch die Wahl seiner Vertreter zum höchsten Rate der Nation, vollkommen gleichberechtigt mit entscheidet. Dazu ist allerdings nötig, daß jeder Wähler, mag er nun am Schraubstock oder an der Hobelbank schaffen, am Schreibtisch oder auf dem Schusterschemel sitzen, sich rechtzeitig und gründlich darüber klar wird, wem er am Wahltag seine Stimme geben will. Ec muß sich deshalb schon vorher mit den Fragen der Zeit vertraut machen, die inner- und außerpolitifchen Verhältnisse studieren, die Programme der Parteien ruhig miteinander vergleichen, und dann womöglich zu einem selbständigen Urteil kommen.

Der Wähler muß bei der Auswahl seines Kan­didaten stets den rechten Mittelweg gehen, er muß dem Redner, der sich in radikalen Phrasen nur so überpurzelt, aus dem Weg gehen, muß sich aber auch hüten vor den Leisetretern und Duckmäusern, die auf eine an sie gestellte Anfrage immer mit wenn" undaber" amwoUen.

In der Erkenntnis dieser Bedeutung sind die Evang. Arbeitervereine immer bestrebt, Männer zu bekommen und Männer zu erziehen, die politisch über die Stufe des bloßen Nachschwätzens hinaus­gekommen sind. Solche Männer haben dann auch ein Recht, vor die andern Stände hinzutreten und Gleichberechtigung zu verlangen, daß man sie gellen läßt in allem, was die Allgemeinheit betrifft.

Daß die Evang. Arbeitervereine in Wahlzeiten nicht schon öfters hervorgetreten sind, liegt in ihrer Eigenart, die darin besteht, daß sich in ihnen Arbeiter, Handwerker, Beamte, Kaufleute und Freunde der Sozialresorm zusammenfinden. Das hemmt ohne Zweifel in vielen Fällen eine durchschlagende Aktionskraft, nötigt zu mancherlei Kompromissen, macht aber auch gerade diese Vereine ganz besonders ge­eignet zu Pflegstätlen sozialer Gesinnungsgemeinschaft. Hier haben die verschiedensten Schattierungen Ge­legenheit, sich gegenseitig auszusprechen und, soweit möglich, auch auszugleichen.

Wenn wir uns diesmal an den Landtags- und künftig wohl auch an den Gemeindewahlen beteiligen, so geschieht das aus verschiedenen Gründen. Bei allen Wahlen herrscht in der Arbeiterschaft eine ge­wisse Aufregung, eine Aufregung, die die Leute viel aufnahmefähiger macht für die Ideen einer Partei oder einer Organisation, als es in gewöhnlichen Zeilen der Fall ist. Die Wahlbewegung wird in allen Werkstätten, in allen Versammlungen besprochen, und wer sich deshalb bemerkbar machen will, muß im Wahlkampf der Arbeiterschaft seine Ideen klar­legen und kann von dort erwarten, daß sie weiter werbende Wirkung ausüben. Gewinnt man dadurch noch neue Mitglieder, so ist das ein Vorteil, der die aufgewendele Mühe und Arbeit wert ist, selbst wenn unser" Kandidat nicht durchgeht. Ein werterer Grund ist die in der Wahl erzielte Schulung der Mitglieder. Nur die Uebung mit den Waffen gibt eine Fertigkeit in der Handhabung derselben, und als eine solche friedliche Uebung sehen wir die Wahl­kämpfe an. Ein Verein, der seine Mitglieder nur zur Zahlung geringer Beiträge in Anspruch nimmt, wird auf keine große Opferwilligkeit rechnen können, dagegen dort, wo an die geistige und materielle Kraft der Mitglieder große Anforderungen gestellt werden, da wird in diese Mitglieder allmählich ein Kampfeifer hineinziehen, und sie werden dann, wenns not tut, um so mehr Opfer leisten als sie daran gewöhnt sind. Der dritte, aber ja nicht letzte Grund ist der. weil wir der Ansicht sind, daß die mehr als 100 Mitglieder des Evang. Arbeitervereins Neuen­bürg in Verbindung mit den übrigen Mitgliedern des Gauoerbandes eine sicher nicht zu unterschätzende Anzahl Simmen zu vergeben haben, die unter Um­ständen imstande sind, das Zünglein an der Wage zu bilden. Und wenn diesmal Führer und Mit­glieder bestrebt sind, immer mehr zu erringen, dann wird sich, das sind wir überzeugt, schon in verhält­nismäßig kurzer Zeit ein Eisstärken des inneren Vereinsgeisles zeigen und das muß dann auch auf die äußeren Effolge fördernd einwirken. (IV. 61.)