Zweites

Zweites

Blatt.

Der «nztäler

Blatt.

^ 105.

Neuenbürg, Mittwoch den 3. Zuli 1912.

70. Jahrgang.

RunSschau.

In Deutschland und im Ausland wird seit kurzem für die Einführung einerSommerzeit" Propaganda gemacht. Es handelt sich bekanntlich darum, daß an einem bestimmten Tage im April sämtliche Uhren um eine Stunde vorgestellt und im September wieder eine Stunde nachgestellt werden. In den zwischen beiden Terminen liegenden Monaten kann durch diese einstündige Früherlegung sämtlicher Termine (Ladenschluß, Ankunft und Abfahrt der Züge usw.) eine bessere Ausnutzung der Tageslicht­stunden und eine Ersparung an künstlicher Beleucht­ung herbeigeführt werden. Im englischen Unterhause ist ein entsprechender Gesetzentwurf bereits eingebracht worden. Schwierigkeiten oder Unbequemlichkeiten können sich nur im internationalen Verkehr ergeben. Auch die Aeltesten der Kaufmannschaft von Berlin befürworteten jüngst die Einführung der Sommerzeit und eine internationale Verständigung darüber.

In der Affäre des in Berlin unter dringendem Spionageverdacht verhafteten russischen Haupt­manns Kostowitsch scheinen sich die Verdachts­momente gegen den Verhafteten zu häufen, namentlich wird bekannt, daß sich seine Erkundigungen insbe­sondere auf die Zündungsart der deutschen Maschinen­gewehre richteten. Unter solchen Umständen ist allerdings an eine Freilassung des Hauptmanns Kostowitsch schwerlich noch zu denken, es heißt denn auch bestimmt, daß er nächstens nach Leipzig behufs seiner Aburteilung durch das Reichsgericht übergeführt werden solle. In Verbindung mit der Affäre Kostowitsch gelten Verhaftungen von Angestellten ver­schiedener Artillerie-Depots in Deutschland als un­mittelbar bevorstehend.

Die seit langem andauernde lebhafte Aufwärts- bewegung der Kupferpreise hat an der Lon­doner Börse einen plötzlichen Abbruch erfahren. Der Preis ist vom Freitag zum Montag um ca. 45 ^ pro Tonne gesunken. In voriger Woche hatten die Kupferpreise mit ca. 165 ^ pro 100 Kilogramm frei deutscher Küste für elektrisch gereinigte Ware eine Höhe erreicht, die an die schlimmsten Zeiten aus der Hochkonjunktur der Jahre 1905 bis 1907 er­innert. Vor einem Jahr kostete das Kupfer rund 40 o/o weniger.

Leipzig, 1. Juli. Heute wird der große Vor­ort Leutzsch und am 1. Januar 1913 die noch größere Gemeinde Schönefeld nach Leipzig ein- verleibt werden. Schon mit der Einverleibung von Leutzsch wird Leipzig die drittgrößte Stadt im Reiche werden; München, das hinter Berlin und Hamburg lange Zeit den dritten Platz behaup­tete, wird überflügelt. Die Reihenfolge der Groß­städte mit mehr als 300 000 Einwohner ist dann folgende: Berlin, Hamburg, Leipzig, München, Dresden, Köln, Breslau, Frankfurt a. M., Düffel­dorf, Nürnberg, Charlottenburg und möglicher­weise hat auch Chemnitz das dritte Hunderttausend schon überschritten.

Breslau, 2. Juli. Der kürzlich verstorbene Louis Burgfeld hat gegen eine Million Mark mit der Bestimmung hinterlaffen, davon die Hälfte zur Errichtung eines Heims für bedürftige jüdische Lehrerinnen und den Rest , für andere gemeinnützige Zwecke zu verwenden.

Breslau, 1. Juli. Heute nacht nach 12 Uhr fuhr bei Schmiedefeld ein Personenzug in einen voll­besetzten Kremser hinein. Sieben Personen wurden getötet, elf verletzt. Ein Hilfszug aus Breslau mit Aerzten und Krankenträgern war bald zur Stelle.

Allen stein, 2. Juli. Die ganze Familie eines Schuhmachers in Goldap erkrankte an Fleischvergift­ung. Ein 16jähriger Sohn ist bereits gestorben, ein zweites Kind liegt hoffnungslos darnieder.

Jena, 30. Juni. Gestern nacht hat sich bei Jena auf der Saale eine furchtbare Szene abgespielt, wobei 4 Menschen ihr Leben einbüßten. Zwei Geisteskranke, die aus der Irrenanstalt Jena entwichen waren, stürzten sich gegen 11 Uhr nachts in die Saale, um sich zu ertränken. Der Kaufmann Georg Hahn, der dort mit seiner Braut in einem Boot vorbeisuhr, versuchte die mit den Wellen Ringenden

zu retten. Dabei schlug das Boot um und alle vier Personen ertranken.

Von der hohenzollerischen Grenze, 1. Juli. In der vergangenen Nacht wurde in Hechingen kurz vor 11 Uhr ein starker Erdstoß verspürt, der von unterirdischem Rollen begleitet war.

London, 2. Juli. Sehr peinlich macht sich hier der Ausbruch der Klauenseuche unter dem Rindvieh fühlbar. Die Krankheit rührt von einge­führtem Vieh aus Irland her. Es ist zu befürchten, daß die Fleischpreise enorm steigen werden, die Preise für gefrorenes Fleisch sind bereits gestiegen.

London, 2. Juli. Aus Winipeg in Kanada wird gemeldet: Regina, die Hauptstadt der Provinz Saskatchewan, wurde vergangene Nacht durch einen Tornado mehr als zur Hälfte zerstört. 200 Men­schen wurden gelötet und Hunderte schwer verwundet. Der Materialschaden soll über 20 Mil­lionen Mark betragen. Es ist unmöglich, bis jetzt die genaue Anzahl der Toten festzustellen. Eine große Anzahl ist bereits aus den zerstörten Häusern geborgen worden. Der Tornado kam von Süden mit großer Plötzlichkeit über das Zentrum der Stadt, nachdem kurz vor 6 Uhr eine große Dunkelheit ein­getreten war. In 15 Minuten hatte der Sturm seinen Höhepunkt erreicht, indem er in einer Breite von 2000 Fuß direkt durch das beste Viertel der Stadt ging. Auf dem Weg des Sturmes lagen die neuesten Wohnhäuser, drei Kirchen und vier öffent­liche Gebäude und die Telephonzentrale. 600 Fa­milien sind obdachlos, und besonders leiden die Kranken in den zwei Krankenhäusern, die ebenfalls zerstört wurden.

Vor etwa 14 Tagen fand man in einer Scheune unweit Merseburg die furchtbar verstümmelte Leiche eines 40 Jahre alten Mannes. Die Nach­forschungen führten zur Verhaftung von vier pol­nischen Arbeitern, die jetzt zugeben, sie hätten den Mann auf der Straße überfallen, mißhandelt und ihn dann in der Scheune versteckt. Hier haben sie ihn drei Tage und drei Nächte auf entsetzliche, nicht wiederzugebende Weise gefoltert, bis er endlich den Geist aufgab. An jedem der drei Tage kamen die Polen gegen Abend, wenn sie mit ihrer Arbeit fertig waren, in die Scheune, wo der Mann geknebelt und gefesselt lag und setzten ihre Folterungen fort. Vor­übergehende hatten verschiedentlich aus der Scheune Stöhnen vernommen, ohne ihm jedoch ein Bedeutung beizulegen.

Bei Andoain (San Sebastian, Spanien) stießen zweiStraßenbahnwagenzusammen; 23Personen wurden mehr oder weniger schwer verletzt.

Württemberg.

Die diesjährigen Manöver des 13. Armeekorps. Ueber die diesjährigen größeren Truppenübungen des 13. (kgl. württ.) Armeekorps erfährt man folgendes: Das Regimentsexerzieren findet nach dem 15. Juli statt und zwar auf dem Truppenübungsplatz Münsingen. Das Brigade­exerzieren findet auf dem Truppenübungsplatz Münsingen statt. Das Exerzieren der 26. Feld­artilleriebrigade (Feldartillerte-Regiment 29 und 65) findet vom 2. bis 5. September im Gelände bei Heidenheim, das der 27. Feldartilleriebrigade (Feld­artillerie-Regimenter 13 und 49) vom 3.-6. Sept. im Gelände nördlich Blaubeuren statt. Die Brigade­manöver, die bei sämtlichen Truppen 3 Tage dauern, finden wie folgt statt: 51. Infanterie-Bri­gade vom 7.10. September zwischen Ellwangen und Neresheim, 52. Infanterie-Brigade vom 7. bis 10. Septbr. westlich Aalen, 53. Infanterie Brigade vom 9.11. September zwischen Münsingen und Göppingen, 54. Infanterie-Brigade vom 9. bis 11. September zwischen Langenau und Geislingen. Die Manöver der 26. Division finden vom 12. bis 16. September zwischen Adelwannsfelden und Neres­heim, die der 27. Division vom 13.17. Sept. zwischen UlmGeislingenUrach statt. Anschließend daran findet das Korpsmanöver in der Zeit vom 19.21. September in dem Raume UlmNieder- stotzingenAalenGmündGöppingen statt. Der Stab des Generalkommandos wird vom 18. bis 21. September ins Manövergelände verlegt. Die Rück­

kehr der Stäbe Fußtruppen in die Garnisonen erfolgt noch am 21. September mit der Eisenbahn; die be­rittenen Truppen haben Fußmärsche.

Stuttgart, 2. Juli. Heute ist mit dem ersten Spatenstich zum Kanalbau der Stuttgarter Klär­anlagen begonnen worden und zwar an der Ueber- brückung des alten Rosensteintunnels, oberhalb des Eingangs in die Wilhelm«. Ziemlich viele Bäume fallen dem linken Ufer des Neckarkanals entlang der Axt zum Opfer, viele liegen schon am Boden. Der Kläranlagekanal führt am linken Neckarufer nach Hofen und Münster.

Stuttgart, 2. Juli. Nicht weniger als 1000 Mark in Gestalt von 10 einzelnen Hundertmark­scheinen sind gestern einem Mann beim Absteigen von der Straßenbahn aus der Tasche gestohlen worden. Der oder die Diebe entkamen unerkannt.

Obertürkheim, 1. Juli. Der Gedanke einer Eingemeindung von Obertürkheim wird zur Zeit lebhaft erörtert. Bon den Anhängern des Gedankens wird teils eine Eingemeindung nach Eßlingen, teils eine solche nach Stuttgart befürwortet.

Ulm a. D., 1. Juli. In Anwesenheit einer zahlreichen Festversammlung, darunter Minister Dr. v. Pischek, Graf Rechberg, Vizepräsident Dr. v. Kiene, Baudirektor v. Leib br and-Stuttgart und Regierungspräsident Praun-Augsburg wurde heute die neue Donaubrücke eingeweiht. Zu Beginn der Feier sangen die vereinigten Ulmer Sänger­vereine BeethovensDie Himmel rühmen". Von der inmitten der Brücke errichteten Rednertribüne aus hielt Oberbürgermeister v. Wagner hierauf die Weiherede. Er erinnerte daran, daß vor nunmehr 80 Jahren die erste steinerne Brücke zwischen Ulm und Neu-Ulm errichtet worden sei. Die nunmehr vollendete Brücke sei mit Unterstützung der Regier­ungen Bayerns und Württembergs und der Stadt Neu-Ulm von der Stadt Ulm gebaut worden. Der Oberbürgermeister gab der zuversichtlichen Hoffnung Ausdruck, daß die Zeit nicht mehr fern sein werde, zu der Dampfschiffe den Verkehr der Donauschiffahrt bis in die fernsten Länder tragen. Nach einer wei­teren Rede des Neu-Ulmer Stadtvorstandes, Hofrat Kollmann, überbrachte Minister Dr. v. Pischek den beiden Städten die Glückwünsche des Königs und der württembergischen Regierung. Der Minister übergab die neue Brücke dem Verkehr. Die Glück­wünsche der bayerischen Regierung brachte Regier­ungspräsident Praun-Augsburg zum Ausdruck. Mit dem altniederländischen Dankgebet wurde die Feier beschlossen.

Anläßlich des Kriegerbundestages am 16. Juni in Göppingen fand eine Landesversammlung ehe­maliger Angehöriger des in Straßburg i. E. in Garnison stehenden 8. Württ. Jnf.-Reg. Nr. 26 (Großherzog Friedrich von Baden) statt. Das Re­giment feiert im Frühjahr 1916 sein 200jähriges Jubiläum, weshalb sich an vielen Orten des Landes, wo alte Achter ansäßig sind, Vereinigungen gebildet haben mit dem Zweck, die nötigen Mittel für eine mehrtägige Reise nach Straßburg und den Besuch der Schlachtfelder von Wörth. Metz und Champigny, sowie der früheren Garnison Schlettstadt rc. im Wege eines Sparsystems anzusammeln.

Horb, 1. Juli. Nachdem die Heuernte bis jetzt ohne Unfall verlaufen war, wird aus Lützenhardt hiesigen Oberamts gemeldet, daß dort ein Arbeiter beim Heuen vom vollbeladenen Wagen eine Gabel herabwarf, die die unten stehende Ehefrau des Gg. Rupp traf und schwer verletzte. Die Frau hatte noch die Geistesgegenwart und Kraft, die Gabel aus der tiefen Wunde herauszuziehen. Dann brach sie be- bewußtlos zusammen und mußte nach Hause ver­bracht werden. Aerztliche Hilfe war bald zur Stelle.

Buchau, 1. Juli. Zu der Mitteilung über die Einstein'sche Konkurssache wird dem Staatsanzeiger von zuständiger Stelle mitgeteilt, daß kein gemeinde- rätliches Vermögenszeugnis vorliege und daß von Einstein weder der Gemeinderat noch das Stadt­schultheißenamt um Ausstellung eines solchen ange­gangen worden seien.

Biber ach, 1. Juli. Als der Schutzmann Hölzer in Doren einen Bettler verhaften wollte, stieß ihm dieser mehrmals ein Messer in die Brust. Der