Kammer sich mit der Auffassung der Denkschrift, daß das Bedürfnis einer Neuregelung der finanziellen Beziehungen des Staates und der Kirche sich nahe­legt, einverstanden erklärt und eine Beschleunigung der Ausarbeitung der Denkschrift über die Ausscheid­ung des Kirchenguts verlangt. Dr. Eisele (F.V.) stellte einen Antrag auf Verhandlungen mit den kirchlichen Organen über die Abschaffung des Insti­tuts der Generalsuperintendenten. Die Abgg. Wolfs (B.K.), Gröber (Z) und Häffner (D.P.) sprachen sich gegen die Anträge aus. Auch der Kultminister äußerte sich gegen den Antrag Eisele und erklärte ferner, daß es zu begrüßen sei, wenn die finanziellen Beziehungen zwischen Staat und Kirche auf eine klare Grundlage gestellt würden. Die Denkschrift sei schon sehr weit gediehen. Eine Trennung von Kirche nnd Staat dürfe damit nicht eingeleitet werden. Nachdem Haußmann wieder­holt erklärt hatte, daß er nur die finanzielle Scheid­ung verlangt habe, wurde der Antrag Eisele mit 44 gegen 30 Stimmen abgelehnt und die Resolution Haußmann mit 41 gegen 33 Stimmen angenommen. Es folgte das Departement der Finanzen und zu dem Kap.Organisation der Dominalverwaltung" wurden nach langer Debatte folgende Anträge an­genommen: 1) ein Ausschußantrag,die Regierung um eingehende Prüfung der Frage zu ersuchen, ob Vereinfachungen und Ersparnisse sich durch die Ver­einigung des gesamten staatlichen Hochbauwesens in einem Departement erzielen lassen", 3) ein Antrag v. Gauß und Gen.:Staatliche Bauten in größerem Umfang als bisher durch Privatarchitekten entwerfen und ausführen zu lassen", 3) ein Ausschußantrag mit einem Zusatzantrag Haußmann:Die Aufhebung der Domänendirektionen als Kollegium vorzusehen und eine Erweiterung der Zuständigkeit der Kameral­und Bezirksbauämter durchzuführen". Beim Kapitel Organisation der Forstoerwaltung" erklärte sich das Haus nach unwesentlicher Aussprache mit den An­trägen der Kommission einverstanden, die Regierung um Erwägungen zu ersuchen: 1) ob nicht eine weitere Einschränkung der Zahl der Forstinspektoren möglich ist, und 2) ob nicht eine Anzahl von 1012 Forst­ämtern durch Beamte in der Dienststellung von Forstamtmännern verwaltet werden kann. Darauf vertagte sich das Haus auf Dienstag nachm. 3 Uhr.

Pfingstverkehr auf der Eisenbahn. In der Zeit vom Pfingst-Samstag bis Pfingst-Dienstag sind auf den Stationen der württ. Staatseisenbahnen 056 654 Fahrkarten ausgegeben worden mit einer Gesamteinnahme von 791 947 Mk. Gegenüber dem Vorjahr betrug die Zahl der ausgegebenen Fahrkarten weniger 73137 Stück und der Erlös hieraus weniger 35 667 Mk. Daran ist das schlechte Wetter vom Pfingst-Samstag und der regendrohende Himmel vom Pfingst-Sonntag schuld.

Stuttgart, 8. Juni. Die Landesver­sammlung für Fremdenverkehr wird nun­mehr nur noch wenige Wochen dem Publikum zu­gänglich sein und es ist deshalb ratsam für die, welche die Ausstellung noch nicht oder vielleicht nur flüchtig gesehen haben, ihr einen Besuch zu machen.

Stuttgart, 6. Juni. Nach dem vom Mini­ster des Innern an den König erstatteten Bericht über die Verwaltungsergebniffe der staatlichen Gebäudebrandversicherungs-Anstalt im Jahr 1911 betrug die Summe der verwilligten Brand­entschädigungen 5 735 777 <^ü, somit 1 533 579 mehr als im Jahre 1910. Brandfälle mit Gebäude­schaden sind im letzten Jahre 1384 entstanden, wo­durch 775 Gebäude zerstört und 1771 beschädigt wurden. Damit ist die bisherige Höchstzahl von Brandfällen, nämlich die des Vorjahrs mit 1238, wiederum übertroffen. Die Zahl der vom Brand ergriffenen Gebäude betrug 2546, wovon 775 30 Prozent vollständig zerstört wurden. Brandfälle mit mehr als 25 000 Gebäude- und Zubehörden­schaden kamen im Jahr 1911 vor 33 gegen 19 im Vorjahr. Es betrug die größte Schadensumme im einzelnen Fall 495178 ^l, die zweitgrößte 323 818 Mark, gegen 265 340 ^ bezw. 164 743 im Jahre 1910. Von den 1384 Brandsällen kommen die meisten auf die Bezirke:

Stuttgart Stadt mit. 207 Fällen,

Balingen und Oberndorf mit je . . 34

Ludwigsburg mit.33

Rottweil und Aalen mit je ... 31

Neuenbürg. Ravensburg und Ried­lingen mit je .... 29

die wenigsten auf:

Künzelsau mit. 5

Weinsberg mit. 7

Cannstatt mit. 8

Herrenberg mit. 9

Die Summe der ausbezahlten Brandentschädigungen

beträgt 5 339 632 ^ Die Zahl der versicherten Gebäude beträgt 683 268, sie hat sich gegenüber dem Vorjahr um 3990 erhöht. Der Brandversicherungs­anschlag der versicherten Gebäude betrug 4 333 527 056 Mark; er hat gegenüber dem Vorjahr zugenommen um 171719 315 ^ Der Vermögensüberschuß der Brandversicherungsanstalt hat im Jahr 1911 um 618 873 Mark abgenommen und beträgt nun 5 771 739 ^

Stuttgart, 7. Juni. Der Nestor der Hygie­niker Deutschlands, Professor Or. meä. Gustav Jäger in Stuttgart, einer unserer bedeutendsten Biologen, ein Mann, der seinerzeit um Jahrzehnte in der Erkenntnis vorauseilte und deshalb um die Anerkennung seiner wichtigsten Forschungsergebnisse immer bitter kämpfen mußte, feiert am 23. ds. Mts. im Kreise der Freunde und dankbaren Anhänger seiner Lebenslehren den 80. Geburtstag. Mit der Feier ist die Ueberreichung einer von dem rühmlichst bekannten Stuttgarter Künstler Professor Bausch geschaffenen Marmorbüste verbunden, die ihm von vielen seinem Lebenswerke nahestehenden Mitstreitern und Körperschaften gestiftet wurde. Prof. vr. mecl. Gustav Jägers Forschungen verdankt die Allgemein­heit hauptsächlich die Erkenntnis der biologisch wich­tigen Rolle der Duftstoffe und überhaupt der feinsten, allerdings für die grob mechanische Auf­fassung des Naturganzen dem Werte nach unler- fchätzten (weil schwer zu erforschenden) unsichtbaren Beziehungen der Lebewesen untereinander, Bezieh­ungen, die freilich nur durch treues Beobachten der lebendigen Organismen, nicht durch Seziermeffer, Mikroskop und Retorte in der Studierstube aufzu­decken waren. Auf seinen Erkenntnissen, die in­zwischen praktisch längst Allgemeingut der Gebildeten geworden sind, fußt auch das nach ihm benannte, von den Engländern dann über alle Zonen ver­breitete Wollregime, das heute als eine hervor­ragende Leistung angewandter Naturwissenschaft all­gemein anerkannt wird. Seine mutvollen genialen Verteidigungen und Erklärungen derjenigen Heil­methoden und Tatsachen, die mit den feinsten Spuren materieller Substanz die erstaunlichsten Erfolge zeitigen, wie Homöopathie, tierischer Magnetismus, die Sache der Wünschelrute um die umstrittensten zu nennen haben ihn nicht zum wenigsten zum Typus eines überzeugungstreuen, furchtlos bekennen­den, dabei ganz modernen, weil immer von der lebendigen Natur ausgehenden deutschen Gelehrten gemacht, der unbeirrt seinen Weg als Wahrheits- fucher ging. Gustav Jäger ist stets nicht nur als Naturwissenschafter, sondern auch als Naturwirt­schafter aufgetreten. Er hat aus jeder Erkenntnis sogleich die Schlüffe gezogen, wie sie sich nutzbringend für Staat und Gemeinschaft anwenden ließen. Er ist als Biologe ein Mann der Tat, der alle Wissen­schaft, nur wenn sie auch angewandt wird, allein schätzt. Von seinen Hauptwerken seien genannt: Deutschlands Tierwelt, Seuchenfestigkeit und Kon- stitutionskraft, Entdeckung derSeele", Stoffwirkung in Lebewesen. Die menschliche Arbeitskraft, Tot und lebendig, und das in etwa 500 000 Exemplaren verbreitete, auch in englischer Sprache erschienene BuchGesundheitspflege". Seit 31 Jahren gibt Professor Jäger ein Monatsblatt für Lebenskunde und Gesundheitspflege heraus. Ein besonderer Verein, der seinen Namen trägt, vertritt Gustav Jägers Lehren. In seinen Werken erscheint der jetzt 80jährige als einer der Jüngsten und Frischesten, als ein Wirklichkeitsforscher, von dessen Lehren der hoffnungsvollste Zweig der Naturwissenschaft, die Lebenskunde, noch lange zehren wird.

Stuttgart, 7. Juni. In den heute fortgesetzten Beratungen des Deutschen Militäranwärter­tags nahmen die Vertreter der Landes- und Provinzial­verbände zu den Ausführungen des Bundesvorsitzenden zum Jahresbericht Stellung. Es wurde betont, daß namentlich die Behörden von Württemberg, Baden, Hessen. Bremen, Hamburg, Elsaß-Lothringen und der Thüringischen Staaten es zu vermeiden wissen, daß Militäranwärter in die besseren Stellen gelangen. Es seien zwar Anstellungsgrundsätze vorhanden, aber ihre Auslegung sei derart, daß Besserung erst dann zu erwarten sein werde, wenn der Unteroffizierersatz vollkommen darniederliege. Dann werde es leider zu spät sein, ohne erhebliche Mittel die erforderlichen Kapitulanten zu erhalten. Das Bestreben des Bundes­vorstands werde deshalb nicht erlahmen dürfen. Im übrigen wurde die Tätigkeit des Bundesvorstands allseitig anerkannt. Es wurden neue Wege gezeigt, wie in Zukunft gearbeitet werden solle. Sodann wurden noch allgemeineOrganisationsfragen besprochen Bei den Wahlen wurden die Mitglieder des Ver­bandsvorstandes wiedergewählt und zum Ort der nächsten Tagung im Jahr 1913 Gera bestimmt.

Stuttgart, 7. Juni. Veranlaßt durch die er­freulichen Erfolge, die in anderen deutschen Groß­städten mit der Verteilung von Stecklingspflanzen an Schulkinder gemacht wurden, wird die Vereinigung selbständiger Gärtner Württembergs, wie deren Vorsitzender. Handelsgärtner Karl Hausmann in der letzten Versammlung der Vereinigung mitteilte, in den nächsten Tagen etwa 4000 Pflanzen an die Schülerinnen der oberen Mädchenklassen der Volks-und Mittelschulen Groß-Stuttgarts zur Förderung des Gartenbaus verteilen lassen.

Stuttgart, 6. Juni. Nachdem sich vor einem Monat aus den bisher der Ortsgruppe Stuttgart des Deutschen Wehrvereins angegliederten Ortsgruppen Württembergs (Gmünd, Heidenheim, Heilbronn, Ludwigsburg. Nagold. Riedlingen, Schroz- berg, Ulm) ein Landesverband Württemberg des Deutschen Wehrvereins gebildet hat, dessen Vor­sitz Excellenz Generalleutnant Frhr. v. Soden über­nommen hat, soll nunmehr der Verein über ganz Württemberg verbreitet werden. Der Ausschuß ist daher bemüht, zunächst für alle größeren Städte oder wenigstens für die Oberämter Persönlichkeiten zu finden, die neue Orts bezw. Bezirksgruppen da­selbst zu gründen geneigt sind. Anfragen in diesem Sinne sind in letzter Zeit an zahlreiche Persönlich­keiten ergangen. Es ist zu hoffen, daß diese sich bereit erlären, das ihnen angetragene Amt im In­teresse der patriotischen Sache zu übernehmen. Die Aufgaben und Ziele des Wehrvereins sind durch die an sich gewiß erfreuliche Annahme der dies­jährigen Wehcvorlage noch in keiner Weise erfüllt; sein Programm bleibt auch fernerhin unverändert bestehen. Der Verein ist gänzlich unabhängig von allen Partei- und konfessionellen Unterschieden; er soll lediglich nationalen Zwecken dienen.

Ludwigsburg. 8. Juni. Das Dragoner- Regiment Königin Olga Nr. 25 (1. Württ.), das demnächst sein 100 jähriges Jubiläum feiert, ist in der Lage, aus einer hochherzigen Stiftung den ehe­maligen Angehörigen des 4. Reiterregiments, die den Feldzug 1870/71 mitgemacht haben, anläßlich des Jubelfestes ein namhaftes Geldgeschenk in Aussicht zu stellen. Die Bezirkskriegerverbände sammeln durch die Ortsvereine die Namen der Kameraden.

Gmünd, 9. Juni. Die Landes-Versammlung des Württ. Journalisten- und Schriftsteller-Vereins fand heute unter zahlreicher Beteiligung hier statt. Die geschäftlichen Verhandlungen wurden im großen Sitzungssaals des Rathauses abgehalten; als Gäste wohnten der Versammlung u. a. an: Ministerial­direktor v. Zindel als Vertreter der Ministerien des Innern, der Justiz und des Kirchen- und Schul­wesens, Oberamtmann Rau und Oberbürgermeister Möhler von Gmünd mit zahlreichen Mitgliedern der bürgerlichen Kollegien. Nach den üblichen Be­grüßungsansprachen erstattete der Vorsitzende, Redak­teur Adolf Heller, den Jahresbericht, worin eine erfreuliche Zunahme, ein äußeres Wachstum und eine innere Kräftigung der Berufsorganisation fest­gestellt werden konnte. Der Verein zählt nunmehr 229 Mitglieder gegen 62 Mitglieder bei seiner Gründung im Jahre 1904. Im Mittelpunkt der Tagesordnung stand ein Vortrag des Vereins- syndikuses, Dr. Reis, über die Berichterstattung über Gerichtsverhandlungen und Verbrechen; das Korreferat hierüber hatte Chefredakteur Dr. Wolf vomSchwarzwälder Boten" übernommen. Dr. Reis kennzeichnete in sehr fesselndem Vortrag die Mängel, welche die Gerichtsberichterstattung aufweisen und verwies darauf, in welcher Form eine Besserung erzielt werden könnte; er betonte namentlich, daß für die Gerichtsberichterstattung genügend vorgebildete Kräfte herangezogen werden sollten, auch müßten die Zeitungen darauf sehen, daß bei Gerichtsbericht­erstattungen das Sensationelle vermieden und der eigentliche Sinn der Rechtspflege auch bei den Be­richten über Gerichtsverhandlungen zum Ausdruck komme. An die beiden Referate schloß sich eine kurze Erörterung, die volle Uebereinstimmung mit den Grundlinien der Referate ergab. Es wurden sodann noch eine Reihe geschäftlicher Gegenstände erledigt, auch der Bericht über die Sterbekasse des Vereins wurde entgegengenommen. Die Teilnehmer der Tagung vereinigten sich hierauf im Saale des Gasthofs zumRad" bei einem gemeinsamen Mittagsmahl, wobei auch die üblichen Trinksprüche nicht fehlten.

Schorndorf, 9. Juni. Die Automobilver­bindung von hier nach Plochingen, die mit großen Hoffnungen begrüßt und nach mancherlei Schwierig­keiten glücklich zu stände gekommen war, hat mit einem Mißerfolg bereits wieder geendet. Der Be­trieb war nur probeweise ausgenommen worden, es zeigte sich aber schon nach wenigen Wochen, daß