Oberbürgermeister v. Mülberger verraten, daß er die Gelegenheit benützen wolle, den König hochleben zu lassen, der am Bau dieser Straßenbahn wirklich unschuldig ist. Aber der Neugeadelte hat sich das fest vorgenommen. Möglich, daß er den Sozial­demokraten extra noch einen Schabernack spielen wollte. Jedenfalls ist es ihm gelungen, sie mitten im Fest mit seinem Hoch zu überraschen. Einige entfernten sich, einige blieben sitzen, andere erhoben sich, sicherlich nicht, um den König zu huldigen. Ein Verhalten, wie es Herr v. Mülberger beliebte, be­rechtigte, aber auch unsere Genossen, ihm das Kon­zept gründlich zu verderben. War er nicht so an­ständig, die bürgerlichen Kollegien von seinem Plan zu verständigen, so hatten sie das Recht, demonstrativ und unter Protest den Saal zu verlassen. Denn sie wären sicher fern geblieben, wenn st« gewußt hätten, was kommen würde. Glauben die Herrschaften, uns gegenüber rücksichtslos sein zu wollen, gut: handeln wir nach dem alten Grundsatz: Auf einen Schelmen anderthalbe!

Stuttgart, 27. Mai. In der Reichstags­sitzung vom 21. Mai fand eine namentliche Ab­stimmung statt über den von der Budgetkomission ur Deckung für die Wehrvorlage beschlossenen Ge- etzesentwurf, der die Wiedervorlegung des Erb­schaftssteuergesetzes vom Jahr 1909 fordert, mit der Bestimmung, daß es mit dem 1. April. 1913 in Kraft treten soll. Von den württemberg- ischen Abgeordneten stimmten mit Ja: Feuerstein, Gunßer, Hähnle, Haußmann, Hildenbrand, Keil, Keinath, Liesching, List, v. Payer, Schweickhardt; mit Nein: Bolz. Erzberger, Gröber, Leser, Vogt- Crailsheim, Vogt-Hall. Von den badischen Ab­geordneten stimmten mit Ja: Beck, Blankenhorn, Frank, Haas, Kölsch, v. Schulze-Gaevernitz, Wittum; mit Nein: Birkenmayer, Diez, Duffner, Fehrenbach, Zehnter. Beurlaubt war Lender; ohne Entschuldig­ung fehlte Rupp.

Stuttgart, 31. Mai. Zu dem vom 12. bis 15. Juni hier fiattfindenden internationalen Kongreß für Heimatschutz haben sich aus einer Reihe von Fürstlichkeiten bereits die hervorragendsten Vertreter des Heimatschutzgedankens aus Deutschland und einer großen Zahl von fremden Ländern angemeldet.

Stuttgart, 29. Mai. Der Aeroplanklub von Stuttgart baut bei Untertürkheim eine Flieger­schule. Die Arbeiten haben schon derartige Fort­schritte gezeitigt, daß das Aufschlagen des Fachwerks und des Daches zu dem Bau beendigt ist und die Maurer mit dem Ausriegeln des Fachwerks beginnen. Auch der Dachdecker wird bald die schützende Be­dachung fertiggestellt haben. Der Bau hat eine Länge von 60 und eine Breite von 40 Metern. Er befindet sich in der Nähe der Daimlerwerke.

Tuttlingen, 31. Mai. (Die Donauversicker­ung.) Gestern abend fand imSchwarzen Bären" eine Besprechung der Mitglieder der bürgerlichen Kollegien, des Gewerbevereins, Kaufmännischen Vereins, Jndustrieverbandes und anderer Herren mit dem Landtagsabg. Storz und Ingenieur Baader aus Ulm über die Donauversenkung im Anschluß

Dev Diamant -es alten Frik.

Autorisierte Ueberictzung aus dem Norwegischen des Fredrik Biller von Friedrich Känel.

82s (Nachdruck verboten.!

Ja, es gibt viele Ueberraschungen auf der Welt, Herr Howell,"" war Monks trockene Antwort, indem er die Hand nicht zu sehen schien, die ihm der Engländer entgegenstreckte.Darf ich Ihnen meinen Freund, Ingenieur Fredrik Biller, vorstellen, Herr Howell?""

Der Engländer machte eine steife Verbeugung und warf mir einen forschenden Blick zu.Ingenieur?" wiederholte er fragend, in Gedanken aber fragte er sich vielleicht: Wohl etwa Polizeibcamter?

»Ja, Ingenieur. Hier in Norwegen sind wir alle etwas, nicht bloß Gentkemen.""

Dem Engländer schienen die Scherze Monks nicht zu gefallen. Er runzelte die Stirne und antwortete nicht.

Wir möchten einige Worte mit Ihnen sprechen,"" sagte darauf Monk ruhig;ist es Ihnen gelegen, uns in Ihre Kajüte hinab zu führen?"" Er warf einen bedeutungsvollen Blick auf ein paar in der Nähe beschäftigte Matrosen.

Der Engländer schien sich einen Augenblick zu be­denken; dann sah er auf die See hinaus und in die Takelage der Jacht hinauf. Jetzt ergriff er eine kleine silberne Pfeife und setzte sie an den Mund, worauf sich ein Mann zeigte, der einem Hofmeister oder Diener glich und dem er uns mit den Worten

an die Behandlung der Frage in der württemberg- ischen Zweiten Kammer statt, wobei folgende Reso­lution angenommen wurde: Die Versammlung er­kennt gerne die Bemühungen der württ. Regierung, mit Baden einen den Interessen der Tuttlinger Donauanwohner entsprechenden Ausgleich zu finden, an, hält aber angesichts der bestimmten Weigerung der badischen Regierung, mehr als 250 Sekunden- liter Donauwasser auf württembergisches Gebiet überzuleiten, den Abruch der Verhandlungen für ge­boten und bittet die württ. Regierung, die Ent­scheidung des Streites durch den Bundesrat anzu- rufen. Hierbei erscheint der Versammlung eine ein­gehende Prüfung und Erwägung des Baader'schen Projektes zweckmäßig zu sein.

Rechberghausen, OA. Göppingen, 30. Mai. Ein überraschender Fund ist gestern in der Wohnung der vor einigen Monaten ermordeten Lehrerswitwe Eiberle gemacht worden. Zum Zwecke der Versteigerung der Hinterlassenschaft fand eine Aufnahme des vorhandenen Mobiliars usw. statt. Dabei stieß man auch auf einen alten Nacht­stuhl, der sich als auffällig schwer erwies. Eine genauere Untersuchung lieferte dann auch ein über­raschendes Ergebnis. In einem Emaillenachtgeschirr wurden, in einem Säckchen und in einer Büchse ver­packt, 320 Zwanzig-Markstücke, also ein Bar­betrag von 6400 aufgefunden, von deren Vor­handensein kein Mensch auch nur eine Ahnung hatte. Mit diesen 6400 hat die Ermordete insgesamt ein Barvermögen von 21000 -^!l hinterlasfen, das unter Umgehung der hiesigen Verwandten der Toten nach außerhalb vermacht worden ist. Ein Testament ist bei Gelegenheit der Fahrnisaufnahme ebenfalls gefunden worden. Zu dem Barvermözen kommt noch der Wert des Hauses und der Fahrnis. Der Mordan der Witwe Eiberle ist noch völlig ungeklärt.

Tübingen, 31. Mai. Im Verlauf eines Streites warf hier ein 14jähriger Knabe einem gleichaltrigen Kameraden eine Schlinge um den Hals und hing seinen Kameraden an einem Brückengeländer auf. Glücklicherweise kam ein Weingärtner dazu, der den Knaben aus seiner verhängnisvollen Lage befreite. Wenige Minuten später wäre es zu spät gewesen.

Mergentheim, 31.Mai. Der Hausdiener Rüden- auer warf durch einen Schachtdeckel Carbid in einen Kanal. Die dadurch entwickelten Gase entzündeten sich an einem von dem Mann in Brand gesetzten Zündholz. Durch die Explosion erlitt der Mann erhebliche Verletzungen, sodaß er ins Spital gebracht werden mußte.

Von der Hornisgrinde, 29. Mai. Am Pfingstfest, an dem sich der Himmel langsam auf­hellte, war die Hornisgrinde mit den umgebenden Seen überaus zahlreich besucht. Die Hotels auf der Höhe waren überfüllt. Kundige, die die guten kleinen Unterkunftshäuser kennen, wandten sich in Menge nach demZum balzenden Auerhahn" in Hinterlangenbach, einem der wenigen Forsthäuser des Schwarzwaldes, das Gäste zu längerem Aufent­halt aufnehmen kann und wo der Wanderer gut aufgehoben ist. Aber auch hier war alles überfüllt

übergab:Führe diese Herren hinab in die Kajüte. Ich werde gleich kommen; ich habe nur noch dem Schiffer ein paar Befehle zu geben. Er soll nach dem englischen Dampfer Auslug halten und meine Reise­gesellschaft dort an Bord abholen lassen."

Es schien mir etwas Gezwungenes, Sonderbares in dem Wesen des Mannes zu liegen. Ich richtete einen fragenden Blick auf Monk; da aber mein Freund völlig sorglos zu sein schien, blieb mir nichts anderes übrig, als mit ihm und dem Diener hinabzugehen.

Wir schritten zuerst durch einen Gang mit zwei Verschlügen auf jeder Seite, darauf durch einen kleinen Salon, der die ganze Schiffsbreite einnahm, und zuletzt in eine kleine Kajüte mit einem Verschlag aus jeder Seite. Der Raum wurde durch ein mattes Ober­licht im Deck des Schiffes beleuchtet. Es war augen­scheinlich die Kajüte des Eigentümers. Die Größe des Schiffes gestattete ihr keinen besonders großen Raum­inhalt; aber die Kajüte war sehr nett ausgestattet und gewährte Sitzplätze für vier bis fünf Personen.

Der Eigentümer der Jacht kam sogleich herab; sein Gesicht war freundlich. Lächelnd sagte er: Wünschen Sie etwas zu trinken, Gentleman? Soll mein Diener vielleicht einen Grog bereiten ich versichere Ihnen, er ist ein Meister in dieser Kunst oder ziehen Sie ein Glas Champagner in Eis vor?"

Wir lehnten jede Erfrischung ab, was der Eng­länder mit einem resignierten Lächeln aufnahm.

Wir werden Sie nicht lange aufhalten,"" sagte Monk und blickte dem Engländer fest ins Gesicht.

und mancher mußte froh sein, noch einen Bund Stroh oder einen Büschel Heu als Lagerstatt zu bekommen.

Mehr weibliche Kräfte im Kranken« und Gemeindedienst. Je mehr sich in weiten Kreisen die Erkenntnis von der Wichtigkeit der Diakonissen« fache durchsetzt, desto schwieriger wird die Frage der Gewinnung der geeigneten Kräfte. Beim Jahresfest der Stuttgarter Diakonisfenanstalt, das am Himmel­fahrtstag unter großer Beteiligung von Stadt und Land stattfand, konnten 37 Diakonissen für den Kranken- und Gemeindedienft eingesegnet werden. Dem Bedürfnis ist aber damit nicht gedient. Die Nachfrage der Gemeinden steigt und kann immer weniger befriedigt werden. Denn der scheinbar großen Zahl neu eingesegneter Schwestern steht auf der anderen Seite immer wieder ein großer Ab­mangel durch Krankheit, Todesfälle und andere- gegenüber. Im vergangenen Anftaltsjahr konnten von 50 wartenden Gemeinden nur drei eine Ge­meindeschwester erhalten, obwohl zwei bisherige Schwestern-Stationen aufgegrben wurden. Trotzdem arbeitet die Stuttgarter Diakonisfenanstalt nun schon auf 184 Arbeitsfeldern, darunter in 109 Gemeinde­pflegen, 54 Krankenhäusern, 22 sonstigen Anstalten, 9 Krippen mit im ganzen 970 Schwestern. Eine besondere Aufgabe der letzten Zeit war die Pflege der Pockenkranken in Mühlacker. Die Gesamtaus­gabe des Jahres beläuft sich auf 751524 der eine Einnahme von 751865 ^ gegenübersteht, während die Gesamtschnld der Anstalt noch 609 807 Mark beträgt. Anstelle des auf 1. Juli zurück­tretenden bisherigen Leiters der Anstalt, Dekan Leypoldt wurde der seitherige 2. Geistliche, Pfarrer Ris, gewählt.

vermischtes.

Von einem Frettchen zerfleischt. Ein drei Wochen altes Kind des Landwirts Seidel in einem Dorfe der Mark ist von einem Frettchen während die Eltern abwesend waren, angefresfen und lebensgefährlich verletzt worden. Das Frettchen war in den Kinderwagen geklettert und hatte dem kleinen Knaben das Gesicht mit der Nase und die Partie zwischen den Augen bis auf die Knochen zerfleischt. Auf das Geschrei des armen Kindes eilte die Mutter herbei und befreite es. Die Heil­ung soll nach ärztlichem Gutachten sehr schwierig sein, und es ist nicht ausgeschlossen, daß das kleine Wesen erblindet, wenn es mit dem Leben davon­kommt. Das Kind befindet sich jetzt in einer Klinik.

Am Brunnen vor dem Tore. Dem orkan­artigen Sturm, der im Werratal furchtbaren Schaden anrichtete, ist auch in Mendorf an der Werra die alte Linde zum Opfer gefallen, die einst Wilhelm Müller zu dem bekannten LiedeAm Brunnen vor dem Tore" begeisterte. Der uralt« Baum, dessen Alter auf 650 Jahre geschätzt wird, grünte und blühte noch alle Jahre frisch. Die Linde hatte einen Durchmesser von 2 Meter, sie stürzte auf ein benachbartes Haus, dessen Dach vollständig zer­trümmert wurde.

Es wird jedenfalls von Ihnen abhängen, ob di« Unterhaltung lange oder kurz dauern wird.""

Sind Sie vielleicht gekommen, um mir Grüße von dem lieben alten Frik, seiner reizenden Nichte oder dem fidelen Einar zu überbringen?"

Ja, ich bin gekommen, um Sie von allen diesen Personen zu grüßen; aber-""

Nehmen Sie sich eine Zigarre!" Der Engländer erhob sich, ergriff ein Kistchen auf einem Regal.und reichte es uns hin.Nicht einmal eine Zigarre? Dann erlauben Sie wohl, daß ich mir selber eine anzünde. Was glaubt Ihr wohl, Ihr Norweger, die Ihr Euch so gut auf das norwegische Wetter versteht, werden wir in nächster Zeit guten Wind haben? Ich und mein Gefolge haben die Absicht, in die Ryfylkefjorde zu fahren, und . . ."

Es ist Ihr eigener Schaden, wenn Sie uns auf­halten,"'' sagte Monk und seine Stimme war scharf und drohend.Hören Sie lieber an, was ich Ihnen zu sagen habe, und antworten Sie schnell; eS ist am besten für Sie selber.""

Sind Sie hier an Bord gekommen, um mir zu drohen? Sie sind gewiß ein Gentleman, Herr Biller sagen Sie doch Ihrem Freund, daß er nicht gegen einen Engländer an Bord seines eigenen Schiffes unangenehm werden soll!" Klüglich überließ ich es Monk, sich selber zu verteidigen, und sah den Mann nur verächtlich an; der Gedanke an das, was er gethan hatte, reizte mich zum Zorn. Am liebsten hätte ich ihn beim Halse gepackt und ihm ein« gute Tracht Prügel verabreicht. (Fortsetzung folgt.'

Druck und Verlag der L. Meeh'scheu Buchdruckerei de» Lnztäler» (Juhaber <8. Lourabi) i« Reueubürg.