MürttLmberg.

Stuttgart, 8. Jan. Aus verschiedenen Teilen des Landes liegen Nachrichten über das Sturmwetter der letzten Tage vor. Der Sturm, der am Samstag abend einsetzte, war teils von Regen, teils von Schneefall begleitet. Aus den Höhen des Schwarz­walds liegt der Schnee bis zu 1 Meter tief. In den Wäldern wurde durch den Sturm wiederum schwerer Schaden angerichtet. Auch verschiedene Gewitter mit starkem Blitzen und Donnern sind im Lande am Sonntag vormittag niedergegangen, so in Schramberg, in Ravensburg und in Leutkirch. Infolge der starken Regenfälle der letzten Tage sind verschiedene Flüsse über die Ufer getreten. Bei Oberndorf wurden weite Talstrecken über­schwemmt; auch bei Rottweil bestand große Ueber- schwemmungsgefahr. Die Nagold, die ebenfalls über die User getreten ist, hat einen Teil der Bischoffs- straße in Calw überschwemmt, sodaß eine Verkehrs­stockung eintrat.

Stuttgart, 8. Januar. Eine für Hausbesitzer interessante Entscheidung hat das Oberlandesgericht Dresden gefällt: es hat die Frage, ob der Haus­wirt für einen Unfall haftet, der durch den in einen Hausflur hineingewehten oder von Passanten hinein­getragenen Schnee entsteht, verneint. Ein Verschulden des Hauswirts sei in keiner Weise ersichtlich. Bei Anwendung der im Verkehrsleben gebotenen Sorg­falt lasse sich ein Ausgleiten auf zusammengetretenem oder naß und glitschrig gewordenen Schnee sehr wohl vermeiden. In großen Städten sei es keineswegs üblich, daß bei Schneewelter der Hausbesitzer oder der von ihm angestellte Hausmann für die jedes­malige sofortige Beseitigung des in den Hausflur gelangten Schnees Sorge trägt.

Welzheim, 8. Jan. Beim Neujahrsschießen wollte der Taglöhner Wilhelm Fühl in einer Wirt­schaft in Zumhof eine Zündschnur mit einer Spreng­patrone verbinden, was in der Regel durch Zu­sammenklemmen einer Kupferhülse geschieht. Dies wollte Föhl durch Zusammenbeißen mit den Zähnen vornehmen; er scheint dabei jedoch unvorsichtig zu Werk gegangen zu sein, denn es erfolgte plötzlich ein Knall und dem Mann wurde ein Auge heraus­gerissen; außerdem erlitt er andere schwere Ver­letzungen. Sein Zustand ist bedenklich.

Vom Schwarzwald, 8. Jan. Das Auftreten des Borkenkäfers ist in den Waldungen infolge der großen Hitze des letzten Sommers außerordentlich begünstigt worden. Während volle, saftige, gesunde Bäume in ihrem Harze ein gutes Schutzmittel gegen den Borkenkäfer haben, dem dadurch das Eindringen in den Stamm verwehrt wird, waren durch die langanhaltende Trockenheit des letzten Sommers die Saftbildung sehr vermindert und infolgedessen viele Bäume dem Schädling ohne ihren natürlichen Schutz preisgegeben. Die befallenen Bäume kennzeichnen sich durch das Dürrwerden von oben herab. Um dem Weiterumsichgreifen des Schädlings vorzubeugen, werden die befallenen Stämme gefällt und sofort entrindet, denn zwischen Rinde und Holz legen die Käferweibchen ihre Eier, deren Larven dann Gänge in das Holz bohren und das Absterben des Baumes verursachen.

Wangen i. A., 8. Januar. Bei der hiesigen Molkereianstalt hat als erster weiblicher Käserei­lehrling nach Verlauf der vorgeschriebenen Lehrzeit Frl. Strake in Steinenkirch die Gesellenprüfung bestanden.

Vom Bodensee, 8. Jan. Der Hauptgewinn mit 10000 Mk. ist in der Konstanzer Geld­lotterie auf den städtischen Arbeiter H. Kreutzer gefallen. Es hat mit diesem Glückskind die besondere Bewandnis, daß er bisher vom Glück sehr stief­mütterlich behandelt worden war. Er ist nämlich der letzte Nachkomme des 1849 verstorbenen be­rühmten Komponisten Konradin Kreutzer, der sein Stammgut, die Talmühle bei Meßkirch. den Erben hinterlassen hatte. Im vierten Verwandtschaftsgrade war es auf den H. Kreutzer übergegangen, der es aber durch unglückliche Bürgschaften verlor und nach mancherlei Schicksalen gezwungen wurde, sein Brot als städtischer Arbeiter in Konstanz zu verdienen. Jetzt hat er einen schönen Notpfennig fürs Alter und es ist nur zu wünschen, daß er es auch ver­steht, ihn zu behalten.

Vom württ. Lande, 8. Jan. (Mehlfälschung.) Mehl muß einen angenehmen, erfrischenden Geruch haben und sich beim Pressen in der Hand leicht zu­sammenballen. Es darf durchaus nicht schimmelig, stockig riechen, auch darf es sich weder beim Pressen in der Hand fest zusammenballen, noch darf es feucht sein. Feuchtes Mehl kühlt die hincingcsteckte Hand stark ab, eine Erscheinung, die gutes, trockenes Mehl

Druck und Verlag der

nicht zeigt. Es kommt vor, daß Mehl mit minera­lischen Stoffen gefälscht wird. Ist die Fälschung grober Art, so läßt sie sich meist schon beim Kauen des Mehles entdecken, indem Sand und andere un­lösliche gröbere Pulver unter den Zähnen das eigen­tümliche Knirschen bewirken. Ist das mineralische Pulver aber sehr fein, so reicht dies zur Erkennung nicht aus. Es werden namentlich drei solcher feinen Pulver zur Fälschung verwendet: Kreide. Gips und Schwerspath. Dian bringt einige Messerspitzen voll vom Mehl in ein Probierglas, übergießt mit dem doppelten Teil gewöhnlichen Weingeistes und fügt einige Tropfen verdünnte Salzsäure oder Salpeter­säure hinzu. Ist Kreide im Mehl, so erfolgt ein Aufbrausen. Um auf Gips und Schwerspath zu prüfen, bringt man in ein Probierglas etwa einen Fingerhut voll konzentrierte Salpetersäure, schüttet eine Messerspitze voll von dem prüfenden Mehl auf die Säure und erwärmt gelinde. Das Mehl löst sich in der Säure auf, die mineralischen Verun­reinigungen aber sinken als Pulver auf den Boden des Probierglases.

(LaudeSprod«kt»nbSrse Gtuttgart). Bericht vom 8. Januar. Die Zurückhaltung im Getreidegeschäst und das Fehlen jeder Unternehmungslust war in den letzten Monaten in der Hauptsache durch die günstigen Saatenstandsberichte Argentiniens Herborgerufen und man war der Ansicht, daß von diesem Lande nach der Ernte ein allgemeiner Preis­druck zu erwarten sei. Es ist deshalb klar, nachdem die Ernteberichte täglich ungünstiger lauten, daß sich die Stimm­ung dementsprechend befestigt und höhere Forderungen ge­stellt werden und dies umsomehr, als augenblicklich kein anderes Land Argentinien Konkurrenz bietet. Die Kauflust war rege und wurde von den Großmühlen Deutschlands größere Posten zu erhöhten Preisen gekauft, da auch andererseits der Mehlabsatz besser war. 'Mehlpreise per 100 Kilogr. inklusiv Sack Mehl Nr. 0: 34. -4L bis 34.50 -4L, Nr. i: 33. -kt bis 33.50 -4L, Nr. 2: 32. -4L bis 32.50 Nr. 3 : 30.50 . 4 « bis 3l. «kt, Nr. 4: 27. -« bis 27.50 -4L Kleie 13. -4L bis 13.50 -L (ohne Sack netto Kasse).

Schwäbische Gedenktage.

Am 8. Januar 1418 belehnte König Sigmund den Grafen Heinrich von Löwenstein mit Burg und Stadt Löwenstein.

Am 8. Januar 1547 mußte Herzog Ulrich mit Kaiser Karl V. den sogenanntenHeilbronner Ver­trag" schließen. Infolge des unglücklichen Ausgangs des Schmalkaldischen Krieges war Herzog Ulrich in Gefahr, sein Land zum zweiienmale zu verlieren. Die Fürbitte des Kurfürsten Friedrich von der Pfalz und ein Geschenk von 20 000 Gulden an den kaiser­lichen Minister Granvelle bewirkten es, daß der Kaiser ihm das Herzogtum beließ. Herzog Ulrich mußte einen Fußfall vor dem Kaiser tun, den er aber durch sein Pferd tun ließ und außerdem 300000 Gulden zahlen, Asperg, Schorndorf und Kirchheim den Kaiserlichen einräumen und sich von seinen bis­herigen Bundesgenossen lossagen.

Am 9. Januar 1348 bestätigte König Karl IV. 23 schwäbischen Städten ihre Freiheiten, Gewohn­heiten, Rechte und Briefe.

Am 10. Januar 1748 wurde Franziska, spätere Reichsgräfin von Hohenheim, als Tochter des Frhrn. Ludwig Wilhelm von Bernardin geboren. Im Januar 1785 vermählte sich Herzog Karl mit Fran­ziska, ein Ereignis, das er am 2. Februar 1786 seinem Lande bekanntgab.

Am 11. Januar 1525 ist der nachmalige Abt Johann Parsimonius (zu deutsch Karg) von Hirsau zu Augsburg geboren. Er legte eine große Sanum lung historischer Urkunden an, die sich leider jetzt in Wolfenbüttel befindet.

Am 12. Januar 1498 schloß der nach Heidelberg geflüchtete Herzog Eberhard II. mit dem Kurfürsten Philipp von der Pfalz einen Vertrag ab, worin er sich in dessen Schutz begab und ihm seine Kostbar­keiten übergab. Der Kurfürst ließ ihn auf dem Odenwaldischen Schloß Lindenfels wohnen, wo er am 17. Februar 1504 starb.

Am 14. Januar 1635 starb in Stuttgart der berühmte herzoglich württembergische Baumeister Heinrich Schickhardt an den Folgen eines Stiches, den er in Herrenberg von einem Soldaten erhalten hatte. Er war am 5. Februar 1558 geboren.

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Kus StaSt, Bezirk unS Umgebung.

Seine Majestät der König hat die evange­lische Pfarrei Oberjettingen, Dekanats Herrenberg, dem Pfarrer Weymüller in Dobel übertragen.

Wildbad. 9. Jan. Heute früh ist hier Herr Oberlehrer a. D. Baur aus dem Leben geschieden. In ihm verliert die Gemeinde Wildbad einen Mann von großen Verdiensten, dessen bescheidene und hoch­achtbare Charakterveranlagung, verbunden mit treue­stem Pflichtgefühl, ihm ein ehrenvolles Andenken sichern

Calw, 8. Jan. Das an der Nagold gelegene und mit einer Wasserkraft von etwa 30 Pferde- kräften ausgestattete Elektrizitätswerk ist seit acht Monaten im Betrieb. In dieser Zeit wurden an Kraft 115 000 Kilowattstunden erzeugt; von diesen entfallen auf den Dieselmotor 50 000 und der Rest auf die Wasserkraft, die in diesem Sommer bekannt­lich zu wünschen übrig ließ. Angeschlossen waren an das Werk 81 Motors mit 221 Pferdekräften und 2100 Lampen. Zu den größten Abnehmern gehört die Wolldeckenfabrik und das städtische Wasserwerk. Die Erwartungen, die man auf das Werk setzt, sind vollständig erfüllt, ja geradezu übertroffen worden. Es herrscht darum auch allgemeine Befriedigung über die Erstellung des Weckes und so sind nun auch diejenigen, die früher mehr für den Anschluß an den Gemsindeverband in Teinach eintraten als für die Erstellung eines eigenen Werkes, vollauf mit der Anlage des Werkes einverstanden. Das neue Elek­trizitätswerk wird sich gut rentieren und eine erwünschte Einnahmequelle für die Stadt geben. Vom 1. April ds. Js. an wird die Flößerei auf der Nagold aufhören und damit wird einem lang ge- hegien Wunsch der Wasferwerksbesitzer entsprochen werden.

Nagold, 8. Jan. In der Brauerei zur Krone in Hailerbach wurde in letzter Zeit nachts verschie- denemal eingebrochen und nach und nach 15 Zentner Gerste weagsschafft. Der mutmaßliche Täter wurde zwar dem Amtsgericht übergeben, ist jedoch vorläufig wieder auf freien Fuß gesetzt worden.

Nagold. 9. Jan. In dem Waldteil Reute der Gemeinde Ebhausen haben die letzten Stürme große Verheerungen angerichtet und mehr als 100 stattliche Tannen niedergelegt. Der Schaden ist dadurch besonders empfindlich, da zahlreiche Stämme im Sturze gebrochen oder aufgeschlitzt wurden.

Pforzheim, 8. Jan. Gestern abend "/.II Uhr wurde auf der Oberen Augasse zwischen den Wirt­schaften zurNeuen Welt" und zurWachtel" nach einem an sich unbedeutenden Streit, den der 33 Jahre alte Hilfsarbeiter Fröhlich mit dem Schuhmacher Alb. Heel hatte, der 20 Jahre alte Hilfsarbeiter Leopold Henle aus Ezenrot derart ins Herz ge­stochen, daß er auf dem Transport nach dem Kranken­haus in der Kreuzstraße verstarb. Die sofort ein­geleiteten Erhebungen lassen den Schuhmacher Alb. Heel als den Täter erscheinen, dessen Messer solche Bluispuren aufweist, daß nach ihnen zu schließen der tödliche Stich damit geführt wurde, während die Messer der übrigen Beteiligten keine Blutspuren zeigen. Heel bestreitet aber die Tat. Auch sein eigentlicher Gegner, Fröhlich, hat zwei Stiche ab­bekommen. die aber nicht gefährlich sind. Wie es scheint, waren alle Beteiligten etwas angetrunken.

Neuenbürg. (Annahme von Zinsscheinen der württ. Staatsschuldverschreibungen und der Schuld­verschreibungen des Deutschen Reichs durch die Post­anstalten.) Mit Wirkung vom 1. Januar 1912 an sind von Postanstalten in Orten, wo sich ein Kame- ralamt, eine Oberamtspflege oder Bankgeschäfte nicht befinden, Zinsscheine der württ. Staatsschuldverschreib­ungen an Zahlungsstatt angenommen. Ebenso werden von Postanstalten in Orten, wo ein Kameralamt, eine Reichsbankanstalt oder ein sonstiges Bankgeschäft nicht vorhanden sind, Zinsscheine der Schuldverschreib­ungen des Deutschen Reichs (Reichsschatzanweisungen und Reichsanleihe) angenommen. Die Zinsscheine der württ. Staatsschuldverschreibungen dürfen 14 Tage vor Verfall, die Zinsscheine der Reichsschuld vom 21. des dem Fälligkeitstage vorangehenden Monats an an Zahlungsstatt angenommen werden.

Vermischtes.

Der Briefträger als Postillon d'amour. Die Findigkeit und zugleich die Liebenswürdigkeit der Post, an der man in letzter Zeit stark zu zwei­feln anfing, hat, wie wir imBerliner Tageblatt" lesen, am Silvesterabend sich wieder einmal in vol­lem Lichte gezeigt. Der Kaufmann B. aus der Nollendorsstraße in Berlin schrieb vom Postamt W 30 eine Rohrpostkarte an eine junge Dame in Char­lottenburg und teilte ihr darauf mit, daß er sie um neun Uhr vor einem bestimmten Hause der L- Siraße in Charlottenburg erwarte. Die Dame hatte dem Herrn aber eine falsche Adresse angegeben, und die Karte kam als unbestellbar an das Postamt C. 2 zur Ermittlung des Absenders, und da dieser in dem angegebenen Hause auch nicht bekannt war, wurde ihm die Karte, als er abends um neun Uhr zu dem Rendezvous erschienen war. von dem dort wartenden Postboten übergeben. (Wollte man da noch mehr verlangen?)

C. Meeh'schen Buchdruckerei des EnztSlers (Inhaber G. Conradi) in Neuenbürg.