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Der Lnzläler.

Anzeiger für das Lnztal und Umgebung.

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Res es bürg. Mittwoch den 6. Dezember 1911.

89. Jahrgang.

Rundschau.

Berlin, 5. Dez. Reichstag. Präsident Graf Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung um 10.20 Uhr. Ohne Debatte werden zunächst Petitionen und Rech­nungssachen erledigt. Hierauf wird die 2. Lesung des Gesetzentwurfs betreffend die Eisenbahnbauten im ostafrikanischen Schutzgebiet beendet und der Entwurf auch in Z. Lesung angenommen. Ebenfalls in Z. Lesung erledigt wird der Handels- und Schiff­fahrtsvertrag mit Japan. Auch der Vertrag mit England betreffend die gegenseitige Auslieferung von Verbrechern wird in Z. Lesung angenommen, desgleichen die Vereinbarung mit Japan über das Konsulatswrsen, ferner das Gesetz über die Handels­beziehungen zum britischen Reich. Das Haus- arbeitsgesetz wird in dritter Lesung mit einem Antrag Becker-Arnsberg (Z.) angenommen. Ohne wesentliche Debatte wird sodann die Gewerbe­ordnungsnovelle und das Gesetz betreffend die Aufhebung des Hilfskassengesetzes endgültig an­genommen. Nach längerer Geschäftsordnungsdebatte tritt das Haus nunmehr in die dritte Lesung des Privatbeamtenversicherungsgesetzes ein. Dar­auf wird das Gesetz in der Gesamtabstimmung ein­stimmig angenommen. Nachdem noch eine Petition über Anerkennung eines Vertrags mit der Kilimandscharo-Handels- und Landwirtschafts-Gesell­schaft zur Erwägung überwiesen worden, tritt bis */«2 Uhr eine Pause ein, nach der die Marokko­debatte zur Beratung steht. Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg: Die verbündeten Re­gierungen stimmen dem Entwurf auf Abänderung des Schutzgebietsgesetzes zu. Der wahre Grund der geringen Aktivität der Regierung in der Marokko­frage lag in den Schwierigkeiten der Verhandlungen. Die leidenschaftliche Erregung, die durch das Da­zwischenkommen Englands hervorgerufen wurde, legte uns Reserve auf, die allerdings eine schwere Ge­duldsprobe war. Hätten wir nicht geschwiegen, wie es verlangt worden ist, dann hätten wir uns den Weg zur Einigung verbarrikadiert. Wir mußten auf die Erregung in Frankreich Rücksicht nehmen. Bei unserer Zurückhaltung mußte, wie wir voraus­gesehen haben, die Stimmung im eigenen Land immer erregter werden. Das war schwer für uns, aber wir mußten es auf uns nehmen. Hätte ich vorausgesehen, daß England während unserer Kom­missionsverhandlungen Stellung nehmen würde zu unseren Erklärungen, dann hätte ich mit der Pub­likation nicht länger gewartet. Die Erklärungen der englischen Minister sind in versöhnlichem Ton ge­halten. Der englische Minister des Aeußern hat offen erklärt, daß die Entsendung desPanther" Besorgnisse erregt habe, während das Vorgehen Spaniens und Frankreichs in Marokko anscheinend keine Besorgnisse hervorgerufen hat. (Hört, hört!) Während der Verhandlungen stand Frankreich in intimem Austausch der Ansichten mit England. Wie England da Besorgnisse haben konnte, ist mir nicht klar. Hätte England bei uns angefragt, dann hätte ich seine Besorgnisse zerstreut. Das Schweigen vom 4. bis zum 21. Juli, das Deutschland vor­geworfen wurde, war beiderseitig. (Hört, hört!) Durch unseren Botschafter ist England erklärt worden, daß Deutschland nicht die Absicht habe, Marokko mit Spanien und Frankreich zu teilen. In der Aeußer- ung der englischen Regierung, daß sie Besorgnisse wegen der Entsendung desPanther" bezüglich Be­einträchtigung der englischen Interessen habe, konnte keine Anfrage erblickt werden. Außerdem hatte der deutsche Botschafter in London erklärt, daß Deutsch­land nicht daran denke, englische Inter­essen in Marokko beiseite zu schieben. Die eingetretene Spannung der Situation wäre ver­mieden worden, wenn unserer Erklärung vom 1. Juli mehr Glauben geschenkt worden wäre und wenn die Periode des Schweigens nicht durch eine öffentliche

Kundgebung eines englischen Ministers unterbrochen worden wäre. (Sehr richtig!) Der englische Minister erkennt zwar der Erregung in Deutschland nicht die Berechtigung zu, wird sie aber angesichts der Er­klärungen im Parlament richtiger beurteilen können. Das Recht, das England für sich in Anspruch nimmt, als Großmacht anerkannt zu werden, nehme ich auch für Deutschland in Anspruch, es ist aber nicht immer von anderen Mächten anerkannt worden. Die Notwendigkeit, unsere wirtschaftlichen Interessen zu wahren, hatte als Folge von 1904 Algeciras und Agadir. Wir lehnen es ab, uns von der Bahn ab­bringen zu lassen, die uns die Wahrung unserer deutschen Interessen und der deutschen Würde vor- gezeichnet hat. Es ist auch eine zeitlang der Gedanke an einen Krieg aufgetaucht. Wenn man ruhig über­legt, wird man zu der Ueberzeugung kommen, daß unsere Verhandlungen mit Frankreich in dem Sinne geführt wurden, zu einer freundlichen Einigung zu kommen. Das Ziel, das wir uns gesteckt hatten, berührte keine englischen Interessen. Auch wir haben den Wunsch nach einem guten Verhältnis zu Eng­land. Die Stärke Deutschlands ist eine Garantie, daß keine andere Macht Streit mit ihm suchen wird. Wir sind durch eine schwere und ernste, durch eine bedrohliche Zeit hindurchgegangen. Da hat das Volk richtig gefühlt. Möge es erkennen, was es sich selbst schuldig ist! Das ist kein Stolz, keine Selbst­erniedrigung, deshalb keine Niedergeschlagenheit, aber auch keine Herausforderung, sondern Mut, kaltes Blut und Einigkeit in allen nationalen Fragen. (Lebhafter, anhaltender Beifall I) Nach weiterer De­batte wurde der Reichstag durch eine kaiserliche Bot­schaft geschlossen.

Der Kaiser hat diejenigen 18 Mitglieder der elsaß-lothringischen Ersten Kammer, deren Ernennung ihm zusteht, jetzt ernannt, ihre Namen sind dann so­fort bekannt gegeben worden. Ihre Träger sind mehr oder weniger hervorragende Persönlichkeiten des Reichslandes; unter ihnen befinden sich z. B. Weihbiswof Dr. Zorn v. Bulach-Straßburg, Wirkl. Geh. Rat Prof. Dr. Laband-Straßburg, Großindu­strieller Renn« Brau in Sentheim, Kommerzienrat Gustav Abt in Forbach usw.

Die Beratung des deutsch-französischen Ma­rokko- und Kongo-Abkommens in der franzö­sischen Deputiertenkammer wird nach den jüngsten Dispositionen hierüber am 11. Dezember beginnen; in Pariser politischen Kreisen nimmt man an, daß sie sich lebhaft gestalten wird.

Die Verhandlungen zwischen Frankreich und Spanien über Marokko werden gutem Vernehmen nach noch in gegenwärtigem Monat anheben. Die französische Regierung gedenkt dem Madrider Kabi­nett entgegenkommende Vorschläge zu machen, welche auf eine französisch-spanische Zweiherrschaft in Ma- rokk hinauslaufen.

Tripolis, 4. Dezbr. Der Widerstand der Türken und Araber dauert auf der ganzen Linie fort. Täglich finden Gefechte statt. Die Türken scheinen an Munition keinen Mangel zu haben. Ein griechischer Dampfer wurde gestern früh abgefangen, als er unter dem Schutz eines Nachtangriffes der Araber Vorräte und Munition auslud. Die Folter­ungen italienischer Gefangener durch die Araber werden durch die ärztliche Leichenschau bestätigt. Einige Soldaten scheinen sogar bei lebendigem Leibe geröstet worden zu sein. Die Entrüstung ist all­gemein. Man nimmt jedoch an. daß die Unmensch­lichkeiten nicht, wie zuerst vermutet wurde, durch militärisch organisierte Türken und Araber, sondern durch fanatische Stämme begangen worden sind.

Die Vorhut der in Nord persien eingerückten russischen Truppen ist in Stärke von einigen 100 Kosaken bereits in der Hauptstadt Teheran ein­getroffen. Doch wird noch nichts darüber gemeldet, wie die russischen Kosaken dort ausgenommen worden sind. Auch in Kaswin sind russische Truppen an­

gekommen. In Teheran hält die erregte Stimmung gegen Rußland an. Russischer Tee und Zucker werden boykottiert. Die politischen Attentate auf her­vorragende Persönlichkeiten, welche wegen ihrer russenfreundlichen Neigung bekannt sind, nehmen ihren Fortgang. Zu letzteren gehört auch der Groß­kaufmann Hadji Mohammed Aaghi in Teheran, er wurde nachts in seinem eigenen Hause überfallen und schwer verwundet. Ferner heißt es. der Gou­verneur in Kaswin, Prinz Ferman Ferma, sei von politischen Fanatikern ermordet worden.

Die chinesischen Rebellen haben nach der Einnahme von Nanking die Tatarenstadt von Nan­king geplündert und eingcäschert, angeblich mit Er­laubnis der dortigen Behörde. Weiter besagt die betreffende Meldung, daß sich die Besetzung von Nanking durch die Aufständischen insehr syste­matischer Weise" vollzogen habe. In der Mand­schurei soll es mit der Autorität der Pekinger Zen­tralregierung noch immer schlecht bestellt sein, an vielen Orten sind die kaiserlichen Behörden ver­trieben und durch einheimische Behörden ersetzt wor­den. In Hankau und Wutschang behaupten sich die Kaiserlichen gegen die aus diesen wichtigen Städten von ihnen hinausgeworfenen Rebellen. Im übrigen läßt eine wirkliche Entscheidung in dem chinesischen Revolutionskriege noch immer auf sich warten, die Lage ist jedenfalls eine sehr verwickelte. Viele für die weitere Entwicklung der gesamten Situation dürfte von den Verhandlungen abhängen, welche der Mini­sterpräsident Juanschikai mit den Führern der Auf­ständischen angeknüpft hat.

Charbin, 4. Dez. Wie aus chinesischer Quelle gemeldet wird, haben die Revolutionäre die Regierungstruppen in der Nähe der Futschou Foengh- wang-Tschen, Liaujang und Hsinjang, nahe bei Liau- jang angegriffen. Durch Zufall wurde ein ja­panischer Offizier durch eine Kugel eines Revolutio­nären verwundet. Die Revolutionäre haben in der Nähe von Futschou zwei Befestigungen besetzt; die Regierungstruppen halten 14 Tote und Verwundete und zogen sich nach Futschou zurück.

Der bayerische Bauernbund hielt in Würz­burg eine starkbesuchte Generalversammlung seiner Mitglieder aus den drei fränkischen Provinzen ab, in welcher der Anschluß des Bauernbundes an den Großblock der liberalen Parteien und der sozial­demokratischen Partei proklamiert wurde. Hiermit ist die Lage der bayerischen Zentrumspartei in dem bevorstehenden Wahlkampfe zweifellos eine noch schwierigere geworden.

Berlin, 5. Dezbr. Sowohl in der Damen­konfektion wie in der Metallindustrie sind noch keine Aussichten auf Beilegung der Differenzen vorhanden. Der Kampf hat im Gegenteil besonders in der Konfektion sich noch verschärft. In der Metall­industrie werden die streikenden und ausgesperrten Arbeiter sich im Laufe dieser Woche darüber einig werden, ob der Generalstreik zu proklamieren ist^

Der Verkauf der Juwelen des Exsultans Abdul Hamid hat einen über Erwarten großen Ertrag gebracht. Man hatte im allergünstigsten Falle auf 4V? Millionen Francs gerechnet, und jetzt ist dieser Betrag schon überschritten. Das Gesamt­erträgnis dürfte auf 8 Millionen Francs kommen. Dieser Betrag kommt bekanntlich der türkischen Flotte zugute.

Der Brand der Kirche von Tharau hat in Deutschland großes Bedauern hervorgerufen, denn das alte Gotteshaus der vor den Toren Königsbergs gelegenen Gemeinde ist mit einer literaturhistorischen Erinnerung verknüpft, die jedem Freunde des deut­schen Liedes teuer ist. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wirkte Pastor Neander an der Kirche. Seine Tochter war jenes Aennchen von Tharau, deren Preis man heute noch singt. Der ostpreußische Dichter Simon Dach hat das schelmische und innige Lied zu Ehren Aennchens verfaßt, als