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Preis 2.60 bis 4 pro Ztr. — Krautmarkt auf dem Charlottenplatz. Zufuhr 1200 Stück, Preis 13 bis 16 pro 100 Stück.
Cannstatt, 21. Nov. Der sozialdemokratische Verein nahm gestern abend endgiltig Stellung zur Eingemeindung. Nach lebhafter Erörterung wurde folgende Resolution beinahe einstimmig angenommen: „Die heute im „Russischen Hof" tagende Parteiversammlung erklärt sich im Prinzip für die Vereinigung der beiden Städte Stuttgart und Cannstatt. Die Parteiversammlung erwartet ferner, daß die von der Partei oder mit ihrer Unterstützung gewählten Gemeindcvertreter für die Vereinigung stimmen werden. In Konsequenz dessen lehnt die heutige Versammmlung schon von vornherein jeglichen Kompromiß mit einer Partei ab, deren Kandidaten sich als Gegner der Eingemeindung bekennen.
Tübingen, 18. Nov. An der Tierärztl. Hochschule zu Stuttgart werden gegenwärtig äußerst interessante Experimente veranstaltet; man will an minderwertigen Tieren feststellen, auf welche Ursachen das plötzliche Eingehen wertvoller Pferde in Tübingen und an anderen Orten des Landes zurückzuführen ist. Versuche bestehen u. a. darin, daß man den Versuchstieren von dem Fntter reicht, das in der Bachner'schen Brauerei den verendeten Pferden gefüttert wurde, denn man vermutet, daß es nicht ausgeschlossen sei, daß das Futter durch Düngung der Anbaufläche mit giftigen Stoffen oder auf andere Weise infiziert wurde. In weiten Kreisen sieht man dem Ergebnisse dieser Versuche mit lebhaftem Interesse entgegen.
Ulm, 22. Okt. Strafkammer. Eine empfindliche Strafe wegen Baumfrevels erhielten die Dienstknechte Franz Jos. Blessing und Gottfried Beißwenger von Ottenbach, OA. Göppingen. Sie schnitten oder brachen in der Baumschule des Polizeidieners Kübler in Ottenbach aus Rache, weil dieser den Bruder des Blessings wegen groben Unfugs und Ruhestörung zur Anzeige gebracht hatte, am 4 Okt. 69 Obstbäume ab, wodurch Kübler einen Schaden von 89 verursacht wurde. Blessing erhielt 4 Monate 15 Tage, Beißwenger 2 Monate 15 Tage Gefängnis. Die Untersuchungshaft seit 8. Okt. geht hievon ab.
Zaberfeld OA. Brackenheim, 21. Nov. Hier brach heute früh ein Feuer aus, dem 2 Wohnhäuser und 2 Scheuern zum Opfer fielen. Leider sind dabei 3 Menschen ums Leben gekommen und zwar einer der Abgebrannten, der Handelsmann Wolf Jordan, nebst seinen 2 Kindern im Alter von 8 und 10 Jahren, die sich nicht mehr zu retten vermochten. Der andere von dem Brand Heimgesuchte ist der Schmied Federmann. Die Entstehungsursache des Feuers ist bis jetzt noch nicht aufgeklärt.
Pforzheim, 23. Nov. Die Bahnhofrestauration in Brötzingen ging um den Preis von 70000 von Michael Kungmann auf Etuismacher Pfisterer über.
Frankfurt a. M., 22. Nov. Ein orkanartiger, von Blitz und Donner begleiteter S t u r m wütete am Samstag Abend zwischen 7'/- und 8 Uhr 40 über der Stadt. In der Bockenheimer Landstraße wurde einer der stärksten und mächtigsten Bäume vom Sturme entwurzelt und quer über die Straße gesÄleudert, wobei er im Fallen die Leit
ung der elektrischen Straßenbahn mit sich riß, so daß der auf dieser Straße um diese Zeit große Verkehr vollständig unterbrochen wurde. Auch in Gärten und Anlagen richtete der Sturm erheblichen Schaden an.
Darmstadt, 21. Nov. Durch eine Bekanntmachung im Regierungsblatt hat der Großherzog bestimmt, daß die Gratulation zu seinem diesjährigen Geburtstag und seine Geburtstagsfeier selbst am 1. Januar 1904 erfolgen soll. Der Großherzog gedenkt seinen Geburtstag am 25. November in aller Stille zu begehen und alsdann die Residenz zu verlassen, um bei seiner Schwester in Kiel längere Zeit zu verweilen.
Berlin, 21. Nov. Die durch die jüngste Operation des Kaisers verursachte Wunde wird, wie die National-Zeitung erfährt, in einigen Tagen völlig geheilt sein. Sollte der Kaiser, wie gemeldet wird, nach Weihnachten eine größere Reise unternehmen, so würde es sich lediglich um eine Erholungsreise handeln.
Berlin, 21. Nov. Es liegt nunmehr das Gesamtergebnis der Abgeordnetenwahlen vor. Gewählt sind: 148 Konservative, 54 Freikonservative, 97 Zentrum, 79 Nationalliberale, 23 freis. Volksvartei, 8 freis. Vereinigung, 13 Polen, 2 Dänen, 2 Bund der Landwirte, 2 Reformpartei und 5 Fraktionslose. Die Konservativen gewannen 9 Sitze und verlieren 5, die Freikonservativen gewinnen 4 und verlieren 8, das Zentrum gewinnt 2 und verliert 5, die Nationalliberalen gewinnen 12 und verlieren 7, die freis. Volkspartei gewinnt 4 und verliert 8, die freis. Vereinigung verliert 2, die Fraktionslosen verlieren 1 und gewinnen 5 Sitze.
Berlin, 21. Nov. Wie aus Kiel gemeldet wird, wurden die beiden Matrosen des Linienschiffes „Kaiser Wilhelm der Große", die kürzlich einen Oberbootsmannsmaat überfielen und mißhandelten, vom Kriegsgericht wegen des schwersten militärischen Verbrechens, nämlich militärischem Aufruhr, zu je 6 Jahren 1 Monat Zuchthaus, Entfernung aus der Marine und 5jähcigem Ehrverlust verurteilt.
Berlin, 21. Nov. Dem Lokal-Anzeiger zufolge stockt auf der Unterelbe zwischen Hamburg und Cuxhafen infolge dichten Nebels der gesamte Schiffsverkehr vollständig.
Basel, 22. Nov. (Eisenbahnunglück.) Gestern Abend 6 Uhr ist auf der Station Palezieux, auf der Linie Bern-Genf ein Schnellzug auf eine Lokomotive aufgefahren. Soweit bis jetzt bekannt gab eS 5 Tote und zahlreiche Verwundete. Die Ursache des Unglücks ist noch nicht bekannt. Eine Untersuchung ist eingeleitet.
Wien, 21 Nov. Der Kronprinz von Sachsen ist heute früh auf der Durchreise in strengstem Jncognito hier eingetroffen und im Hotel Imperial abgestiegen. Nach kurzem Aufenthalt reiste er nach dem Süden weiter.
Brünn, 21. Nov. In ganz Mähren und Schlesien richtet Hochwasser großen Schaden an. Die Oder, March, Ostrowitza sowie die Rezwa sind aus den Ufern getreten. Die Städte Kremsier und Hullein find vollständig überschwemmt.
(Eingesandt.)
Letzter Tage hielt der hiesige Volksverein seine diesjährige Generalversammlung ab, welche sehr zahlreich besucht war. Aus dem ausführlichen
Bericht des Vorstands ist als besonders erfreulich zu erwähnen, daß sich die Mitgliederzahl ganz beträchtlich gehoben hat, was darauf zurückzuführen sein dürfte, daß bei der letzten Reichstagswahl alle freigesinnten Männer und auch Linksnationale Schulter an Schulter gegen die Reaktion gekämpft haben. Nach verschiedenen internen Angelegenheiten kam die Besprechung auf die bevorstehende Ge- meinderatswahl. Bekanntlich wurden bei der lctztjährigen Bürgerausschußwahl vom Volksverein und Bürgerverein je 3 Kandidaten der beiden Parteirichtungen auf den Wahlvorschlag genommen, aber nicht nach dem Vorschlag des Volksvereins je 3 „bestimmte" Kandidaten — also, daß der Vorschlag der einen Partei von der Gegenpartei angenommen werden mußte — sondern jede Partei nahm nur diejenigen der Gegenpartei auf den Zettel, die ihr paßten. Dies ist aber nicht richtig. Bei einem Kompromiß muß doch jede Partei verlangen, daß ihre Vertrauensmänner auf den gemeinschaftlichen Zettel genommen werden. Nachdem im vorigen Jahr der gemeinschaftliche Wahlvorschlag von der Bürgerschaft mit Freuden begrüßt worden ist und die Interessen eines Gemeinwesens viel besser gewahrt werden, wenn Männer verschiedener Parteirichtungen auf dem Rathaus sitzen, so hat der Volksverein beschlossen, dem Bürgerverein den Vorschlag zu machen, je 2 Kandidaten in der Art auszutauschen, daß jeder Verein diejenigen auf den Zettel nimmt, welche von der Gegenpartei genannt werden. Da 6 Gemcinderäte zu wählen sind, kann jede Partei außer den 4 gemeinschaftlichen Kandidaten noch 2 wettere nach eigenem Ermessen aufstellen. Dies ist der ehrlichste Vorschlag, welcher gemacht werden kann; dadurch werden unnötige Umtriebe vermieden und der Friede wird nicht gestört.
Landwirtschaft!. Syirksverem.
Die jährliche Generalversammlung findet am Montag, de« 30. November (Andreasfeiertag), nachmittags 2 Uhr, im Gasthof zum „Waldhorn" in Calw statt mit folgender
Tagesordnung:
1. Vortrag des Herrn Landwirtschaftsinspektor vr.
Wacker in Lconberg über zeitgemäße Verbesserungen im landw. Betrieb unter besonderer
Berücksichtigung der Fruchtfolge;
2. Vortrag des Kaffen- und Rechenschaftsberichts
pr. 1. April 1902/03;
3. Vortrag über Erhaltung der Volkstrachten;
4. Verteilung der Diplome von der staatlichen Be
zirksrindviehschau;
5. Verteilung landwirtschaftlicher Kalender.
Calw, 23. November 1903.
Vereinsvorstand:
Voelter, Regierungsrat.
Oeffentlicher Vortrag
im Saale des Heorgerräums
Dienstag, 24. November,
Abends 8 Uhr,
von Herrn Pfarrer R. Planck über
„Erstehung und Bildung in ihrem Einfluß auf dir Fortschritte der mruschlicheu Grsamttmltor."
Zu zahlreichem Besuche ladet ein
der cheorgenämnsrat.
dos unter dem dunklen Filzhütchen hervorquoll. Sie beachtete es nicht, ihr ganzes Empfinden hatte sich in Schauen und Genießen aufgelöst.
Auch der alte Herr neben ihr sah mit frohem Ausdrucke auf die sonnenbeleuchtete Küste, die für ihn jetzt die Verheißung einiger Wochen ungestörter Ruhe nach anstrengender Berufstätigkeit verkörpert. „Das nennen die Leute nun da unten Sturm!" sagteer halb mitleidig, halb lachend; er blickte sich, eine Antwort erwartend, nach seiner jugendlichen Gefährtin um. Aber sie lehnte weiter vorn am Geländer und hatte seinen Ausruf nicht beachtet. Statt ihrer nahm ein etwa dreißigjähriger Herr die Anrede auf, der ganz in der Nähe rittlings auf einem Feldstuhle saß und mit vor Vergnügen funkelnden Augen um sich schaute.
„Pah! Sturm!" meinte er wegwerfend. „Dazu sagt man bei uns hier zu Lande" — er zeigte auf die Küste der Insel — „höchstens: es geht etwas Lust! Aber solche Landratten bekommen unser schönes Rügen schon über, ehe sie's nur erreicht haben!"
Der andere sah wohlgefällig in das frische, sympathische Gesicht mit den blauen, Leben und Heiterkeit sprühenden Augen.
„Aha! Sie sind Rügianer!" sagte er. „Da müssen Sie allerdings verächtlich auf die armen Leute herabsehen, die noch nie Salzluft geschluckt haben — ich freilich rühme mich, leidlich seefest zu sein, wenn ich sonst auch nur eine „Landratte" bin, und gedenke mit den Lohmer Fischern zu segeln und zu fischen —"
„Ganz recht, Sie gehen dorthin, ich hörte Sie das unten vorhin sagen — da haben wir also denselbm Weg," rief der jüngere Mann vergnügt. „Ich bin aus derselben Gegend dort gebürtig und sehr gespannt auf das Wiedersehen mit
Lohme, das zu meiner Zeit noch ein kleines winziges Fischerdörfchen war, ohne die leiseste Ahnung, daß es einstmals ein Seebad werden sollte."
»Zu Ihrer Zeit?" fragte der alte Herr lächelnd. „Das ist wohl schon ungeheuer lange her!" Sein Blick überflog von neuem die kraftvolle Gestalt seines Nachbarn, und ein fein humoristisches Lächeln spielte dabei um die Lippen unter dem grauen Barte.
„Gerade fünfzehn Jahre!" sagte der Andere mit einem Anfluge von Ernst; „und das ist eine Zeit, gerade lange genug, daß vieles sich verändern kann!" Er seufzte leise und seine Augen blickten plötzlich trübe.
„Allerdings!" gab der alte Herr bereitwillig zu; „aber dann müssen Sie Ihre Heimat schon sehr frühzeitig verlassen haben!"
„Als kaum fünfzehnjähriger Knabe," versetzte der Gefragte noch immer ernst und nachdenklich; und dann sah er plötzlich wieder mit der alten Heiterkeit auf.
„Da Sie nun bereits mein Alter und meine Herkunft wissen, verehrter Herr, und wir doch eine ganze Anzahl von Stunden hier mit einander fahren, auch wohl später wieder Zusammentreffen werden, ist's am besten, ich nenne Ihnen gleich noch meinen Namen! Ich heiße Klaus Behrendt, bin Maler und wohne für gewöhnlich in München."
„Ich heiße Heinrich Miller, bin Beamter und wohne für gewöhnlich in Kassel!" sagte der ältere Mann ernsthaft. Darauf lachten beide, und der junge Mann fing an, seinem neuen Bekannten die einzelnen Punkte an der Küste zn erklären, an denen sie jetzt vorbeikamen.
(Fortsetzung folgt.)